Strafrecht

Einziehung eines Jagdscheins und Widerruf einer Waffenbesitzkarte

Aktenzeichen  B 1 S 16.668

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133492
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 17, § 18
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Der Gesetzgeber hat die grundsätzliche Wertung getroffen, dass die mindestens zweimalige Begehung von Taten nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 a – c WaffG ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass es dem Waffeninhaber an der erforderlichen Fähigkeit fehlt, mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Bei der Prüfung, ob diese Regelvermutung entkräftet werden kann, sind deshalb nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anordnung der Rückgabe des Jagdscheins findet ihre Rechtsgrundlage nicht in Art. 52 S. 1 BayVwVfG, sondern in § 18 S. 1 BJagdG. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 8.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Einziehung seines Jagdscheins, den Widerruf seiner drei Waffenbesitzkarten sowie begleitende Anordnungen.
Der Antragsteller ist im Besitz eines bis zum 31.07.2017 gültigen Jagdscheins Nr. …, ausgestellt am 21.03.2014 durch das Landratsamt C* … Weiterhin ist er im Besitz der Waffenbesitzkarten Nr. …, ausgestellt am 12.10.2001, Nr. …, ausgestellt am 19.05.2004 und Nr. …, ausgestellt am 06.10.2005, jeweils durch das Landratsamt L* … In den drei Waffenbesitzkarten sind insgesamt sieben im Besitz des Antragstellers befindliche Waffen eingetragen.
Im Rahmen einer anlassbezogenen Zuverlässigkeitsprüfung vom 04.07.2016 stellte das Landratsamt C* … fest, dass der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts C* … vom 05.11.2014 (Az.: …*), rechtskräftig seit dem 25.11.2014, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt wurde. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls fuhr der Kläger am 16.08.2014 gegen 23.15 Uhr mit einem Quad und stürzte infolge seiner Alkoholisierung. Eine am selben Tag um 23.48 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,89 ‰. Ferner wurde er mit Strafbefehl des Amtsgerichts C* … vom 02.09.2015 (Az.: …*), rechtskräftig seit 12.11.2015, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt. Ausweislich des Berichts der Polizeiinspektion C* … (Bl. 8/9 der beigezogenen Strafakte AG C* …, Az.: …*) hat der Kläger am 04.07.2015 den Motorroller „Keeway Focus“ geführt. Die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis war ihm infolge der vorgenannten Trunkenheitsfahrt entzogen worden. Im Rahmen einer durch den PHM R. durchgeführten Probefahrt (ca. 200m auf eben verlaufender Strecke) wurde festgestellt, dass der Roller laut Tacho eine Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung ließ sich der Antragsteller folgendermaßen ein (Bl. 5 der Strafakte): „Vor etwa drei Wochen habe ich von einem Bekannten einen Motorroller gekauft. Ich darf nur Mofa fahren, der Roller fährt aber knapp 40 km/h. Ich weiß nicht, warum der Roller plötzlich so schnell fährt. Als ich ihn neu hatte, ist er nur 25 km/h gefahren. Ich habe am Fahrzeug keine technischen Veränderungen vorgenommen.“
Mit Schreiben vom 15.08.2016 wurde der Antragsteller vom Landratsamt C* … zur beabsichtigten Einziehung des Jagdscheins sowie dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse angehört. Mit Schriftsatz vom 18.08.2016 hat sich der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Landratsamt angezeigt und ausgeführt, dass vorliegend nicht von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen werden könne. Die Umstände der mit dem zweiten Strafbefehl geahndeten Tat ließen die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen, dass Zweifel an der für den Waffenbesitz und Waffenumgang vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit nicht bestünden. Dies gelte insbesondere angesichts des Umstands, dass er mit einem allenfalls 15 km/h zu schnellen Mofa gefahren sei und nachweislich seit der Trunkenheitsfahrt keinen Alkohol mehr konsumiere. Die erforderliche Medizinisch-Psychologische Begutachtung sei erfolgreich verlaufen. Auch den Kurs zur Wiederherstellung der Fahreignung gem. § 70 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) sei am 29.02.2016 mit Erfolg absolviert worden. Es sei daher von atypischen Umständen auszugehen, die die Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG) widerlegten.
Mit Bescheid vom 08.09.2016 hat das Landratsamt C* … den erteilten Jagdschein für ungültig erklärt und eingezogen (Ziff. I. 1.) sowie die drei Waffenbesitzkarten des Antragstellers widerrufen (Ziff. I. 2.). Dem Antragsteller wurde aufgegeben, den Jagdschein und die Waffenbesitzkarten spätestens einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids an das Landratsamt C* … zurückzugeben (Ziff. I. 3. a) und die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen sowie die dazugehörige Munition innerhalb derselben Frist unbrauchbar zu machen oder an Berechtigte zu überlassen und dies dem Landratsamt C* … unverzüglich nachzuweisen (Ziff. I. 3. b). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung aus Ziff. I. 3. a) nicht (rechtzeitig) nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro pro jagd- und waffenrechtlichem Dokument angedroht (Ziff. I. 4.). Hinsichtlich der Ziff. I. Nrn. 1., 3. und 4. wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet. Nach fruchtlosem Ablauf der in Ziff. I. 3. b) genannten Frist würden die Waffen und die dazugehörige Munition sichergestellt und verwertet (Ziff. III.). Für den Bescheid wurde hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins eine Gebühr von 140,00 Euro und hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten eine Gebühr von 250,00 Euro vom Kläger erhoben (Ziff. IV.).
Gem. § 18 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) sei das Landratsamt in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach dessen Erteilung einträten. Die Zuverlässigkeit sei dabei nach den §§ 5 und 6 WaffG zu prüfen. Nach § 5 besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 b) WaffG mindestens zweimal wegen der dort genannten Delikte zu einer geringeren Geldstrafe als 60 Tagessätze rechtskräftig verurteilt worden seien, wenn seit der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Dies sei angesichts der beiden mit Strafbefehl geahndeten Taten des Antragstellers der Fall. Eine mögliche Abweichung von der Regelvermutung komme nach geltender Rechtsprechung aber nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Taten die Verfehlungen ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen nicht gerechtfertigt seien. Erforderlich sei daher eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen. Im Interesse des Antragstellers seien die Strafakten zugezogen und geprüft worden, ob gegebenenfalls aus diesen Gründe zu entnehmen seien, die gegen die Regelvermutung sprächen. Anhaltspunkte dafür habe man jedoch nicht gefunden.
Erschwerend komme hinzu, dass die beiden zugrundeliegenden Straftaten in einem engen zeitlichen Fenster (innerhalb eines Jahres) begangen worden seien. Während dieser Zeit habe der Antragsteller u.a. Termine wahrgenommen, um die Wiederherstellung seiner Fahreigung zu erlangen. Nachdem sich der Betroffene gerade in dieser Phase intensiv mit dem ordnungsgemäßen Verhalten im Straßenverkehr auseinandergesetzt habe und damit auch sein Fehlverhalten habe reflektieren können, spreche der erneute Vorfall im Bereich des Straßenverkehrswesens und der Mangel an Sorgfalt gegen seine Zuverlässigkeit – insbesondere gegen die Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen.
Da es nur auf das tatbezogene Verhalten ankomme, sei es unerheblich, dass für den Antragsteller in der Zeit nach den Taten die Medizinisch-Psychologische Untersuchung erfolgreich verlaufen sei und er den Kurs zur Wiederherstellung der Fahreigung absolviert habe.
Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse erfolge gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG wäre es notwendig, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, was gem. § 5 WaffG hier jedoch wie ausgeführt nicht der Fall sei.
Die Verpflichtung zur Rückgabe der Dokumente folge aus § 46 Abs. 1 WaffG. Die Rückgabe des Jagdscheins beruhe auf Art. 52 BayVwVfG. Die Anordnung, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen an einen Berechtigten zu veräußern oder unbrauchbar zu machen, stütze sich auf § 46 Abs. 2 WaffG. Nach fruchtlosem Ablauf könnten die Waffen und Munition sichergestellt und verwertet werden (§ 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, da ansonsten bei einer Klage eventuell mehrere Instanzen durchlaufen würden, der Antragsteller jedoch nicht mehr die persönliche Zuverlässigkeit besitze. Waffen und Munition in den Händen von nicht zuverlässigen Personen stellten eine nicht hinnehmbare Gefahr für die Gemeinschaft dar. Der Schutz der Allgemeinheit sei höher einzustufen als das Interesse des Erlaubnisinhabers, die Waffen und Munition bis zur Unanfechtbarkeit dieses Bescheids weiter behalten zu dürfen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29.09.2016, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller gegen diesen Bescheid Klage erheben (Az. B 1 K 16.669). Gleichzeitig ließ er um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen und beantragen,
die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO anzuordnen.
Wie bereits im behördlichen Verfahren wurde zu Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass hier ein Ausnahmefall vorliege, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertige. Der Antragsteller habe den Strafbefehl vom 02.09.2015 erhalten, da sein Mofa geringfügig mehr als 25 km/h gefahren sei. Der ermittelnde Polizeibeamte habe angegeben, dass es bis zu 15 km/h schneller gefahren sei, ohne dies objektiv festgestellt zu haben. Der Antragsteller habe das Mofa kurz zuvor gebraucht gekauft und die Geschwindigkeit nicht überprüft. Er habe sich dieses Fahrzeug zugelegt, da er grundsätzlich trotz des mehrmonatigen Entzugs seiner Fahrerlaubnis für Personenkraftwagen ein Mofa mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h habe fahren dürfen.
Weiterhin wies der Bevollmächtigte des Antragstellers nochmals auf die erfolgreich verlaufene MPU sowie den Kurs nach § 70 FeV hin. Der Kläger habe damit seine Zuverlässigkeit zur Teilnahme mit Fahrzeugen im Straßenverkehr bewiesen und seine Persönlichkeit lasse keine Rückschlüsse auf eine Unzuverlässigkeit im Umgang mit Waffen zu. Vor allem lägen bei ihm keine Verfehlungen im Umgang mit Waffen vor. Er sei seit mehr als 15 Jahren in den bayerischen Staatsforsten als Jäger tätig und gelte als besonders zuverlässig. Es habe nie Anlass zu Beanstandungen gegeben, was etwa der Forstbetriebsleiter des Forstamts R* …, bezeugen könne. Dem Schriftsatz wurde als Anlage das Gutachten der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung C* … vom 19.11.2015 (Seiten 1 und 20; Bl. 18/19 d. GA) beigefügt. Ferner wurden ein Zertifikat über eine Alkoholabstinenz vom 18.11.2015 (Bl. 20 d. GA), ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme am Kurs „PLUS 70“ vom 29.02.2016 (Bl. 21 d. GA) und eine Bescheinigung der Heilpraktikerin für Psychotherapie W. vom 02.11.2015 über die Teilnahme an zehn Beratungseinheiten zur Vorbereitung auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (Bl. 22 d. GA) vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2016 übermittelte der Bevollmächtigte des Antragstellers noch ein an den Antragsteller adressiertes Schreiben des Forstbetriebsleiters H. und des Forstrevierleiters S. vom 10.10.2016, das folgenden Inhalt hat: „(…) wir bestätigen, dass Sie seit 2005 in unserem Forstbetrieb R* … die Jagd zu unserer vollen Zufriedenheit ausüben. In allen Bereichen der Jagdausübung, insbesondere im Umgang mit Waffen, können wir Ihnen große Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit bescheinigen. Es gab zu keinem Zeitpunkt einen Grund zu Beanstandungen.“
Mit Schriftsatz vom 11.10.2016 beantragte das Landratsamt C* …, den Antrag abzulehnen.
Das Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da der Bescheid rechtmäßig sei (zur Begründung wurden die bereits im Bescheid genannten Gründe wiederholt). Mit dem Antragsschriftsatz habe der Antragsteller keine neuen, den Bescheid ernsthaft in Zweifel ziehenden Gründe vorgebracht. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei im öffentlichen Interesse unumgänglich gewesen.
Auf das Vorbringen der Parteien und den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte und Strafakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der Antragsteller begehrt bei Auslegung seines Antrags nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner zugleich erhobenen Anfechtungsklage, soweit er sich mit dieser gegen die gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen in Ziff. I. 1. (Einziehung des Jagdscheins) sowie I. 3. a) (Rückgabe des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarten) und I. 3. b) (Unbrauchbarmachen der Munition oder Abgabe an Berechtigte) des angegriffenen Bescheids wendet. Ferner begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, soweit sich die Anfechtungsklage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Anordnung in Ziff. I. 2. (Widerruf der Waffenbesitzkarte, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 45 Abs. 5 WaffG) richtet. Ebenfalls auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist der Antrag in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung in Ziff. I. 4. gerichtet, da diese gegen die Zwangsgeldandrohung gem. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch das Landratsamt (Ziff. II.) geht insoweit ins Leere.
Nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist hingegen die Tenorziffer III. des Bescheids. Bei dieser handelt es sich gerade nicht um eine Zwangsmittelandrohung i.S.v. Art. 36 VwZVG, sondern vielmehr um einen Hinweis auf die mit Fristablauf eintretende Befugnis der Behörde nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG zur Sicherstellung von Munition und Waffen sowie auf die Veräußerungsbefugnis nach § 46 Abs. 5 WaffG. Auch wenn man hierin eine eigenständige „Anordnung“ sehen würde (vgl. die Formulierung in Ziff. II. 8. der Gründe des Bescheids), wäre diese nicht verfahrensgegenständlich, da sie weder kraft Gesetzes noch infolge einer behördlichen Anordnung sofort vollziehbar ist.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.
1. Bei summarischer Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich aber auch ausreichend ist, erweisen sich die getroffenen Anordnungen als rechtmäßig, weswegen die Klage in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Ergänzend zu den Gründen des angefochtenen Bescheids, auf die verwiesen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO analog), ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen:
a) Gem. § 18 Satz 1 BJagdG ist die zuständige Behörde verpflichtet, einen erteilten Jagdschein einzuziehen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die gem. § 17 Abs. 1 BJagdG der Erteilung eines Jagdscheins entgegengestanden hätten. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG knüpft insoweit an die waffenrechtliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung i.S.v. §§ 5 bzw. 6 WaffG an, bei deren Fehlen nur die Erteilung eines Jagdscheins nach § 15 Abs. 7 BJagdG (sog. „Falknerschein“) in Betracht kommt, ein Jagdschein i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG hingegen zu versagen ist. Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG besitzen in der Regel Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie (u.a.) wegen einer Vorsatztat (Nr. 1a) oder einer fahrlässigen, gemeingefährlichen Straftat (Nr. 1b) zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt wurden oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt worden sind und wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Die Voraussetzungen dieser Regelvermutung liegen beim Antragsteller vor, da er wegen einer gemeingefährlichen, fahrlässigen Straftat (§ 316 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB) und einer vorsätzlichen Straftat (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) rechtskräftig zu Geldstrafen i.H.v. 40 bzw. 20 Tagessätzen verurteilt worden ist. Unerheblich ist insoweit, dass es sich um zwei rechtskräftige Strafbefehle handelt, da diese gem. § 410 Abs. 3 StPO – auch im Sinne des Waffenrechts – rechtskräftigen Urteilen gleichstehen (vgl. VG Meiningen, U.v. 14.01.2016 – 8 K 439/14 Me – juris Rn. 16; VG Koblenz, U.v. 28.11.2005 – 8 K 472/05.KO – juris Rn. 22).
Nach ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB um eine gemeingefährliche Straftat i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) WaffG (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 36/87 -, B.v. 19.09.1991 1 CB 24/91 – und B.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92; sowie BayVGH, B.v. 17.2.2000 – 21 ZB 99.2645 -, B.v. 30.3.2001 – 21 ZB 99.1777 -, B.v. 7.10.2005 – 19 ZB 05.2148 und B.v. 30.10.2008 – 19 ZB 08.1376). Der Gesetzgeber hat insoweit die gleichlautende Formulierung des 28. Abschnitts des StGB aufgegriffen und damit bewusst und ausdrücklich auf die dort genannten Straftatbestände Bezug genommen (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2008 – 19 ZB 08.1376 – juris Rn. 6). Auch ist § 5 Abs. 2 Nr. 1b) WaffG gerade nicht durch die Neufassung des § 17 Abs. 4 BJagdG in seinem Regelungsgehalt beeinflusst worden (vgl. nur BayVGH, B.v. 17.02.2000 – 21 ZB 99.2645 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) stellt eine Vorsatztat i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1a) WaffG dar. Der Antragsteller ist somit zweimal wegen in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannter Straftaten zu einer Geldstrafe verurteilt worden (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 WaffG). Der Gesetzgeber hat für diesen Fall die grundsätzliche Wertung getroffen, dass die mindestens zweimalige Begehung von Taten nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) – c) WaffG ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass es dem Waffeninhaber auch an der erforderlichen Fähigkeit fehlt, mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Bei der Prüfung, ob diese Regelvermutung entkräftet werden kann, sind deshalb nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilte Verfehlung ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen können, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind (vgl. nur BayVGH, B.v. 30.10.2008 – 19 ZB 08.1376 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dies erfordert eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Tatverhalten zum Ausdruck kommt. Dabei können sowohl die Verwaltungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zuverlässigkeit grundsätzlich von der Richtigkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgehen, soweit nicht „ohne weiteres“ erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage sind, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (BVerwG, B.v. 22.04.1992 – 1 B 61792 – juris Rn. 9). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch aus den beigezogenen Strafakten.
Der Antragsteller hat vorliegend keine Gründe vorgetragen, die die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG zu widerlegen vermögen. Durch die von ihm vorgelegten Unterlagen (Medizinisch-Psychologisches Gutachten, Abstinenznachweis, Nachweise über die Teilnahme an einem Kurs gem. § 70 FeV und an einem Kurs in Vorbereitung auf die MPU) kann die Regelvermutung schon deswegen nicht widerlegt werden, weil diese nicht die Umstände der abgeurteilten Taten oder das konkrete Tatverhalten betreffen, sondern sich nur auf das sonstige Verhalten des Antragstellers, insbesondere die Auseinandersetzung mit seinem Alkoholkonsumverhalten und die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, beziehen. Ebenso wenig ist deswegen auch das Schreiben des Forstbetriebsleiters und des Forstrevierleiters vom 10.10.2016 geeignet, die Tat aufgrund ihrer konkreten Umstände in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Ob der Antragsteller sich bei der Jagdausübung selbst und beim Umgang mit Waffen zuverlässig gezeigt hat, ist unerheblich. Bewusst hat der Gesetzgeber in den Katalog der für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit relevanten Delikte auch Straftaten aufgenommen, die nicht in Zusammenhang mit der Jagdausübung bzw. dem Waffengebrauch stehen. Der in der früheren Gesetzesfassung noch zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen ist in der aktuellen Gesetzesfassung ausdrücklich aufgegeben worden. Die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit bestimmt sich nicht mehr vorrangig nach der begangenen Straftat, sondern allgemein nach der Rechtsfolgenseite (vgl. BVerwG, B.v. 21.07.2008 – 3 B 12/08 -juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 30.10.2008 – 19 ZB 08.1376 – Rn. 9).
Hinsichtlich der mit Strafbefehl vom 05.11.2014 geahndeten Tat (fahrlässige Trunkenheit im Verkehr) sind solche besonderen Umstände nicht ersichtlich und werden vom Antragsteller selbst auch nicht geltend gemacht. Die Blutalkoholkonzentration (1,89 ‰) lag nicht nur unerheblich über der Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit, was jedenfalls als ein gewichtiger Aspekt, der gegen die Widerlegung der Regelvermutung spricht, angesehen werden kann.
Auch bezüglich der mit Strafbefehl vom 02.09.2015 abgeurteilten Tat (vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) hat das Landratsamt zu Recht keine Entkräftung der Regelvermutung angenommen. Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Tat nach dem vorgelegten Abstinenznachweis keinen Alkohol konsumiert hat, lässt diese Tat nicht in einem milderen Licht erscheinen. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG stellt unter Strafe, dass ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis geführt wird. Dass der Antragsteller dabei nicht alkoholisiert gewesen ist, ändert an der Schwere der Verfehlung nichts.
Nach dem Inhalt der beigezogenen Strafakte war es ihm zur Tatzeit bekannt, dass sein Fahrzeug schneller als 25 km/h fährt (laut eigenhändig unterzeichneter Beschuldigtenvernehmung immerhin „knapp 40 km/h“). Demzufolge ist er auch wegen vorsätzlicher Begehungsweise (rechtskräftig) verurteilt worden. Im hiesigen Verfahren hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt, warum die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sein sollen. Der Einwand, dass die zu hohe Geschwindigkeit nicht objektiv festgestellt worden wäre, verfängt allein deswegen nicht, weil sich aus der Strafakte ergibt, dass der kontrollierende Polizeivollzugsbeamte eine entsprechende Probefahrt durchgeführt hat. Dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht, ist für das Gericht jedenfalls nicht ersichtlich.
b) In der Folge erweist sich auch der Widerruf der Waffenbesitzkarten (Ziff. I. 2.) bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen (gebundene Entscheidung), wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Da vorliegend von der – nicht widerlegten (s.o.) – Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auszugehen ist, hätten die Waffenbesitzkarten gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht erteilt werden dürfen.
c) Die unter Tenorziffer I. 3. a) angeordnete Rückgabeverpflichtung der Waffenbesitzkarten hat das Landratsamt zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG gestützt. Die Anordnung zur Unbrauchbarmachung der Munition oder Überlassung an Dritte konnte rechtmäßigerweise aufgrund von § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG ergehen. Die insoweit gesetzte Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids bzw. (zulässig hilfsweise) zwei Wochen nach dessen Bestandskraft (Tenorziffer I. 5.) ist in Bezug auf die Angemessenheit rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach Auffassung der Kammer findet die Anordnung der Rückgabe des Jagdscheins ihre Rechtsgrundlage nicht – wie es das Landratsamt angenommen hat – in Art. 52 Satz 1 BayVwVfG (so aber auch VG Würzburg, B.v. 12.01.2016 – W 5 S 15.1426 – juris Rn. 32), sondern in § 18 Satz 1 BJagdG. Es handelt sich hierbei um eine vorrangige Spezialregelung, die nicht nur den Verwaltungsakt selbst, sondern auch die zugehörige Urkunde betrifft (ebenso VG Augsburg, B.v. 21.08.2015 – Au 4 S 15.1016 und Au S 15.1017 – juris Rn. 69; vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 52 Rn. 4; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 52 Rn. 6; Knack/Henneke, VwVfG, § 52 Rn. 3 sowie Weidemann/Barthel, GewArch 2012, 112 – juris). Hierfür spricht vor allem der Gesetzeswortlaut, wonach der Jagdschein sowohl „für ungültig zu erklären“ als auch „einzuziehen“ ist. Allein der Umstand, dass das Landratsamt eine unzutreffende Rechtsgrundlage herangezogen hat, führt indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.1989 – 9 C 28/89 – juris Rn. 12). Vorliegend kommt auch kein Ermessensfehler in Form eines sog. Ermessensausfalls in Betracht, da § 18 Satz 1 BJagdG der Behörde insofern kein Ermessen einräumt, das das Landratsamt hätte verkannt haben können.
d) Rechtmäßig erscheint ferner die Anordnung in Ziff. I. 3. a) des Bescheids, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen sowie die zugehörige Munition unbrauchbar zu machen oder an Berechtigte zu überlassen und dies dem Landratsamt binnen der gesetzten Frist anzuzeigen. Sie basiert auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Die Waffenbesitzkarten sind mit dem streitgegenständlichen Bescheid (sofort vollziehbar) widerrufen worden.
e) Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziff. I. 4. des Tenors erscheint rechtmäßig. Neben dem Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 VwZVG) sind die Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG erfüllt, wobei die gesetzte Frist i.S.v. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zumutbar ist. Die Höhe des Zwangsgeldes begegnet ebenfalls keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Sie bewegt sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensbetätigung sind nicht ersichtlich.
f) Es bestehen ferner keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet und dargelegt, weshalb das öffentliche Vollzugsinteresse aus seiner Sicht das Interesse des Antragstellers überwiegt, die Waffen bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens behalten zu dürfen.
2. Da sich die getroffenen Anordnungen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen und auch sonst keine Anhaltspunkte für ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers ersichtlich sind, ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach sind in der Hauptsache für die Einziehung des Jagdscheins 8.000,00 Euro, für die drei Waffenbesitzkarten und eine eingetragene Waffe der Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro, sowie für die sechs weiteren eingetragenen Waffen des Antragstellers je 750,00 Euro, mithin insgesamt 17.500,00 Euro anzusetzen (zur Berechnung vgl. BayVGH, B.v. 06.05.2015 – 21 CS 15.698 – juris Rn. 19). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist dieser zu halbieren, woraus sich der festgesetzte Streitwert von 8.750,00 Euro ergibt.


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