Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Methamphetamin, Bestreiten des Konsums, keine Wiedererlangung der Fahreignung

Aktenzeichen  11 CS 21.1933

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24923
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 1 S 21.671 2021-06-23 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung ihres Führerscheins.
Bei einer Verkehrskontrolle am 12. November 2020 war die Antragstellerin Beifahrerin des Fahrzeugs. Dabei wurde dem Schlussvermerk der Kriminalinspektion B. zufolge eine geringe Menge Methamphetamin in mehreren Plomben aufgeteilt gefunden. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung am 29. Januar 2021 im Polizeipräsidium Oberfranken gab die Antragstellerin an, sie sei am Tattag mit dem Auto nach Erfurt gefahren, um sich Betäubungsmittel zu kaufen. Sie habe 5 g Methamphetamin in verschiedenen Packungen erworben. Damit sei sie dann zu ihrem Lebensgefährten gefahren, wo sie zusammen ein gutes halbes Gramm konsumiert hätten. Anschließend habe sie eine Fehlgeburt erlitten und ihren Lebensgefährten, der keinen Führerschein habe, gebeten, sie mit ihrem Auto ins Krankenhaus zu fahren. Bei dieser Fahrt seien sie dann von der Polizei kontrolliert worden. Ihr Freund habe der Polizei erklärt, das Rauschgift gehöre ihm. Das habe er getan, um sie zu schützen, da sie an diesem Tag schon so belastet gewesen sei. Seit diesem Vorfall sei sie sauber. Sie gehe regelmäßig zur Suchtberatung und weise freiwillig ein- bis zweimal die Woche nach, dass sie clean sei.
Nachdem das Landratsamt Bayreuth (im Folgenden: Landratsamt) hiervon durch eine Mitteilung der Polizei Kenntnis erhielt, entzog es der Antragstellerin nach Anhörung mit Bescheid vom 19. Mai 2021 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete sie unter Androhung eines Zwangsgelds zur Ablieferung ihres Führerscheins. Aufgrund des eingeräumten Konsums von Methamphetamin stehe ihre Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fest. Bereits die einmalige Einnahme schließe die Fahreignung im Regelfall unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr aus. Die erforderliche einjährige Abstinenz könne aufgrund des Konsumzeitpunkts noch nicht nachgewiesen werden.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. Juni 2021 ließ die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid einlegen, über den die Widerspruchsbehörde noch nicht entschieden hat. Den ebenfalls am 1. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingereichten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Juni 2021 abgelehnt, soweit er den Sofortvollzug hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins zum Gegenstand hatte, und ihm wegen Ermessensausfalls stattgegeben, soweit er sich gegen die Zwangsgeldandrohung richtete. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Antragstellerin am 12. November 2020 Methamphetamin konsumiert habe, wie sie es in ihrer Beschuldigtenvernehmung ausgesagt habe. Für die Feststellung des Konsums harter Drogen sei es ausreichend, wenn der Betroffene die Einnahme einräume. Die labortechnische Untersuchung der im Pkw der Antragstellerin aufgefundenen Substanzen habe ergeben, dass es sich hierbei um Methamphetamin gehandelt habe. Auch der einmalige Konsum von Methamphetamin führe zur Ungeeignetheit, unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen. Der Antragstellerin bleibe es unbenommen, im Widerspruchsverfahren weiteren Vortrag dafür zu bringen, dass sie selbst keine Drogen eingenommen habe und dass sie nur ihren Lebensgefährten vor einer strafrechtlichen Verfolgung habe schützen wollen.
Zur Begründung ihrer gegen den Beschluss erhobenen Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt die Antragstellerin ausführen, weder das Landratsamt noch die Widerspruchsbehörde hätten sie zur Abgabe einer Haaranalyse oder zu einer persönlichen Vorsprache aufgefordert, um die Sache klarzustellen und sich zu exkulpieren. Daher liege ein Ermessensdefizit, wenn nicht sogar ein Ermessensausfall vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt mit Wirkung zum 1. August 2021 geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt ebenfalls mit Wirkung zum 1. August 2021 geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Metamphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage II), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 = juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11 f.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11). Bei Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ein Ermessensspielraum steht der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu (BayVGH, B.v. 19.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 15).
Gemessen daran begegnet die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Zu Recht sind das Landratsamt und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin am 12. November 2020 Methamphetamin konsumiert hat. Dies hat sie bei ihrer Beschuldigtenvernehmung am 29. Januar 2021 ausdrücklich eingeräumt und im weiteren Verfahrensverlauf nicht substantiiert bestritten. Hierzu reicht insbesondere die Einlassung, sie habe durch ihre Selbstbelastung lediglich ihren Lebensgefährten schützen wollen, nicht aus. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der im Beschlussverfahren entsprechend gilt (§ 122 Abs. 1 VwGO), entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es von einem Drogenkonsum der Antragstellerin am 12. November 2020 und einem taktischen Anpassen ihrer Einlassung zur Vermeidung fahrerlaubnisrechtlicher Konsequenzen überzeugt ist (BA S. 9). Auch der Senat hat keinen Zweifel am Methamphetaminkonsum der Antragstellerin. Es erschließt sich nicht, wie der von ihr bei ihrer Beschuldigtenvernehmung eingeräumte gemeinsame Konsum mit ihrem Lebensgefährten vor der Fahrt diesen – wie in den Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 1. und 25. Juni 2021 ausgeführt – hätte entlasten und vor Strafe hätte bewahren können. Der Wirkstoffgehalt des konsumierten Betäubungsmittels ist durch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bayreuth vom 25. Mai 2021 ebenfalls hinreichend belegt.
Weder für das Landratsamt noch für die Widerspruchsbehörde bestand bzw. besteht daher eine Veranlassung, die Antragstellerin zur Vorsprache oder zur Vorlage einer Haaranalyse aufzufordern. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Nachweis des Konsums am 12. November 2020 als auch für eine Überprüfung der Abstinenz ab diesem Zeitpunkt. Abgesehen davon, dass eine negative Haaranalyse einen einmaligen Konsum von Methamphetamin, der gleichwohl zur Fahrungeeignetheit führt, nicht hinreichend sicher ausschließt (Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Auflage 2016, § 3 Rn. 239 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 19), reicht die seit dem Konsum am 12. November 2020 verstrichene Zeit für eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung nicht aus. Die hierzu nach der Rechtsprechung des Senats zugrunde zu legende verfahrensrechtliche Einjahresfrist (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV) beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den der Betroffene als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, ausreichende Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (BayVGH, B.v. 14.9.2020 a.a.O. Rn. 20). Allerdings genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz regelmäßig nicht. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (stRspr, vgl. nur BayVGH, B.v. 29.11.2018 – 11 CS 18.2228 – juris Rn. 15; B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 15). Die Darlegungslast hierfür liegt bei der Antragstellerin. Sollte das Widerspruchsverfahren bis zum Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nicht abgeschlossen sein, kämen hierfür beispielsweise eine Bestätigung des Bezirkskrankenhauses über die nach Darstellung der Antragstellerin bei ihrer Beschuldigtenvernehmung am 29. Januar 2021 erbrachten Abstinenznachweise und über ihre Teilnahme an der Suchtberatung in Betracht.
Im Übrigen hätte allein der Abstinenznachweis ohnehin nicht automatisch die Wiedererlangung der Fahreignung zur Folge. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus eine hinreichend stabile Überwindung der früheren Konsumgewohnheiten, die nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festgestellt werden kann (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FeV). Für eine positive Verkehrsprognose ist wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der oder die Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält (vgl. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [Verkehrsblatt S. 110] in der Fassung vom 28.10.2019 [Verkehrsblatt S. 775]). Dies wird daher Gegenstand einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Rahmen des Wiedererteilungsverfahrens sein.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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