Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis gelegentlicher Cannabiskonsum, negatives Fahreignungsgutachten, Verneinung des Trennvermögens

Aktenzeichen  11 CS 21.1837

Datum:
23.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24906
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 14 Abs. 1 Satz 3, § 46 Abs. 1, Nr. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 1 S 21.618 2021-06-15 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins.
Dem am … … 2002 geborene Antragsteller wurde am 6. Juli 2020 die Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L erteilt. Durch eine Mitteilung des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom 15. Dezember 2020 erhielt das Landratsamt Bamberg (im Folgenden: Landratsamt) Kenntnis davon, dass eine Fahrt des Antragstellers am 20. Oktober 2020 um 22:30 Uhr unter der Wirkung von Cannabis mit einem rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 2. Dezember 2020 geahndet worden war. Bei der Blutuntersuchung wurde ein THC-Wert von 2,40 ng/ml festgestellt. Das Landratsamt hörte den Antragsteller daraufhin zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Hierzu äußerte sich der Antragsteller per E-Mail vom 17. Januar 2021 dahingehend, er habe “ein gelegentliches Konsumverhalten an den Tag gelegt.” Am Tag der Fahrt habe er nicht konsumiert, sondern sich am Abend davor mit einem Freund getroffen und mit ihm Cannabis geraucht. Er habe nie alleine konsumiert und sei, wenn er konsumiert habe, an diesem Tag nicht mehr mit dem Auto gefahren. Seit der Verkehrskontrolle habe er den Konsum eingestellt.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Der Antragsteller legte ein Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung der … SÜD L2. Service GmbH, Service-Center B., vom 24. März 2021 (Absendedatum) vor. Dem Gutachten zufolge habe er berichtet, ab Anfang 2018 zunächst wöchentlich einen Joint geraucht zu haben. Nach drei oder vier Wochen sei der Konsum auf drei- bis viermal pro Woche angestiegen. Nach zwei oder drei Monaten habe sich ein täglicher Cannabiskonsum eingestellt, der bis zum 20. Oktober 2020 angehalten habe. Es habe auch Phasen gegeben, in denen er weniger oder überhaupt nicht mehr konsumiert habe. Nach der Fahrt unter Drogeneinfluss habe er Anfang Dezember 2020 noch einmal einen Joint geraucht. Seitdem lebe er drogenfrei. Abstinenzbelege habe er nicht. Zur Verkehrsauffälligkeit befragt habe er angegeben, es sei eine Gewohnheit gewesen, er habe täglich konsumiert und sei auch regelmäßig gefahren. Es sei auch vorgekommen, dass er Alkohol zu den Drogen getrunken habe. Er habe den Rausch verlängern wollen. Er sei in einer Gruppe gewesen, in der alle geraucht hätten.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, es liege ein regelmäßiger Cannabiskonsum bis Oktober 2020 vor. Dem Drogenkonsum hätten problematische Motive zugrunde gelegen. Zudem habe der Antragsteller Mischkonsum mit Alkohol betrieben. Er habe seine Drogenproblematik noch nicht angemessen bewältigt und keine spezifisch suchttherapeutische Maßnahme in Anspruch genommen. Der Zeitraum des Drogenverzichts müsse als noch zu kurz angesehen werden, um bereits jetzt von einer stabilen Abstinenz ausgehen zu können. Zudem könne der Antragsteller hierfür keine geeigneten Nachweise vorlegen und habe auch keine nachvollziehbaren Motive für eine dauerhafte und tragfähige Abstinenz benannt. Hierfür seien die negativen Folgen des Fahrerlaubnisentzugs nicht ausreichend. Aufgrund der nur unzureichenden Auseinandersetzung mit der Drogenbeziehung sei auch zukünftig mit überdurchschnittlich erhöhter Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss führen werde.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 22. April 2021 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Ablieferung des Führerscheins. Nach dem Gutachten bestehe derzeit keine Trennung von Konsum und Verkehrsteilnahme. Der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins kam der Antragsteller am 29. April 2021 nach.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20. Mai 2021 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage gegen den Bescheid erheben, über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat, und zugleich beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag im vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Der Antragsteller habe gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt. Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot ergebe sich aus der Fahrt am 20. Oktober 2020, bei der der maßgebliche Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml THC überschritten sei. Nach dem schlüssigen, nachvollziehbaren und verwertbaren Gutachten liege beim Antragsteller eine fortgeschrittene Drogenproblematik vor und sei zu erwarten, dass er auch in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis und dessen Nachwirkungen führen werde. Die Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme sei nicht gegeben. Die behauptete Abstinenz führe nicht dazu, dass das Landratsamt dem Antragsteller an Stelle der Fahrerlaubnisentziehung die Vorlage von Abstinenznachweisen hätte auferlegen müssen. Die Wiedererlangung der Fahreignung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei weder in zeitlicher Hinsicht möglich noch habe der Antragsteller für seine Abstinenzbehauptung Nachweise vorgelegt.
Zur Begründung seiner gegen den Beschluss erhobenen Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen ausführen, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unrechtmäßig. Eine strafrechtliche Sanktion sei gegen ihn nicht ausgesprochen worden. Der Bußgeldbescheid sei hinsichtlich der Bewertung der Frage, ob der Antragsteller in der Lage sei, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen, nicht von entscheidender Bedeutung. Der Umstand, dass der Antragsteller sein Verhalten überdacht und geändert habe, und die jederzeit nachweisbare Abstinenz würden die negative Prognose hinsichtlich des Trennungsvermögens widerlegen. Er habe alle ihm mitgeteilten Verpflichtungen ordnungsgemäß und sorgfältig wahrgenommen. Die Feststellungen des medizinisch-psychologischen Gutachtens seien nicht unumstößlich. Der Antragsteller habe sein Unrecht eingesehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht in der gebotenen Sorgfalt geprüft worden. Es wäre möglich gewesen, dem Antragsteller die Fahrerlaubnis unter Vorbehalt zwar zu entziehen, ihm diese jedoch bei Verpflichtung zum Nachweis der Abstinenz für zwölf Monate mit regelmäßigen Proben zu belassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 11), hier somit der Erlass des Bescheids am 22. April 2021. Danach eingetretene Änderungen können weder im noch anhängigen Klageverfahren noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern allenfalls in einem behördlichen Verfahren zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2020 (BGBl I S. 2704), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer gelegentlich Cannabis konsumiert und entweder den Konsum und das Fahren nicht trennt oder zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert oder wenn eine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Ebenfalls ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer regelmäßig Cannabis konsumiert (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen (sog. Zusatztatsachen).
b) Das Landratsamt hat zu Recht gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers und einen Verstoß gegen das Trennungsgebot als Zusatztatsache angenommen. Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 14). Ein solches Konsumverhalten hat der Antragsteller in seiner E-Mail vom 17. Januar 2021 selbst eingeräumt.
Des Weiteren hat er bei der Fahrt am 20. Oktober 2020, wovon das Landratsamt aufgrund des Bußgeldbescheids vom 2. Dezember 2020 ausgehen konnte (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StVG), den Konsum von Cannabis nicht in der erforderlichen Weise vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt und hierdurch Zweifel an seiner Fahreignung begründet, die die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gerechtfertigt haben (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Das Trennungsgebot wird verletzt, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht oder – negativ formuliert – eine solche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann. Ab einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Blutserum ist eine verkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigung der Fahrsicherheit möglich oder nicht ausgeschlossen (BVerwG, U.v. 11.4.2019 a.a.O. Rn. 16 ff.). Diesen Risikogrenzwert hat der Antragsteller bei seiner Fahrt am 20. Oktober 2020 überschritten. In der bei ihm etwa eine Stunde nach Beendigung der Fahrt entnommenen Blutprobe wurde ein THC-Wert von 2,4 ng/ml Blutserum festgestellt. Wegen der schnellen Verstoffwechselung von Cannabis ist davon auszugehen, dass der THC-Wert während der Fahrt noch höher war (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2020 – 11 CS 19.2434 – juris Rn. 19 m.w.N.). Unerheblich ist, ob der Antragsteller nicht in der Lage oder nicht bereit war, das Trennungsgebot zu beachten (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 a.a.O. Rn. 19). Auch der Nachweis einer konkreten Gefährdung des Straßenverkehrs ist nicht erforderlich.
Im Übrigen schafft das vom Antragsteller vorgelegte Fahreignungsgutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung der … SÜD L2. Service GmbH, Service-Center B., vom 24. März 2021 (Absendedatum) ohnehin eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung, die von der Fahrerlaubnisbehörde bei der Beurteilung der Fahreignung berücksichtigt werden durfte (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 11 CS 19.2070 – juris Rn. 14 f.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 11 FeV Rn. 26 m.w.N.). Dieses Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass weitere Fahrten des Antragstellers unter Drogeneinfluss zu erwarten sind. Zum einen fehlt die erforderliche Trennungsbereitschaft bzw. das Trennungsvermögen. Hierfür reicht eine kurzzeitige und lediglich behauptete, aber in keiner Weise nachgewiesene Abstinenz nicht aus. Gleiches gilt für die Erklärung des Antragstellers, er habe sein Unrecht eingesehen und sein Verhalten überdacht und geändert. Die Eignungszweifel entfallen bei feststehendem gelegentlichen Cannabiskonsum und Verstoß gegen das Trennungsgebot weder allein durch den Nachweis einer mindestens halbjährigen (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, S. 304 f.) Abstinenz noch durch eine behauptete Einstellungs- und Verhaltensänderung. Es wäre Sache des Antragstellers gewesen, Nachweise für eine ausreichend lange Abstinenz und für etwaige therapeutische Maßnahmen zu erbringen. Hierfür ist die nach Erlass des Bescheids vorgelegte Bestätigung vom 29. April 2021 über die am 16. April 2021 begonnene verkehrspsychologische Therapie für drogenauffällige Kraftfahrer sicherlich ein erster positiver, aber keinesfalls ausreichender Ansatz. Ebenfalls nicht allein ausreichend ist der Umstand, dass keine weiteren Auffälligkeiten des Antragstellers im Straßenverkehr bekannt geworden sind. Es ist nicht auszuschließen, dass er die nochmalige Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis bis zum Erlass des Bescheids nur unter dem Druck des noch nicht abgeschlossenen fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens unterlassen hat oder durch Zufall nicht mehr aufgefallen ist. Über die Frage, ob nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot der erforderliche stabile Einstellungswandel vorliegt, kann grundsätzlich nur auf der Grundlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens entschieden werden (BayVGH, B.v. 24.9.2020 – 11 CS 20.1234 – juris Rn. 21). Wichtiger Punkt bei der Prognosebeurteilung ist die Frage nach einem offenen und selbstkritischen Umgang mit der Problematik, wobei der Betreffende seine Rückfallgefährdung realistisch einschätzen können und Vermeidungsstrategien entwickelt haben muss (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw a.a.O. S. 304 f.).
c) Es kommt hinzu, dass nach der Einlassung des Antragstellers gegenüber dem Gutachter von regelmäßigem Cannabiskonsum über einen längeren Zeitraum auszugehen ist, der die Fahreignung nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung des Rauschmittels ausschließt. Nach den insoweit maßgeblichen (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 3 C 1.08 – BVerwGE 133, 186 = juris Rn. 16) Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Verkehrsblatt S. 110) in der Fassung vom 28. Oktober 2019 (Verkehrsblatt S. 775) wird als regelmäßige Einnahme von Cannabis der tägliche oder gewohnheitsmäßige Konsum bezeichnet (Nr. 3.14.1). Der Antragsteller hat angegeben, den Anfang 2018 begonnenen gelegentlichen Cannabiskonsum nach wenigen Monaten erheblich gesteigert und dann – wenn auch mit Unterbrechungen – bis zum 20. Oktober 2020 und demnach über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren bis zu drei Joints täglich konsumiert zu haben. Im Falle eines die Fahreignung ausschließenden Cannabiskonsums im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ist entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig eine Abstinenz von einem Jahr und ein stabiler, motivational gefestigter Einstellungswandel nachzuweisen, um annehmen zu können, dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung wiedererlangt hat (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2016 – 11 ZB 16.1124 – juris Rn. 14 f. m.w.N.; vgl. auch Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien).
Außerdem hat der Antragsteller, allerdings ohne konkrete Mengenangaben, erklärt, es sei auch vorgekommen, dass er zusätzlich Alkohol konsumiert habe, weil er den Rausch habe verlängern wollen. Mischkonsum von Cannabis und Alkohol, der in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht zu einer kombinierten Rauschwirkung führen kann, schließt die Fahreignung ebenfalls unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr aus (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV; BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 Rn. 21; BayVGH, B.v. 16.4.2020 – 11 CS 20.550 – juris Rn. 15 m.w.N.). Zwar muss zumindest annähernd bekannt sein, wann und in welchen Mengen der Betroffene Cannabis und Alkohol konsumiert oder zu welchen Blut- bzw. Atemalkoholwerten der Konsum geführt hat, um einschätzen zu können, ob eine kombinierte Rauschwirkung vorlag. Hierfür reichen die vagen Angaben des Antragstellers nicht aus. Zumindest sprechen sie aber für ein über den reinen Cannabiskonsum hinausgehendes problematisches Konsumverhalten, was im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vor einer Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ebenfalls abzuklären wäre.
d) Soweit der Antragsteller die Entziehung der Fahrerlaubnis als unverhältnismäßig beanstandet, weil ihn das Landratsamt als weniger belastende Maßnahme zum Nachweis der Abstinenz für zwölf Monate mit regelmäßigen Proben hätte verpflichten können, kann auch dieses Vorbringen seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon, dass – wie ausgeführt – allein mit einer solchen nachgewiesenen Abstinenz der erforderliche stabile, motivational gefestigte Einstellungswandel noch nicht belegt wäre, ist bei feststehender Ungeeignetheit die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer zwingend (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde hat in diesem Fall keinen Ermessensspielraum, der die Möglichkeit anderer, den Betreffenden weniger belastender Maßnahmen als die Entziehung der Fahrerlaubnis eröffnen würde.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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