Strafrecht

Auch ein nur angelehntes Fahrzeugkennzeichen im Heckbereich eines Anhängers verwirklicht den Tatbestand des Kennzeichenmissbrauchs.

Aktenzeichen  15 Ns 704 Js 110452/20

Datum:
3.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37327
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 267 Abs. 1, § 312, § 314 Abs. 1, § 473 Abs. 4
StVG § 22

 

Leitsatz

Auch ein Fahrzeugkennzeichen, das im Heckbereich eines abgestellten Anhängers, wo es üblicherweise angebracht ist, aufgestellt bzw. angelehnt ist, um dadurch den Anschein einer ordnungsgemäßen Zulassung zu erregen, soll den Eindruck vermitteln, dass das Kennzeichen für den Anhänger ausgegeben ist. Damit wird der Tatbestand des Kennzeichenmissbrauchs gemäß § 22 StVG verwirklicht.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 Cs 704 Js 110452/20 2021-02-25 Urt AGSCHWABACH AG Schwabach

Tenor

I. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 25.02.2021 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Geldstrafe auf 20 Tagessätze zu je 15,00 € herabgesetzt wird.
II. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Schwabach hat den Angeklagten am 25.02.2021 wegen Kennzeichenmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt. Dem Urteil vorausgegangen war ein Strafbefehl des Amtsgerichts wegen desselben Sachverhalts, gegen den der Angeklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, so es zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung gekommen war.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 02.03.2021, eingegangen bei dem Amtsgericht Schwabach an demselben Tag, Berufung eingelegt.
Die Berufung des Angeklagten ist gemäß § 312 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht gemäß § 314 Abs. 1 StPO eingelegt.
In der Sache selbst war der Berufung des Angeklagten nur dahingehend Erfolg beschieden, dass die Tagessatzhöhe auf 15,00 € zu reduzieren war.
II.
Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten:
Der mittlerweile 41 Jahre alte Angeklagte wurde in Rumänien geboren, wo er auch aufgewachsen ist und lebte, ehe er vor etwa 7 Jahren nach Deutschland kam, wo er seither wohnhaft ist. Der Angeklagte ist geschieden und hat eine neue Lebensgefährtin. Er hat drei Kinder im Alter von 19, 12 und 7 Jahren, die im Haushalt der Mutter in Bad Kissingen leben.
Von Beruf ist der Angeklagte Busfahrer. Seinen Angaben zufolge hatte er in der Vergangenheit in diesem Beruf u.a. bei der Stadt Schwabach gearbeitet. Gegenwärtig ist der Angeklagte aber arbeitslos. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er seit August des letzten Jahres mit Arbeitslosengeld II Leistungen. Schulden hat der Angeklagte angabegemäß keine.
Der Angeklagte ist nicht vorgeahndet. Sein vorliegender Auszug aus dem Bundeszentralregister ist ohne jeden Eintrag.
In dem Auszug aus dem Fahreignungsregister befinden sich hingegen mehrere Eintragungen, u.a. wegen Geschwindigkeits- und Handyverstößen vom 26.09.2018, 15.01.2020, 06.04.2020 und 15.10.2020.
III.
Die Straftat des Angeklagten:
Am 14.07.2020 um 17.20 Uhr wurde im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle in der O´Brianstraße in 9..1126 Schwabach der Kfz-Anhänger des Angeklagten festgestellt, der auf dem dortigen Parkstreifen abgestellt. Bei dem Anhänger handelt es sich um einen Anhänger der Marke Anssems mit Tandemachse mit der Fahrgestellnummer XLJ000000084L0xxx, der für den Transport von PKW vorgesehen ist. Im Heckbereich des Anhängers war an der Stelle, wo üblicherweise das Kennzeichen angebracht ist, das ehedem für den BMW der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten ausgegebene und bereits abgelaufene Ausfuhrkennzeichen SC – 223 J (gültig gewesen bis 06.09.2019) dergestalt aufgestellt, ohne verschraubt oder sonstwie befestigt zu sein, dass es den Eindruck erweckte, der Anhänger wäre für den öffentlichen Verkehr ordnungsgemäß zugelassen. Tatsächlich war der Anhänger aber nicht zugelassen.
Entweder hatte der Angeklagte das vorgenannte Kennzeichen an den Anhänger, den er bereits am 08.09.2017 erworben hatte, zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 14.07.2020 um 17.20 Uhr, in der Kenntnis angebracht, dass es nicht für den Anhänger ausgegeben war oder er hatte in dieser Kenntnis am 14.07.2020 um 17.20 Uhr von dem falsch gekennzeichneten Kraftfahrzeug Gebrauch gemacht.
Der Angeklagte handelte dabei in der rechtswidrigen Absicht, die ordnungsgemäße Zulassung des tatsächlich nicht zugelassenen Anhängers vorzuspiegeln.
IV. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben sowie den in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Auszügen aus dem Bundeszentralsowie dem Fahreignungsregister. Die Eintragungen im Fahreignungsregister hat der Angeklagte als zutreffend erkannt.
Hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Tat ist der Angeklagte nicht geständig. Den Tatvorwurf hat er mit Stellungnahme seines Verteidigers „mit Nachdruck“ bestritten. Das Pkw-Kennzeichen hätte er nicht an den Anhänger angelegt gehabt. Vielmehr hätte sich das Kennzeichen auf der Ladefläche des Anhängers befunden gehabt. Weitere Ausführungen zum Tatvorwurf hat der Angeklagte ausdrücklich abgelehnt. Zum Beweis dafür hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung über seinen Verteidiger den Ausdruck eines Lichtbilds vorgelegt, aus dem zu ersehen ist, dass auf der Ladefläche das Ausfuhrkennzeichen SC – 233 J liegt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann es indessen keinen Zweifel unterliegen, dass der Angeklagte sich des Kennzeichenmissbrauchs gemäß § 22 StVG schuldig gemacht hat.
Der Zeuge PHM Pfeiffer hat angegeben, dass er im Juli des vergangenen Jahres in der O’Brianstraße in Schwabach einen Pkw-Anhänger mit einem Ausfuhrkennzeichen festgestellt gehabt hätte. Nachdem die Gültigkeitsdauer dieses Ausfuhrkennzeichens bereits abgelaufen gewesen wäre, wäre er, Pfeiffer, zunächst von einer bloßen Ordnungswidrigkeit nach dem Bayer. Straßen- und Wegegesetz ausgegangen. Auf eine Anfrage bei der Zulassungsstelle der Stadt Schwabach hin hätte er aber erfahren, dass das an dem Anhänger festgestellte Kennzeichen auf einen BMW zugelassen gewesen wäre. Erst aufgrund dieser Auskunft wäre er von einer Straftat des Kennzeichenmissbrauchs ausgegangen. Anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer, die auf der Deichsel des Anhängers angebracht gewesen wäre, hätte er ermitteln können, dass ein gewisser Gerhard Müller aus Schwabach ehemaliger Halter des Anhängers gewesen wäre. Nach Rücksprache mit diesem hätte er in Erfahrung gebracht, dass der Anhänger schon vor Jahren an den Angeklagten verkauft worden wäre. Nach Erhalt der besagten Verkaufsvereinbarung sowie einer Kopie des Führerscheins des Angeklagten, die der damalige Verkäufer des Anhängers gefertigt hatte, hätte er, Pfeiffer, den Angeklagten telefonisch kontaktiert. Der Angeklagte hätte hierbei auch eingeräumt, Eigentümer des Anhängers zu sein. Nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung hätte der Angeklagte um Übersendung eines Äußerungsbogens gebeten, diesen aber nach Erhalt nicht mehr zurückgesandt. Das Ausfuhrkennzeichen wäre auf eine gewisse Frau S. ausgegeben gewesen, wobei es sich um die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten gehandelt hätte, die aber den Angaben des Angeklagten zufolge bereits ausgereist gewesen wäre. Er, Pfeiffer, hätte von dem Anhänger am 03.08.2020 mehrere Lichtbilder gemacht. Der Anhänger wäre in der Folgezeit zunächst nicht entfernt worden. Erst am 13.09.2020 wäre schließlich festgestellt worden, dass der Anhänger nicht mehr auf dem Parkstreifen geparkt gewesen wäre.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte das hintere Ausfuhrkennzeichen des BMW seiner ehemaligen Lebensgefährtin entweder selbst oder mit seiner Zustimmung durch einen Dritten an dem Heck des Anhängers durch Aufstellen angebracht hatte, um den Eindruck zu vermitteln, dass der Anhänger ordnungsgemäß zugelassen gewesen wäre, was indessen nicht der Fall war.
Seine Überzeugung stützt die Kammer auf die völlig glaubhaften Angaben des einvernommenen Zeugen PHM Pfeiffer. Dieser hat ruhig und ohne jeglichen Belastungseifer ausgesagt, dass ihm anlässlich einer Streifenfahrt der Anhänger, der in der O’Brianstraße in Schwabach mit einem abgelaufenen Ausfuhrkennzeichen abgestellt war, aufgefallen wäre. Es steht zunächst fest, dass der Angeklagte der Eigentümer des besagten Anhängers war. Dies ergibt sich neben der in der Berufungshauptverhandlung verlesenen sogenannten „Verkaufsvereinbarung“ des Angeklagten mit dem ehemaligen Eigentümer Gerhard Müller sowie aus den glaubhaften Angaben des Zeugen P.. Es ist auch evident, dass entweder der Angeklagte oder jedenfalls ein Dritter im Einvernehmen mit dem Angeklagten das Ausfuhrkennzeichen für den BMW an das Heck des Anhängers derart drapiert hatte, dass der Eindruck vermittelt wurde, dass das Kennzeichen für den Anhänger ausgegeben worden wäre. Als Halter des Anhängers hatte der Angeklagte ersichtlich ein erhebliches Interesse daran, dass der nicht zugelassene Anhänger nicht abgeschleppt werden würde. Der Zeuge P. hat insoweit angegeben, dass die Stadt Schwabach bei nicht zugelassenen Anhängern im öffentlichen Straßenverkehr „sehr dahinter her sei“, dass diese zeitnah entfernt würden. Infolgedessen hatte der Angeklagte fraglos ein Interesse dahingehend, dass der Anschein einer ordnungsgemäßen Zulassung jedenfalls für den flüchtigen Beobachter vermittelt werden würde. Soweit der Angeklagte glauben machen will, er hätte nach Abmontierung der Kennzeichen an dem BMW das Kennzeichen auf der Ladefläche des Anhängers belassen, erschließt sich schon nicht, weshalb der Angeklagte die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer völlig wertlosen Kennzeichen überhaupt auf der Ladefläche und noch dazu nur das hintere Kennzeichen des BMW hinterlassen hatte. Dass – so die Einlassung des Angeklagten in erster Instanz – möglicherweise spielende Kinder oder sonstige Dritte das Kennzeichen des BMW im Heckbereich des Anhängers aufgestellt gehabt hätten, ist ganz offensichtlich eine Schutzbehauptung. Dies erschließt sich auch daraus, dass der Angeklagte nach seiner polizeilichen telefonischen Anhörung weder das Kennzeichen an dem Anhänger noch den Anhänger zeitnah entfernt hatte. Erst Mitte September des Jahres 2020 konnte der Zeuge P. feststellen, dass der Anhänger endlich entfernt worden war. Ohnehin erschließt sich nicht, wie der Angeklagte überhaupt dazu kommt, einen nicht zugelassenen Anhänger wochenlang im öffentlichen Straßenverkehr abzustellen.
Soweit der Angeklagte zum Beweis dafür, dass sich das Kennzeichen auf der Ladefläche des Anhängers befunden hätte, den Ausdruck eines Lichtbilds vorgelegt hat, kann er damit nur belegen, dass sich das Kennzeichen zum Zeitpunkt der Aufnahme auf der Ladefläche befunden hatte. Der Angeklagte wollte oder konnte schon nicht angeben, wann denn die Aufnahme überhaupt gefertigt worden war, so dass dem Lichtbild keinerlei Beweiswert zukommt, zumal das Kennzeichen jederzeit und ohne Aufwand von dem Heckbereich, wo es nur aufgestellt war, entfernt werden konnte.
Dass das Kennzeichen im Heckbereich, wo es üblicherweise angebracht war, aufgestellt bzw. angelehnt war, um dadurch den Anschein einer ordnungsgemäßen Zulassung zu erregen, entnimmt die Kammer neben den Ausführungen des Zeugen P. den von ihm gefertigten Lichtbildern. Diese zeigen den auf dem Parkstreifen abgestellten Anhänger mit dem im Heckbereich aufgestellten Kennzeichen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen. Für einen vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer war nicht oder allenfalls kaum erkennbar, dass das Kennzeichen nur aufgestellt und nicht am Heck befestigt war. Auch wurde der Eindruck vermittelt, dass das Kennzeichen für den Anhänger ausgegeben ist.
Soweit die Verteidigung bemängelt, dass die Polizei das Kennzeichen nicht sichergestellt und auf Fingerspuren untersucht hatte, kann dem nicht gefolgt werden. Der ermittelnde Polizeibeamte hat die erforderlichen Ermittlungen getätigt. Im Nachhinein kann das Kennzeichen im Übrigen schon deshalb nicht auf etwaige Fingerspuren untersucht werden, da es mittlerweile „abhanden“ gekommen ist. Eine daktyloskopische Untersuchung hätte auch keinen Erkenntnisgewinn gebracht, da davon auszugehen wäre, dass jedenfalls auch die Fingerabdrücke des Angeklagten auf dem Kennzeichen vorhanden waren, nachdem er es war, der die Kennzeichen des BMW seiner damaligen Lebensgefährtin abmontiert hatte.
Der erstinstanzliche Schuldspruch des Amtsgerichts Schwabach war daher zu bestätigen.
V.
Bei Kennzeichenmissbrauch beläuft sich der Strafrahmen gemäß § 22 Abs. 1 StVG auf Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr.
Nachdem der Angeklagte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist, ist es ersichtlich ausreichend, auf ihn mittels einer maßvollen Geldstrafe einzuwirken. Im Rahmen der Strafzumessung war zunächst zu berücksichtigen, dass der Angeklagte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist. Andererseits kann nicht verkannt werden, dass der Angeklagte im Straßenverkehr bereits mehrfach und in verhältnismäßig kurzer Abfolge auffällig geworden war. Zu einem Geständnis, das trotz der aus Sicht der Kammer erdrückenden Beweislast schuldmindernd gewirkt hätte, konnte sich der Angeklagte jedenfalls nicht durchringen.
Die von dem Erstgericht erkannte Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen erachtet die Kammer als in jeder Hinsicht tat- und schuldangemessen. Nachdem der Angeklagte gegenwärtig beschäftigungslos ist und seinen Lebensunterhalt mit ALG II Leistungen bestreitet, war indessen die Tagessatzhöhe auf 15,00 € herabzusetzen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Angeklagten aufzuerlegen. Zwar hatte seine Berufung im Ergebnis einen nicht unerheblichen Erfolg, nachdem die Tagessatzhöhe erheblich verringert werden konnte. Dies beruhte aber allein auf dem Umstand, dass der Angeklagte nunmehr erstmals angegeben hatte, bereits seit August des vergangenen Jahres über ALG II Leistungen zu verfügen. Hätte er dies bereits erstinstanzlich angegeben gehabt bzw. durch seine Verteidigerin vortragen lassen, wäre bereits seinerzeit die Tagessatzhöhe herabgesetzt worden. Infolgedessen wäre es unbillig im Sinne des § 473 Abs. 4 StPO, die Berufungsgebühr herabzusetzen.

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