Strafrecht

Aussetzung eines Disziplinarverfahrens; Fristsetzung auf Antrag des Beamten

Aktenzeichen  15 B 1/22 MD

Datum:
1.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 15. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0401.15B1.22MD.00
Normen:
§ 60 Abs 1 S 1 DG ST 2006
§ 60 Abs 3 DG ST 2006
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Wird ein behördliches Disziplinarverfahren nach Ablauf der vom Gesetzgeber in § 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA (juris: DG ST 2006) vorgesehenen 6-monatigen Bearbeitungszeit wegen strafrechtlicher Ermittlungen nach § 60 Abs. 3 DG LSA (juris: DG ST 2006) ausgesetzt, ist bei einem Antrag auf Fristsetzung nach § 60 DG LSA (juris: DG ST 2006) der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Aussetzung zu prüfen und ob die Aussetzung ermessensgerecht vorgenommen wurde.(Rn.2)
(Rn.10)
(Rn.19)

Tenor

Der Antrag auf Fristsetzung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist unbegründet.
§ 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA bestimmt, dass „der Beamte beim Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen“ kann, wenn „ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einleitung durch Erlass einer Einstellungsverfügung oder Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden“ ist. Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss vor, ist der Antrag abzulehnen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 DG LSA).
Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens vor, so dass eine gerichtliche Fristsetzung nicht geboten ist.
1.) Die gerichtliche Fristsetzung dient der Beachtung des dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebotes (§ 4 DG LSA). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist die Frage des zureichenden Grundes für den fehlenden Abschuss des behördlichen Disziplinarverfahrens. Dies entspricht inhaltlich der unangemessenen Verzögerung, die sprachlich treffender ist (Köhler in: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, Kommentar, 7. Auflage 2021, § 62 BDG Rdnr. 10). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Verzögerung, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Gericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.
Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch den bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch die konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Das Verfahren nach § 60 DG LSA zielt nicht darauf ab, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Dies würde in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die – auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen – tatsächlich erfolgten Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin, in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den Urlaubs- oder Krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung.
Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens gesorgt haben. So ist der Ermittlungsführer zur Aufbietung all seiner Kräfte und seiner Zeit zur vorrangigen Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet. Die Einleitungsbehörde muss dafür sorgen, dass er nach Bedarf so weit von den Aufgaben seines Hauptamtes freigestellt wird, dass er sich mit Vorrang den behördlichen Ermittlungen widmen kann (ständige Rechtsprechung der Kammer; vgl. nur: VG Magdeburg, B. v. 13.12.2021, 15 B 17/21; B. v. 06.08.2018 – 15 B 21/18 -, juris, Rdnr. 15 m. w. N.). Ebenso muss die Einleitungsbehörde qualitativ und quantitativ personell ausgestattet sein. Eine sachgerechte Organisation der Verwaltungsabläufe muss gewährleistet sein (ständige Rechtsprechung der Kammer; vgl. zum Ganzen nur: BVerwG, Beschluss v. 11.08.2009, 2 AV 3.09; VG Magdeburg, Beschlüsse v. 21.12.2020, 15 B 23/20 und 15 B 21/20; v. 08.01.2018, 15 B 27/17; v. 16.5.2018, 15 B 5/18; v. 30.01.2014, 8 A 22/13; v. 15.01.2014, 8 A 20/13; v. 28.03.2012, 8 A 2/12; v. 21.03.2013, 8 A 4/13; v. 26.11.2013, 8 A 18/13; zuletzt: VG Magdeburg, Beschluss v. 09.03.2021, 15 B 1/21; B v. 13.12.2021, 15 B 17/21; alle juris; jeweils mit w. Nachw.)
Die Vorschrift steht damit in einem Spannungsverhältnis zu der gleichfalls bestehenden Pflicht, den disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln (§§ 21 ff. DG LSA) und dem Beamten, gegen den ermittelt wird, die Möglichkeit zur Äußerung zu geben (§ 30 DG LSA). Gestalten sich die Ermittlungen schwierig oder umfangreich, so lässt sich die Bearbeitungsfrist nicht einhalten, ohne die Aufklärungs- und die Anhörungspflicht zu verletzten (BVerwG, Beschluss v. 11.08.2009, 2 AV 3.09; juris). Darüber hinaus sind vom Disziplinargesetz vorgesehene behördeninterne Beteiligungen und Zustimmungen (vgl. §§ 35, 76 DG LSA) zu beachten.
Die gesetzliche Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens in § 60 Abs. 1 DG LSA ist Ausdruck des das Disziplinarrecht beherrschenden Beschleunigungsgrundsatzes und soll die für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde veranlassen, das Verfahren ohne unangemessene Verzögerungen durchzuführen. Das Gesetz soll die Behörde insbesondere daran hindern, nach der Einleitung des Verfahrens untätig zu bleiben (vgl. zum Ganzen ständige Rechtsprechung der Kammer: zuletzt nur: Beschluss v. 13.12.2021, 15 B 17/21; Beschlüsse v. 21.12.2020, 15 B 23/20 und 15 B 21/20; Beschluss v. 09.03.2021, 15 B 1/21, alle juris).
2.) Gemessen an diesen Voraussetzungen kann vorliegend nicht von einer – schuldhaften – verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden.
Die Beurteilung der verzögerten Bearbeitung des Disziplinarverfahrens hat sich an dem Zeitpunkt der Aussetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens zu orientieren. Denn durch die Aussetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens am 18.10.2021 ist das behördliche Disziplinarverfahren mit dem Sach- und Streitstand zu diesem Zeitpunkt „eingefroren“ worden. Von einer schuldhaften verzögerten Bearbeitung kann bis dato nicht ausgegangen werden (a.) und auch die Aussetzung ist rechtmäßig erfolgt, dient nicht der Verzögerung und bequemen verfahrensmäßigen Erledigung des Disziplinarverfahrens (b.) und führt somit nicht zu einer gerichtlichen Fristsetzung:
a.) Die Antragstellerin ist als verbeamtete Professorin für Baustoffkunde im Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Der Fachbereich betreibt eine VMPA-Prüfstelle für Betonprüfungen, die von der Antragstellerin geleitet wird. Mit der disziplinarrechtlichen Einleitungsverfügung vom 23.04.2021 wird der Antragstellerin disziplinarrechtlich zur Last gelegt, mit der Firma „M.“ zusammengearbeitet und die „VMPA-Prüfstelle“ für Aufträge des „M.“ genutzt zu haben, ohne diese Tätigkeit als Nebentätigkeit gegenüber der Antragsgegnerin anzuzeigen.
Mit Verfügung vom 06.08.2021 wurde das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf ausgedehnt, es unterlassen zu haben, Laborbücher und eine Dokumentation für die Prüfstelle zu führen. Nachdem unter dem 12.08.2021 Strafanzeige gegen die Antragstellerin gestellt wurde, setzte der Antragsgegner mit Verfügung vom 18.10.2021 das Disziplinarverfahren nach § 22 Abs. 3 DG LSA aus.
Nach der Einleitung des Verfahrens am 23.04.2021 äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin unter dem 25.05.2021, woraufhin die Ermittlungsführerin am 17.06.2021 einen „Fragenkatalog“ an den Prozessbevollmächtigten sandte, weil der Sachverhalt nach dessen Einlassung „nicht zu Genüge geklärt“ sei. Zwar ist der Antragstellerin insoweit Recht zu geben, dass es „nicht ihre Aufgabe ist, ihre Unschuld zu beweisen bzw. einen bestimmten Anschein zu entkräften“ und die Ermittlungsarbeit der Behörde zu übernehmen. Dabei diente aber gerade dieser „Fragenkatalog“ der „Aufklärung des Sachverhalts“ und der Möglichkeit der Antragstellerin, daran in ihrem Sinne mitzuwirken. Dass die Antragstellerin nicht zur „Mitarbeit“ und schon gar nicht zur Selbstbelastung verpflichtet ist, ändert nichts daran, dass diese Ermittlungsarbeit ein legitimes Mittel zur notwendigen Sachverhaltsaufklärung der Ermittlungsführerin darstellte. Von einer „Übernahme der Ermittlungstätigkeit“ seitens der Antragstellerin kann keine Rede sein. Allerdings hat die Ermittlungsführerin mit ihrer E-Mail vom 29.07.2021 an die Antragstellerin zu einem Treffen ohne Beteiligung des Prozessbevollmächtigten ihre Kompetenzen unter Umgehung der Verfahrensrechte der Antragstellerin überschritten. Denn insoweit ist zweifelhaft, ob die Antragstellerin zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 14 Abs. 3 Satz 2 VwVfG). Jedenfalls hätte der Prozessvertreter als Bevollmächtigter informiert werden müssen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG). Gleichwohl führt dieses Vorgehen nicht zu einer nennenswerten Verzögerung in der Bearbeitung; zeigt dies doch eher die – oft zu beobachtende – Unerfahrenheit der Ermittlungsführerin in der Bearbeitung disziplinarrechtlicher Angelegenheiten. Nach der Ausdehnung des behördlichen Disziplinarverfahrens am 06.08.2021 schloss sich weiterer Schriftverkehr zwischen den Beteiligten an. Von einem Stillstand der Ermittlungen kann daher nicht ausgegangen werden. Unter dem 11.10.2021 ist eine Zeugenvernehmung für den 13.10.2021 angesetzt worden, die wohl auch durchgeführt wurde. Jedenfalls ist das Disziplinarverfahren dann am 18.10.2021 nach § 22 Abs. 3 DG LSA wegen der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt worden, woraufhin die Antragstellerin am 12.01.2022 den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung stellte.
b.) Die Aussetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gegen diese Entscheidung der Behörde sieht das DG LSA im Gegensatz zu der Vorgängerreglung in § 16 Abs. 4 DO LSA kein eigenständiges Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf vor (VG Magdeburg, Urteil vom 05. Oktober 2009 – 8 B 16/09 –, Rn. 10, juris). Ebenso wie die in § 60 Abs. 1 Satz 2 DG LSA geregelte Fristhemmung bei der Berechnung der 6monatigen Bearbeitungszeit als Zulässigkeitsvoraussetzung für den gerichtlichen Fristsetzungsantrag, ist im Fall einer behördlichen Aussetzung bei einem gerichtlichen Antrag nach § 60 DG LSA inzident zu prüfen, ob die Aussetzung rechtmäßig erfolgte. Anders gewendet: nur wenn die Aussetzung rechtswidrig und nicht am Sinn und Zweck des Disziplinarrechts orientiert erfolgt, kann die dadurch vertane Zeit nicht zu Gunsten der Einleitungsbehörde wirken.
Entscheidend muss daher sein, ob die Besonderheiten, welche zu einer Aussetzung des anhängigen Disziplinarverfahrens aufgrund der Abhängigkeit von einem anderen „geordneten Verfahren“ führen, mit dem Beschleunigungsgrundsatz nach § 4 DG LSA in Vereinbarung zu bringen sind oder ob es einer gerichtlichen Fristbestimmung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 DG LSA wegen nicht hinreichender Förderung des Disziplinarverfahrens durch die Behörde bedarf. Insoweit kann die (frühere) Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Aussetzung eines disziplinarrechtlichen Verfahrens herangezogen werden.
§ 22 Abs. 3 DG LSA sieht vor, dass das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden kann, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Dabei ist auch unerheblich, ob diese anderen „geordneten Verfahren“ gegen den Beamten selbst oder gegen andere Personen geführt werden (VG Magdeburg, Urteil v. 05.10.2009, 8 B 16/09; juris). Die Vorschrift ist wortgleich mit der früheren Regelung in § 16 Abs. 2 DO LSA (und § 17 Abs. 2 BDO). Neben der in § 22 Abs. 1 Satz 1 DG LSA genannten und zur Aussetzung führenden Erhebung der öffentlichen Klage im Strafverfahren sind grundsätzlich ein anderes staatsanwaltschaftliches oder disziplinarrechtliches Ermittlungsverfahren ein „anderes gesetzlich geordnetes Verfahren“ im Sinne dieser Vorschrift. Ebenso sonstige behördliche fachaufsichts- oder –gerichtliche Verfahren. Es handelt sich um Verfahren, welche durch die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnungen, Gesetze oder des Disziplinargesetzes geregelt sind. Eine wesentliche Bedeutung ist anzunehmen, wenn das andere Verfahren für das Disziplinarverfahren „förderlich“, d. h. „vorgreiflich“ ist (GKÖD-Weiss, Kommentar zur BDO, § 17 RdNr. 20 ff.; BVerwG, Beschluss vom 15.06.1994, 1 DB 33/93; BFH, Beschluss vom 25.01.1994, VIII B 103/93; VG Meiningen, Beschluss vom 20.09.2001, 6 D 60009/01.Me; alle juris). Hierbei kann es sich grundsätzlich um Tat- oder Rechtsfragen handeln. Dies ist etwa dann gegeben, wenn eine Aufklärung des Dienstvergehens oder dessen Teilaspekte, wie Tatbestandmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Verschulden oder Schuldunfähigkeit des Beamten aufgrund anderer Ermittlungen in anderen geordneten Verfahren zu erwarten sind.
Die Aussetzung des Disziplinarverfahrens dient grundsätzlich dem Zweck, widersprüchliche Entscheidungen in einem Straf- oder einem sonstigen fachgerichtlichen oder einem berufsständischen Verfahren einerseits und dem Disziplinarverfahren andererseits zu vermeiden. Darüber hinaus sprechen die besseren Möglichkeiten der Sachaufklärung und die dortigen fachspezifischen Kenntnisse für den Vorrang dieser Verfahren. Dementsprechend besteht bezüglich der tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil eines – vorherigen – rechtskräftigen Straf-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren (§ 23 Abs. 1, § 54 Abs. 1 DG LSA) bzw. die Feststellungen in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren können der Entscheidung im Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden (§ 23 Abs. 2; § 54 Abs. 2 DG LSA).
Hier ist die strafrechtliche Aufklärung der Nutzung der „VMPA-Prüfstelle“ und deren Geräte unter Heranziehung des Hochschulpersonals für Aufträge des „M.“, um sich oder einem Dritten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, zugleich für das Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung. Es handelt sich daher bei der Aussetzung zum Abwarten dieser strafrechtlichen Entscheidungen nicht um eine „vorgeschobene“ Entscheidung, um eine verfahrensmäßige bequeme Erledigung des Disziplinarverfahrens herbeizuführen (vgl. VG Lüneburg, Beschuss v. 06.11.2020, 10 E 1/20; VG Wiesbaden, Beschl. v. 25.06.2012, 25 L 248/12.WI.D; beide juris).
Die Aussetzungsentscheidung ist auch ermessensfehlerfrei zustande gekommen. Denn die Behörde hat ihr diesbezügliches Ermessen gesehen und die Gründe auf jeden Fall in rechtlich zulässiger Weise in dem Schriftsatz an das Gericht vom 02.02.2022 weiter ausgeführt. Dass die der Aussetzung zugrundeliegende Strafanzeige bereits im August 2021 erstattet wurde, steht der Aussetzungsentscheidung (erst) im Oktober 2021 nicht entgegen. Denn insoweit erläutert die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 02.02.2022 zutreffend, dass die Ermittlungsführerin zunächst bestrebt war, das Verfahren durch eigene Ermittlungen voranzutreiben.
Daher sieht das Gericht keinen Anlass, aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls hier eine gerichtliche Fristsetzung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 DG LSA vorzunehmen.
3.) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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