Strafrecht

Eintragung, Angeklagte, Vorhaben, Beteiligung, Wohnung, Erinnerung, Tatzeit, Angeklagten, Verfolgung, Aufenthalt, Eltern, Auseinandersetzung, Anwohner, Beweisaufnahme, festgestellter Sachverhalt

Aktenzeichen  32 Ds 101 Js 128542/19 jug

Datum:
28.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45451
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte, ist schuldig des Landfriedensbruchs und wird hierwegen mit dem Zuchtmittel der Verwarnung belegt.
Dem Angeklagten wird a u f e r l e g t, einen
G e l d b e t r a g von 1.500,00 € zu bezahlen an Brücke e.V. Augsburg, Gesundbrunnen straße 3, 8..6152 Augsburg Stadtsparkasse Augsburg IBAN DE…7, BIC AUGSDE77…
in monatlichen Raten von 150,00 €.
II. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 125 I Nr. 1 StGB, 1, 105 JGG

Gründe

I.
(Persönliche Verhältnisse)
Der zur Tatzeit 20 Jahre alte Angeklagte lebt seit September 2019 in einer eigenen Wohnung. Aufgewachsen ist er mit seiner Mutter und den 15 sowie 24 Jahre alten Schwestern. Die Eltern sind geschieden. Zum Vater hat der Angeklagte keinen Kontakt.
Der Angeklagte wurde altersgemäß eingeschult und wechselte nach der Grundschule auf die Realschule. Diese verließ er nach der 10. Klasse mit der Fachoberschulreife. Im Anschluss daran begann er eine Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer, welche er im Jahr 2017 abschloss. Seitdem ist der Angeklagte in Vollzeit beschäftigt. Er hat ein monatliches Nettoeinkommen von 1.600 Euro.
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 30.03.2020 weist für den Angeklagten keine Eintragung auf.
II.
(Festgestellter Sachverhalt)
Am 19.01.2019 um 15.30 Uhr fand in der WWK-Arena, Bürgermeister-Ulrich- Straße 90, 8..6199 Augsburg, das Bundesligaspiel FC Augsburg gegen Fortuna Düsseldorf statt.
Im Vorfeld der Begegnung trafen gegen 10.20 Uhr zwei Reisebusse, besetzt mit Düsseldorfer Fans, in der Augsburger Innenstadt ein. Nach Parken der Fahrzeuge verlagerte sich eine ca. 120 Personen große Gruppe Düsseldorfer Fans in die Gaststätte Brezn, Barthshof 2, 8..6150 Augsburg. Nach dortigem Aufenthalt von über einer Stunde verließen die Düsseldorfer Fans auf Ansage einer nicht näher bekannten Person schlagartig die Gaststätte und gingen über den Barthshof zur Einmündung ins Bleigäßchen, wo ca. 50 Düsseldorfer Fans auf ca. 30 Anhänger des FC Augsburg trafen. Einzelne Gruppenmitglieder vermummten sich, indem sie die Kapuzen ihrer Oberteile über den Kopf bzw. Schals oder Tücher vor das Gesicht zogen. Nach anfänglichen verbalen Sticheleien zwischen den rivalisierenden Personen mündete das Aufeinandertreffen der beiden Fangruppen in eine körperliche Auseinandersetzung, im Rahmen welcher einzelne Personen aus beiden Gruppierungen, darunter aus der Düsseldorfer Gruppierung die anderweitig Verfolgten und , sich grundlos mit Fäusten und Fußtritten schlugen. Auf Ansage einzelner Personen, mutmaßlich der Anführer der Düsseldorfer Gruppierung, wurde die körperliche Auseinandersetzung kurzzeitig gestoppt und die rivalisierenden Fangruppen standen sich mit zueinander gerichteten Blicken gegenüber. Nach einer kurzen Pause begannen einzelne Mitglieder der beiden Fangruppen wiederum, sich mit Fäusten und Füßen zu schlagen, woraufhin mehrere Mitglieder der Düsseldorfer Fangruppierung, darunter die anderweitig Verfolgten , unter anderem durch auffordernde Handbewegungen sowie lautstarkes Geschrei ihre Gruppe zum Herbeieilen und zur Beteiligung an der Auseinandersetzung animierten. Vereinzelt wurden auch Gegenstände in Richtung der anderen Fangruppierungen geworfen, so unter anderem durch die anderweitig Verfolgten . Als die Mitglieder der Augsburger Fangruppierung in Anbetracht ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit den Rückzug antraten, schlossen sich die Mitglieder der Düsseldorfer Fangruppierung, entsprechend der vorangegangenen Aufforderung, geschlossen zusammen, peitschten sich durch lautstarkes Skandieren des Vereinsnamens (“For-tu-na, For-tu-na“) und Erheben der Arme gegenseitig an und stürmten, getrieben von ihrem Vorhaben, die gegnerischen Fans zu verletzen, den Flüchtenden für kurze Zeit geschlossen hinterher, brachen die Verfolgung sodann jedoch ohne weitere Gewalttätigkeiten ab.
Der oben geschilderte geschlossene Angriff der Düsseldorfer Fangruppe und der daraus resultierende Tumult sowie die daraus resultierenden Gewalttätigkeiten waren für eine Vielzahl unbeteiligter Personen, die sich in der Innenstadt von Augsburg aufhielten oder dort wohnhaft sind, gut wahrnehmbar und beeinträchtigte deren subjektives Sicherheitsgefühl.
Der Angeklagte beteiligte sich an dem oben geschilderten Angriff, indem er die Düsseldorfer Fangruppierung durch seine Anwesenheit unterstützte. Darüber hinaus beteiligte er sich an der kurzen Verfolgungsjagd und unterstützte die Gruppierung durch lautstarke Rufe und in die Hände klatschen. Hierdurch war der Angeklagte Mitträger des feindseligen Willens der gewaltbereiten Menge und hat deren spezifische Gefährlichkeit in der Weise dadurch erhöht, dass durch seine Teilnahme an den beschriebenen Ausschreitungen die öffentliche Sicherheit in erheblichem Maß gefährdet war.
III.
(Beweiswürdigung)
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben sowie auf den Bericht der Diakonie Düsseldorf vom 15.05.2020, der in der Hauptverhandlung verlesen und vom Angeklagten bestätigt wurde.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen zum einen auf den Angaben des Angeklagten, der glaubhaft einräumte, Teil der Gruppe um die Düsseldorfer Fans gewesen zu sein. Nach Verlassen der Kneipe, sei er einfach mit den anderen Fans mitgegangen und habe sich hierbei nicht viel gedacht. Er habe sich am Ende der Gruppe befunden und habe beobachten können, dass sich einige Düsseldorfer und Augsburger Fans offensichtlich mit Händen und Füßen traktieren und anschreien. Dies habe jedoch nicht lange gedauert und sah – aus seiner Sicht – auch nicht sonderlich gefährlich aus. Diese Entwicklung sei ihm auch überhaupt nicht recht gewesen und er habe sich deshalb – seiner Erinnerung nach – zwischen 2 Autos versteckt, da er mit dieser Situation nichts zu tun habe wollte. Weder sei er vermummt gewesen, noch habe er den Kampf in irgendeiner Weise angestachelt.
Überführt wird der Angeklagte jedoch durch die Angaben der uneinheitlich vernommenen Zeugen und sowie insbesondere durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder (Blatt 4 bis 13 d.A.), die Auszüge aus den Videoaufzeichnungen zeigen, sowie die Videoaufzeichnungen (Blatt 43 a und 43 b) selbst, die ebenfalls in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden.
Der Zeuge KHK gab an, dass diese Videos von zwei Anwohnern der Polizei zur Verfügung gestellt worden seien. Die Anwohner hätten die Videos während der Randale aufgenommen. Der Zeuge sagte aus, dass er die ihm zur Verfügung gestellten Videos ausgewertet habe. Die Videos der Anwohner seien dann mit den Aufnahmen vom Königsplatz und der an der WWK-Arena vorgenommen Personenkontrolle verglichen worden, um eine Identifizierung der einzelnen Personen zu ermöglichen.
Aus den Lichtbildern, insbesondere Bild 2 bis 5 (Blatt 4 bis 6 d.A.), die Ausschnitte aus dem dann ebenfalls in Augenschein genommenen Video zeigen, ist für das Gericht ersichtlich, dass der Angeklagte sich keineswegs – wie von ihm angegeben – von der Gruppe der Düsseldorfer Fans distanziert hat. Vielmehr steht er – wie auf Bild 2 – zu sehen ist, mitten in der Gruppe. Bild 3 zeigt den Beschuldigten, wie er schnellen Schrittes die Verfolgung der Augsburger Fans mit der Gruppe um die Düsseldorfer Fans aufnimmt und widerlegt damit die Darstellung des Angeklagten des „inaktiven Dabeiseins“. Vielmehr hat sich der Angeklagte aktiv beteiligt und hat damit auch die gewaltbereite Menge unterstützt. Der Angeklagte ist jeweils auf den Bildern rot eingekreist. Eine eindeutige Identifizierung des Angeklagten ist anhand der Kleidung, insbesondere dem auffälligen Kapuzenpulli mit Norweger-Emblem sowie der Mütze und den weißen Turnschuhen möglich. Die in Augenschein genommenen Videos bestätigen den bereits durch die Lichtbilder festgestellten Sachverhalt und zeigen sowohl die Unterstützung der Düsseldorfer Ultras durch den Angeklagten als auch dessen eindeutige Identifizierung.
Das Gericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei Zweifel, dass sich der Sachverhalt – so wie festgestellt – zugetragen hat.
IV.
(Rechtliche Würdigung)
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte des Landfriedensbruchs gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.
V.
(Jugendrechtliche Sanktion)
Der Angeklagte war zur Tatzeit 20 Jahre alt und damit Heranwachsender. Der Angeklagte hat sich sowohl beruflich als auch privat bereits verselbständigt und führt ein eigenständiges Leben. Die Tat selbst weist jedoch jugendtypische Züge auf. So hat sich der Angeklagte, der bisher straffrei gelebt hat, von der Menge und den ihm umgebenden Ultras mitreisen lassen. Gemäß § 105 JGG ist deshalb auf den Angeklagten Jugendstrafrecht anzuwenden.
Zu Gunsten des Angeklagten spricht insbesondere, dass er sich zumindest teilweise geständig zeigte. Auch scheint die Tat auf ein Augenblicks-Versagen des Angeklagten zu beruhen. Darüber hinaus ist auch eine gewisse alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten nicht auszuschließen.
Zu Lasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass durch solche Verhaltensweisen eigentlich friedliche Sportveranstaltungen einen enormen Sicherheitsaufwand benötigen und dementsprechend auch erhebliche Kosten entstehen, die von der Allgemeinheit zu tragen sind. Dies stellt ein extrem sozialschädliches Verhalten dar, dem Einhalt geboten werden muss.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hielt es das Gericht für erzieherisch notwendig, aber auch ausreichend, den Angeklagten zu verwarnen und ihm aufzuerlegen einen Geldbetrag von 1.500 Euro, zahlbar in monatlichen Raten von 150 Euro, an die Brücke e.V. Augsburg zu überweisen.
VI.
(Kostenentscheidung)
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 465 StPO.


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