Strafrecht

Begründungsumfang bei Zweifeln an der Fahreignung – Kein Nachschieben von Gründen im Prozess

Aktenzeichen  11 CS 17.1066

Datum:
5.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6
FeV FeV § 11 Abs. 6 S. 2, Abs. 7, Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 46 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Zu den Anforderungen an die Beibringungsaufforderung gehört die Darlegung der Gründe für die Zweifel an der Fahreignung (§ 11 Abs. 6 S. 2 FeV). Dies soll es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Er muss der Aufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung rechtfertigen kann. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anforderungen können weder durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe, noch kann eine mangelhafte Aufforderung dadurch „geheilt“ werden, dass die Behörde im Gerichtsverfahren darlegt, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (Anschluss BVerwG BeckRS 2001, 30191412). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Fahrerlaubnisbehörde kann eine in der Gutachtensanforderung angegebene, jedoch nicht einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufforderung nach Bescheiderlass nicht mehr durch die zutreffende Befugnisnorm ersetzen (Fortführung BayVGH BeckRS 2010, 55410). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 S 17.1003 2017-05-08 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins.
Dem Antragsteller wurde am 16. August 2010 nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, L, M und S erteilt. Zuvor hatten ihm das Amtsgericht P. mit Urteil vom 19. März 2003 die Fahrerlaubnis wegen einer strafbaren Trunkenheitsfahrt entzogen und das Landratsamt P. mit Bescheid vom 19. August 2009 das Recht aberkannt, von einer tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen.
Die Kriminalpolizeiinspektion P. teilte der zum damaligen Zeitpunkt noch zuständigen Fahrerlaubnisbehörde (Landratsamt P.) mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 mit, bei einer Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 27. Oktober 2015 seien unter anderem 0,1 g Methamphetamin, 43,8 g Marihuana, 16 Cannabissamen, eine digitale Feinwaage mit Cannabisanhaftungen und ein Druckverschlusstütchen mit kristallinen Anhaftungen gefunden worden. Bei der Beschuldigtenvernehmung gab der Antragsteller an, das Crystal auf dem Schreibtisch gehöre ihm. Es sei mal ein halbes Gramm gewesen, das er sich für das Wochenende besorgt habe. Das Marihuana habe er selbst angebaut. Es sei für eine andere Person bestimmt gewesen. Mit Strafbefehl vom 3. März 2016, rechtskräftig seit 24. März 2016, verurteilte das Amtsgericht Freyung den Antragsteller wegen Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe.
Das Landratsamt P. forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 2. Mai 2016 gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens auf. Zu klären sei die Frage, ob er Metamphetamin einnehme oder eingenommen habe und falls ja, in welchem Zeitraum.
Nach Umzug des Antragstellers in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts F. forderte ihn die dortige Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 9. August 2016 gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV erneut zur Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens auf. Es sei zu klären, ob er Betäubungsmittel oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnehme oder eingenommen habe, die die Fahreignung ausschließen; falls ja, in welchem Zeitraum und um welche Betäubungsmittel es sich handele und bei Cannabis, ob regelmäßiger Konsum bestehe oder bestanden habe. Die Anordnung des Landratsamts P. vom 2. Mai 2016 sei als gegenstandslos zu betrachten. Das Gutachten sei bis 10. Oktober 2016 vorzulegen. Eine etwaige Einnahme von Betäubungsmitteln sei mit mehreren (mindestens zwei) forensisch gesicherten polytoxikologischen Untersuchungen des Urins mit kurzfristiger Einbestellung zu klären.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 25. Oktober 2016 reichte der Antragsteller ein Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 13. Oktober 2016 (Absendedatum) ein. Danach habe der Antragsteller Betäubungsmittel (Cannabis) oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe eingenommen, die die Fahreignung ausschließen. Er habe in der Zeit von 2000 bis 2009 teilweise vier bis fünf Mal pro Woche Cannabis konsumiert. Damit liege eine regelmäßige Einnahme von Cannabis über einen längeren Zeitraum vor. Ob der Antragsteller weitere Drogen eingenommen habe, könne derzeit nicht abschließend beantwortet werden, da die Durchführung einer zweiten Urinanalyse aufgrund des Ablaufs der von der Fahrerlaubnisbehörde gesetzten Frist nicht möglich gewesen sei und die Fahrerlaubnisbehörde um Rücksendung der Akten gebeten habe. Die erste Urinprobe vom 5. Oktober 2016 habe keinen Nachweis einer der untersuchten Substanzen (Amphetamine, Benzodiazepine, Cannabinoide, Cocain-Metabolit, Methadon-Metabolit und Opiate) erbracht.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2017 entzog das Landratsamt F. dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1), forderte ihn unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgelds zur Ablieferung des Führerscheins auf (Nrn. 2 und 3) und ordnete hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins die sofortige Vollziehung an (Nr. 4). Der Antragsteller habe innerhalb der gesetzten Frist kein positives Gutachten vorgelegt. Aufgrund seiner verzögerten Benennung der Begutachtungsstelle sei eine zweite Urinanalyse vor Ablauf der Frist nicht möglich gewesen. Der Antragsteller habe der Begutachtungsstelle trotz Aufforderung auch das medizinisch-psychologische Gutachten aus dem Jahr 2010 nicht vorgelegt. Er habe daher an der Begutachtung nicht ausreichend mitgewirkt, weshalb nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen sei. Tragfähige Gründe für eine Verlängerung der Frist zur Vorlage des Gutachtens hätten nicht vorgelegen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Mit Beschluss vom 8. Mai 2017 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids wiederhergestellt und den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller unverzüglich den Führerschein wieder auszuhändigen oder einen Ersatzführerschein auszustellen. Der Schluss von der Nichtbeibringung des Gutachtens auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen sei nur gerechtfertigt, wenn die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens selbst rechtmäßig gewesen sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Der bloße Besitz von Betäubungsmitteln reiche für die Annahme einer Einnahme gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht aus. Gerechtfertigt wäre die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens in einem solchen Fall nur aufgrund der Ermessensvorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV. Bei der Feinwaage und dem Druckverschlusstütchen mit kristallinen Anhaftungen handele es sich auch nicht um typische und eindeutige Konsumutensilien. Vielmehr könnten diese Gegenstände auch für das „Portionieren“ zur Abgabe an Dritte benötigt werden. Andere Utensilien wie etwa Tabak oder eine Bong, die unmittelbar dem Konsum von Marihuana oder Cannabis dienen könnten, seien beim Antragsteller nicht gefunden worden. Auch aus dem Strafbefehl und dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Konsum. Schließlich reiche der bloße Verdacht auf Cannabiskonsum ohne zusätzliche Umstände, die auf eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs schließen ließen, nicht aus. Unabhängig davon ergebe sich aus der im Gerichtsverfahren vorgelegten Haaranalyse (Befundbericht vom 2.3.2017, Probennahme am 13.2.2017, Haarlänge 7 cm bzw. 7,5 cm), dass der Antragsteller jedenfalls im letzten halben Jahr keine Betäubungsmittel konsumiert habe, weshalb es vertretbar erscheine, ihn vorläufig wieder am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Zur Begründung der gegen diesen Beschluss eingereichten Beschwerde des Antragsgegners, der der Antragsteller entgegentritt, führt die Landesanwaltschaft Bayern im Wesentlichen aus, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zwingend anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme begründeten, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorliege. Das Verwaltungsgericht habe die rechtliche Relevanz des Metamphetamin-Funds außer Acht gelassen. Der Antragsteller habe im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 27. Oktober 2015 erklärt, das Crystal auf seinem Schreibtisch sei seins und mal ein halbes Gramm gewesen, das er sich für das Wochenende besorgt habe. Das lasse bei lebensnaher Auslegung nur den Schluss zu, dass er das Metamphetamin selbst konsumiert habe. Da Metamphetamin im Unterschied zu Cannabisprodukten ohne besondere Hilfsmittel konsumiert werde, stehe dieser Annahme auch nicht entgegen, dass beim Antragsteller keine typischen Konsumutensilien gefunden worden seien. Im Übrigen spreche der Fund lediglich eines Druckverschlusstütchens gegen einen bloßen Besitz zum Weiterveräußern. Das Verwaltungsgericht habe auch die erhebliche Menge des beim Antragsteller aufgefunden Marihuanas zu Unrecht als Indiz gegen einen Eigenkonsum gewertet. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus der hierfür zum Beleg angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (1 BvR 2062/96). Aber selbst wenn man die Erfolgsaussichten der Klage als offen ansehen wolle, wäre es bei Abwägung der gegenläufigen Interessen nicht vertretbar, den Antragsteller vorläufig am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Das Gutachten vom 13. Oktober 2016 habe die Angaben des Antragstellers teilweise als unglaubwürdig angesehen. Er habe zur Glaubhaftmachung eines Nichtkonsums nichts vorgebracht. Auch die Haaranalyse vom Februar 2017 belege nicht hinreichend, dass der Antragsteller auch künftig keine Drogen konsumieren werde. Somit könne ein weiterer Konsum von Metamphetamin nicht ausgeschlossen werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins zu Unrecht wiederhergestellt hätte. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Klage trotz der berechtigten Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers voraussichtlich stattzugeben sein wird, weil die maßgebliche Aufforderung zur Beibringung des fachärztlichen Fahreignungsgutachtens im Hinblick auf die angegebene Rechtsgrundlage keine tragfähigen Gründe für die Einnahme von Betäubungsmitteln angibt und der angefochtene Bescheid deshalb nicht auf eine verweigerte bzw. nicht ausreichende Mitwirkung des Antragstellers gestützt werden kann.
1. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl I S. 3083), darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung ihrerseits rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr., zuletzt BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.). Da die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nicht isoliert anfechtbar ist, stellt die Rechtsprechung an sie strenge Anforderungen, die im Falle einer Folgemaßnahme (hier die Entziehung der Fahrerlaubnis) inzident zu prüfen sind.
Zu den Anforderungen an die Beibringungsaufforderung gehört unter anderem die Darlegung der Gründe für die Zweifel an der Fahreignung (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Dies soll es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Er muss der Aufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung rechtfertigen kann. Die Anforderungen können weder durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe, noch kann eine mangelhafte Aufforderung dadurch „geheilt“ werden, dass die Behörde im Gerichtsverfahren darlegt, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (BVerwG, U.v. 17.11.2016 a.a.O. Rn. 21; U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 Rn. 26 f.). Die Fahrerlaubnisbehörde kann auch eine in der Gutachtensanforderung angegebene, jedoch nicht einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufforderung nach Bescheiderlass nicht mehr durch die zutreffende Befugnisnorm ersetzen (BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 60). Vielmehr ist eine Ergänzung oder Korrektur der Gutachtensanordnung für den darauf gestützten Bescheid nur relevant, wenn sie vor Bescheiderlass erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 11 ZB 15.2733 – juris Rn. 15 m.w.N.).
2. Das Landratsamt F. hat seine an den Antragsteller gerichtete Aufforderung zur Gutachtensbeibringung auf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt.
a) Die Ausführungen in der Beibringungsanordnung vom 9. August 2016 reichen für die begründete Annahme, der Antragsteller habe Metamphetamin konsumiert, nicht aus.
Zwar weist die Landesanwaltschaft Bayern zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller in der Beschuldigtenvernehmung vom 27. Oktober 2015 eingeräumt hat, das bei der Wohnungsdurchsuchung gefundene Crystal gehöre ihm und es sei ursprünglich eine größere Menge gewesen, die er sich für das Wochenende besorgt habe. Diese Einlassung lässt in der Tat über den bloßen Besitz hinaus auf Eigenkonsum von Metamphetamin schließen und dürfte mit entsprechender Begründung eine (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Aufforderung zur Gutachtensbeibringung gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV rechtfertigen. Allerdings wird diese Einlassung weder in der Beibringungsanordnung vom 9. August 2016 erwähnt noch hat das Landratsamt die Anordnung vor Bescheiderlass entsprechend ergänzt. Vielmehr heißt es in der Anordnung, aufgrund des Erwerbs bzw. Besitzes von Crystal (Metamphetamin) bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller dieses auch konsumiere bzw. konsumiert habe. Allein der Besitz reicht jedoch ohne weitere, von der Behörde in der Anordnung zu benennende Anhaltspunkte für die Annahme eines Konsums und damit für eine zwingende Aufforderung zur Gutachtensbeibringung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht aus. Vielmehr steht die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens bei Besitz von Betäubungsmitteln nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV im Ermessen der Behörde. Die auf diese Vorschrift gestützte Anordnung des Landratsamts P. vom 2. Mai 2016, die auch die Angaben des Antragstellers vom 27. Oktober 2015 zum Erwerb des aufgefundenen Crystal für den Eigenbedarf erwähnt hatte, hat das Landratsamt F. in seiner Anordnung vom 9. August 2016 jedoch ausdrücklich als gegenstandslos bezeichnet. Sie kann daher für die Frage, ob der Antragsteller an der Aufklärung seiner Eignungszweifel hätte mitwirken müssen, nicht mehr herangezogen werden. Da der Bescheid am 31. Januar 2017 erlassen wurde, kann die ihm zugrunde liegende Anordnung auch durch die Darlegungen in der Beschwerdebegründung der Landesanwaltschaft Bayern vom 2. Juni 2017 nicht mehr ergänzt und die Entziehung der Fahrerlaubnis daher nicht auf eine unzureichende Mitwirkung des Antragstellers gestützt werden.
b) Auch die in der Anordnung vom 9. August 2016 dargelegten Gründe zur Abklärung der Fahreignung des Antragstellers aufgrund etwaigen Cannabiskonsums erweisen sich als nicht tragfähig.
Die Anordnung führt insoweit aus, nachdem der Antragsteller im Besitz von Marihuana und Cannabissamen gewesen sei, liege der Verdacht nahe, dass er auch regelmäßig Cannabisprodukte konsumiere. Allein der Besitz von Marihuana und Cannabissamen kann jedoch allenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zur Abklärung des Konsumverhaltens berücksichtigt werden, rechtfertigt jedoch ohne weitere benannte Anhaltspunkte nicht die Annahme des Konsums und keinesfalls den Verdacht regelmäßigen Konsums. Hierfür reichen – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeht – auch die in der Anordnung erwähnte Feinwaage und das Druckverschlusstütchen, die der bloßen Weiterveräußerung ohne Eigenkonsum dienen können, nicht aus. Der hiergegen erhobene Einwand der Landesanwaltschaft Bayern, Metamphetamin werde im Unterschied zu Cannabis regelmäßig ohne besondere Hilfsmittel konsumiert, geht insoweit ins Leere, da die Anordnung für entsprechenden Konsum – wie bereits dargelegt – keine ausreichenden Anhaltspunkte benannt hat.
Ob die gefundene Menge von 43,8 g Marihuana für oder gegen Eigenkonsum spricht, kann dahinstehen. Auch dieser Umstand wird in der Anordnung vom 9. August 2016 nicht als Grund für die Annahme genannt, der Antragsteller habe die bei ihm gefundenen Cannabisprodukte nicht nur besessen, sondern auch konsumiert. Die verspäteten Ergänzungen hierzu durch die Landesanwaltschaft Bayern in der Beschwerdebegründung können aus den bereits dargelegten Gründen für eine auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht berücksichtigt werden.
3. Auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene, die Entscheidung selbständig tragende und vom Antragsgegner ebenfalls angegriffene Interessenabwägung im Wege einer Folgenabschätzung ist unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nicht zu beanstanden. Zwar käme bei Annahme offener Erfolgsaussichten der Klage dem privaten Interesse des Antragstellers, weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können, geringeres Gewicht zu als der Pflicht des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, wenn die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststünde und die Fahrerlaubnisbehörde daher berechtigt wäre, ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 7 FeV auch ohne Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu entziehen (zu einem insoweit grundsätzlich möglichen Austausch der Rechtsgrundlage vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 Rn. 28; BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 24 f., B.v. 27.2.2017 – 11 CS 16.2316 – juris Rn. 28). Allerdings liegen für eine bereits feststehende Nichteignung des Antragstellers, von der offenbar auch der Antragsgegner nicht ausgeht und zu der auch die Beschwerdebegründung der Landesanwaltschaft Bayern keine Ausführungen enthält, keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
Zwar würde feststehender Konsum von Metamphetamin ebenso wie regelmäßiger Cannabiskonsum auch ohne Bezug zur Teilnahme am Straßenverkehr zur Ungeeignetheit des Antragstellers führen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Nrn. 9.1 und 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Jedoch kann trotz der Einlassungen des Antragstellers in der Beschuldigtenvernehmung vorliegend nicht ohne Weiteres von feststehendem Metamphetaminkonsum ausgegangen werden. Vielmehr hat der Antragsteller hierzu im Rahmen des Untersuchungsgesprächs zur Erstellung des Gutachtens vom 13. Oktober 2016 angegeben, er habe gegenüber der Polizei wahrheitswidrig erklärt, das Crystal gehöre ihm, um seine Freundin, die dieses Betäubungsmittel konsumiert habe, zu schützen. Auch den in diesem Gutachten erwähnten regelmäßigen Cannabiskonsum hat der Antragsteller zwar für die Jahre 2000 bis 2009 eingeräumt, jedoch nicht mehr für die Zeit danach. Da ihm der Antragsgegner aufgrund des positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 3. August 2010 am 16. August 2010 die Fahrerlaubnis erteilt hat, kann der in der Zeit davor liegende regelmäßige Cannabiskonsum ohne neuere Erkenntnisse nicht mehr für eine auf § 11 Abs. 7 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden.
4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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