Aktenzeichen 4 StR 433/09
§ 265b StGB
§ 283 Abs 1 Nr 7 Buchst a StGB
§ 19 Abs 2 InsO
§ 264 StPO
§ 267 Abs 5 S 1 StPO
Verfahrensgang
vorgehend LG Arnsberg, 20. Januar 2009, Az: 7 KLs 6 Js 23/06 (24/06) – W, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott sowie vom Vorwurf der verspäteten Insolvenzantragstellung freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
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Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht ankommt.
I.
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1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten als Beihilfe zum Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott zur Last gelegt, an der Verdeckung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse der B. GmbH B. (im folgenden: BIV B.), deren Geschäftsführer er im Tatzeitpunkt war, durch Mitunterzeichnung eines Vertrages vom 24. Mai 2000 über den fingierten Verkauf von Aktien der P. AG von der BIV B. an die Si. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH zum Preis von 5,6 Mio. DM mitgewirkt zu haben. Das fiktive Aktiengeschäft sei im testierten Jahresabschluss der BIV B. für das Geschäftsjahr 1999 und damit auch in der Konzernbilanz der S.-Gruppe, die verschiedenen Kreditinstituten im Zusammenhang mit der Gewährung bzw. Verlängerung von Firmenkrediten im Zeitraum von Juni bis Oktober 2000 vorgelegt worden seien, enthalten gewesen. Durch eine weitere Straftat habe sich der Angeklagte der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht, indem er trotz der bereits im Mai 2000 bestehenden tatsächlichen Überschuldung der BIV B. erst am 28. März 2001 Insolvenzantrag gestellt habe.
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2. Die Strafkammer hat den Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Kreditbetrug aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Im Hinblick auf die vorgeworfenen Insolvenzdelikte hat sie das Tatbestandsmerkmal der Überschuldung verneint und zudem in Bezug auf den Straftatbestand des Bankrotts ein Aufstellen der Bilanz im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB als von dem Angeklagten nicht verwirklicht erachtet.
II.
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Das Urteil hat schon deshalb keinen Bestand, weil es nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO genügt. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10; Senat, Urt. vom 20. März 2008 – 4 StR 5/08). Diese gebotene, in sich geschlossene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil – wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 28. September 2009 ausgeführt hat – nicht.
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1. Soweit das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Kreditbetrug freigesprochen hat, kann dem Urteil schon nicht entnommen werden, in welchen konkreten Umständen die Wirtschaftsstrafkammer überhaupt die Haupttat sieht, zu der der Angeklagte Hilfe geleistet haben soll. Mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 265 b StGB fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wann und von wem gegenüber welchen Banken für welche Kredite unrichtige oder unvollständige Bilanzen und/oder sonstige für die Kreditgewährung bzw. -belassung bedeutsame Unterlagen des Konzerns vorgelegt worden sind. Ebenso hätte es wegen der dem Angeklagten angelasteten Beteiligung an dem Kreditbetrug der Feststellung bedurft, ob Gegenstand der Kreditverhandlungen mit den Banken auch Bilanzen und Unterlagen der BIV B. waren, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Schließlich bleibt auch offen, welche konkrete Unterstützungshandlung des Angeklagten gegenüber dem Haupttäter in Betracht kommt. Das Landgericht konnte die fehlenden Feststellungen auch nicht dadurch ersetzen, dass es in großem Umfang (UA 18 bis 43) Teile aus den schriftlichen Gründen des Urteils gegen den gesondert verfolgten Bö., der zur Tatzeit Wirtschaftsprüfer der BIV B. war, in das angefochtene Urteil übernahm.
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Schließlich liegt ein durchgreifender Mangel des Urteils auch darin, dass es jegliche Feststellungen zur Person des Angeklagten vermissen lässt. Namentlich zu seinem beruflichen Werdegang und seiner sonstigen Qualifikation waren Feststellungen geboten, um beurteilen zu können, ob die Kammer zu Recht angenommen hat, dass der Angeklagte dem bestimmenden Einfluss des Wirtschaftsprüfers Bö. unterlag. Das gilt unbeschadet dessen, dass aus der beruflichen Qualifikation und Stellung des Angeklagten allein noch nicht ohne weiteres auf die Wahrnehmung seiner ihm obliegenden Aufgaben geschlossen werden darf (vgl. BGH, Beschl. vom 9. November 2009 – 5 StR 136/09).
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Im Übrigen hat die Strafkammer den angeklagten Sachverhalt nur unvollständig gewürdigt, weil sie den Begriff der von der gegen den Angeklagten erhobenen Anklage erfassten Tat im Sinne des § 264 StPO verkannt hat.
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Nach der Anklage wird die Beihilfehandlung des Angeklagten darin gesehen, dass er an der Verdeckung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse innerhalb der S.-Gruppe, die durch das fingierte Aktiengeschäft bewirkt wurde, mitgewirkt habe. Da es zulässig ist, zur Konkretisierung des Anklagesatzes auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zurückzugreifen (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09 Rdn. 95; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 4), werden aber vorliegend von der Anklage auch die zur Verschleierung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse notwendigen Nachbuchungen erfasst. Entgegen der Auffassung des Landgerichts schließt dies die vom Angeklagten am 2. November 2000 veranlasste Einbuchung des fingierten Aktiengeschäfts ein.
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Eine strafbare Beihilfe durch die im November 2000 erfolgten Buchungen würde auch nicht scheitern, wenn diese erst nach Vorlage des Jahresabschlusses bei möglichen Kreditgebern erfolgt wären. Denn Beihilfe ist nach der ständigen Rechtsprechung auch noch nach Vollendung der Haupttat bis zu deren Beendigung möglich (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 27 Rdn. 6 m.w.N.). Die Teilnahme am Kreditbetrug ist bis zum Erbringen der letzten Leistung möglich (Fischer aaO § 265b Rdn. 40, § 264 Rdn. 38 f.). Wann die Leistung als erbracht anzusehen ist, hängt von der Art des beantragten Kredits ab (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 265b Rdn. 49). Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass noch für den 26. März 2001 ein Besprechungstermin mit den Banken anberaumt war. Erst nachdem im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung durch die Unternehmensberatung der Bankentermin abgesagt worden sei, hätten die Banken “dicht” gemacht (UA 16). Aufgrund dieser Ausführungen und vor dem Hintergrund, dass es sich auch um Prolongationskredite gehandelt haben kann, erscheint es jedenfalls möglich, dass die Banken auch noch nach dem 2. November 2000 aufgrund der vorgelegten Konzernbilanz Kredit gewährt haben.
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2. Der Freispruch vom Vorwurf des tateinheitlich begangenen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es für die Strafbarkeit am Vorliegen einer Überschuldung der BIV B. (§ 283 Abs. 1 StGB) zum 31. Dezember 1999 im Sinne des hier nach § 2 Abs. 3 StGB anwendbaren § 19 Abs. 2 InsO (in der ab dem 18. Oktober 2008 geltenden Fassung) gefehlt habe (UA 87). Dabei ist es der Auffassung des Sachverständigen gefolgt, dass zwar das Vermögen der BIV B. bereits ab dem 31. Dezember 1999 die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr gedeckt habe, aber auch unter Berücksichtigung der Konzernstruktur und deren Auswirkungen auf die BIV B. von einer positiven Fortbestehensprognose auszugehen sei.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wirtschaftsstrafkammer dabei die Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose beachtet hat. Jedenfalls hätte es für die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei als Geschäftsführer der BIV B. bis zum Zeitpunkt kurz vor Stellung des Insolvenzantrags nicht verpflichtet gewesen, aufgrund der Mithaftung für Kredite anderer Konzerngesellschaften Rückstellungen zu bilden, näherer Feststellungen zu Art und Umfang der Mithaftung der BIV B. bedurft. Ob und gegebenenfalls welche Mitverpflichtungen bestanden, teilt das Urteil nicht mit. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang auch zu Recht, dass anhand der Urteilsgründe der vom Tatrichter ersichtlich als entscheidend bewertete Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme aus Mitverpflichtungen und der „Ordentlichkeit“ bzw. „Seriosität“ der in der Baugruppe tätigen Geschäftsführer (UA 94) nicht nachvollziehbar dargestellt ist.
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Zudem fehlen jegliche Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit der BIV B. Deren hätte es aber schon deshalb bedurft, weil § 283 Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit wegen Bankrotts außer bei Überschuldung auch bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit vorsieht.
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Schließlich scheitert eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht allein schon daran, dass der Angeklagte die durch den gesondert verfolgten Bö. erstellte und in dem Jahresabschluss enthaltene Bilanz nicht unterschrieben hat (vgl. Beukelmann in Beck’scher Online-Kommentar zum StGB § 283 Rdn. 70 [Stand: 1. Oktober 2009]; Tiedemann in LK-StGB 12. Aufl. § 283 Rdn. 150).
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3. Die insoweit knappen Urteilsgründe (UA 96) erlauben dem Revisionsgericht auch nicht die Prüfung, ob das Landgericht den Angeklagten zu Recht vom Vorwurf der verspäteten Insolvenzantragstellung (§ 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO) freigesprochen hat. Der Tatbestand des § 15a Abs. 1 InsO, der mit Wirkung vom 1. November 2008 an die Stelle des inhaltsgleichen § 84 GmbHG getreten ist, knüpft ebenso wie § 283 Abs. 1 StGB an die im angefochtenen Urteil – wie ausgeführt – nur unzureichend geprüften Tatbestandsmerkmale der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit an.
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Die aufgezeigten Mängel führen nach alledem zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer