Strafrecht

Eilverfahren, Entziehung der Fahrerlaubnis, Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland, Gebrauch zu machen, widerrechtlicher Besitz von Cannabis und Amphetamin, Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens

Aktenzeichen  W 6 S 21.858

Datum:
9.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28453
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 2
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 46 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die 1992 geborene Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer portugiesischen Fahrerlaubnis der Klasse B.
I.
Die Antragstellerin wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ettenheim vom 26. August 2020 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von zehn Tagessätzen verurteilt (Az.: * … … … …; rechtskräftig seit 15.9.2020), weil feststand, dass sie am 20. Juli 2020 in einem Mietwagen in der Mittelkonsole einen halben angerauchten Joint mit Tabak-Marihuana-Gemisch, in ihrer Handtasche auf der Rückbank des Fahrzeugs ein Döschen mit 0,84 g Marihuana und im Seitenfach der Fahrertür 0,61 g Amphetamin aufbewahrte.
Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte das Landratsamt Main-Spessart (nachfolgend: Landratsamt) die Antragstellerin auf, bis zum 30. Dezember 2020 ein ärztliches Gutachten gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV vorzulegen. Geklärt werden sollte folgende Frage: „Nimmt bzw. hat die Antragstellerin Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (insbesondere Amphetamin und Cannabis) oder andere psychoaktivwirkende Stoffe eingenommen, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur FeV infrage stellen?“ Die Frage, ob Einnahme von Betäubungsmitteln vorliege, sei mit mindestens zwei Urinscreenings oder einer Haaranalyse zu klären. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Nichtvorlage des Gutachtens auf ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne, § 11 Abs. 8 FeV. Die Anordnung wurde der Antragstellerin am 13. Oktober 2020 zugestellt.
Daraufhin zeigte sich ihr Bevollmächtigter am 29. Oktober 2020 an und ließ vorbringen, dass die Antragstellerin keine Drogenkonsumentin sei und lediglich Drogen für einen Bekannten im Auto aufbewahrt habe. Da eine Strafverteidigung mit diesem Argument nicht möglich gewesen sei, habe die Antragstellerin die Geldstrafe akzeptiert. Da sie nicht durch Drogenkonsum im Straßenverkehr aufgefallen sei, sei eine ärztliche Untersuchung unverhältnismäßig und es wurde beantragt, das Verfahren zu beenden. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 hielt das Landratsamt an der Anordnung vom 12. Oktober 2020 fest. Nachdem das Gutachten nicht vorgelegt wurde, hörte das Landratsamt die Antragstellerin am 4. Januar 2021 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Eine Äußerung erfolgte nicht.
Mit kostenpflichtigen Bescheid vom 25. Januar 2021 wurde der Antragstellerin die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen (Nr. 1) und ihr aufgegeben, den Führerschein der Klasse B, Führerscheinnummer …, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung vorzulegen (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung in Ziffer 2 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3) und die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen aufgeführt, die Antragstellerin habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ihr sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen. Gemäß § 46 Abs. 5 FeV habe bei einer ausländischen Fahrerlaubnis die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Gemäß § 11 Abs. 8 FeV habe auf die Nichteignung der Antragstellerin geschlossen werden können, da sie das zu Recht geforderte Gutachten nicht vorgelegt habe. Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 des Bescheides liege gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse. Das Interesse der Allgemeinheit, insbesondere aller Straßenverkehrsteilnehmer, überwiege das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs. Es sei bekannt, dass von Fahrzeugführern, welche die zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr erforderlichen Voraussetzungen nicht besäßen, erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit der übrigen Verkehrsteilnehmer ausgingen. Dies gelte insbesondere für Kraftfahrer, die unter dem Einfluss von psychoaktiven Stoffen wie Amphetamin oder Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen. Im Interesse eines möglichst gefahrlosen Ablaufs könne eine Verzögerung durch Einlegung von zulässigen Rechtsbehelfen nicht hingenommen werden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 26. Januar 2021 zugestellt.
Am 2. Februar 2021 legte die Antragstellerin ihren portugiesischen Führerschein vor, auf dem ein rotes, durchgestrichenes „D“ vermerkt wurde.
Am 24. Februar 2021 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch. Eine Begründung erfolgte nicht, sodass der Widerspruch am 18. März 2021 vom Landratsamt der Regierung von Unterfranken zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2021 wurde der Widerspruch kostenpflichtig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Entziehungsbescheid vom 25. Januar 2021 sei rechtmäßig, da das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung habe schließen können, da die Antragstellerin ein zu Recht gefordertes Gutachten nicht beigebracht habe. Sowohl die formellen als auch materiellen Voraussetzungen für die Anordnung eines Gutachtens hätten vorgelegen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV könne die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitze oder besessen habe. Durch das ärztliche Gutachten solle die Frage geklärt werden, ob der Betroffene Betäubungsmittel einnehme oder eingenommen habe. Eine Anordnung sei lediglich dann nicht ermessensgerecht, wenn besondere Umstände einen Betäubungsmittelkonsum des Fahrerlaubnisinhabers ausschlössen. Im Regelfall könne die Fahrerlaubnisbehörde vom Besitz von Betäubungsmitteln auf den Verdacht von Konsum schließen. Aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 26. August 2020 habe sich zweifelsfrei der Besitz von Betäubungsmitteln ergeben, aufgrund der eindeutigen Beweislage und dem Fehlen von Anhaltspunkten, die gegen einen Eigenkonsum sprächen, sei zudem von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Einer weiteren Ermessensbegründung habe es nicht bedurft. Die Anordnung sei inhaltlich, insbesondere hinsichtlich der Fragestellung nicht zu beanstanden und im Hinblick auf den feststehenden Sachverhalt auch verhältnismäßig. Die erforderlichen Hinweise gemäß § 11 Abs. 6 und Abs. 8 FeV seien erfolgt. Ein hinreichender Grund für die Nichtbeibringung des Gutachtens sei nicht vorgebracht worden. Nach der Entziehung der Fahrerlaubnis dürfe von ihr im Inland kein Gebrauch gemacht werden und der Führerschein sei zur Eintragung eines roten durchgestrichenen „D“ vorzulegen gewesen, was zwischenzeitlich erfolgt sei. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit dringend geboten. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 3. Mai 2021 zugestellt.
2. Hiergegen ließ die Antragstellerin am 4. Juni 2021 Klage erheben (Az.: W 6 K 21.781), über die noch nicht entschieden ist.
Am 28. Juni 2021 ließ die Antragstellerin im zugrundeliegenden Eilverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2021 wird wiederhergestellt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid sei rechtswidrig, da die Antragstellerin nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Mit Strafbefehl vom 26. August 2020 wurde lediglich Besitz, nicht jedoch Konsum von Betäubungsmitteln festgestellt. Allein der Besitz von Betäubungsmitteln habe keinen Einfluss auf die Fahreignung, sofern kein Konsum erfolge. Dieser Umstand sei vom Antragsgegner nicht ausreichend gewürdigt. Mangels Anhaltspunkten für Konsum habe kein ärztliches Gutachten eingeholt werden müssen. Zudem habe sich der Antragsgegner nicht damit auseinandergesetzt, dass ihm Ermessen eröffnet sei. Mangels ordnungsgemäßer Anordnung könne nicht auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 FeV geschlossen werden. Zudem habe die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren mitgeteilt, dass sie sich einer Testung nicht versage, auf die zwei beigelegten negativen Urinscreenings werde verwiesen. Da sie keine Betäubungsmittel konsumiere, sei sie geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Der Antragsgegner, vertreten durch das Landratsamt Main-Spessart, beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen des Entziehungs- und Widerspruchsbescheids verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist gemäß § 88, § 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids vom 25. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2021 beantragt wird. Denn mit Vorlage des Führerscheins und Eintragung des roten, durchgestrichenen Buchstabens „D“ hat sich die Androhung von Zwangsgeld in Ziffer 4 erledigt.
Der zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die zugrundeliegende Anfechtungsklage (Az.: W 6 K 21.781) rechtzeitig erhoben worden. Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 3. Mai 2021 lief die Monatsfrist an (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 § 188 Abs. 2 BGB). Nachdem das Fristende auf einen gesetzlichen Feiertag fiel, verlängerte sich die Frist auf den 4. Juni 2021 (§ 193 BGB).
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da sich die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Bescheid vom 25. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2021 nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist.
1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt jedoch, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, da die Anordnung zur Vorlage eines Gutachtens vom 12. Oktober 2020 nach summarischer Überprüfung ordnungsgemäß war. Nachdem dieses nicht vorgelegt wurde, durfte die Behörde auf die Nichteignung der Antragstellerin schließen, sodass die Fahrerlaubnisentziehung und damit einhergehend die Anordnung zur Vorlage des Führerscheins rechtmäßig gewesen ist.
Zur Vermeidung von Wiederholung verweist das Gericht zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Entziehungsbescheids und insbesondere des Widerspruchsbescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1.1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris). Im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung mit erheblichen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und/oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit verbunden ist, aber nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – ZfSch 2013, 177). In materieller Hinsicht setzt die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Untersuchung vor allem voraus, dass sie den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030 – juris).
1.2. Nach summarischer Prüfung war die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens auf Grundlage der § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV auch unter Berücksichtigung der Antragsbegründung rechtmäßig.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Nach der hierin enthaltenen gesetzgeberischen Wertung kann der widerrechtliche Betäubungsmittelbesitz ein Hinweis auf die Einnahme von Betäubungsmitteln sein. Dabei muss der Besitz konkret nachgewiesen sein (BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 11 CS 11.459 – juris Rn. 10 m.w.N.). Über den Besitz hinausgehende Anhaltspunkte für eine Einnahme sind nicht erforderlich, denn dann wäre § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV einschlägig. Zweck der Gutachtensanordnung ist die Klärung, ob Drogen konsumiert werden, wobei Drogenbesitz ein Indiz für Eigenverbrauch sein kann. Die Behörde entscheidet über die Anordnung eines Gutachtens nach pflichtgemäßen Ermessen, kann also auch auf die Anordnung verzichten, wenn z.B. ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene selbst Konsument ist (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 14 FeV Rn. 17 m.w.N.).
Folglich ist es unerheblich, dass bei der Antragstellerin kein Konsum festgestellt wurde, denn es ist rechtskräftig durch den Strafbefehl vom 26. August 2020 festgestellt, dass die Antragstellerin sich widerrechtlich in Besitz von Betäubungsmitteln in Form von Amphetamin und Cannabis befand. Nachdem ein halber, angerauchter Joint in der Mittelkonsole des Fahrzeugs aufgefunden wurde, traten weitere Zusatztatsachen hinzu, welche die Gutachtensanordnung auch für Cannabis rechtfertigten. Denn damit liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass möglicherweise der Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht getrennt werden können (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 14 FeV Rn. 17b). Soweit vorgetragen wird, die Antragstellerin konsumiere nicht und könne dies durch entsprechende Urinscreenings belegen, ändert dies ebenfalls nichts an der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Die Frage, ob die Antragstellerin konsumiert oder in der Vergangenheit konsumiert hat, hätte gerade im Rahmen des ärztlichen Gutachtens aufgeklärt werden sollen. Diesem hat sich die Antragstellerin jedoch ohne zureichenden Grund versagt.
1.3. Soweit eine fehlende Ermessensausübung in der Gutachtensanordnung vom 12. Oktober 2020 bemängelt wird, kann die Antragstellerin damit nicht durchdringen. Der Antragsgegner hat in der Anordnung zwar in knapper, aber noch ausreichender Weise zu erkennen gegeben, dass er Ermessen ausgeübt hat. Der Umfang der Ermessenserwägungen, die anzustellen sind, hängt auch von der zugrundeliegenden Rechtsnorm ab. Vorliegend handelt es sich mit § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV bereits um einen Tatbestand, der lediglich an den feststehenden, widerrechtlichen Besitz von Betäubungsmitteln anknüpft. Nachdem Drogenbesitz ein Indiz für Eigenkonsum sein kann, ist dies im Regelfall bereits ausreichender Anlass für die Fahrerlaubnisbehörde, ein Gutachten anzuordnen. Das Entschließungs- und Auswahlermessen ist folglich bereits gelenkt und kommt nur insoweit zum Tragen, als bei Vorliegen von besonderen Umständen, die gegen den Eigenkonsum sprechen, die Behörde von einer Anordnung im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung absehen kann (s.o. 1.2.). Nach den hier vorliegenden Umständen, welche verbindlich durch den rechtskräftigen Strafbefehl vom 26. August 2020 feststehen, befand sich im Mietwagen der Antragstellerin nicht nur ein Döschen mit Marihuana in ihrer Handtasche, sondern es lang noch dazu ein halber, angerauchter Joint in der Mittelkonsole. Damit hat sich das gelenkte Ermessen bereits soweit verdichtet, dass weitergehende Ausführungen in der Anordnung des ärztlichen Gutachtens nicht mehr veranlasst waren.
Demnach konnte das Gutachten zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gestützt werden. Die Fragestellung ist nicht zu beanstanden, die erforderlichen Hinweise gemäß § 11 Abs. 6 sowie Abs. 8 Satz 2 FeV sind enthalten. Sonstige Mängel der Begutachtungsanordnung sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Nachdem die Antragstellerin das geforderte Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hat, war gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf ihre Nichteignung zu schließen und ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Die Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis hat gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StVG und § 46 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FeV die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Infolgedessen war auch die Eintragung des entsprechenden Sperrvermerks (durchgestrichenes rotes „D“) rechtmäßig, § 47 Abs. 2 FeV.
3. Unabhängig davon wäre die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides auch im überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt. Es ist nicht verantwortbar, die Antragstellerin bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Die sicherheitsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung ist eine präventive Maßnahme zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie mag im Einzelfall einschneidende Folgen für die Lebensführung des Betroffenen haben, jedoch können persönliche Härten für den Betroffenen beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kommt nur dann in Betracht, wenn hinreichende gewichtige Gründe dafür sprächen, dass die Antragstellerin nicht fahrungeeignet ist und sich abschätzen ließe, dass das von ihr ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Insbesondere können die zwei vorgelegten negativen Urinscreenings keine andere Beurteilung rechtfertigen, da die Umstände der Urinabgaben nicht bekannt sind und der Nachweis von Betäubungsmitteln im Urin nur relativ kurzzeitig möglich ist. Des Weiteren sagen die negativen Screenings nur aus, dass die Antragstellerin in der kurzen Zeit vor der Urinabgabe keine Drogen genommen hat, beantworten jedoch nicht die im Gutachten zu klärende Frage.
4. Der Antrag konnte daher keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie 46.3 des Streitwertkatalogs.


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