Strafrecht

Arbeitnehmer, Insolvenzverfahren, Angeklagte, Freiheitsstrafe, Strafzumessung, Sozialversicherung, Gesamtfreiheitsstrafe, Insolvenzmasse, Angeklagten, Wohnung, Creditor, Beihilfe, Anklage, Anspruch

Aktenzeichen  46 Ls 502 Js 1046/19

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40547
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I.
1. Der Angeklagte … ist schuldig des vorsätzlichen Bankrotts in 13 Fällen.
2. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
3. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
4. Ein Betrag in Höhe von 61.805,02 EUR wird als Wertersatz eingezogen. Der Angeklagte haftet mit der Angeklagten … als Gesamtschuldner.
II.
1. Die Angeklagte … ist schuldig der Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in 13 Fällen.
2. Sie wird deswegen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt.
3. Der Angeklagten wird gestattet, die erkannte Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 100,00 EUR zu zahlen. Die Rate ist jeweils am Ersten eines Monats fällig, beginnend am Ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats. Bleibt der Angeklagte mit einer Rate ganz oder teilweise mehr als zwei Wochen im Rückstand, wird die gesamte Restgeldstrafe zur Zahlung fällig.
4. Ein Betrag in Höhe von 61.805,02 EUR wird als Wertersatz eingezogen. Die Angeklagte haftet mit dem Angeklagten … als Gesamtschuldnerin.
III.
1. Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 283 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6, 27, 28 Abs. 1, 73, 73 c StGB

Gründe

I.
1. Der geständige Angeklagte … ist strafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Der Angeklagte ist geschieden und derzeit beruflich als Bürohelfer tätig. Er verdient monatlich netto 450,00 EUR. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen.
Die geständige Angeklagte … ist strafrechtlich bislang ebenfalls noch nicht in Erscheinung getreten. Die Angeklagte ist ledig und beruflich als Servicekraft und Vermögensberaterin tätig. Sie verdient monatlich netto 1.170,00 EUR. Sie hat keine Unterhaltsverpflichtungen.
2. Der Angeklagte … war seit 2015 Inhaber eines Einzelunternehmens mit Sitz am … … in …. Das Unternehmen war im Transportgewerbe tätig. Daneben war er von März bis September 2018 als selbstständiger Gastwirt tätig. Am 21.12.2018 meldete er sein Gewerbe in Bezug auf beide Tätigkeiten ab.
Die Angeklagte … ist die Lebensgefährtin des Angeklagten … und teilt mit diesem eine Wohnung an der Anschrift … in …. Zudem ist sie als Vermögensberaterin für den Angeklagten … tätig.
Spätestens seit dem 01.10.2018 war der Angeklagte … nicht mehr in der Lage, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
– Ab Juni 2018 wurden Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung bei der … nicht mehr bezahlt, ab September 2018 wurden die Beiträge auch bei der … nicht mehr beglichen.
– Im September, November und Dezember 2018 gingen Gerichtsvollzieheraufträge ein, die erfolglos verliefen.
– Ab Oktober 2018 konnten Löhne der Mitarbeiter des Transportunternehmens nicht mehr bezahlt werden.
– Das Finanzamt … gewährte dem Angeklagten … aufgrund bestehender Steuerverbindlichkeiten am 06.06.2018 zunächst einen Vollstreckungsaufschub mit Ratenzahlung. Nachdem der Angeklagte weder Raten noch laufende Steuern bezahlte, wurde der Vollstreckungsaufschub am 20.09.2018 schriftlich widerrufen und das Vollstreckungsverfahren wiederaufgenommen. Am 25.10.2018 erfolgten Kontenpfändungen des Finanzamtes aufgrund von Steuerrückständen des Angeklagten in Höhe von 139.399,72 EUR. Von den Verbindlichkeiten konnten lediglich 317,37 EUR beglichen werden.
– Am 06.11.2018 wurde das Geschäftskonto des Angeklagten … bei der S … wegen Geschäftsaufgabe aufgelöst.
– Der Geschäftsbetrieb der Gastwirtschaft wurde bereits Ende September 2018 beendet.
– Ende November 2018 gab der Angeklagte schließlich seine selbstständige Tätigkeit als Transportunternehmer auf.
Sowohl dem Angeklagten … als auch der Angeklagten … waren diese Umstände bekannt.
Am 16.10.2018 eröffnete die Angeklagte … ein Konto bei der S mit der IBAN DE…. Am 17.10.2018 wurde dem Angeklagten … die Verfügungsbefugnis über dieses Konto eingeräumt.
In der Folgezeit teilte der Angeklagte … seinen Kunden sowie sonstigen Schuldnern mit, dass sich seine Kontoverbindung geändert habe und sie die ihm geschuldeten Geldbeträge nunmehr auf das oben genannte Konto bei der S überweisen sollten.
Durch die Nutzung des Kontos der Angeklagten … entzog der Angeklagte … im Zeitraum vom 13.11.2018 bis 28.12.2018 Bestandteile seines Vermögens der Kenntnis seiner Gläubiger. Ziel war es, die dort eingehenden Geldbeträge einem drohenden Insolvenzverfahren zu entziehen und für sich zu verbrauchen, obwohl der Angeklagte … wusste, dass er auf die Gelder bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keinerlei Anspruch hatte. Diese Umstände waren auch der Angeklagten … bekannt.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Zahlungseingänge:
Datum
Betrag
Debitor Name
Creditor Name
Verwendungszweck
1
13.11.2018
10.628,01 €
H

18
2
13.11.2018
9.155,12 €
H

17
3
15.11.2018
9.615,81 €
A GmbH

Gutschriftsnr. 39 abz. Re. 1597 Abz. 0000 Euro Bar
4
16.11.2018
735,80 €
Y GmbH
Gaststaette … Inh. …
8115330010 Strom
5
27.11.2018
74,00 €
B

… KFZ-Steuer-Erstattung
6
27.11.2018
23,00 €
B


KFZ-Steuer-Erstattung
7
30.11.2018
10.668,62 €
H

19
8
05.12.2018
1.295,60 €
A

Rueckkauf 4.6 755 632.47
9
05.12.2018
1.367,29 €
A

Rueckkauf 4.6 752 904.61
10
17.12.2018
7.651,42 €
A

Gutschriftsnr. 69 abz. Re. 1812 Abz. 8740 Euro Bar
11
20.12.2018
10.385,35 €
H

020-18300828-809-779+877
12
20.12.2018
147,00 €
B


KFZ-Steuer-Erstattung
13
28.12.2018
58,00 €
B


KFZ-Steuer-Erstattung
Gesamt
61.805,02 €
Die vom Angeklagten … verschleierten Zahlungseingänge betragen insgesamt 61.805,02 EUR. Dieser Betrag hätte im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört.
Mit Schreiben vom 08.01.2019, bei Gericht eingegangen am 09.01.2019, beantragte der Angeklagte … beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – … Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.
In seinem Antrag und im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens verschwieg der Angeklagte … weiterhin die zu seinem Vermögen gehörenden Zahlungseingänge auf dem oben genannten Konto der Angeklagten ….
Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – … vom 11.04.2019 (IN …) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten … eröffnet.
II.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des umfassenden Geständnisses der Angeklagten, welches sich mit dem übrigen Akteninhalt deckt und den Angaben des Zeugen ….
III.
Der Angeklagte … hat sich daher wie im Tenor bezeichnet schuldig gemacht, nämlich des vorsätzlichen Bankrotts in 13 Fällen gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6, 28 Abs. 1, 73, 73 c StGB.
Die Angeklagte … hat sich wie im Tenor bezeichnet schuldig gemacht, nämlich der Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in 13 Fällen gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6, 27, 28 Abs. 1, 73, 73 c StGB.
IV.

Die Strafe bezüglich des Angeklagten … war dem Strafrahmen des § 283 Abs. 1 StGB zu entnehmen, mithin Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 5 Jahren.
Bei der Strafzumessung wurden zu Gunsten des Angeklagten folgende Umstände berücksichtigt:
– das Geständnis und die damit gezeigte Reue und Schuldeinsicht. Durch das Geständnis wurde eine weitere aufwändige Beweisaufnahme entbehrlich.
– der Umstand, dass die Taten bereits einige Zeit zurück liegen,
– der Umstand, dass keine Vorbelastungen vorliegen,
– der Umstand, dass eingehende Zahlungen zum Teil für betriebliche Ausgaben mit dem Ziel einer Fortführung des Betriebs verwendet wurden,
– der Umstand, dass durch das Scheitern des Gewerbes für den Angeklagten ein hoher persönlicher und finanzieller Druck entstanden ist.
Demgegenüber musste zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden:
– die Höhe des verursachten Schadens für die Gläubigergemeinschaft,
– das planvolle Vorgehen des Angeklagten, das auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen lässt.
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erachtet das Gericht folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
– Fälle 1, 7, 11 gemäß Anklage: je 11 Monate Freiheitsstrafe,
– Fälle 2, 3, 10: je 8 Monate Freiheitsstrafe,
– Fälle 8, 9: je 3 Monate Freiheitsstrafe,
– Fälle 4, 5, 6, 12, 13: je 1 Monat Freiheitsstrafe.
Ausgehend von diesen Einzelstrafen war nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Gesamtschadens und die Anzahl der einzelnen Fälle, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren als tat- und schuldangemessen zu bilden.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da eine günstige Sozialprognose vorliegt. Der Angeklagte hat einen festen Arbeitsplatz. Nach der Gesamtwürdigung von der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten liegen auch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor. Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe. …
Die Strafe bezüglich der Angeklagten … war zunächst dem Strafrahmen des § 283 Abs. 1 StGB zu entnehmen, mithin Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 5 Jahren, wobei gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 49 StGB je eine Strafrahmenverschiebung veranlasst war. Hiernach waren Einzelstrafen jeweils innerhalb eines endgültigen Strafrahmens ausgehend von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten zu finden.
Bei der Strafzumessung wurden zu Gunsten der Angeklagten folgende Umstände berücksichtigt:
– das Geständnis und die damit gezeigte Reue und Schuldeinsicht,
– der Umstand, dass die Taten bereits einige Zeit zurück liegen,
– der Umstand, dass keine Vorbelastungen vorliegen,
– der Umstand, dass sich die Förderungshandlung der Angeklagten … darauf beschränkte, dem Angeklagten … Zugriff auf ein Girokonto zu eröffnen.
Demgegenüber musste zu Lasten der Angeklagten die Höhe des verursachten Schadens für die Gläubigergemeinschaft berücksichtigt werden.
Ausgehend von Einzelstrafen für
– die Fälle 1, 7, 11 gemäß Anklage: je 60 Tagessätze,
– die Fälle 2, 3, 10 gemäß Anklage: je 50 Tagessätze,
– die Fälle 8, 9: je 40 Tagessätze,
– die Fälle 4, 5, 6, 12, 13: je 20 Tagessätze, war nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Gesichtspunkte eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen zu bilden.
Der Tagessatz war nach den Einkommensverhältnissen mit 40,00 EUR zu bemessen.
V.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 464, 465 StPO.
Dem Urteil ist bezüglich beider Angeklagter eine Verständigung vorausgegangen.

Verwandte Themen: , ,

Ähnliche Artikel


Nach oben