Strafrecht

Beschwerde, Wiedereinsetzung, Angeklagte, Gefahrenabwehr, Strafverfahren, Kostenentscheidung, Versammlungsfreiheit, Kostenauferlegung, Wiedereinsetzungsantrag, Einstellungsbeschluss, Ausschluss, Auslagen, Auflage, Rechtskraft, sofortige Beschwerde, Kosten des Verfahrens, notwendigen Auslagen

Aktenzeichen  4 Ws 31/21

Datum:
24.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45978
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

16 Ns 113 Js 238036/15 (2) 2021-06-01 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden des Angeklagten W. S. und des Angeklagten B. Q. gegen die Kostenentscheidungen in den Beschlüssen des Landgerichts München I vom 01.06.2021 über die Einstellung der Strafverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO werden als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Staatsanwaltschaft M. I beantragte am 28.05.2021, das gegen die beiden Beschwerdeführer beim Landgericht München I wegen Nötigung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das wegen das versammlungsrechtliche Störungsverbot nach Aufhebung durch das Oberlandesgericht München erneut anhängige Berufungsverfahren bzgl. beider Beschwerdeführer gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen.
Das Landgericht München I teilte diesen Antrag den Verteidigern der Beschwerdeführer am 01.06.2021 per Fax mit und stellte mit Beschluss vom selben Tag das Strafverfahren gegen beide Beschwerdeführer gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein. Die Kostenentscheidungen lauten wie folgt:
„„Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Der Angeklagte W. S. hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.“
„Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Der Angeklagte B. Q. hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.“
Am 02.06.2021 ging eine Stellungnahme des Beschwerdeführers B. zum Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft ein. Dort wurde ausgeführt, dass kein Grund bestehe, von der Kostenregelung des § 467 Abs. 1 StPO abzuweichen.
Am 10.06.2021 beantragten beide Beschwerdeführer gemäß § 33a StPO die Wiedereinsetzung in den Stand vor Erlass des Einstellungsbeschlusses. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Mit einem auf den 07.05.2021 datierten, bei Gericht am 15.06.2021 eingegangenem Verteidigerschreiben legte der Beschwerdeführer W. gegen den Beschluss vom 01.06.2021 sofortige Beschwerde ein.
Der Beschwerdeführer B. legte mit Schreiben vom 15.06.2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ebenfalls sofortige Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss ein. Eine Begründung wurde jeweils bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zurückgestellt.
Mit Beschluss vom 06.07.2021 verwarf das Landgericht München I die Anträge auf Wiedereinsetzung als unbegründet. Die Einstellungsentscheidung stelle eine Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung dar, bei der der Angeklagte gemäß § 33 Abs. 1 StPO keinen Anspruch auf rechtliches Gehör habe. Außerdem bedürfe eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO nicht der Zustimmung des Angeklagten.
Beide Beschwerdeführer begründeten ihre sofortigen Beschwerden mit Schreiben vom 19.08.2021. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Vorlageschreiben vom 17.09.2021 die Beschwerden als unzulässig zu verwerfen. Auf die Gründe wird verwiesen.
II.
Die beiden sofortigen Beschwerden sind unzulässig.
Gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StPO sind Kostenentscheidungen nur dann isoliert anfechtbar, wenn auch die Hauptentscheidung anfechtbar ist. Da die auf § 154 Abs. 2 StPO gestützte Einstellungsentscheidung nicht anfechtbar ist, unterliegt auch die Nebenentscheidung über die Kosten und Auslagen nicht der Beschwerde (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 464 Rn 17). Dieser Ausschluss der Beschwerde gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Nebenentscheidung gesetzwidrig ist (vgl. Schmitt a.a.O., Rn 18) und ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 2002, 1867). Es kann dahinstehen, ob man mit dem OLG Düsseldorf (MdR 1987, 785) für den Fall der einer Kostenentscheidung entgegenstehenden Rechtskraft bzw. mit dem LG Göttingen (NdsRPfl. 1987, 261) für den Fall der Kostenauferlegung trotz nicht zu führendem Tatnachweis ausnahmsweise und entgegen der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung, welche auch der Senat vertritt, eine Beschwerde zulassen möchte, denn ein vergleichbar gravierender Fall ist vorliegend jedenfalls nicht gegeben. Insbesondere vermag der Senat in der Auferlegung der für ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angefallenen notwendigen Auslagen keinen Eingriff in Art. 8 GG zu erkennen. Einen solcher folgt insbesondere entgegen dem unsubstantiierten Vortrag der Verteidigung auch nicht aus dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG vom 25. Oktober 2007 – 1 BvR 943/02 (zitiert nach juris). Dieser betrifft die Erhebung von Verwaltungsgebühren im Zusammenhang mit einer Versammlung und stellt lediglich fest, da sich eine Kostenregelung mittelbar einschränkend auf die Ausübung der Versammlungsfreiheit auswirke, widerspreche es Art. 8 Abs. 1 GG, für hoheitliche Maßnahmen aus Anlass einer verfassungsrechtlich geschützten Versammlung eine Gebührenpflicht auch für solche für Amtshandlungen vorzusehen, die nicht einer konkreten Gefahrenabwehr dienen. Eine Vergleichbarkeit mit der hiesigen Sachlage vermag der Senat nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


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