Strafrecht

ehrenamtlicher Bürgermeister, Aberkennung des Ruhegehalts, Pflichtehrensold, Indizwirkung des Strafbefehls, zehnmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung fahrlässige Tötung durch Unterlassen, fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen, Brandschutz

Aktenzeichen  16a D 19.1036

Datum:
4.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13364
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 13, 14, 25 Abs. 2, 55
BeamtStG §§ 33 Abs. 1 S. 2, 34 S. 1, 3
KWBG Art. 59 Abs. 1
StGB §§ 13, 52, 222, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1
FBV §§ 1, 2, 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 13L DK 18.3287 2019-05-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) verhängt.
1. Der Beklagte unterliegt als Bezieher von Pflichtehrensold nach Art. 59 Abs. 1 KWBG gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayVGH, U.v. 7.12.2016 – 16a D 14.1215 – juris Rn. 36, 45). Auch der sachliche Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes ist eröffnet. Dieses gilt nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) BayDG für die von Ruhestandsbeamten im aktiven Beamtenverhältnis begangenen Dienstvergehen i.S.d. § 47 Abs. 1 BeamtStG bzw. Art. 48 Abs. 1 KWBG i.d.F. bis 31. Juli 2012. Um solche handelt es sich hier, da die dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen in die Zeit fallen, als er noch ehrenamtlicher erster Bürgermeister war (1.5.1996 bis 30.4.2014).
2. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte, vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats erwiesen. Auszugehen ist von dem Ablauf des Geschehens, wie es im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Laufen vom 14. Juni 2017 wiedergegeben wird. Zwar sind die in einem Strafbefehl getroffenen tatsächlichen Feststellungen für die Disziplinargerichte nicht bindend; sie können aber der disziplinarrechtlichen Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 55 i.V.m. 25 Abs. 2 BayDG). Den in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen Feststellungen kommt auch im Disziplinarrecht eine erhebliche Indizwirkung zu (BayVGH, U.v. 1.6.2005 – 16a D 04.3502 – juris). Zwar bietet ein Strafbefehl nicht die gleiche Richtigkeitsgewähr wie ein auf Grund einer Hauptverhandlung ergangenes Strafurteil. Andererseits fällt jedoch ins Gewicht, dass auch ein Strafbefehl aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht (§§ 407, 408 StPO) ergeht, eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt und gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangen kann. Auch wenn hierdurch das Defizit der Erkenntnisgrundlagen des Strafbefehlsverfahrens nicht vollständig ausgeglichen wird, trägt diese Verfahrensausgestaltung jedenfalls die Annahme einer Indizwirkung des rechtskräftigen Strafbefehls (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Mai 2022, § 23 BDG Rn. 35).
Hinzukommt, dass dem Senat weitere Erkenntnisse vorliegen, die die angesprochene Indizwirkung verstärken. So hatte der Beklagte ausweislich der in der vom Landgericht Traunstein (B.v. 21.3.2017) zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 2. Dezember 2016 (insbesondere dort S. 9 ff.; Strafakte S. 573 ff.) genannten (weiteren) Erkenntnisse sehr wohl Kenntnis davon, dass in dem Anwesen häufig größere Gruppen übernachteten und die Nutzung als Beherbergungsbetrieb (mehr als 12 Betten) baurechtlich nicht genehmigt war und aufgrund brandschutzrechtlicher Anforderungen auch nicht genehmigungsfähig gewesen wäre:
IV. „a. Kenntnis von Übernachtungen im Gebäude
(1) Arbeiten des Angeschuldigten im Anwesen
Der Elektroinstallationsbetrieb des Angeschuldigten hat bei der Renovierung des Anwesens zahlreiche Elektroinstallationsarbeiten durchgeführt und dabei u.a. auch ein Licht mit einer Zeitschaltuhr in den Dachboden, wo das Matratzenlager errichtet werden sollte, eingebaut. Der Zeuge S. sagte aus, er gehe davon aus, dass er dem Angeschuldigten hierbei bereits erzählt habe, dass im Dachboden künftig ein Matratzenlager errichtet werden sollte, könne sich aber an ein konkretes Gespräch und dessen Datum nicht mehr erinnern. Er habe dem Angeschuldigten aber jedenfalls sein Unternehmenskonzept erläutert. Er wollte Firmen gewinnen, deren Mitarbeiter (Chef und Arbeiter!) zur Steigerung des Gemeinschaftsgefühls hier zusammen Sport treiben, in geselliger Runde zusammensitzen und dann auch gemeinsam übernachten (Bl. 284). Dies habe er dem Angeschuldigten von Anfang an so erklärt. Er habe hier also von Anfang an auch einen Beherbergungsbetrieb führen wollen und zu diesem Zweck auch das Dachgeschoss ausgebaut. Dies habe der Angeschuldigte gewusst, dessen sei er sich 100%ig sicher.
(2) Zeugin B.S.
Auch die Zeugin B.S., Ex-Frau des anderweitig verfolgten S., gab an, dass der Elektrobetrieb des Angeschuldigten auch noch später, als das Matratzenlager bereits bestand, im Gebäude war, um Reparaturen durchzuführen (Bl. 434). Darüber hinaus gab sie an, dass die ganze Gemeinde gewusst hätte, dass viele Gäste in dem Anwesen beherbergt werden, dass dies aber seitens der Gemeinde ausdrücklich geduldet worden sei und der Angeschuldigte zugesichert habe, dass es seitens der Gemeinde diesbezüglich keine Probleme geben würde. So sei es ca. 1997/1998 zu einem Gespräch zwischen ihr und dem Angeschuldigten gekommen. Thema sei u.a. die Treppe gewesen, die ins Bettenlager geführt habe. Es ging darum, ob diese Treppe als Fluchtweg zu steil sei. Dies sei aber vom Angeschuldigten damals nicht als Problem angesehen worden (Bl. 432, 433 und Stellungnahme vom 24.05.2016, Bl. 407). Da die Treppe jedoch als Zugang zum Bettenlager beschrieben wurde, war dem Angeschuldigten jedenfalls ab diesem Zeitpunkt bekannt, dass ein solches Bettenlager im P-hof existierte.
(3) Übernachtungszahlen
Darüber hinaus sind die erheblichen Übernachtungszahlen, die an die Gemeinde gemeldet wurden, Indiz für die Kenntnis des Angeschuldigten vom Umfang der Übernachtungen im P-hof. Zur Entrichtung des von der Gemeinde S. festgesetzten Fremdenverkehrsbeitrages sowie des Kurbeitrages lieferte der anderweitig verurteilte S. jeweils Meldezettel an die Gemeinde ab. In den letzten Jahren hatte der anderweitig verurteilte S. pro Saison ca. 1.000 bis 1.200 Übernachtungen im Haus. Angesichts des guten Zuspruchs stellte er im Laufe der Jahre im Freien auch 2/3 Tipis auf. Dort kam es zu ca. 600 weiteren Übernachtungen pro Saison. Im Jahr 2014 wurden beispielsweise 1.663 Übernachtung-Meldezettel bei der Gemeinde abgegeben, wobei die Übernachtungen an 89 Tagen stattfanden (vgl. Urteil des Landgerichts Traunstein vom 05.02.2016, Bl. 250; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 19 ff.). Der Angeschuldigte hat insoweit eingeräumt, sich die Übernachtungszahlen für 2013/2014 im Frühjahr 2014 angeschaut zu haben (Bl. 34).
(4) Parkplatzsituation
Darüber hinaus spricht auch die Parkplatzsituation in der Gemeinde S., insbesondere an den Wochenenden dafür, dass dem Angeschuldigten bewusst gewesen sein muss, dass in dem Anwesen wesentlich mehr als 8 Personen übernachten. So waren sämtliche Parkplätze in der Gemeinde S. häufig sonntagmorgens belegt, was insbesondere zu Beschwerden der Kirchgänger bei der Gemeinde und beim Bürgermeister führte. Denn wenn das Event-Unternehmen Gäste hatte, die über Nacht blieben und daher die Parkplätze frequentierten, haben die Kirchgänger am Sonntagmorgen keine Parkmöglichkeit gehabt (vgl. Vernehmung S., Bl. 286). Aufgrund der zahlreichen Beschwerden musste der anderweitig verurteilte S. deshalb sogar einen Pachtvertrag mit der Gemeinde S. über weitere Parkflächen abschließen, der vom Angeschuldigten unterschrieben wurde (vgl. Pachtvertrag vom 12.07.2004, Bl. 528/533). Teilweise wurden auch Verbotsschilder aufgestellt. Diese Parkplatznot, die regelmäßig an Wochenanfang zu Beschwerden der Kirchgänger bei der Gemeinde führte, beschreiben neben dem anderweitig verurteilten S. (Bl. 286), die Zeugen B.S. (Bl. 432), M.-G. (Bl. 541), H. (Bl. 415), P. (Bl. 538) sowie Pr. (Bl. 458).
(5) Örtliche Situation
Im Übrigen befindet sich das Rathaus der Gemeinde S. in ca. 200 m Luftlinie vom P-hof entfernt – mit freier Sicht auf das Anwesen und seine Gäste – sowie gleicher Zufahrts straße (Lichtbild, Bl. 547). Die große Zahl der Übernachtungsgäste kann also gar nicht nicht wahrgenommen werden. Hierzu wird ausdrücklich auf die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Traunstein vom 05.02.2016 Bezug genommen (Bl. 251 oben). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Ortsteil von S., in dem sich sowohl das Rathaus als auch der P-hof befinden, nur aus wenigen Häusern und einer Kirche besteht, wo der Betrieb des anderweitig verfolgten S. mit teilweise über 50 Übernachtungsgästen kaum zu übersehen war, da dieser als einzige Attraktion in diesem Ortsteil das Ortsbild wesentlich prägte. Ein Ortsaugenschein wird dies anschaulich zeigen. Ansonsten befindet sich hier nur noch die Gaststätte „W.“, die aber erst im Jahr der Brandkatastrophe als solche in Betrieb genommen wurde. Zuvor wurde dort nur eine Pension betrieben, die aber teilweise sogar stillgelegt war (Zeugenvernehmung: M.-G. Bl. 541). Dass der Betrieb in den konkreten Dimensionen zwingend wahrgenommen werden musste, ergibt sich auch aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, die bestätigt haben, dass dort regelmäßig zahlreiche Gäste übernachteten: demzufolge äußerten die Zeugen Si. (Bl. 17), Pl. (Bl. 440), M.-G. (Bl. 267), P. (Bl. 538) sowie Pr. (Bl. 457), dass ihnen bewusst gewesen sei, dass in dem P-hof zahlreiche Personen übernachteten (Bl. 538). Der Zeuge L. gab an, von dem Matratzenlager jedenfalls seit 1998 gewusst zu haben (Bl. 411).
(6) Vermerke, Flyer u.w.
– Vermerke: Auch die in den Unterlagen der Gemeinde aufgefundenen Vermerke der Zeugen Pr. und M.-G. belegen, dass man sich in der Gemeinde von Anfang an durchaus über die dort stattfindende Beherbergung Gedanken gemacht habe (Bl. 139, 149).
– Flyer: Ferner lagen in der Gemeinde Flyer aus, in denen u.a. auch mit den zahlreichen Schlafplätzen geworben wurde (Zeugenvernehmung S., Bl. 287; Zeugenvernehmung M.-G., Bl. 265).
– Homepage: Die Homepage der Gemeinde war mit „ihrer Hauptattraktion“ für den Fremdenverkehr, dem Unternehmen des anderweitig verurteilten S. sogar verlinkt. Zum Unglückszeitpunkt wurde dort unter „S.-Alpenlocation“ mit 50 Schlafplätzen und Bettenlager und Mehrbettzimmer im Hüttenstil geworben (Bl. 514 ff.; vgl. hierzu auch die Vernehmung des Zeugen H., Bl. 414).
– Straßenschild: Dem Antrag des anderweitig verfolgten S. auf Genehmigung eines Straßenschildes als Werbefläche, den dieser bei der Gemeinde S. einreichte, waren ebenfalls eine Beschreibung und ein Flyer des Unternehmens beigegeben. In diesem wurde mit „40 einfachen Schlafplätzen im Stil eines Almlagers“ geworben. Der Antrag mit Flyer wurde bei der Gemeinde sichergestellt (Bl. 135 ff. des Sonderbandes: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt). Auf dem beantragten Werbeschild selbst wird mit „Schullandheim“ geworben (Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 139, 142).
Aus all diesen Umständen ergibt sich, dass der Angeschuldigte gewusst hat, dass in dem Anwesen größere Gruppen mit teilweise über 50 Personen übernachteten und das Anwesen entsprechend mit Schlafplätzen ausgestattet war, insbesondere über ein Matratzenlager verfügte. Seine Einlassung, dass er davon ausgegangen sei, dass – mit Ausnahme von 8 Personen – alle weiteren Gäste in den Tipis übernachtet haben sollen, ist schlichtweg nicht glaubhaft. Dies hat ihm bereits das Landgericht Traunstein nach Durchführung der Hauptverhandlung im Verfahren 310 Js 18373/15 nicht geglaubt (Bl. 251). Zum einen verfügte der anderweitig verurteilte S. nur über 2-3 Tipis bis zu je 8 Plätzen, sodass dies für über 50 Personen, wie beispielsweise in der Nacht der Brandkatastrophe, gar nicht ausgereicht hätte. Zum anderen wäre das Übernachten in den Zelten bei Regen und im Winter/Silvester gar nicht möglich gewesen, da die Tipis nach oben offen sind. Schließlich gab es zu Beginn des Betriebs noch gar keine Tipis, wohl aber Übernachtungen (Zeugin B.S., Bl. 433; Urteil des Landgerichts Traunstein, Bl. 250).
b. Kenntnis von der fehlenden Genehmigung
Darüber hinaus belegen die nachgenannten Indizien, dass dem Angeschuldigten positiv bewusst war, dass zum einen keine Genehmigung vorlag, eine solche aber erforderlich war und das Anwesen im Übrigen auch nicht genehmigungsfähig gewesen wäre:
(1) Der Angeschuldigte selbst hat als Zeuge im Verfahren 310 Js 118373/15 angegeben, davon ausgegangen zu sein, dass es sich um einen Kleinbetrieb mit 8 Gästebetten handle, der deshalb nicht genehmigungspflichtig sei. Bereits aus dieser Einlassung ergibt sich, dass ihm die Problematik und die fehlende baurechtliche Genehmigung durchaus bewusst waren.
(2) Zeugin M.-G. (Bl. 262 ff., 540 ff.) in Verbindung mit dem von dieser gefertigten Aktenvermerk vom 31.05.2007 (Bl. 11): Danach „durfte der anderweitig verfolgte S. offiziell keine Gäste beherbergen, er hätte damals eine baurechtliche Nutzungsänderung beantragen müssen“. Allein aus diesem Vermerk geht damit letztlich hervor, dass bei der Gemeinde bekannt war, dass mehr als 8 Personen beherbergt wurden – ansonsten hätte es mangels Sonderbau keiner baurechtlichen Genehmigung bedurft – und auch, dass eine solche nicht vorlag, die durchgeführten Beherbergungen also illegal durchgeführt wurden. Die Erläuterungen der Zeugin M.-G., die diesen Vermerk gefertigt hat, bestätigen dies: Nach deren Angaben wusste jeder Gemeindeangestellte und insbesondere auch der Bürgermeister, dass im P-hof in größerem Umfang Übernachtungen durchgeführt wurden. Der anderweitig verfolgte Pr., damaliger Geschäftsleiter der Gemeinde S., habe ihr mitgeteilt, dass zwischen dem Bürgermeister und dem anderweitig verurteilten S. vereinbart worden sei, die Übernachtungen wie bei Kleinvermietern über Meldezettel und nicht (wie eigentlich aufgrund des Umfangs erforderlich) über die Umsatzsteuererklärung abzurechnen, dies deshalb weil der anderweitig verurteilte S. keine baurechtliche Genehmigung für eine Beherbergung hatte und aus brandschutz- und denkmalschutzrechtlichen Gründen auch keine bekommen würde. Der nicht genehmigte Beherbergungsbetrieb sollte durch die Gemeinde geduldet werden, sei die Anweisung gewesen. Dies sei der Grund dafür gewesen, dass man den Betrieb des S. für die Abrechnung der Fremdenverkehrsbeiträge gesplittet habe: Der Beherbergungsbetrieb sei wie ein Kleinvermieter über Meldezettel abgerechnet worden und der Sportbetrieb über die Umsatzsteuer.
(3) Der Zeuge Pl. (Bl. 438 ff.), früherer Kassenbeamter der Gemeinde S., bestätigte ebenfalls, dass bekannt gewesen sei, dass die Brandschutzvorschriften im P-hof nicht eingehalten wurden, dennoch sei dort nie eine Feuerbeschau durchgeführt worden, obwohl dort teilweise 50-60 Personen an einem Wochenende übernachtet hätten. Er habe dies bereits vor dem Jahr 2000 aus Gesprächen des Bürgermeisters mit der Zeugin M.-G. mitbekommen. Inhalt dieser Gespräche sei gewesen, dass man beim P-hof auf die Überprüfung der brandschutzrechtlichen Voraussetzungen keine Rücksicht nehmen sollte, da die baulichen Maßnahmen zu umfangreich gewesen wären und man dies Herrn S. nicht antun wollte. Daher sei nie jemand von der Gemeinde in das Anwesen hineingegangen, um dies zu überprüfen.
(4) Der anderweitig verurteilte S. (Bl. 282 ff.) konnte sich zwar an ein konkretes Gespräch über die Durchführung der Abrechnung der Fremdenverkehrsbeiträge mit dem Angeschuldigten nicht mehr erinnern, gab aber an, dass er ein solches wohl geführt habe. Er habe jedenfalls bei der Gemeinde vorgesprochen und sich erkundigt, wie er seine Übernachtungen abzurechnen habe. Er sei dann angewiesen worden, Meldezettel abzugeben, was er auch gemacht habe. Es sei klar gewesen, dass sie keine Genehmigung für einen Beherbergungsbetrieb gehabt hätten (Bl. 287).
(5) Hinzu kommt, dass die Gemeinde im Jahr 2008 – und damit nach der Feuerwehrübung am P-hof – durch das Landratsamt ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass für den derzeitigen Zustand bzw. die derzeitige Nutzung keine Baugenehmigung bestand: So war zunächst im Rahmen einer Baukontrolle am P-hof im Jahr 2008 (BV 640-2008 Landratsamt BGL; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 302 ff.) durch das Landratsamt BGL festgestellt worden, dass mehrere bauliche Anlagen (Zelte, Werbeanlagen, Anbauten etc.) ohne die erforderliche Genehmigung „dazu gebaut“ worden waren, weshalb ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wurde. Mit Schreiben vom 21.07.2008 wurde der anderweitig verurteilte S. deshalb hierauf hingewiesen und aufgefordert, den erforderlichen Bauantrag einzureichen. Die Gemeinde S. erhielt einen Abdruck dieses Schreibens (Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 311). Im Rahmen eines Antrages auf den Bau einer Gerätehütte vom 02.10.2008 (BV 923-2008 Landratsamt BGL; Bl. 165/167; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 320 ff.) ist dem Landratsamt BGL dann weiter aufgefallen, dass es sich bei dem Unternehmen S. um einen Sonderbau iSd. Art. 2 IV Nr. 8 BayBO (Beherbergungsbetrieb mit mehr als 12 Betten) handelte. So sagte der Zeuge I. aus (Bl. 423 ff.), er sei im Jahr 2008 als Anwärter beim Landratsamt BGL beschäftigt gewesen. Im Rahmen der Prüfung des Antrages habe er über eine Internet-Recherche herausgefunden, dass dort auch ein Matratzenlager existiere und es sich deshalb um einen Sonderbau iSd. Art. 2 IV Nr. 8 BayBO handeln würde. Deshalb habe er den Aktenvermerk vom 24.10.2016 [richtig:2008] (Bl. 165; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 332) gefertigt, den die Zeugen Schn. und U. vom LRA BGL gegengezeichnet hätten, weil sie seine Meinung teilten. In der Folge wurde die S. GmbH dann mit Schreiben vom 27.10.2008 (Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 334) aufgefordert, einen Bauantrag einzureichen, in dem u.a. die dem Unternehmen dienenden Nutzungsänderungen der Gebäude inklusive der Gästebetten aufzuführen waren. Ein Abdruck dieses Schreibens wurde wiederum der Gemeinde S. zur Kenntnis übersandt und ging dort am 29. Oktober ein (Bl. 166 und 467; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 333). Mit Schreiben vom 26.02.2009 (Bl. 173; Sonderband: Unterlagen Gemeinde/Landratsamt, Bl. 373), das er gemeinsam mit einem neuen Bauantrag für eine Gerätehütte (BV 199-2009, Bl. 352 ff.) über die Gemeinde S. einreichte, teilte daraufhin der anderweitig verurteilte S. dem Landratsamt BGL mit, dass er „in Bezug auf die Genehmigung der Gästebetten in ihrer Niederlassung in S. von einem Genehmigungsverfahren jetzt absehen würde, da es keine Möglichkeiten für die bauliche Veränderung bezüglich der Brandschutzverordnungen gebe (…)“. Dennoch wurde die bisherige Unternehmensführung beibehalten und es fanden weiterhin zahlreiche Beherbergungen in größerem Umfang in dem P-hof statt. Obwohl der Angeschuldigte demnach wusste, dass eine Beherbergung nicht genehmigt und aus brandschutzrechtlichen Gründen auch nicht möglich war, schritt er weiterhin nicht ein und duldete den baurechtswidrigen Zustand. (…)“
Zudem wird aus den Ausführungen des Landgerichts Traunstein im Strafurteil vom 19. Februar 2016 gegen den anderweitig verurteilten S. deutlich, dass es „der Gemeinde … nicht verborgen [blieb], dass sich die gemeldeten Übernachtungszahlen nicht nur auf Zelte und Tipis beziehen konnten“ (Strafurteil S. 12). Denn „das Rathausgebäude lag im Übrigen in Luftlinie nur ca. 200 m vom Pfarrbauernhof entfernt und hatte dieselbe Zufahrts straße. Von Gästen geparkte Fahrzeuge bzw. Busse waren deutlich erkennbar. Zur Erweiterung seiner Parkmöglichkeiten hatte der Angeklagte zudem eine angrenzende Fläche von der Gemeinde S. angemietet, um dort weitere ca. 8 Pkw´s parken lassen zu können“ (Strafurteil S. 12). „Die dort [im Schreiben des Herrn S. vom 26. Februar 2009] ausgeführte Ankündigung, im Pfarrbauernhof keine Gästebetten mehr zu betreiben, war somit bekannt. Gleichwohl gingen in den folgenden Jahren wieder die erwähnten Meldezettel bei der Gemeinde ein, wobei die dortigen Übernachtungszahlen nicht nur von den Zelten und Tipis stammen konnten“ (Strafakte S. 13). Zugunsten des S. unterstellte das Strafgericht schließlich, „dass der Eigentümer L. sowie Verantwortliche der Gemeinde S., insbesondere der damalige Bürgermeister B. [Beklagter] von den Übernachtungsmöglichkeiten im Pfarrbauernhof einschließlich des Bettenlagers wussten“ (Strafakte S. 20).
Schließlich werden die Feststellungen im Strafbefehl durch das „Geständnis“ des Beklagten vom 21. März 2017 (Strafakte S. 631) in zentralen Punkten bestätigt. Darin heißt es: „Mein Mandant akzeptiert, dass er als ehrenamtlicher Bürgermeister eine besondere Garantenstellung hatte und dass er sich von dem Vorwurf des fahrlässigen Verhaltens aufgrund der vorhandenen Aktenlage nicht in vollem Umfang entlasten können wird. Nachdem der Geschäftsverteilungsplan diesbezüglich keine Aussagekraft hat, wird er den Beweis nicht führen können, diese Aufgaben tatsächlich auf Mitarbeiter übertragen und diese auch angemessen überwacht zu haben.“ Selbst wenn der Strafbefehl in seinen Details über den Inhalt des Geständnisses hinausgeht und der Beklagte nicht expressis verbis zugestand, davon gewusst zu haben, dass in dem Anwesen des S. teilweise bis zu 50 Personen übernachteten, so räumte er zumindest seine besondere Garantenstellung sowie sein fahrlässiges Verhalten (als nicht widerlegbar) ein.
3. Der Beklagte wendet sich gegen die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafbefehls, vermag aber dessen Indizwirkung nicht ernsthaft zu erschüttern bzw. zu widerlegen:
Der Hinweis auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrem Vermerk vom 19. Dezember 2015 (Strafakte – S. 339) und ihrer Anklageschrift gegen den anderweitig verfolgten S. vom 29. September 2015 (Strafakte S. 76), wonach ein Nachweis über die Kenntnis der Gemeinde (einer konkret verantwortlichen Person) nicht geführt werden könne, verfängt schon deshalb nicht, weil diese Einschätzungen auf Erkenntnissen vor der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten am 29. Januar 2016 (Strafakte S. 1) beruhten. Aufgrund neuer Tatsachengrundlagen und Beweismittel änderte die Staatsanwaltschaft ihre zuvor geäußerte Rechtsauffassung. An überholten strafrechtlichen Bewertungen muss sie sich nicht festhalten lassen.
Soweit der Beklagte vorträgt, aus dem „Geständnis“ des S. folge, dass erst nach der Tätigkeit des Unternehmens des Beklagten die Errichtung des Matratzenlagers erfolgt sei, führt dies zu keiner anderen Sichtweise. Selbst wenn die Holzrahmen für den Lattenrost erst nach der Elektroinstallation errichtet worden sein sollten, behauptet S., dass für den Beklagten schon zum Zeitpunkt der Durchführung seiner Arbeiten die Nutzung des Dachgeschosses für Übernachtungen durch bereits angebrachte Vorhänge, der Installation einer Schaltuhr, der bereits damals dort stattfindenden Übernachtungen von Freunden und Helfern und der Schilderung des Betriebskonzeptes (Teambildung) erkennbar gewesen sei.
Im Ansatz nicht weiterführend ist die substanzlose Behauptung des Beklagten, wonach die Ermittlungen gegen Gemeindemitarbeiter offensichtlich von dem Bestreben getragen worden sei, bei einer Verurteilung über die Gemeinde auf weiteren Versicherungsschutz zurückzugreifen.
Unzutreffend ist der Einwand, kein Zeuge habe behauptet, dass der Beklagte von den Übernachtungen (außer in den vier Doppelzimmern und in den Tipis) im P-hof gewusst habe. Denn die Zeugin M.-G. gab bei ihrer Vernehmung am 19. April 2016 an (Strafakte S. 265), dass „der Bürgermeister [von den Übernachtungen] gewusst habe“. Auch die Zeugin B.S. war sich sicher, „dass er [der Beklagte] von den Übernachtungen im Haus wusste“ (Strafakte S. 434). Schließlich sagte der anderweitig verfolgte S. aus, er habe von Anfang an einen Beherbergungsbetrieb führen wollen und er sei sich „zu 100% sicher“, „dass der damalige Bürgermeister Herr B. dies auch wusste“. Dies ist im Übrigen auch deshalb nachvollziehbar, weil der P-hof in dem kleinen Ortsteil die Hauptattraktion war, über den nicht nur der Bayerische Rundfunk eine Filmdokumentation (am 21.9.2006) ausstrahlte, sondern auch das Fremdenverkehrsamt einen Werbefilm drehte. Dass es sich beim P-hof um einen herausgehobenen Betrieb handelte, zeigt auch der Umstand, dass im Jahr 2013 im gesamten Gemeindegebiet lediglich acht Beherbergungsbetriebe mit zehn oder mehr Gästebetten existierten, in denen 14.868 Gästeübernachtungen erfolgten (vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik, Statistik kommunal 2019 Gemeinde S., S. 16). Die Übernachtungszahlen auf dem Anwesen des S. (2013: 950) erreichten mithin eine beachtliche Größe.
Auch die weiteren Einlassungen des Beklagten (vgl. insbes. Schr. v. 11.9.2018, UA Rn. 74 bis 143) überzeugen nicht.
Das Argument, durch seinen Verzicht auf einen Einspruch gegen den Strafbefehl habe sich der Beklagte die Möglichkeit zur Richtigstellung des Sachverhalts vergeben, greift nicht durch. Zum einen ist die entsprechende Sachaufklärung auch im disziplinargerichtlichem Verfahren möglich, zum anderen ist die Entscheidung, von einem Einspruch gegen einen Strafbefehl abzusehen, naturgemäß maßgeblich von dem legitimen aber in erster Linie eigennützigen Ziel einer möglichst geringen Strafe unter Sicherstellung weitestgehender Diskretion, also in der Regel prozesstaktisch geprägt.
Die Rüge, die Disziplinarklage habe die Angaben des Beklagten bei seiner Anhörung vor der Disziplinarbehörde am 12. Oktober 2017 nicht berücksichtigt, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Der Beklagte geht fehl, sollte er annehmen, seinen Angaben müsse in jedem Fall Glauben geschenkt werden.
Soweit der Beklagte auf die Straffreiheit seines Amtsnachfolgers oder anderer Gemeindemitarbeiter, die von den Übernachtungen im P-hof wussten, verweist, verkennt er, dass diesen entweder keine Kenntnis von den baurechtswidrigen Zuständen oder keine Garantenstellung nachgewiesen werden konnten. Im Übrigen ändert auch ein vermeintliches Fehlverhalten anderer nichts an der eigenen Verantwortlichkeit des Beklagten. Als Bürgermeister und in Anbetracht seiner Kenntnisse über die brandschutzrechtlichen Probleme konnte und durfte sich der Beklagte nicht auf seine Gemeindemitarbeiter verlassen. Schließlich führen auch die Hauptverantwortlichkeit des S. und das Vertrauen des Beklagten auf dessen Zusicherung, niemanden mehr in dem Anwesen übernachten zu lassen, nicht dazu, dass der Tatvorwurf gegen den Beklagten entfällt.
Als Bestandteil des Bauvorgangs (BV 199-2009), der dem Beklagten zur Vorbereitung der Gemeinderatssitzung am 4. März 2009 gedient hat, bekam dieser das Schreiben des Herrn S. vom 26. Februar 2009 zur Kenntnis. Für die Vermutung des Beklagten, das Schreiben sei erst nachträglich dem Bauvorgang zugefügt worden, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Hierfür genügt nicht, dass das Schreiben dem ehemaligen Geschäftsstellenleiter Pr., mit dem der Beklagte alle Bauanträge vorbesprochen haben will, nicht mehr erinnerlich gewesen sein mag. Vielmehr spricht der auf den 26. Februar 2009 datierte Eingangsstempel der Gemeinde sowie die Beifügung des Schreibens („als Anlage erhalten Sie den neu erstellten Bauantrag der durch unseren Architekten angefertigt wurde“) zum amtlichen Vordruck des Antrags auf Baugenehmigung dafür, dass das Schreiben bereits zum Zeitpunkt seines Eingangs in der Gemeindeverwaltung Teil der Bauakten (BV 199-2009) wurde, die Angelegenheit in der Gemeinderatssitzung vom 4. März 2009 (als Tekturplan) behandelt und schließlich mit der Stellungnahme der Gemeinde an das Landratsamt gesandt wurde. Aus dem Schreiben geht unzweifelhaft hervor, dass überhaupt keine Gäste mehr im Haus übernachten sollten und dass es keine Möglichkeit der baulichen Veränderung bezüglich der Brandschutzverordnung gäbe. Der Beklagte räumte ein, dass er – wie das Landratsamt – „der Rücknahme des Bauantrags durch Herrn S. und den Erklärungen, die dieser dazu abgab“ vertraut habe (Schr. v. 11.9.2018 S. 4 – VG-Akte S. 50; Schr. v. 8.7.2019 S. 11 – VGH-Akte S. 48). Er habe genauso wie die Mitarbeiter des Landratsamtes „dem Hinweis des S. vertraut, dass dieser nach Rücknahme der Baugenehmigung die Übernachtungen im P-hof einstellen werde“ (Schr. v. 8.7.2019 – VGH-Akte S. 48). Da sich außer dem Schreiben vom 26. Februar 2009 kein Rücknahmeschreiben oder sonstiger Hinweis des S. auf Einstellung jeglicher Übernachtungen im P-hof in den Bauakten befindet, ist davon auszugehen, dass der Beklagte von dem Schreiben vom 26. Februar 2009 wusste. Nur so kann er darauf vertraut haben. Die Argumentation des Beklagten ist in diesem Punkt aber widersprüchlich. Denn wenn er gewusst hat, dass vier Zimmer im ersten Obergeschoss des P-hofs zur Übernachtung genutzt wurden (siehe dazu sogleich unter Rn. 65), kann er nicht auf die Erklärung des S. vertraut haben, überhaupt niemanden mehr in seinem Anwesen übernachten zu lassen (ausführlich dazu unter 4.).
In seiner Vernehmung (Strafakte S. 34) gab der Beklagte an, sich noch während seiner Amtszeit im März bzw. Frühjahr 2014 die Übernachtungszahlen der Gemeinde angesehen zu haben. Hierbei habe er „auch die Zahlen der Fa. S. vermutlich aus dem Jahr 2013 oder 2014 gesehen“. Auch wenn er nur „eine Zahl“ gesehen habe, so kannte der Beklagte zumindest die genauen Gästezahlen aus dem Jahr 2013 (950 Übernachtungen). Angesichts dessen glaubte weder die Staatsanwaltschaft (Anklageschrift S. 11) noch das Landgericht Traunstein (Strafakte S. 251) der Behauptung des Beklagten, er sei davon ausgegangen, dass sämtliche Gäste in den acht Betten im ersten Obergeschoss und den Tipis übernachtet haben sollen. Denn der Saisonbetrieb lief im Wesentlichen an den Wochenenden von April bis September (2014 fanden an gerade einmal 89 Tagen Übernachtungen statt); zudem beschränkte sich die Nutzbarkeit der nach oben offenen Tipis auf warme und regenfreie Tage.
Der Einwand des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2022, S. sei zum Zeitpunkt des Schreibens vom 26. Februar 2009 nicht Geschäftsführer der Fa. S. GmbH gewesen, trifft nicht zu. S. war zu diesem Zeitpunkt neben seiner damaligen Ehefrau nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Gesellschafter der GmbH und trat bei sämtlichen Bauvorhaben gegenüber der Gemeinde als Handlungs- und Vertretungsberechtigter auf (vgl. z.B. Schr. v. 31.8.2008 BV 923/08; Geständnis des S. – Strafakte S. 345). Im Übrigen hätte eine fehlende Vertretungsbefugnis des S. keinen Einfluss auf die positive Kenntnis des Beklagten vom Inhalt des Schreibens vom 26. Februar 2009.
Ob nun der Beklagte konkret wusste, dass im Dachgeschoss/Matratzenlager Gäste übernachteten (UA Rn. 182), kann – wie das Verwaltungsgericht zu Recht annimmt – im Ergebnis sogar offenbleiben. Denn für die subjektive Vorwerfbarkeit bzw. Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung der fahrlässigen Tötung genügt es, dass der Beklagte wusste, dass in dem Anwesen überhaupt weiterhin Gäste übernachteten, obwohl S. in seinem Schreiben vom 26. Februar 2009 zugesichert hatte, „im Haus nur noch Tagesgäste ohne Übernachtungsmöglichkeit“ zu beherbergen. Diese Kenntnis gestand der Beklagte im Laufe des Disziplinar- und Strafverfahrens mehrfach ein, indem er zugab, gewusst zu haben, dass (jedenfalls) vier Zimmer im ersten Obergeschoss des P-hofs zur Übernachtung genutzt wurden („Mir war bekannt, dass sich im 1. Stock vier Zimmer befinden … Die Aussage von Herrn S., dass ich wusste, dass er einen Beherbergungsbetrieb führt, trifft nur insoweit zu, als ich davon ausgegangen bin, dass er ein Kleinvermieter mit insgesamt 8 Betten ist“ – Protokoll der persönlichen Anhörung vom 12.10.2017; Disziplinarakte S. 69, 71). Der Beklagte sei immer davon ausgegangen, „dass die Übernachtungen nur in den vier Zimmern im ersten Stock bei Herrn S. als Kleinvermieter stattgefunden haben“ (Schr. v. 12.6.2018 – Disziplinarakte S. 130; Schr. v. 11.9.2018 – VG-Akte S. 52). „Der Beklagte wusste, dass Herr S. einen Beherbergungsbetrieb führt. Allerdings war er aufgrund der Rücknahme des Bauantrags durch Herrn S. der Meinung, dass dieser weiter als ´Kleinvermieter´ nur 8 Betten vermieten würde“ (Schr. v. 21.4.2022 – VGH-Akte S. 78). Aus welchen Gründen der Beklagte im Übrigen davon ausging, dass die vier Zimmer im Obergeschoss exakt mit (nur) acht Betten (entsprechend § 2 Abs. 4 Satz 1 GastG i.d.F. bis 30.6.2005), statt tatsächlich mit insgesamt 26 Betten (vgl. Strafurteil gegen S. vom 19.2.2016, S. 6; Strafakte S. 236) ausgestattet waren, vermochte er in der mündlichen Verhandlung mit seinem Hinweis auf die „übliche Belegung“ und seine Erfahrungswerte nicht nachvollziehbar aufzuklären.
4. Die strafrechtliche Qualifizierung des Verhaltens des Beklagten als fahrlässige Tötung durch Unterlassen in sechs tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen in achtzehn tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 222, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1, 13, 52 StGB begegnet keinen tatsächlichen oder rechtlichen Bedenken.
Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg gezeitigt hat (BGH, U.v. 22.11.2000 – 3 StR 331/00 – juris Rn. 20), wobei Anknüpfungspunkt für den Fahrlässigkeitsvorwurf vorliegend kein aktives Tun, sondern ein Unterlassen (§ 13 StGB) ist.
Der Beklagte unterließ es als Organ der Gemeinde, das Landratsamt über den baurechtswidrigen Zustand des P-hofs zu unterrichten und eine Feuerbeschau durchzuführen. Durch den Brand in dem P-hof wurden insgesamt sechs Personen getötet und 18 Personen verletzt. Bezüglich des genauen Herganges des Brandes in dem P-hof am 23. Mai 2015, dessen Ursachen und Folgen kann auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Laufen vom 14. Juni 2017 Bezug genommen werden.
Der Beklagte hatte als Bürgermeister der Gemeinde S. vorliegend eine Garantenstellung inne. Grund dieser Garantenstellung ist die Übernahme amtlicher Pflichten, die dem Bürgermeister zufolge seiner dienstlichen Aufgaben als Amtsträger der Gemeinde obliegen. Die Gemeinde hat als lokale Sicherheitsbehörde Aufgaben aufgrund des allgemeinen Sicherheitsrechts wahrzunehmen (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 53 Rn. 33). Art. 6 und 7 LStVG legen der Gemeinde allgemein die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf und verleihen ihr entsprechende Befugnisse. Die Sicherheitsbehörden haben geeignete Maßnahmen zu treffen, um Gefahren zu unterbinden oder zu beseitigen, und so die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen (Holzner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2022, Art. 6 LStVG Rn. 15, 17). Insbesondere sind die Gemeinden verpflichtet, das Landratsamt über unzulässige (Bau-)Arbeiten zu verständigen und vor allem alle ihnen bekannt gewordenen bereits bestehenden ungenehmigten Bauten mitzuteilen. Zudem haben die Gemeinden Überwachungszuständigkeiten in Bezug auf den ihnen übertragenen vorbeugenden Brandschutz, vor allen nach der Verordnung über die Feuerbeschau (FBV). Nach § 2 FBV erstreckt sich die Feuerbeschau auf Gebäude, insbesondere Sonderbauten nach Art. 2 Abs. 4 der Bayerischen Bauordnung (BayBO; z. B. Hochhäuser, Versammlungsstätten für mehr als 200 Personen, Krankenhäuser, Heime und größere Kindergärten, Schulen und Hochschulen, Gaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen und Campingplätze), aber auch sonstige Anlagen und Gegenstände, bei denen Brände erhebliche Gefahren für Personen oder außergewöhnliche Sach- oder Umweltschäden zur Folge haben können oder bei denen konkrete Anhaltspunkte auf erhebliche Gefahren hinweisen. Wenn konkrete Anhaltspunkte für gefährliche Zustände vorliegen, ist eine Feuerbeschau (zwingend) durchzuführen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 FBV). Die Überwachungsbedürftigkeit muss also auf besonderen Umständen beruhen (z.B. Bausubstanz, Nutzungsart, auffälliges Verhalten der Nutzer). Eine Feuerbeschau wird in der Praxis daher neben den in § 2 FBV genannten Sonderbauten gemäß Art. 2 Abs. 4 BayBO vor allem bei Fehlverhalten von Nutzern notwendig sein. Die Überwachungsbedürftigkeit kann somit, soweit konkrete Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren bestehen, bei Gebäuden aller Art bestehen (Schulz, Brandschutz in Bayern, Teil I Vorbeugender Brandschutz, 7. Fssg. 2021, PdK Bay K-16 Erl. 1.2).
Für den Beklagten bestanden jedenfalls ab seiner Kenntnis von weiteren Übernachtungen im P-hof (auch wenn sich diese Kenntnis nur auf die vier Zimmer im ersten Obergeschoss bezogen haben sollte) und damit ab Kenntnis des bewussten Verstoßes des S. gegen seine Zusicherung, im Haus „nur noch Tagesgäste ohne Übernachtungsmöglichkeit“ zu beherbergen (Schr. v. 26.2.2009), da es keine Möglichkeit für die bauliche Veränderung bezüglich der Brandschutzverordnung gebe, entsprechende konkrete Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren. Denn aus dem offensichtlichen Verstoß des S. gegen seine eigene Zusicherung, mussten sich für den Beklagten bereits augenscheinliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des S. aufdrängen. Zudem handelte es sich bei dem P-hof um ein 450 Jahre altes, denkmalgeschütztes, ca. 220 m2 großes Holzgebäude mit angeschlossener Tenne, die für ca. 120 Personen Platz bot und für den gastronomischen Betrieb ausgebaut war. Dem S. wurde bereits 1998 – wie der Beklagte wusste – eine Freischankfläche zur einfachen Getränkebewirtung genehmigt (vgl. das vom Beklagten unterzeichnete Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 30.3.1998 – BV 377/98 S. 18). Ziel war es, die Gäste „in den Pausen zwischen Vormittag und Nachmittag sowie abends mit Getränken“ zu versorgen. Der Personenkreis beschränke sich auf eine Zahl von „20 bis 30 Personen“ (vgl. Antrag v. 3.2.1998 – BV 377/98 S. 19). Nachdem dem Beklagten durch die Baugenehmigungsverfahren und insbesondere das Schreiben des S. vom 26. Februar 2009 bekannt war, dass ein Beherbergungsbetrieb als Sonderbau nicht genehmigt war und auch die brandschutzrechtlichen Anforderungen nicht erfüllt waren, in dem P-hof aber dennoch Gäste in beträchtlicher Anzahl (zumindest in den vier Zimmern im ersten Obergeschoss) übernachteten, lag hier aufgrund des Alters, der Größe und Beschaffenheit sowie des Zwecks des Gebäudes ein besonderes tatsächliches Gefährdungspotential vor, weshalb das Ermessen der Gemeinde auf Null reduziert war und eine Feuerbeschau hätte durchgeführt werden müssen.
Den Beklagten trifft für die Nichterfüllung dieser Pflichten die strafrechtliche Verantwortlichkeit als Garant, da diese Pflichten in seiner Amtsstellung begründet waren. Als Bürgermeister oblag ihm die Dienstpflicht zur Wahrnehmung seines Amtes und damit zugleich die Verpflichtung, für die Erfüllung der Handlungsgebote zu sorgen, die die Gemeinde zu befolgen hatte (BGH, U.v. 19.8.1992 – 2 StR 86/92 – juris Rn. 31; Heine/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 324 ff. Rn. 40 zur Pflicht einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung). Der Bürgermeister der Gemeinde kann nicht die entsprechende Organstellung einnehmen wollen, ohne zugleich die sich daraus ergebenden Pflichten wahrnehmen zu müssen.
Eine ordnungsgemäße Delegation der Aufgabe „Sicherheit“ und „Brandschutz“ auf Gemeindemitarbeiter lag nicht vor, sodass diese Aufgaben der alleinigen Verantwortung des Beklagten oblagen. Den hierzu getroffenen Feststellungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift (S. 6 ff.) schließt sich der Senat an:
„Die maßgebliche Geschäftsverteilung der Gemeinde S. datiert vom 01.04.1989. Nach dieser Geschäftsverteilung (vgl. Bl. 550) war weder die Aufgabe „Sicherheit“ noch die des „Brandschutzes“ delegiert. Letztlich kann die Frage der Geschäftsverteilung im vorliegenden Fall aber dahinstehen:
(1) Denn es lag jedenfalls keine Beauftragung vor, die Aufgaben in eigener Verantwortung selbstständig wahrzunehmen. Wie die Ermittlungen ergeben haben, hat der Angeschuldigte darauf bestanden, dass „alles über seinen Schreibtisch“ geht (Zeugenvernehmung M.-G., Bl. 264 f. und Vernehmung Pr., Bl. 458) und dies wurde tatsächlich auch so praktiziert, wie die exemplarisch beigegebenen ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Verfügungen zeigen (Bl. 433 ff. und Vermerk, Bl. 512), und im Übrigen auch die Weiterleitungen der Bauanträge durch die Gemeinde an das Landratsamt; auch sie waren stets vom Bürgermeister unterzeichnet (z.B. Bl. 211, 214, 338, 366 Sonderband: Unterlagen der Gemeinde/Landratsamt). Der Angeschuldigte hat während seiner Amtszeit die sicherheitsrechtlichen und im Baurecht erforderlichen Bescheide selbst gezeichnet (mit Ausnahme von Vertretungsfällen). Der Angeschuldigte wurde also, was die Aufgaben „Sicherheit“ bzw. „Brandschutz“ angeht, nicht vertreten, sondern wurde bei diesen Aufgaben lediglich unterstützt. Eine tatsächliche Übertragung von Aufgaben zur selbstständigen Wahrnehmung in eigener Verantwortung ist nicht erfolgt.
(2) Zuletzt: Die Delegation von Aufgaben nimmt dem Verantwortlichen niemals die Organisationsverantwortung. Der angeklagte Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass über viele Jahre ein Zustand seitens der Gemeinde geduldet worden war und dem Angeschuldigten dies auch bewusst war. Bei einem solchen Zustand hätte – wenn es tatsächlich eine Delegation gegeben hätte, was nicht der Fall war (s.o.) – der Angeschuldigte seinen Kontrollaufgaben gegenüber den Gemeindeangestellten gerecht werden müssen, was aber ebenfalls nicht erfolgt ist.“
Der Einwand, der Beklagte habe wie das Landratsamt trotz einer Kontrolle im Jahr 2008 keine Notwendigkeit gesehen, etwas zu unternehmen, und sich hinsichtlich Feuerbeschau und Sicherheit auf seine Mitarbeiter verlassen, die er zu entsprechenden Fortbildungen gesandt habe, ist nicht geeignet, seine Garantenstellung infrage zu stellen. Denn im Unterschied zu den Mitarbeitern im Landratsamt wusste der Beklagte, dass entgegen der Zusicherung des S. weiter Übernachtungen im P-hof (jedenfalls in acht Gästebetten) stattfinden. Mangels ordnungsgemäßer Delegation der Aufgaben der Feuerbeschau und Sicherheit auf einen Dritten, verkürzte sich seine ursprüngliche Aufgabe der Gewährleistung eines präventiven Brandschutzes auch nicht auf bloße Kontroll- und Überwachungspflichten. Hierfür wäre eine klare und eindeutige Aufgabenübertragung notwendig gewesen (vgl. zur Übertragung von Verkehrssicherungspflichten BGH, U.v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07 – juris Rn. 9 m.w.N.). Eine Fortbildungsgenehmigung oder anderweitige „stillschweigende Beauftragung“ reicht hierfür nicht aus.
Die Nichterfüllung der vorgenannten Pflichten stellt einen objektiven Sorgfaltsverstoß dar. Dieser war für den Erfolg (Brand und dessen Folgen) ursächlich. Denn hätte die Gemeinde ordnungsgemäß eine Feuerbeschau in dem P-hof durchgeführt, wären die (ohnehin bekannten) brandschutzrechtlichen Probleme festgestellt worden und hätten zu einer Meldung an das Landratsamt führen müssen, da unter anderem gerade auch die Themen Brandlasten in Rettungswegen (Schrank als Feuerausbruchsort) und Fluchtwege aus dem Dachgeschoss Prüfungsgegenstände gewesen wären. Bei Kenntnis der vorliegenden Zustände hätte das Landratsamt die Nutzung als Beherbergungsbetrieb untersagen müssen. Zwar trägt vorliegend der anderweitig verurteilte S. die Hauptverantwortung für die Brandkatastrophe. Eine Mitverantwortung Dritter aufgrund jeweils eigener Pflichtverletzungen führt jedoch nur dann zum Wegfall der Zurechnung, wenn das für den Erfolg ebenfalls kausale Verhalten des Dritten so weit außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt, dass der Zurechnungszusammenhang entfällt. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade auch das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht; dann ist von Nebentäterschaft auszugehen. Indem der Beklagte die Übernachtungen in dem P-hof trotz Kenntnis der nicht erfüllbaren brandschutzrechtlichen Anforderungen duldete und das Landratsamt hierüber nicht informierte, unterstützte er die Pflichtwidrigkeit des S., so dass sich die Pflichtwidrigkeit des Beklagten und des Dritten quasi gegenseitig bedingen. Die Pflichtwidrigkeit des S. liegt damit gerade nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, sondern in ihr verwirklicht sich gerade das vom Beklagten gesetzte Risiko. Durch die Kenntnis des Beklagten von den Übernachtungen im Gebäude, der bestehenden brandschutzrechtlichen Probleme und der fehlenden baurechtlichen Genehmigung, war für ihn die Tatbestandsverwirklichung voraussehbar und vermeidbar (vgl. Anklageschrift v. 2.12.2016).
5. Der Beklagte hat als ehemaliger kommunaler Wahlbeamter (ehrenamtlicher erster Bürgermeister, Art. 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 KWBG i.V.m. Art. 34 Abs. 2 GO) durch sein Verhalten ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen und dadurch vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 222, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1, 13, 52 StGB), sein Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) und seinen Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (§ 34 Satz 1 BeamtStG i.d.F. bis 6.7.2021). Zudem hat er dadurch jeweils vorsätzlich und schuldhaft auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes missachtet (§ 34 Satz 3 BeamtStG i.d.F. bis 6.7.2021).
6. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Fehlverhalten so gewichtig ist, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Im Berufungsverfahren wurden keine maßgeblichen neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die die Verhängung einer für den Beklagten günstigeren Maßnahme rechtfertigen könnten.
Die vom Beklagten beantragte Einstellung des Verfahrens gemäß Art. 33 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG kommt nicht in Betracht. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG gilt zum einen nicht hinsichtlich der Aberkennung des Ruhegehalts, zum anderen wäre eine Disziplinarmaßnahme bei dem unter 2. und 3. dargestellten Sachverhalt, insbesondere der dienstlichen Stellung des Beklagten als erster Bürgermeister einer Gemeinde und damit als kommunaler Wahlbeamter, Repräsentant einer Gebietskörperschaft und als eine die Amtsführung einer Verwaltung prägenden Person mit Vorbildcharakter zur Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums auch erforderlich.
6.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12). Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein: objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
6.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
6.2.1 Für das innerdienstlich begangene Dienstvergehen der fahrlässigen Tötung durch das Unterlassen der Unterrichtung des Landratsamtes über baurechtswidrige Zustände sowie das Unterlassen der Durchführung einer Feuerbeschau scheidet eine Regeleinstufung, wie sie in der Rechtsprechung des Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts z.B. für eine außerdienstliche fahrlässige Tötung im Straßenverkehr entwickelt worden ist (BVerwG, U.v. 25.8.2017 – 2 WD 2.17 – juris Ls. 2), aus. Denn die Variationsbreite der jeweiligen Schwere innerdienstlicher Verfehlungen, die fahrlässig den Tod von Menschen verursachen, ist zu groß, um eine sachgerechte Regeleinstufung vornehmen zu können. Gerade der innerdienstlich begangene Straftatbestand des § 222 StGB durch Unterlassen erfasst eine große Zahl von Fallkonstellationen, die im Hinblick auf das Sanktionserfordernis nach der (Fahrlässigkeits) Schuldform, den Modalitäten der Sorgfaltspflichtverletzungen, der kriminellen Intensität sowie nach Art und Ausmaß der Folgen differenziert zu betrachten sind.
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist bei – wie hier – innerdienstlich begangenen Straftaten zunächst auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14). Da der Beamte aber in dieser Situation nicht wie jeder Bürger betroffen ist, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung als Garant einer gesetzestreuen Verwaltung, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier: zehn Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung) bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme keine präjudizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 a.a.O. Rn. 13 bis 15). Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in sechs tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen in achtzehn tateinheitlichen Fällen (§§ 222, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1, 13, 52 StGB) verurteilt und dabei der Strafrahmen, der eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, zugrunde gelegt. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20), bei Ruhestandsbeamten dementsprechend bis zur Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13, 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG).
6.2.2 Für den innerdienstlichen Bereich ist von Bedeutung, ob die fahrlässige Tötung Folge einer Unachtsamkeit im Rahmen eines an sich pflichtgemäßen Handelns war oder ob der Beamte zugleich gegen besondere dienstliche Gebote und Verbote verstoßen hat und diese Pflichtverletzung eine (Mit-)Ursache für die Todesfolge war (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2021, MatR/II Rn. 428) .
Gemessen daran ist die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens wegen der gesamten Umstände des Dienstvergehens geboten. Die fahrlässige Tötung war auch Folge der Außerachtlassung besonderer dienstlicher Gebote durch den Beklagten; die Aberkennung des Ruhegehalts ist damit erforderlich.
a) Zu Lasten des Beklagten wirken sich insbesondere die katastrophalen Folgen seiner Dienstpflichtverletzungen aus. Das Dienstvergehen hatte gravierende nachteilige Auswirkungen. Der Beklagte hat als früherer Bürgermeister den Tod und schwere Körperverletzungen einer Vielzahl junger Menschen fahrlässig mitverschuldet. Infolge der Feuer- und Rauchentwicklung fanden sechs Personen im Alter zwischen 30 und 42 Jahren im Matratzenlager des Obergeschosses den Tod. Weitere 18 Personen wurden infolge des Brandes teilweise schwer verletzt. Sie zogen sich mitunter schwerste Brandverletzungen von bis zu 35 bis 40% an Armen und Rücken, aber auch im Gesicht, an Kopf, Händen und Beinen zu. Neben Rauchgasverletzungen erlitten sie zum Teil erhebliche Knochenbrüche, Prellungen und Schürfwunden, die sie sich unter anderem durch ihren rettenden Sprung vom Balkon zuzogen. Durch die überregionale Presseberichterstattung entstand ein erheblicher Schaden für das Ansehen der Gemeinde und des Beamtentums.
Das disziplinarische Gewicht richtet sich zudem primär nach dem dem Beamten vorwerfbaren Fehlverhalten (Zängl, a.a.O. MatR/II Rn. 429). Dies wiegt in diesem Fall besonders schwer, da vorbeugende Brandschutzmaßnahmen, die Durchführung der Feuerbeschau und die Meldung von Verstößen gegen brandschutzrechtliche Anforderungen zu den Kernpflichten eines Bürgermeisters zählen und der Beklagte damit in einer hervorgehobenen, besonders „gefahrgeneigten“ Materie im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt hat. Während seiner langen Amtszeit hatte der Beklagte immer wieder Veranlassung, das Landratsamt über die baurechtswidrigen Zustände auf dem Anwesen des S. zu informieren. Dabei hätte es eines bloß geringen Aufwands bedurft (z.B. eines Telefonanrufs), um das Landratsamt über die brandschutzrechtlichen Verstöße in Kenntnis zu setzen oder Maßnahmen zur Feuerbeschau anzuordnen.
Weiter kommt erschwerend hinzu, dass der Beklagte als erster Bürgermeister nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen eine besondere Vertrauensstellung innehatte (BayVGH, U.v. 1.6.2005 – 16a D 04.3502 – juris Rn. 58). Der erste Bürgermeister besitzt als kommunaler Wahlbeamter weitreichende Befugnisse in der Gemeinde. Dem stehen hohe Anforderungen an seine Führungsqualitäten und seine persönliche Integrität gegenüber. In der Gemeindeverwaltung besitzt er eine Vorbildfunktion für nachgeordnete Bedienstete. Außerdem steht er als gewählter Repräsentant seiner Gemeinde unter besonderer Beobachtung der Gemeindebürger. Sein Fehlverhalten ist demgemäß in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit zu beschädigen (BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 48; U.v. 7.12.2016 – 16a D 14.1215 – juris Rn. 65).
b) Demgegenüber erreichen die zugunsten des Beklagten in die Bemessung über die Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen und eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden könnte.
aa) Die Schwere des Dienstvergehens wird nicht dadurch herabgesetzt, dass der Beklagte die Pflichtverletzung durch Unterlassen begangen hat. Eine Pflichtverletzung durch Unterlassen hat nur dann geringeres disziplinarisches Gewicht, wenn sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls keine vergleichbar schwere Vertrauensverletzung gegenüber dem Dienstherrn darstellt wie ein aktives Handeln. In Anlehnung an § 13 Abs. 2 StGB kommt eine mildere Bewertung eines Unterlassungsdelikts dann in Betracht, wenn die gebotene Handlung von dem Beamten keine selbstverständliche Tätigkeit, sondern den mehr oder weniger außergewöhnlichen Einsatz eines rechtstreuen Willens erfordert (BVerwG, U.v. 26.09.2001 – 1 D 32.00 – juris Rn. 37; BGH, B.v. 30.6.2011 – 4 StR 241/11 – juris Rn. 6; BGH, U.v. 16.10.1997 – 4 StR 487/97 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 61; U.v. 20.03.2013 – 16a D 11.2002 – juris Rn. 62).
Das ist hier nicht der Fall. Denn die gebotene Handlung des Beklagten, das Landratsamt von den baurechtswidrigen Umständen zu informieren, aber auch eine Feuerbeschau in dem Anwesen des S. zu veranlassen, wären einfach umsetzbare Handlungsmöglichkeiten und zugleich wirkungsvolle Maßnahmen gewesen, die die verheerende Brandkatastrophe verhindert hätten. Im Sinne der oben genannten Rechtsprechung hätten demnach die gebotenen Maßnahmen dem Beklagten nicht mehr abverlangt als den normalen Einsatz rechtstreuen Willens. Sie hätten ersichtlich keinen außergewöhnlichen Einsatz erfordert, sondern wären auf den ersten Blick einleuchtende, einfach umsetzbare und selbstverständliche Handlungen gewesen. Das Maß an Pflichtwidrigkeit des aktiven Tuns ist daher dem Maß der Pflichtwidrigkeit durch Unterlassen der einfachen aber effizienten und damit gebotenen Handlungen zur Verhinderung der Brandkatastrophe vergleichbar.
Dass der Beklagte keine Maßnahmen ergriffen hat, lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass er beruflich sehr stark belastet und durch seinen Unfall für längere Zeit an seiner Amtsführung gehindert war. Denn auch nach seiner Rückkehr ins Rathaus im August 2013 übte der Beklagte noch bis Ende April 2014, also über acht Monate, sein Amt als erster Bürgermeister aus. Zudem bestand während des davorliegenden langen Zeitraum des „Wegschauens“ (vom 2009 bis 2014) ausreichend Gelegenheit zur Beseitigung der offensichtlich bestehenden Brandschutzgefahren. Entsprechend hat auch das Amtsgericht die Anwendung des § 13 Abs. 2 StGB nicht in Betracht gezogen. In dem Strafbefehl wird nur auf § 13 StGB Bezug genommen ohne § 49 Abs. 1 StGB zu zitieren oder von einem gesetzlichen Milderungsgrund auszugehen.
bb) Bei der Frage, welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, kommt unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Dienstvergehens auch der Form des Verschuldens Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 17.1.2013 – 2 WD 25.11 – juris Rn. 71; Koch in GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Band II, J 234 Rn. 116).
Das Gewicht der Dienstpflichtverletzung wird hier jedoch nicht dadurch gemindert, dass der Beklagte sie fahrlässig begangen hat. Denn der Beklagte hat die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten grob fahrlässig verletzt.
Ein grob fahrlässiges Verhalten ist im Einklang mit den einschlägigen strafrechtlichen Grundsätzen (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 15 Rn. 35 m.w.N.) dann anzunehmen, wenn die Handlungen eines Beamten durch ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit gekennzeichnet sind, er also in grober Achtlosigkeit nicht erkennt, sich pflichtwidrig zu verhalten (BVerwG, U.v. 10.6.1997 – 1 D 66.96 – juris Rn. 14).
So verhält es sich hier, da der Beklagte unter den gegebenen Umständen bei Beachtung auch nur der geringsten ihm zuzumutenden Sorgfalt hätte erkennen können, dass im Falle eines Brandes im P-hof erhebliche Gefahren für die dort über Nacht beherbergten Personen bestehen und er daher verpflichtet gewesen wäre als Organ der Gemeinde, das Landratsamt über den baurechtswidrigen Zustand des P-hofs zu unterrichten und eine Feuerbeschau durchzuführen.
Die ehrenamtliche Tätigkeit des Beklagten führt nicht etwa dazu, dass sein Verschulden im Bereich der Fahrlässigkeit weit unten anzusiedeln wäre, weil er sich dadurch verstärkt auf seine Mitarbeiter hätte verlassen dürfen und ihm Zeit für eigene Erkenntnisse gefehlt hätte. Denn zum einen hat der Beklagte die einfach zu bewerkstelligende Möglichkeit einer klaren und eindeutigen Delegation der Aufgaben des Sicherheitsrechts und der Feuerbeschau auf Dritte nicht genutzt, zum anderen verfügte er auch über langjährige Erfahrungen (18 Jahre) als erster Bürgermeister und kannte ausweislich seiner Zeugenaussage (Strafakte S. 36) die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung über die Feuerbeschau – auch wenn er diese entgegen konkreter Anhaltspunkte für offensichtliche Brandgefahren unzutreffend anwandte. Angesichts der aufgezeigten Umstände (siehe dazu oben unter 2. und 3.) durfte der Beklagte gerade nicht davon ausgehen, dass „nirgend etwas im Argen“ liege bzw. „kein Verdacht“ (vgl. Beklagtenvernehmung – Strafakte S. 36) für entsprechende Brandgefahren vorgelegen hätten. Die Ehrenamtlichkeit an sich führt zu keinem mildernden Gesichtspunkt. Dies folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber mit Ausnahme des Art. 6 Abs. 3 BayDG keine entsprechenden Sonderregelungen für Ehrenbeamte und Ehrenbeamtinnen vorgesehen hat. Die dort geregelten (hier nicht einschlägigen) Beschränkungen auf bestimmte Disziplinarmaßnahmen beruhen auf den Besonderheiten dieser Beamtenverhältnisse (vgl. Findeisen, BayDG, Stand November 2020, Art. 6 Erl. 3.2). Im Übrigen hängt bei Bürgermeistern der Status (ehrenamtlich oder berufsmäßig) von der Größe der Gemeinde und der Entscheidung der Kommune ab (vgl. Art. 34 ff. GO), ohne dass insoweit hinsichtlich der dienstlichen Pflichten zu differenzieren wäre.
cc) Zwar ist zu Gunsten des Beklagten festzustellen, dass er strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet ist und seine Tätigkeit als erster Bürgermeister ohne Beanstandungen ausgeübt hat. Bei der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können jedoch weder diese Gesichtspunkte noch die guten dienstlichen Leistungen zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27).
dd) Dass der Beklagte nicht mehr im Dienst ist und nunmehr keine (vergleichbaren) schädigenden Handlungen mehr vornehmen kann, führt nicht zu einem mildernden Umstand (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2020 – 16a D 19.8 – BeckRS 2020, 32712 Rn. 91).
ee) Zudem spielt die erheblich verschlechterte wirtschaftliche Situation des Beklagten jedenfalls bei der Frage nach der angemessenen Disziplinarmaßnahme (Aberkennung oder Kürzung des Ruhegehalts) keine Rolle, weil sie sich schon nicht auf be- oder entlastende Umstände bezieht.
ff) Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass dem Ansehensverlust des Beamtentums schon durch die ausgesprochene Strafe im Rahmen des Strafbefehls Rechnung getragen worden und es damit nicht mehr erforderlich sei, ihn nochmals „zu bestrafen“. Denn das Strafrecht und Disziplinarrecht unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung (BVerwG, U.v. 20.4.1999 – 1 D 44.97 – juris Rn. 40). Hat ein Beamter durch eine schuldhafte Pflichtverletzung – unabhängig von ihrer strafrechtlichen Bewertung – das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn zerstört, muss das Beamtenverhältnis aufgelöst werden.
gg) Die weiteren, zu seinen Gunsten geltend gemachten Aspekte sieht der Senat nicht als gegeben an. Dies gilt insbesondere für den Vortrag, dass die Bauaufsicht im Landratsamt über die maßgeblichen Umstände bestens informiert gewesen sei. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiter des Landratsamts – wie der Beklagte – wussten, dass entgegen der Zusicherung des S. weiterhin Gäste im P-hof übernachteten. Da vorbeugender Brandschutz und die Durchführung der Feuerbeschau in den originären Zuständigkeitsbereich der Gemeinde fällt, kann sich der Beklagte schon aus diesem Grund nicht auf eine unzureichende Überwachung des Landratsamts berufen.
In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist damit eine positive Prognose zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, die eine mildere Maßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigen könnte, nicht möglich.
7. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Ehefrau von der Aberkennung des Ruhegehalts finanziell erheblich betroffen sein werden. Dies ist jedoch ausschließlich die Folge der vom Beklagten begangenen gravierenden Dienstpflichtverletzungen. Ein Ruhestandsbeamter, der als aktiver Beamter das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis aus Gründen der Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (BVerfG, NB.v. 22.11.2001 – 2 BvR 2138/00 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 2 B 15.06 – juris Rn. 6; U.v. 23.11.2006 – 1 D 1.06 – juris Rn. 41). Dem Beklagten steht zudem für die Dauer von sechs Monaten noch ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayDG in Höhe von 70% des ungekürzten Pflichtehrensolds zu. Da der Beklagte und seine Ehefrau laut seinen Angaben im Disziplinarverfahren Alterseinkünfte in Höhe von (mindestens) 1.334,16 Euro monatlich beziehen und wegen der Nutzung ihres Einfamilienhauses keine monatlichen Mietkosten zu tragen haben, steht nicht zu erwarten, dass der Beklagte die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und seine Ehefrau nicht mehr gewährleisten kann.
8. Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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