Aktenzeichen 3 StR 286/18
Verfahrensgang
vorgehend LG Göttingen, 28. Februar 2018, Az: 5 KLs 8/16
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28. Februar 2018 – auch soweit es die Nebenbeteiligten betrifft – mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten der Zuwiderhandlung gegen ein Verkaufsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme – Iran-Embargo – dient, in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Betrug, schuldig gesprochen und gegen ihn unter Einbeziehung einer Vorstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verhängt. Gegen die beiden Nebenbeteiligten hat das Landgericht jeweils die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe von 8.159.020 € bzw. 1.276.721,66 € angeordnet. Der Angeklagte wendet sich gegen die Verurteilung mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat, in analoger Anwendung des § 357 StPO auch zugunsten der Nebenbeteiligten, den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte in den Jahren 2013 und 2014 als “Head of Commercial Department” für die O. GmbH mit damaligem Sitz in G. tätig, deren zwei Gesellschafter die gesondert Verfolgten J. – der Vater des Angeklagten – und L. waren. Ende September/Anfang Oktober 2013 sowie Anfang Februar 2014 kamen der Angeklagte, dessen Vater und L. jeweils “über” den gesondert Verfolgten A. mit der in Dubai ansässigen C. LLC überein, dass die O. an diese – unter bewusstem Verstoß aller Beteiligten gegen das Iran-Embargo (VO [EU] Nr. 267/2012) – Katalysatoren mit dem Endbestimmungsort Iran liefert. Die erste Vereinbarung wurde über 50.000 kg des Katalysators “ATIS 2L” auf Platinbasis der Firma Al. zu einem Preis von 7.310.000 € getroffen, die zweite über 5.000 kg des Katalysators “LD 273” auf Palladiumbasis des Herstellers Ax. zu einem Preis von 850.000 €. Bis zum 16. April 2014 bewirkten die Verantwortlichen der C. , “womöglich” A. , Zahlungen in der jeweils vereinbarten Höhe (bis auf einen Restbetrag von 20 €) – unter Einschaltung von Drittunternehmen – an die O. im Vertrauen auf deren Erfüllungsbereitschaft. Der Angeklagte und dessen Vater beabsichtigten allerdings von Anfang an, wesentlich billigere, gleichwohl funktionsfähige “Imitate” aus China zu liefern und der C. gegenüber als die verkauften Markenkatalysatoren auszugeben. Demgemäß bestellten sie bei einem chinesischen Unternehmen letztlich 55.000 kg eines Palladiumkatalysators, wofür die O. umgerechnet insgesamt 1.332.042,89 € zahlte. Die bestellten Güter, die mit schlecht gefälschten Etiketten der beiden vermeintlichen Hersteller versehen waren, wurden über Tadschikistan in den Iran befördert. Indes handelte es sich bei diesen Gütern – worüber das chinesische Unternehmen den Angeklagten und dessen Vater nicht in Kenntnis setzte – um “untaugliche Stoffe”.
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2. Das Landgericht hat die Beteiligung des Angeklagten an den Übereinkünften als zwei Zuwiderhandlungen gegen ein dem Iran-Embargo dienendes Verkaufsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG i.V.m. Art. 8 Abs. 1, 2 VO (EU) Nr. 267/2012 und deren Anhang VI Punkt 2.C Ziff. 4 Buchst. a (Platinkatalysator) bzw. Art. 8 Abs. 1, 3 VO (EU) Nr. 267/2012 und deren Anhang VI Punkt 3.C Ziff. 2 (Palladiumkatalysator) angesehen. Es hat das Verhalten jeweils zugleich als – hiermit idealkonkurrierenden – Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) gewertet, wobei es davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte nur insoweit vorsätzlich handelte, als er und sein Vater über die beabsichtigte Lieferung der wesentlich billigeren, dennoch funktionsfähigen “Imitate” (nicht die tatsächliche Lieferung der “untauglichen Stoffe”) täuschten.
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Auf dieser Grundlage hat das Landgericht angenommen, der Wert der Taterträge, welche die Nebenbeteiligten – die O. sowie die Ehefrau des Vaters des Angeklagten – zum Nachteil der C. erlangt hätten (§ 73b Abs. 1 Nr. 1, 2 Buchst. a StGB), unterfalle der Einziehung.
II.
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1. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Die Verurteilung wegen Betruges in zwei Fällen wird von den Feststellungen und der diesen zugrundeliegenden Beweiswürdigung nicht getragen.
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Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter eine andere Person über Tatsachen täuscht und sie durch den so hervorgerufenen Irrtum zu einer vermögensmindernden Verfügung veranlasst. Wer in den beiden hier zu beurteilenden Fällen über das Vermögen der C. irrtumsbedingt verfügte, ist nicht konkret festgestellt (nachfolgend a)). Dass sämtliche als Verfügende in Betracht kommende Personen jeweils über die Erfüllungsbereitschaft auf Seiten der O. geirrt hätten, ist nicht belegt (unten b)).
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a) Personenmehrheiten als solche können nicht Subjekt eines Irrtums sein. Vielmehr müssen bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen oder Organisationen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer im konkreten Fall auf welcher Grundlage und mit welchen Vorstellungen die Entscheidung über die Erbringung der vom Täter erstrebten Leistung getroffen und damit die Verfügung vorgenommen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2010 – 3 StR 500/09, NStZ-RR 2010, 146; vom 27. März 2012 – 3 StR 472/11, NStZ 2012, 699; ferner BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314 f.).
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Solche konkreten Feststellungen hat die Strafkammer nicht getroffen. Sie hat vielmehr allgemein einen Irrtum der auf Seiten der C. Handelnden angenommen (s. UA S. 7, 27). Insbesondere lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass A. , “über” den die geschädigte Gesellschaft die Übereinkünfte traf, die Zahlungen an die O. bewirkt hätte. Trotz der missverständlichen Formulierung, dies werde “als wahr unterstellt”, hat die Strafkammer angenommen, A. sei nur möglicherweise der in diesem Sinne Verfügende (UA S. 7, 27).
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b) Zwar hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass das Erfordernis, die Person des Verfügenden und dessen Vorstellungsbild konkret festzustellen, keinen Selbstzweck darstellt. Vielmehr ist eine solche Feststellung ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass alle als Verfügende in Betracht kommenden Personen dem täuschungsbedingten Irrtum erlegen waren (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 3 StR 472/11, NStZ 2012, 699 f.).
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Für die allgemeine Annahme, bei den für die C. Handelnden habe ein Irrtum über die fehlende Erfüllungsbereitschaft auf Seiten der O. vorgelegen, findet sich im Urteil allerdings keine ausreichende Begründung:
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Zwar ist rechtsfehlerfrei dargetan, dass A. nicht in die von dem Angeklagten und dessen Vater beabsichtigte Lieferung der wesentlich billigeren “Imitate” aus China eingeweiht war (vgl. UA S. 27 f.). Seine Stellung in oder zu der geschädigten Gesellschaft sowie die Einzelheiten seiner Einbindung in die Geschäfte sind jedoch unklar. Mitgeteilt wird lediglich, er sei “auf der Käuferseite tätig” gewesen und es habe Einigkeit zwischen den an den beiden Übereinkünften Beteiligten bestanden, dass er “Bestechungsgelder” jeweils in Höhe eines Drittels des zu erwartenden Gewinns aus der verabredeten Veräußerung der Markenkatalysatoren erhält (UA S. 5 f., 18, 28). Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht entnehmen, ob A. die (unwirksamen) Verträge etwa als von der C. beauftragter Vermittler bloß vorbereitete oder als bevollmächtigter Gesellschafter oder Mitarbeiter selbst schloss. Offen bleibt insbesondere, ob nur er allein für die Geschädigte im Außenverhältnis handelte.
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Ebenso wenig verhalten sich die Urteilsgründe dazu, aufgrund welcher Umstände sich die Strafkammer davon hat überzeugen können, dass andere Personen, die bei dem Vertragsschluss und/oder der Vertragsabwicklung für die C. möglicherweise tätig waren, keine Kenntnis von der beabsichtigten Lieferung funktionsfähiger “Imitate” hatten. Die Unkenntnis solcher verantwortlich Handelnder liegt auch nicht auf der Hand. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf abgestellt hat, die Höhe der Zahlungen und der Umstand, dass die C. ohne Rechtspflicht in Vorleistung getreten sei, ließen die Gutgläubigkeit gleich welcher Personen, die auf Seiten der geschädigten Gesellschaft an den Verträgen beteiligt gewesen sein könnten, als naheliegend erscheinen, ist dem nicht zu folgen. Zum einen nimmt dieser Einwand nicht hinreichend Bedacht darauf, dass die Höhe der Zahlungen ihre Ursache zumindest auch in den – mit dem konspirativen Vorgehen der Geschäftspartner einhergehenden – Verstößen gegen das Iran-Embargo haben kann. Zum anderen ist eine Vorleistungspflicht der Geschädigten gerade nicht festgestellt. Die Schlussfolgerung daraus, dass die “auf verschlungenen Wegen” (UA S. 19) geleisteten Zahlungen vor der Lieferung bei der O. eingingen, auf die Unkenntnis der verantwortlich Handelnden liegt zudem nicht derart nahe, dass auf eine Darlegung der entsprechenden tatrichterlichen Überzeugungsbildung verzichtet werden könnte.
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2. Aufgrund des aufgezeigten Erörterungsmangels unterliegt der Schuldspruch insgesamt der Aufhebung, auch wenn die Verurteilung des Angeklagten wegen der Zuwiderhandlungen gegen das dem Iran-Embargo dienende Verkaufsverbot für sich gesehen keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Denn diese Rechtsverstöße stehen zu den beiden Betrugsfällen jeweils in Tateinheit.
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Von dem Rechtsfehler, der sich allein auf die Frage eines Irrtums derjenigen Person oder Personen bezieht, die jeweils über das Vermögen der C. verfügte bzw. verfügten, bleiben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen unberührt; diese können somit bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen. Für eine Präzisierung des oder der jeweils Verfügenden werden solche Feststellungen auch voraussichtlich geboten sein.
III.
15
Die Aufhebung des Urteils ist analog § 357 StPO auf die Nebenbeteiligten zu erstrecken, weil der Rechtsfehler sie gleichermaßen betrifft (zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift auf Einziehungsbeteiligte s. BGH, Beschluss vom 22. Mai 1979 – 1 StR 650/78, bei Pfeiffer, NStZ 1981, 298; ferner BGH, Urteil vom 10. Mai 1966 – 1 StR 592/65, BGHSt 21, 66, 69).
Schäfer
Spaniol
Wimmer
Tiemann
Berg