Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis – Gelegentliche Einnahme von Cannabis

Aktenzeichen  M 6 S 16.5404

Datum:
9.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Bei einem THC-Wert von 6,3 ng/ml ist davon auszugehen, dass mindestens zwei Mal Cannabis konsumiert wurde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1985 geborene Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners.
Der Antragsteller war seit … 2003 Inhaber der Fahrerlaubnis Klasse B mit Unterklassen und seit … 2009 Inhaber der Fahrerlaubnis Klasse CE mit Unterklassen.
Am … 2016 gegen 16.05 Uhr wurde im Zuge einer allgemeinen Verkehrskontrolle festgestellt, dass der Antragsteller einen LKW im öffentlichen Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis führte. Ein freiwilliger Drogenschnelltest reagierte positiv. Laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin A. führte die toxikologische Untersuchung der am … 2016 um 16.46 Uhr mit Einwilligung des Antragstellers entnommenen Blutprobe zu folgendem Ergebnis:
THC (Tetrahydrocannabinol) 6,3 µg/L Hydroxy-THC 2,4 µg/L THC-Carbonsäure 22 µg/L (µg/L entspricht ng/ml)
Im Gutachten heißt es, die nachgewiesene Konzentration an THC im Blutplasma zeige, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme eine Wirkung von Cannabis-Inhaltsstoffen vorgelegen habe. Die Befunde belegten die vorangegangene Aufnahme von Cannabis-Zubereitungen wie beispielsweise Haschisch oder Marihuana. Das als Medikation angegebene Ibuprofen werde mit den in diesem Fall durchgeführten Untersuchungen nicht erfasst. Auf eine diesbezügliche spezifische Untersuchung sei verzichtet worden, da durch die Wirkung dieses Arzneistoffs in der Regel keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zu erwarten sei. Ibuprofen sei aufgrund seines Wirkstoffs nicht als berauschendes Mittel anzusehen.
Ausweislich des vom Antragsteller unterschriebenen Protokolls vom … 2016 (Bl. 12 der Akte) gab dieser, zu seinem Drogenkonsum befragt, gegenüber der Polizei an, er habe am … 2016 um 22.30 Uhr im Freien einen Joint geraucht. Eine dementsprechende Angabe findet sich auch im polizeilichen Bericht – Drogen im Straßenverkehr – (Bl. 17 der Akte) unter Nr. 15 „Weitere Erkenntnisse“, Punkt „Letzter BtM-Konsum laut eigenen Angaben“.
Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund einer Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige der Verkehrspolizeiinspektion München von diesem Vorfall Kenntnis erlangt hatte, gab sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. August 2016 Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis.
Am … 2016 äußerte der (damalige) Bevollmächtigte des Antragstellers, der Antragsteller habe am … 2016 gegen ca. 22.30 Uhr den Joint nicht selbst vollständig geraucht, sondern vielmehr sei dieser von zwei anderen Personen geraucht worden und der Antragsteller habe nur ein paar Züge genommen. Eine Teilnahme am Straßenverkehr sei zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Ferner bestehe auch kein Mischkonsum, so dass nur von einem gelegentlichen Konsum auszugehen sei. Des Weiteren wird ausgeführt, der Antragsteller sei Berufskraftfahrer und müsse bei Entziehung der Fahrerlaubnis um seine finanzielle Existenz fürchten.
Der Antragsgegner entzog dem Antragsteller mit Bescheid vom 20. Oktober 2016, zugestellt am 2. November 2016, die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihm auf, seinen Führerschein bis spätestens 5 Tage nach Zustellung des Bescheids bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 550,- EUR an (Nr. 4). Die Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthalten die Kostenentscheidung.
Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dem Antragsteller sei die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen, da er als gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss von 6,3 µg/L THC am Straßenverkehr teilgenommen habe und dies zur Fahrungeeignetheit führe. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liege i. S. d. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – FeV – vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen habe und diese Konsumvorgänge einen gewissen auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trenne dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fahre, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen sei. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liege beim Antragsteller vor. Der aktive Wert von THC sei nur vier bis sechs Stunden nachweisbar, sodass vor der Fahrt und Blutentnahme am … April 2016 ein nochmaliger Konsum von Cannabis zusätzlich zu dem – nach eigenen Angaben – am … April 2016 gegen 22.30 Uhr eingeräumten, stattgefunden haben müsse.
Mit Schriftsätzen des (nunmehr) Prozessbevollmächtigten vom … November 2016, die per Telefax am gleichen Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingingen, erhob der Antragsteller Klage (Az. M 6 K 16.5419) gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2016 und beantragte in vorliegendem Eilverfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom gleichen Tage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. Oktober 2016 wiederherzustellen.
Zur Begründung wird unter anderem auf die Klagebegründung vom gleichen Tage verwiesen. In dieser ist ausgeführt, dem Antragsteller könne lediglich ein einmaliger Konsum von Cannabisprodukten zur Last gelegt werden. Dieser habe ausweislich der eigenen Angaben des Antragstellers am Vorabend (des … April 2016) gegen 22.30 Uhr stattgefunden. Der Antragsteller habe auch kein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Wirkung eines Cannabisproduktes geführt. Die ärztliche Untersuchung habe keine Hinweise auf körperliche oder geistige Ausfallerscheinungen ergeben. Der Antragsteller habe nicht unter dem Einfluss einer THC-Konzentration gestanden, bei der nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen im Straßenverkehr erhöhe.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller als Berufskraftfahrer bei Entziehung der Fahrerlaubnis den Verlust seiner Existenz befürchten müsse.
In der Begründung zum Eilantrag wird des Weiteren ausgeführt, die Wechselwirkung mit der Einnahme von Ibuprofen am selben Vormittag sei nicht berücksichtigt worden. Auf das Vorbringen der Antragspartei im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO analog).
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2016, eingegangen am 27. Dezember 2016, den Antrag abzulehnen.
Die Akten des Antragsgegners gingen am 28. Dezember 2016 bei Gericht ein.
Unter Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse (Nachweisbarkeit von THC) tritt der Antragsgegner der Behauptung des Antragstellers, es liege kein gelegentlicher Cannabiskonsum vor, entgegen. Bei fehlendem Trennverhalten sei nicht von Belang, ob zusätzlich Ausfallerscheinungen festgestellt werden könnten. Auf das Vorbringen des Antragsgegners im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO analog).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
II.
Soweit der vorliegende Antrag zum Ziel hat, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 4 des Bescheids des Antragsgegners vom 20. Oktober 2016 wiederherzustellen, ist er bereits unzulässig, im Übrigen ist er unbegründet.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage hinsichtlich Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids wiederherzustellen, da er seine Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins am … November 2016 (Vermerk Blatt 44 der Akte) erfüllt hat. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner das in Nr. 4 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes- VwZVG – gleichwohl noch beitreiben wird. Daher fehlt es dem Antragsteller für einen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Nr. 4 des Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (st. Rspr., etwa BayVGH, B.v. 21.10.2013 – 11 CS 13.1701).
2. Der im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2016 erhobene Klage wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben.
2.1 Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids vom 20. Oktober 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf Seite 4 des Bescheids. Durch die aus Sicht des Antragsgegners erwiesene Verkehrsteilnahme des Antragstellers unter dem Einfluss von Cannabis sowie dessen zumindest gelegentlichen Konsum dieser Droge sieht der Antragsgegner eine mögliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Der Antragsgegner weist außerdem zutreffend darauf hin, dass angesichts der Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts dieser Rechtsgüter die Gefahren, die von einem ungeeigneten Kraftfahrzeugführer ausgehen, nicht bis zum Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens hingenommen werden können.
2.2 Der Antrag war abzulehnen, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 20. Oktober 2016 auch im Übrigen (materiell) rechtmäßig ist, so dass die hiergegen erhobene Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 20. Oktober 2016 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend derjenige der letzten Behördenentscheidung.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG -, § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die gilt insbesondere, wenn Erkrankungen und Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen und dadurch die Fahreignung ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439).
Dem Antragsteller war nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zwingend zu entziehen, da er gelegentlich Cannabis konsumiert und unter Einfluss dieser Droge jedenfalls einmal am Straßenverkehr teilgenommen hat (fehlendes Trennungsvermögen). Die Anordnung eines Gutachtens vor Entziehung der Fahrerlaubnis war deshalb nicht notwendig (§ 11 Abs. 7 FeV).
Die gelegentliche Einnahme von Cannabis durch den Antragsteller steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer aufgrund der Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei am … April 2016 in Verbindung mit den Ergebnissen des toxikologischen Gutachtens vom … Juli 2016 und den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Nachweisbarkeit bzw. zur Abbaugeschwindigkeit von Tetrahydrocannabinol – THC – (aktiver Wirkstoff des Cannabis) fest.
Das toxikologische Gutachten weist hinsichtlich THC einen Wert von 6,3 ng/ml aus. Somit muss der Antragsteller zwischen dem von ihm eingeräumten Konsum eines Joints am Vorabend und der Verkehrsteilnahme am … April 2016 mindestens ein weiteres Mal und somit insgesamt mindestens zwei Mal Cannabis konsumiert haben. Diese Annahme deckt sich mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So führt Toennes et alia „Beweismittelverlust bei verzögerter Blutentnahme“ (Arch. Kriminol. 235, 73 bis 79) unter Bezug auf Studien aus den Jahren 2007 und 2009 aus, bei erstmaligem oder nur gelegentlichem Cannabiskonsum sei bei 95% aller Probanden nach 6 bis 8 Stunden THC nur noch in Konzentrationen < 1 ng/ml nachweisbar, nach 11 Stunden liege der Wert unter der Nachweisgrenze (aktuell 0,3 ng/ml). Hiervon geht auch die Grenzwertkommission aus, die Vorschläge für die in der Anlage zu § 24a StVG enthaltenen bzw. aufzunehmenden Stoffe auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse gegenüber dem Bundesminister für Verkehr unterbreitet (Naturwissenschaftliche Grundlagen der Fahrlässigkeit - Zeitspanne der Nachweisbarkeit - Zuverlässigkeit von Drogenvortests, Blutalkohol 4/8/2011). Schon frühere bekannte Studien wie die sog. Maastricht-Studie fanden zu vergleichbaren Ergebnissen.
Somit kann die Einlassung des Antragstellers, es liege kein gelegentlicher Konsum vor, nicht zutreffen. Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis i. S. d. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bereits bei zwei selbständigen Konsumvorgängen in einem gewissen auch zeitlichen Zusammenhang gegeben. Ein nur einmaliger Konsum wurde vom Antragsteller am … April 2016 auch nicht gegenüber der Polizei behauptet. Vielmehr gab er an, er habe letztmalig am … April 2016 gegen 22.30 Uhr Cannabis zu sich genommen. Die Blutprobe ist ihm am folgenden Tag um 16.46 Uhr und damit mehr als 18 Stunden nach dem angegebenen Konsumende entnommen worden. Sie weist einen hohen THC-Wert aus, was nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen auf einen wenige Stunden vor der Blutentnahme liegenden Drogenkonsum hinweist und keinesfalls mit einem mehr als 18 Stunden zurückliegenden Cannabiskonsum erklärbar ist.
Fest steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen sowie des toxikologischen Gutachtens vom … Juli 2016 zudem, dass der Antragsteller den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht getrennt hat. Er hat nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung des am … April 2016 um 16.46 Uhr entnommenen Blutes ein Kraftfahrzeug mit einer THC-Konzentration von 6,3 ng/ml THC im Blutserum geführt und somit den auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 weiterhin maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml, ab dem von der Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit auszugehen ist (BayVGH, B.v. 23.5.2016, a.a.O. Rn. 15), überschritten.
Folglich war ihm als zumindest gelegentlichen Konsumenten dieser Droge nach Maßgabe des §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass dem Antragsgegner hierbei ein Ermessen zugestanden hätte oder zuvor die Einholung eines (medizinisch-psychologischen oder ärztlichen) Gutachtens erforderlich gewesen wäre.
Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV, welche eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts der tatsächlich erfolgten Fahrt mit einem LKW unter Einfluss von Cannabis am … April 2016 ist vielmehr vom Regelfall der Fahrungeeignetheit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auszugehen.
Schließlich ändert daran, dass der Antragsteller im vorliegenden summarischen Verfahren als fahrungeeignet anzusehen ist, auch die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinen Beschlüssen vom 29. August 2016 (11 CS 16.1460 – juris) und 14. September 2016 (11 CS 16.1467 – juris) angedeutete Rechtsauffassung, im Hinblick auf die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV könne zukünftig bei nur einmaliger Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr mit einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr, solange sich diese im Bereich einer Ordnungswidrigkeit bewegt, möglicherweise nicht mehr ohne weiteres von fehlender Fahreignung ausgegangen werden, nichts, denn in dieser Entscheidung, die zudem nur im Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtschutzes erging, hat sich das übergeordnete Gericht noch nicht festgelegt – was folglich nicht ausreichend ist, um die eben dargestellte Rechtsprechung der Kammer, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bislang geteilt hat (vgl. etwa BayVGH, B.v. 23.5.2016 a.a.O), infrage zu stellen.
2.3 Im Übrigen hielte es das erkennende Gericht selbst dann, wenn es wegen der vorgenannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von offenen Erfolgsaussichten ausgehen würde, nicht für vertretbar, den Antragsteller – selbst unter Auflagen – vorläufig wieder am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Denn für die Annahme, dass vom Antragsteller, der im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen ist, der Konsum und Fahren nicht getrennt hat, keine höhere Gefahr als von anderen Verkehrsteilnehmern ausgeht, fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten.
2.4 Da die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der einstweiligen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch beim Sofortvollzug der im streitgegenständlichen Bescheid enthaltenen Anordnung, den Führerschein abzuliefern. Die im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzungen zu den Kosten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).


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