Strafrecht

Disziplinarvorgesetzter, Bewilligungsbescheid, Berufsförderungsdienst

Aktenzeichen  S 5 VL 02/17

Datum:
13.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 57428
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 263 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der frühere Soldat ist eines Dienstvergehens schuldig.
2. Sein Dienstgrad wird in den eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt.
3. Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der heute … Jahre alte frühere Soldat wurde nach dem Realschulabschluss an der DDD-Realschule EEE im Jahr 2002 und einem Jahr (11. Klasse) am beruflichen Gymnasium des Beruflichen Schulzentrums FFF der Stadt GGG – Wirtschaft und Verwaltung – erfolgreich zum Kaufmann im Einzelhandel ausgebildet. Die diesbezügliche Abschlussprüfung bestand er Mitte des Jahres 2006.
Zum 1. April 2007, mit Dienstantritt am Folgetag, wurde er zur Ableistung des neunmonatigen Grundwehrdienstes bei der HHH./Panzeraufklärungsbataillon JJJ in KKK einberufen. Auf seinen Antrag hin wurde er in Abänderung des Einberufungsbescheides im Anschluss daran zu einem freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst von sechs Monaten einberufen, insgesamt also zu einem Wehrdienst von 15 Monaten. Mit Urkunde vom 31. März 2008, ihm ausgehändigt am 24. April 2008, wurde der frühere Soldat in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und gleichzeitig zum Unteroffizier befördert. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf vier, schließlich auf zwölf Jahre festgesetzt. Seine Dienstzeit hätte damit mit Ablauf des 31. März 2019 geendet. Sein Antrag auf Verkürzung seiner Dienstzeit auf eine Verpflichtungszeit von acht Jahren wurde durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr am 12. März 2013 stattgegeben. Als neues Dienstzeitende wurde der 31. März 2015 festgesetzt, mit dessen Ablauf der frühere Soldat auch tatsächlich aus der Bundeswehr ausschied.
Der frühere Soldat wurde am 17. Juni 2010 zum Feldwebel und zuletzt mit Urkunde vom 9. Februar 2012 mit Wirkung vom 1. April 2012 zum Oberfeldwebel befördert. Ein entsprechender Aushändigungsnachweis der Urkunde ist in der Personalakte zwar nicht zu finden. Da jedoch der frühere Soldat seine Beförderung nicht bestreitet, diese auch mit Wirkungsdatum vom 1. April 2012 von der personalführenden Dienststelle in das Personalerfassungssystem eingegeben worden ist, was nur dann geschieht, wenn dem dafür Verantwortlichen ein entsprechender Aushändigungsvermerk vorliegt, ist davon auszugehen, dass der frühere Soldat rechtswirksam befördert wurde.
Der frühere Soldat wurde nach bestandener Grundausbildung bei der HHH./Panzeraufklärungsbataillon JJJ zum 1. Juli 2007 zur AAA. Kompanie desselben Bataillons versetzt und zum 1. April 2008 zur JJJ./Panzerbataillon LLL in MMM. Den Militärfachlichen Teil Truppendienst Panzertruppe des Feldwebellehrgangs am Ausbildungszentrum NNN mit der verbundenen Feldwebelprüfung bestand er Anfang 2009 mit der Abschlussnote „gut“. Am Feldwebellehrgang Allgemeinmilitärischer Teil an der Unteroffizierschule des Heeres in OOO nahm er Mitte 2010 erfolgreich teil; er erzielte die Abschlussnote „2“. Zum 1. Oktober 2010 wurde der frühere Soldat schließlich zur AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB – einem überwiegend nichtaktiven Truppenteil – nach PPP auf ein Dienstpostenähnliches Konstrukt zur Ausbildung versetzt. Mit Verfügung vom 9. Mai 2014 kommandierte ihn das Panzerbataillon LLL, dem die AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB im Grundbetrieb unterstellt ist, für die Zeit vom 8. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 für eine BFD-Maßnahme zur Firma Securion in QQQ und mit Verfügung vom 5. November 2014 für die Zeit vom 1. November 2014 bis 31. März 2015 zur Firma Alpha Sicherheits- und Eventservice in RRR.
In seiner – in den Personalakten einzig vorhandenen – (Anlass-) Beurteilung vom 31. August 2011 durch den Kompaniechef JJJ./Panzerbataillon LLL, Hauptmann TTT, erhielt der frühere Soldat bei der von 1 bis 9 reichenden Wertungsskala einmal die Wertung „4“ („die Leistungserwartungen wurden erfüllt, teilweise übertroffen“), sechsmal die Wertung „5“ („die Leistungserwartungen wurden erfüllt, überwiegend übertroffen“), zweimal die Wertung „6“ („die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen“) und einmal die Wertung „8“ („die Leistungserwartungen wurden ständig erheblich übertroffen“) für das Einzelmerkmal „Belastbarkeit“. Das ergab einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 5,40.
In der freien Bewertung wird der frühere Soldat im Kern als ein umtriebiger, dynamischer und sicher auftretender Portepeeunteroffizier beschrieben, der sich voll und ganz mit dem Beruf des Soldaten identifiziere, was er auch in seinem dienstlichen Verhalten täglich unter Beweis stelle. Er zeige sich als ein robuster und in höchstem Maße belastbarer Soldat. Als Vorgesetzter könne man sich darauf verlassen, dass erteilte Aufträge zuverlässig, gründlich und gut bewältigt würden.
Der Kommandeur Panzerbataillon LLL, Oberstleutnant UUU, stimmte der Beurteilung in Aussagen und Wertungen zu und bestätigte den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung. Der frühere Soldat sei ein aktiver Portepeeunteroffizier, der mit seinen positiven geistigen Anlagen hervorsteche. Als Entwicklungsprognose vergab er „bis zur allgemeinen Leistungsperspektive“.
Der Kompaniechef der AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB, (damalig) Hauptmann VVV, äußerte in dem für den früheren Soldaten ausgestellten, undatierten Dienstzeugnis (vermutlich aus März 2015) insbesondere, dass jener in seinem Aufgabenbereich sehr häufig großes Engagement und Einsatzwillen zeige und seine Aufträge mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein erfülle. Er habe eine freundliche, höfliche und aufgeschlossene Art und trete selbstbewusst auf.
Der damalige letzte nächste Disziplinarvorgesetzter des früheren Soldaten, (nunmehr) Major VVV (Division Schnelle Kräfte), charakterisierte ihn im Kern wie folgt:
„Jener sei als Ausbilder ein guter Soldat gewesen, der aber eng habe geführt werden müssen. Der frühere Soldat habe Probleme mit Freiräumen gehabt und habe eine gewisse persönliche Unreife gezeigt. Er sei aber insgesamt „absolut brauchbar“ gewesen. Im Leistungsvergleich sei er im unteren Drittel zu verorten gewesen.“
Der frühere Soldat ist berechtigt, die Schützenschnur in Gold und das Tätigkeitsabzeichen „Personal im allgemeinen Heeresdienst“ in Bronze zu tragen.
Der Auszug aus dem Zentralregister vom 1. Juli 2019 weist sechs Eintragungen auf:
1. – im sachgleichen Strafverfahren – Verurteilung zu 60 Tagessätzen zu je 60 € Geldstrafe wegen eigenmächtiger Abwesenheit (§ 15 Abs. 1 des Wehrstrafgesetzes) durch Entscheidung (Urteil) des Amtsgerichts WWW vom 13. April 2016 – Az:135 Js 50766/15 1 Ds -, rechtskräftig seit 21. April 2016;
2. Verurteilung zu 65 Tagessätzen zu je 60 € Geldstrafe wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuches [StGB]) durch Entscheidung des Amtsgerichts GGG vom 16. August 2016 – Az: 215 Cs 801 Js 49469/16 -, rechtskräftig seit 16. November 2016;
3. Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe durch Beschluss des Amtsgerichts WWW am 10. Oktober 2017 – Az: 135 Js 50766/15 1 Ds – in Höhe von 65 Tagessätzen zu je 60 € Geldstrafe unter Einbeziehung der unter Nrn. 1 und 2 angeführten Entscheidungen;
4. Verurteilung zu 40 Tagessätzen zu je 30 € Geldstrafe wegen Betruges (§§ 263 Abs. 1, 73 StGB) durch Entscheidung des Amtsgerichts YYY vom 16. Oktober 2017 – Az: 2 Cs 251 Js 56476/17 -, rechtskräftig seit 8. November 2017;
5. Verurteilung zu 50 Tagessätzen zu je 50 € Geldstrafe wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 2 StGB) durch Entscheidung des Amtsgerichts YYY vom 23. März 2018 – Az: 2 Cs 955 Js 15570/18 -, rechtskräftig seit 11. April 2018;
6. Verurteilung zu 20 Tagessätzen zu je 40 € Geldstrafe wegen fahrlässigen Anordnens oder Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes) durch Entscheidung des Amtsgerichts YYY vom 4. Dezember 2018 – Az: 2 Cs 952 Js 62966/18 -, rechtskräftig seit 21. Dezember 2018.
Die Einträge zu Nrn. 1 und 2 dürfen, auch bei Sachgleichheit (Nr. 1), wegen des hier eingreifenden Verwertungsverbots nach § 8 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 der Wehrdisziplinarordnung (WDO) nicht zu Lasten des früheren Soldaten berücksichtigt werden. Dabei spielt angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 7 WDO keine Rolle, dass die vorgenannten Strafen wegen §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 1a, 47 Abs. 3 des Gesetzes über das Zentralregister und Erziehungsregister im Zentralregisterauszug noch nicht getilgt sind.
Ein aktueller Disziplinarbuchauszug liegt für den früheren Soldaten nicht vor.
Gemäß Auskunft des Bundesverwaltungsamtes – Außenstelle ZZZ – vom 18. Juni 2019 wurden dem früheren Soldaten bis zum 31. März 2018 Übergangsgebührnisse in Höhe von monatlich 2.007,31 € sowie ein Unterschiedsbetrag nach § 47 Abs. 1 des Soldatenversorgungsgesetzes in Höhe von 926,97 € gezahlt, von denen 2.424,62 € tatsächlich ausbezahlt wurden. Die Übergangsbeihilfe von 21.798,42 € war ihm am 31. März 2015 in voller Höhe ausgezahlt worden.
Es wurde in der Auskunft darauf hingewiesen, dass dem Bundesverwaltungsamt kein Beschluss zur Einbehaltung von Teilen der Übergangsgebührnisse vorlag.
Über die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten ist nichts bekannt. Der Verteidiger äußerte in der Hauptverhandlung, dass ihm der – nicht anwesende – frühere Soldaten eine Einlassung zukommen lassen wollte; diese sei aber bisher nicht bei ihm eingegangen.
Auch über den derzeitigen Familienstand liegen keine Erkenntnisse vor. Der frühere Soldat war jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Einlassung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht WWW am 13. April 2016 verheiratet und hatte zwei leibliche Kinder mit seiner Frau sowie ein weiteres Kind im Haushalt, das von ihr „mitgebracht“ wurde.
II.
Der frühere Soldat ist mit Schreiben der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Wehrdisziplinaranwaltschaft) vom 16. Juni 2016, diesem am 18. Juni 2016 zugestellt, zur beabsichtigten Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens angehört worden. Mit Verfügung vom 11. Juli 2016, zugestellt am 13. Juli 2016, hat der Beauftragte für die Angelegenheiten des militärischen Personals der Leitung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, (in Vertretung) Brigadegeneral AAAA, das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Soldaten eingeleitet. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass 30% seiner Übergangsgebührnisse einbehalten werden; jene wurden allerdings nach Mitteilung des Bundesverwaltungsamtes mangels dort bekannter Einbehaltungsanordnung nicht eingezogen.
Nach Einräumung der Gelegenheit zum Schlussgehör mit Schreiben vom 15. August 2016, dem früheren Soldaten zugestellt am 16. August 2016, hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 23. Januar 2017, beim Truppendienstgericht Süd – 5. Kammer – eingegangen am 25. Januar 2017, dem früheren Soldaten zugestellt am 3. März 2017, folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Der frühere Soldat unterließ es, nachdem er mit Bewilligungsbescheid des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB – Berufsförderungsdienst – vom 16. Juli 2014 für den Zeitraum vom 8. Mai 2014 bis zum 31. Oktober 2014 vom militärischen Dienst zum Besuch einer Bildungsmaßnahme bei der E.S.T. Elite Security Thüringen, CCCC, freigestellt worden war,
a) dem Karrierecenter der Bundeswehr BBBB – Berufsförderungsdienst – unverzüglich anzuzeigen, dass er den Besuch der Bildungsstätte vom 1. August 2014 bis zum 31. Oktober 2014 unterbrochen hatte, obwohl er die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige aufgrund der Belehrung in dem Bewilligungsbescheid des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB – Berufsförderungsdienst – vom 16. Juli 2014 kannte, zumindest aber hätte kennen können und müssen.
b) sich am 1. August 2014 bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten, dem Kompaniechef der AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB in PPP persönlich zur Aufnahme des militärischen Dienstes zu melden und blieb dadurch dem Dienst in dem unter a) beschriebenen Zeitraum – mithin an insgesamt 92 Tagen – unerlaubt fern, obwohl er die Verpflichtung zur militärischen Dienstleistung bei Abbruch beziehungsweise Unterbrechung der Fachausbildung aufgrund der Belehrung in dem Bewilligungsbescheid des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB – Berufsförderungsdienst – vom 16. Juli 2014 kannte, zumindest hätte kennen können und müssen.“
Der frühere Soldat wurde im sachgleichen Strafurteil durch Urteil des Amtsgerichts WWW vom 13. April 2016 – Az: 135 Js 50766/15 1 Ds -, rechtskräftig seit dem 21. April 2016, wegen eigenmächtiger Abwesenheit von der Truppe gemäß § 15 Abs. 1 des Wehrstrafgesetzes zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt.
Mit Beschluss des Vorsitzenden der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. Juni 2017 wurde dem früheren Soldaten von Amts wegen gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO für die erste Instanz Herr Rechtsanwalt C als (Pflicht-) Verteidiger bestellt.
Die Hauptverhandlung konnte ohne Anwesenheit des früheren Soldaten stattfinden, da er zum Termin ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann (§ 104 Abs. 1 Nr. 3 WDO). Er hat sich durch seinen (Pflicht-) Verteidiger vertreten lassen (§ 104 Abs. 2 WDO), der in der Hauptverhandlung nach Rücksprache mit seinem Mandanten einen Verzicht auf die gesetzliche Ladungsfrist von einer Woche (§ 103 Abs. 2 Satz 1 WDO) erklärte.
III.
Das Amtsgericht WWW hat folgende für das gerichtliche Disziplinarverfahren nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindenden tatsächlichen Feststellungen getroffen:
„Aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Hauptverhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft DDDD vom 01.03.2016 aufgezeigte Tatvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestätigt hat.
Hierauf wird vollumfänglich Bezug genommen.“
Der in Bezug genommene Anklagesatz der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft DDDD vom 1. März 2016 – Az: 135 Js 50766/15 – lautet:
„Der Angeschuldigte war für die Zeit vom 01.04.2007 bis 31.03.2015 Soldat auf Zeit und bei dem AAA. Gebirgspanzerbataillon BBB in PPP stationiert. Nachdem ihm zuvor aufgrund des Bescheides des Berufsförderungsdienstes-Standortteam MMM vom 18.06.2013 für die Zeit vom 01.07.2013 bis 28.02.2014 die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme genehmigt und gleichzeitig für den genannten Zeitraum vom militärischen Dienst freigestellt worden war, wurde dem Angeschuldigten mit Bescheid des Berufsförderungsdienstes-Standortteam MMM vom 16.06.2014 die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme mit dem Bildungsziel „arbeitsplatzorientierte Ausbildung zum Einsatzleiter/Objektleiter“ für den Zeitraum vom 08.05.2014 bis 31.10.2014 bei der Firma E.S.T. Elite Security Thüringen in CCCC genehmigt. Gleichzeitig wurde er wegen der Teilnahme an der genannten Bildungsmaßnahme für den o.g. Zeitraum vom militärischen Dienst freigestellt. Beide Bescheide enthielten den Hinweis der Melde-, Anzeige- und Mitteilungspflichten. Danach war der Angeschuldigte verpflichtet, sich unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder der hierzu bestimmten Stelle persönlich zur Aufnahme des militärischen Dienstes zu melden, wenn er die Bildungsmaßnahme unterbricht oder vorzeitig beendet. In der Folge nahm er ab August 2014 bis Ende Oktober 2014 an der Bildungsmaßnahme in CCCC nicht mehr teil. Entgegen der ihm bekannten Verpflichtung meldete der Angeschuldigte sich nicht zur Aufnahme des militärischen Dienstes.“
Gründe für eine Lösung von den bindenden Feststellungen des vorgenannten Urteils lagen nicht vor.
In der Hauptverhandlung hat die Kammer aufgrund der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Urkunden ergänzend Folgendes festgestellt:
Als Angehöriger der – selbst so angegebenen – JJJ./Panzerbataillon LLL (eigentlich AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB, siehe oben) in MMM stellte der frühere Soldat am 1. Mai 2014 einen Antrag auf Förderung einer Bildungsmaßnahme nach § 5 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Mit Bescheid des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam MMM, vom 7. Mai 2014 – Az. 37-70-00/ PK … – wurde er für den Zeitraum vom 8. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 für die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme nach § 5 SVG mit dem Bildungsziel „arbeitsplatzorientierte Ausbildung zum Einsatzleiter/Objektleiter“ bei der Firma Securion Sicherheits- und Dienstleistungs-GmbH, QQQ vom militärischen Dienst freigestellt. Es wurde angeführt, dass für eine weitere Bildungsmaßnahme noch 46 Monate und sechs Tage verblieben.
In diesem Bescheid sind auf der Rückseite der ersten Seite sowie auf der zweiten Seite unter „Belehrungen und Nebenbestimmungen“ insbesondere folgende „Melde-, Anzeige- und Mitteilungspflichten“ enthalten:
„Sie haben den Nichtantritt, die Unterbrechung oder die vorzeitige Beendigung der Bildungsmaßnahme sowie alle Umstände, die für die Förderung der Bildungsmaßnahme von Bedeutung sein können, dem für Sie zuständigen Berufsförderungsdienst unverzüglich anzuzeigen. Falls Sie unter Freistellung vom militärischen Dienst an der Bildungsmaßnahme teilnehmen, haben Sie sich während des Freistellungszeitraumes unverzüglich bei Ihrem(r) nächsten Disziplinarvorgesetzten oder der hierzu bestimmten Stelle persönlich zur Aufnahme des militärischen Dienstes zu melden, wenn Sie
1.die Bildungsmaßnahme nicht oder verspätet antreten,
2.ihr ohne berechtigten Grund einen Tag oder länger fernbleiben oder
3.sie unterbrechen oder vorzeitig beenden.“
Das Karrierecenter der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam MMM änderte am 16. Juni 2014 seinen Bescheid dahingehend ab („1.Neufassung“), dass die Bildungsmaßnahme nunmehr bei der „E.S.T. Elite Security Thüringen“ in CCCC stattfindet. Es wurde angeführt, dass für eine weitere Bildungsmaßnahme noch 46 Monate und sechs Tage verblieben. Der Inhalt der „Melde-, Anzeige- und Mitteilungspflichten“ blieb gleich; die Ausführungen zum Punkt „Vorzulegende Teilnahmenachweise“ beschränkten sich nach dem Eingangssatz darauf, dass (lediglich) die Beendigung der Maßnahme zum 7. November 2014 nachzuweisen ist.
Mit Widerrufsbescheid des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam PPP vom 16. Februar 2015 wurden die Förderung der Bildungsmaßnahme mit Wirkung vom 1. August 2014 sowie die Freistellung vom militärischen Dienst für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis einschließlich 30. Oktober 2014 widerrufen. Als tragende Begründung wurde genannt, dass der frühere Soldat der geförderten Maßnahme bei der Firma E.S.T. nach Mitteilung der dortigen Inhaberin ab 1. August 2014 unentschuldigt ferngeblieben sei.
Es erfolgte eine Kostenfestsetzung hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten (bezüglich Lern- und Ausbildungsmittel) in Höhe von 200 €. Ob eine Rückforderung erfolgte, ist nicht bekannt.
Obwohl der frühere Soldat wusste, dass seine Freistellung vom militärischen Dienst wegen des selbst herbeigeführten Endes der Bildungsmaßnahme nur bis zum 31. Juli 2014 währte, trat er am 1. August 2014 seinen Dienst bei der AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB in PPP nicht an. Er blieb seiner Einheit vielmehr bis zum 31. Oktober 2014 – dem Zeitpunkt des regulären Endes dieser Bildungsmaßnahme – fern.
Der Leumundszeuge konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er damals eine Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge (§ 9 des Bundesbesoldungsgesetzes) veranlasste.
Der frühere Soldat hatte in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgerichts WWW am 13. April 2016 den strafrechtlichen Vorwurf der eigenmächtigen Abwesenheit eingeräumt. Es habe Differenzen mit der Chefin der Firma E.S.T. gegeben. Er habe aber bereits im August 2014 bei der Firma Alpha Sicherheits- und Eventservice in RRR eine Ausbildung begonnen, für die das Karrierecenter der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam PPP ihm mit Bescheid vom 3. November 2014 eine Bildungsmaßnahme (erst) ab 1. November 2014 bewilligte. Ob der frühere Soldat sich tatsächlich dort bereits im August 2014 meldete und danach regelmäßig aufhielt, konnte nicht mehr aufgeklärt werden.
IV.
Der frühere Soldat hat durch das festgestellte Verhalten ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 des Soldatengesetzes (SG) begangen.
1. Dadurch, dass er den Abbruch seiner Ausbildungsmaßnahme bei der Firma E.S.T. Elite Security Thüringen nicht entsprechend der Meldeverpflichtung nach dem Förderungsbescheid (bzw. dessen Neufassung) des Karrierecenters der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam MMM unverzüglich bei seiner Einheit anzeigte, sich am 1. August 2014 nicht zur Aufnahme des Dienstes in seiner Einheit meldete und dieser bis (einschließlich) 31. Oktober 2014 unerlaubt fernblieb, verstieß er mehrfach gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), im Schwerpunkt in Ausprägung der Kernpflicht zur Dienstleistung.
Die Frage, ob die Tage, die grundsätzlich dienstfrei waren (also die Samstage und Sonntage am 2., 3., 9., 10., 16., 17., 23., 24., 30., 31. August 2014, am 6., 7., 13., 14., 20., 21., 27., 28. September 2014 und am 4., 5., 11., 12., 18., 19., 25., 26. Oktober 2014 sowie der bundesweit geltende gesetzliche Feiertag am 3. Oktober 2014), bei der dienstrechtlichen Betrachtung mitgerechnet werden dürfen, hat die Kammer verneint, da im Wehrdisziplinarrecht anders als im Wehrstrafrecht angeknüpft wird (kein ausdrückliches Abstellen auf Kalendertage in der § 7 SG konkretisierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich) und im Zweifel ein Analogieverbot zulasten eines angeschuldigten Soldaten anzunehmen ist.
Insoweit wäre eine höchstrichterliche Klärung durch den Senat über seine Andeutungen im Beschluss vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 19 – hinaus aus Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert.
Daneben ist diese Pflicht verletzt in Gestalt der Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung durch Beachtung der Strafgesetze (vgl. dazu BVerwG, z.B. Urteil vom 28. August 2014 – 2 WD 20.13 – Rn. 44) – der frühere Soldat verwirklichte durch das Fernbleiben von seiner Einheit im vorgenannten Zeitraum den Straftatbestand der eigenmächtigen Abwesenheit gemäß § 15 Abs. 1 WStG – sowie in Form der Missachtung von Weisungen durch Verstoß gegen die ihm bekannte Meldeverpflichtung gegenüber seinem damaligen nächsten Disziplinarvorgesetzten, dem Kompaniechef AAA./Gebirgspanzerbataillon BBB Was die Meldeverpflichtung gegenüber dem Karrierecenter BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam MMM anbelangt, ist § 7 SG hingegen nicht verletzt. Denn die als Fallgruppe der Treuepflicht anerkannte Verpflichtung, den Anordnungen anderer als militärischer Vorgesetzter zu folgen (dazu Scherer/Alff/Poretschkin, Soldatengesetz, Kommentar, 9. Auflage 2013, § 7 Rn. 16), ist mangels Vorgesetzteneigenschaft dieser Dienststelle gegenüber dem früheren Soldaten nicht einschlägig.
2. Der frühere Soldat hat durch das unter Nr. 1 bezeichnete Verhalten zudem gegen seine Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative SG verstoßen.
Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht – hier das Nichterfüllen der zentralen Dienstleistungspflicht in strafrechtlich relevanter Weise sowie das Nichtbeachten (des unter Nr. 1 genannten Teils) der Meldeverpflichtungen – enthält zugleich einen Verstoß gegen die vorgenannte Norm, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Dies ist schon dann der Fall, wenn er Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (BVerwG, z.B. Urteil vom 28. August 2014 – 2 WD 20.13 – Rn. 45). Die vorgenannten Voraussetzungen sind bei einer unerlaubten Abwesenheit von 65 Tagen offensichtlich gegeben.
Aber auch bezüglich des Verstoßes gegen die Meldeverpflichtung gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten, die im Zusammenhang damit steht, ist eine Pflichtverletzung anzunehmen. Denn hierin liegt ein typischer Fall einer Unzuverlässigkeit.
Schließlich wurde gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative SG durch die Nichtbeachtung der Meldeverpflichtung gegenüber dem Berufsförderungsdienst verstoßen. Denn diese Verpflichtung hat aufgrund ihres Zusammenhangs mit der Fördermaßnahme ebenso Gewicht wie die Meldeverpflichtung gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten. Sie zu ignorieren, zeigt ebenfalls eine Unzuverlässigkeit, die geeignet ist, das Ansehen des früheren Soldaten zu schwächen.
3. Der frühere Soldat handelte jeweils mit Wissen und Wollen, mithin vorsätzlich, und somit schuldhaft im Sinne des § 23 Abs. 1 SG.
Betreffend die Dienstleistungspflicht nach § 7 SG ist er wissentlich und willentlich seiner Einheit nach Abbruch der Ausbildungsmaßnahme ferngeblieben.
Im Hinblick auf die Meldeverpflichtung gegenüber seinem Disziplinarvorgesetzten aus § 7 SG folgt die Annahme des Vorsatzes bereits daraus, dass er seine Meldeobliegenheit nach den bindenden Feststellungen des Strafurteils kannte und sich gleichwohl nicht meldete.
Was die Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG betrifft, liegt ebenfalls – zumindest bedingter – Vorsatz vor, da es der frühere Soldat jedenfalls für möglich hielt und es billigend in Kauf nahm, dass durch sein langes Fernbleiben von seiner Einheit sowie durch seine Nichtbeachtung der Meldeverpflichtungen sein dienstliches Ansehen bei Vorgesetzten, Gleichgestellten und Untergebenen gemindert werden konnte.
V.
1. Bei Art und Maß der verwirkten Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer.
Gewicht verleiht dem Dienstvergehen zunächst die Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG, soweit sie den Kernbereich betrifft. Die Treueplicht gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens folgt daraus, dass der frühere Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleistung, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 WStG begangen hat. Ein Soldat, welcher der Truppe – auch während eines Zeitraums, in dem er eigentlich eine Berufsförderungsmaßnahme wahrnehmen sollte – unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. BVerwG, z.B. Urteil vom 26. April 2012 – 2 WD 6.11 – Rn. 19 zum Fall einer unerlaubten Abwesenheit im Zusammenhang mit einer Berufsförderungsmaßnahme).
Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG wiegt nicht leicht. Diese Pflicht ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere – wie hier – ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (BVerwG, z.B. Urteil vom 26. April 2012 – a.a.O. – Rn. 20).
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden ferner dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat damals aufgrund seines Dienstgrades als Stabsunteroffizier in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 der Vorgesetztenverordnung). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (ständige Rechtsprechung des BVerwG, z.B. Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 WD 2.10 – Rn. 30).
Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn. Denn er zahlte die Bezüge des früheren Soldaten weiter für den Zeitraum, in dem er weder Truppendienst leistete, noch eine Ausbildungsmaßnahme absolvierte. Über eine Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge ist nicht bekannt.
Dass der Dienstherr auf den früheren Soldaten in der Zeit der unerlaubten Abwesenheit nicht zugreifen konnte, ist jedoch dadurch mitverursacht, dass das Karrierecenter der Bundeswehr BBBB, Berufsförderungsdienst, Standortteam MMM keine Meldeverpflichtung während der BFD-Maßnahme angeordnet hatte und selbst nicht wusste, dass der frühere Soldat die bewilligte Bildungsmaßnahme ab August 2014 nicht mehr wahrnahm.
Die Beweggründe des früheren Soldaten waren eigennützig, weil er private Belange über die Erfüllung von Dienstpflichten stellte.
Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des früheren Soldaten bestimmt. Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) liegen ebenso wenig vor wie solche für Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die seine Schuld mindern könnten.
Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ vermögen die durchschnittlichen bis unterdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen nicht zugunsten des früheren Soldaten zu sprechen. Geringfügig zu seinen Gunsten ist zu werten, dass er (im Strafprozess) geständig war – auf ein Geständnis kam es aber aufgrund der eindeutigen anderweitigen Beweislage nicht an.
Gegen den früheren Soldaten sprechen weiterhin die nach der hier in Rede stehenden Tat erfolgten und im Hinblick auf § 8 Abs. 7 WDO verwertbaren strafrechtlichen Verurteilungen wegen Diebstahls und wegen Betruges (vgl. obige Anführung aus dem Zentralregisterauszug, dort Nrn. 4 und 5).
2. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach der gefestigten Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: des Senats) von einem zweistufigen Prüfungsschema auszugehen (z.B. Urteil vom 3. August 2016 – 2 WD 20.15 – Rn. 44).
a) Auf der ersten Stufe ist zunächst im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägung“ zu bestimmen.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad, Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (BVerwG, z.B. Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 32).
Der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen wird hier aber dadurch verändert, dass das Dienstvergehen in Zusammenhang mit einer Maßnahme der Berufsförderung am Ende der Dienstzeit steht. Ein längeres oder wiederholtes Fernbleiben während einer solchen Maßnahme ist grundsätzlich weniger schwerwiegend, weil die dienstlichen Nachteile regelmäßig geringer sind als diejenigen, die für die Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung stehenden Soldaten ausgelöst werden. Der Senat lässt es in solchen Fällen grundsätzlich bei der Dienstgradherabsetzung bewenden (z.B. Urteil vom 24. Januar 2018 – a.a.O.).
b) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, welche die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.
Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet. Letzteres ist hier bei der Dienstgradherabsetzung der Fall.
Für einen höheren Schweregrad des Dienstvergehens spricht die besondere Dauer des sich auf 65 Tage erstreckenden Fernbleibens, womit es sich deutlich jenseits des dem damaligen Soldaten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. § 5 Abs. 1 der Erholungsurlaubsverordnung jährlich zustehenden Urlaubszeitraums von 30 Tagen bewegte, an den der Senat hinsichtlich der Frage einer langen Dauer (wohl noch) anknüpft (z.B. Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 34). Methodisch stimmiger erschiene es allerdings – bei nahezu demselben „zeitlichen Ergebnis“ -, auf den in § 16 Abs. 3 WStG genannten, sachlich näheren Monatszeitraum im Rahmen einer Strafmilderung bei tätiger Reue abzustellen. Dies zum Zweck der Abgrenzung, ab wann von einer längeren Dauer der unerlaubten Abwesenheit auszugehen ist. Denn dort gibt der Gesetzgeber selbst seine zeitliche Einschätzung darüber ab, bis wann bei einer gezeigten Reue noch eine Strafmilderung in Betracht kommen soll. Er sieht jedenfalls mit Überschreiten der Einmonatsgrenze eine andere, gewichtigere Dimension.
Zusätzlich war noch erheblich mildernd (vgl. zu diesem Grad der Milderung BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 2 WD 1.18 – Rn. 42 oder auch Urteil vom 15. Dezember 2017 – 2 WD 1.17 – Leitsatz 2) die überlange Verfahrensdauer einzustellen.
Es ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass das gerichtliche Disziplinarverfahren als solches bereits belastend wirkt und deshalb mit pflichtenmahnenden Nachteilen verbunden ist, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Sanktionsbedürfnis mindern können (vgl. dazu BVerwG, z.B. Urteil vom 16. Juni 2016 – 2 WD 2.16 – Rn. 49 ff.).
Ob die Dauer eines konkreten Verfahrens noch angemessen ist, ist nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 16. Juni 2016 – a.a.O. – Rn. 51) unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und folgender Kriterien zu beurteilen: der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des Betroffenen und der zuständigen Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen. Es ist dabei nicht auf feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte abzustellen. Letzteres in seiner Striktheit stellt die Kammer jedoch in Frage, da „feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte“ bereits aus der Natur der Sache – es geht schließlich um die Frage einer überlangen Verfahrensdauer und damit bereits von der Begrifflichkeit her um die Bewertung eines Zeitraumes – folgen und damit wesentliche Anknüpfungspunkte sind. Aus Entscheidungen des Senats selbst ergibt sich zudem, dass die Überlänge maßgeblich aus einem Zeitraum gefolgert wird. So heißt es im Urteil des Senats vom 12. Juli 2018 – 2 WD 1.18 – in Rn. 43: „Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Dauer des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, berechnet ab dem Eingang der Anschuldigungsschrift im November 2015 bis zur Zustellung des Urteils Anfang November 2017, mit zwei Jahren um etwa ein Jahr überlang.“ Auch der Aspekt des Übermaßverbots im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zeigt, dass irgendwann – hier zeitlich – eine Quantität in eine „negative Qualität“ umschlagen kann.
Folgende Umstände waren hier nach Rechtsprechung des Senats zu betrachten:
Die vorliegend vorgeworfenen Pflichtverletzungen datieren aus Mitte bis Ende 2014. Das sachgleiche Strafverfahren war Mitte 2016 beendet. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat die Anschuldigungsschrift am 25. Januar 2017 dem Gericht vorgelegt. Auf letztgenannten Zeitpunkt der Anhängigkeit beim zuständigen Truppendienstgericht ist vor dem Hintergrund der §§ 91 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2, 101 WDO maßgebend abzustellen (im Ergebnis auch BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 43). Danach wurde das Verfahren in der Sache nicht mehr wesentlich gefördert. Die Beweislage war aufgrund der bindenden Feststellungen des Strafurteils und der geständigen Einlassung des Soldaten eindeutig.
Unter Einbeziehung vorstehender Umstände war angesichts der Anhängigkeit von zweidreiviertel Jahren eindeutig von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen.
Die Kammer hielt aufgrund dieses erheblichen Milderungsgrundes im Ergebnis eine Dienstgradherabsetzung, die gemäß § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO unbeschränkt zulässig ist, bis zum Hauptgefreiter der Reserve für erforderlich und ausreichend, um der Schwere des Dienstvergehens gerecht zu werden, dem früheren Soldaten das schwere Gewicht seines Fehlverhaltens vor Augen zu führen und den hier zudem bedeutsamen generalpräventiven Aspekten (zur Zulässigkeit der Berücksichtigung bei früheren Soldaten vgl. Urteil des BVerwG vom 13. Februar 2008 – 2 WD 5.07 – Rn. 66) Rechnung zu tragen. Ihm einen Vorgesetztendienstgrad (der Reserve) zu belassen, erschien der Kammer aufgrund der Schwere des Dienstvergehens für nicht angemessen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz WDO. Danach sind die Kosten des Verfahrens dem (früheren) Soldaten aufzuerlegen, wenn er verurteilt wird.


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