Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Örtliche Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde, Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (Kokain), Nachweis von Kokain bei Blutanalyse, Unwissentlicher Konsum (nicht substantiiert dargelegt)

Aktenzeichen  M 19 S 21.4471

Datum:
30.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38308
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1
FeV Nr. 9.1 Anlage 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen.
Der Entziehung vorangegangen war eine Ereignismeldung der Polizeiinspektion Rosenheim. Laut dieser habe der Antragsteller am 24. Mai 2021 in stark betrunkenem Zustand versucht, einige Getränkedosen zu stehlen und einen Mitarbeiter einer Tankstelle mit der Faust geschlagen. Gegen die hinzugekommenen Polizisten habe er Widerstand geleistet und diese beleidigt. Auf richterlichen Beschluss sei ihm noch am selben Tag in der Arrestzelle Blut abgenommen worden.
Das entnommene Blut wurde am 14. Juni 2021 positiv auf Kokainabbauprodukte sowie auf Alkohol (2,46 ‰) getestet. Laut dem entsprechenden Gutachten konnte dabei Benzoylecgonin (12 ng/ml) nachgewiesen werden. Der Wert spreche für einen länger zurückliegenden Kokain-Missbrauch.
Nach Kenntniserlangung von diesen Vorfällen hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Juli 2021 zu einer beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund seines Kokainkonsums an.
Dieser teilte zunächst am 22. Juli 2021 telefonisch mit, dass er sich an die Blutentnahme nicht erinnern könne und auch niemals Kokain konsumiert habe. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 3. August 2021 ließ er zudem mitteilen, dass das Gutachten seiner Auffassung nach einen Kokainkonsum nicht nachweise. Jedenfalls habe er nicht bewusst Betäubungsmittel konsumiert. Möglicherweise sei der Schnupftabak, den er unter Alkoholeinfluss zu sich genommen habe, verunreinigt gewesen.
Nachdem der Antragsteller zwischenzeitlich von der Stadt in den Landkreis Rosenheim gezogen war, fragte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 5. August 2021 bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Rosenheim an, ob das Verfahren bei ihr weiterbearbeitet werden könne, was vom Landratsamt bejaht wurde.
Mit Bescheid vom 12. August 2021, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 16. August 2021 per Postzustellungsurkunde zugestellt, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1), gab diesem auf, seinen Führerschein innerhalb von fünf Tagen ab Zustellung dieses Bescheids bei der Stadt Rosenheim abzugeben (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der vorstehenden Ziffern an (Nr. 3), drohte für den Fall der Nichterfüllung der Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR an (Nr. 4) und erhob für diesen Bescheid eine Gebühr in Höhe von 150,- EUR sowie Auslagen in Höhe von 4,11 EUR (Nrn. 5, 6).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bereits die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) – mit Ausnahme von Cannabis – die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließe und damit gemäß § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge habe. Der Konsum von Kokain sei dabei durch die gutachterliche Blutuntersuchung erwiesen. Die hiergegen erhobenen Einwände, auch zum nicht willentlichen Konsum, seien im Übrigen nicht ausreichend substantiiert, um die durch das Gutachten festgestellte Nichteignung zu widerlegen und damit als bloße Schutzbehauptung zu werten. An der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung bestehe aufgrund des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer vor aufgrund Drogeneinflusses fahrungeeigneten Teilnehmern ein besonderes öffentliches Interesse.
Am 19. August 2021 versicherte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin an Eides statt, dass er seinen Führerschein am 4. August 2021 verloren habe.
Am 20. August 2021 erhob er über seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid Klage (M 19 K 21.4470) und beantragte,
diesen aufzuheben.
Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsmittelanordnung anzuordnen sowie hinsichtlich der Ablieferungspflicht des Führerscheins und der Kostenfestsetzung wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Sofortvollzug schon nicht ausreichend begründet worden sei. Im Übrigen sei ein Kokainkonsum bislang nicht nachgewiesen. Schließlich habe der Antragsteller niemals bewusst Drogen konsumiert. Vom 22. bis zum 24. Mai 2021 habe er täglich die „Wiesn Bad Aibling“ besucht, wo er möglicherweise unbewusst Kokain aufgenommen habe. Er habe dort nämlich nicht nur Schnupftabak konsumiert, sondern auch an zwei Tagen Geschlechtsverkehr mit einer ihm nicht näher bekannten Frau namens „Marie“ gehabt, die „aufgekratzt“ gewirkt habe. Er versuche derzeit, diese ausfindig zu machen.
Zur Bekräftigung übersandte der Bevollmächtigte einen toxikologischen Befundbericht vom 10. August 2021, wonach eine vom Antragsteller am 5. August 2021 abgegebene Urinprobe negativ getestet worden sei.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 21. Oktober 2021,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Die Aufnahme von Kokain sei ihrer Auffassung nach nachgewiesen und führe zum Ausschluss der Fahreignung. Die Einlassungen zum unbewussten Konsum seien weiterhin nicht ausreichend substantiiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakten von Haupt- und Eilverfahren Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
Nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller hinsichtlich der in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Entziehung seiner Fahrerlaubnis sowie hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids verfügten Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins, die beide für sofort vollziehbar erklärt wurden, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt. Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids verfügten und kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG), sowie der ebenfalls kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) sofort vollziehbaren Kostenregelung, Nr. 5 und Nr. 6 des Bescheids, begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers aufgrund der von ihm als Drogenkonsumenten ausgehenden Gefahren im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2012 – 11 CS 11.2272 – juris Rn. 13).
2. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem von der Behörde geltend gemachten bzw. dem gesetzgeberischen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist aufgrund des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also des Bescheidserlasses durch die Antragsgegnerin. Nach summarischer Prüfung erweisen sich die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Entscheidungen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Ablieferungsverpflichtung des Führerscheins zu diesem Zeitpunkt als rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch gegen die Zwangsmittelandrohung und die Kostenentscheidung bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
2.1. Der streitgegenständliche Bescheid ist dabei voraussichtlich formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere ist es unschädlich, dass der Bescheid durch die Antragsgegnerin und nicht durch den Freistaat Bayern, handeln durch das Landratsamt Rosenheim, in dessen räumlichen Bereich der Antragsteller bei Bescheidserlass seinen Wohnsitz hatte, erlassen wurde.
2.1.1. Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin wurde dabei allerdings nicht durch bloße Zustimmung des Landratsamts begründet, da dies gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV nur in Antragsverfahren möglich ist. Die (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis stellt auch keine vorläufige Entscheidung zur Abwehr einer Gefahr im Verzug nach § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV dar.
Eine Zuständigkeit folgt vorliegend aber voraussichtlich aus Art. 3 Abs. 3 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), der die Fortführung des Verfahrens durch die Ausgangsbehörde ermöglicht, wenn nach Beginn, aber vor Abschluss des Verfahrens ein Zuständigkeitswechsel eintritt (sog. perpetuatio fori). Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG wird dabei aufgrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche und -zwecke nicht durch § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV verdrängt, sodass beide Bestimmungen nebeneinander anwendbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2007 – 11 CS 06.2029 – juris Rn. 20). Wenn sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern (hier durch Wohnsitzwechsel des Antragstellers), kann gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.
Vorliegend spricht vieles dafür, dass eine Entscheidung durch die bisherige Wohnsitzbehörde angesichts des weit fortgeschrittenen Verfahrensstadiums im Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels zweckdienlich war und den Antragsteller schon angesichts der Tatsache, dass das Landratsamt im Gebiet der Antragsgegnerin belegen und damit beide Behörden am gleichen Ort sind, nicht unzumutbar in seinen Rechten einschränkt.
2.1.2. Im Übrigen wäre es aber letztlich sogar unbeachtlich, wenn die Antragsgegnerin nicht örtlich zuständig gewesen wäre. Nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Eine etwaig fehlende örtliche Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde führt (niemals) zu einer Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG (vgl. Koehl in BeckOK Straßenverkehrsrecht, Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, 12. Ed. Stand: 15.7.2021 § 73 Rn. 13), sondern stellt einen Fall des Art. 44 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG dar. Des Weiteren liegt keine Beeinflussung der Entscheidung mangels örtlicher Zuständigkeit vor, wenn die Entscheidung auf Grund rechtlicher Alternativlosigkeit strikt gebunden ist. Dies ist hier der Fall, weil es sich bei der in Rede stehenden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung handelt (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 26.07 – juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 23.2.2016 – 16 B 45/16 – juris Rn. 6 ff.; VG Köln, B.v. 18.8.2021 – 6 L 1039/21 – juris Rn. 10).
2.2. Der Bescheid ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
2.2.1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis) fehlt eine Fahreignung grundsätzlich (vgl. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV). Dabei genügt im Regelfall bereits der Nachweis des einmaligen Konsums eines im BtMG aufgeführten Rauschmittels. Ob es in der Folge zu weiterem Drogenkonsum gekommen oder ob der Fahrerlaubnisinhaber tatsächlich im berauschten Zustand am Straßenverkehr teilgenommen hat, ist unerheblich (vgl. m.w.N. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 16).
Der Fahrerlaubnisbehörde obliegt es nach § 2 Abs. 7 StVG, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen und ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Beweismittel holt sie gemäß Art. 26 Abs. 1 BayVwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen ein. Gemäß Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken, insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben.
2.2.2. Die Antragsgegnerin ging vor diesem Hintergrund zurecht davon aus, dass der Antragsteller aufgrund seines Kokainkonsums im Mai 2021 fahrungeeignet nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist.
Dass er zu diesem Zeitpunkt Kokain konsumiert hat, ergibt sich aus dem Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung der nach der polizeilichen Kontrolle vom 24. Mai 2021 entnommenen Blutprobe des Antragstellers, die Kokainabbauprodukte aufwies und eine Kokainaufnahme einige Zeit zuvor klar bejahte. Bedenken gegen die methodische Zuverlässigkeit dieses Gutachtens wurden nicht vorgebracht und sind für das Gericht vor dem Hintergrund, dass eine chromatographische Untersuchung der Blutprobe in einem akkreditieren forensischen Labor ein zeitgemäßes Analyseverfahren ist, auch sonst nicht ersichtlich.
Das Ergebnis dieser Blutuntersuchung und die von der Antragsgegnerin auf dieser Grundlage getroffene Bewertung werden auch durch die weitere Einlassung des Antragstellers im Laufe des Verfahrens nicht hinreichend widerlegt.
Zwar setzt die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Aufnahme von Kokain stellt jedoch schon nach allgemeiner Lebenserfahrung einen extrem seltenen Ausnahmefall dar (zu einer behaupteten unbemerkten Verabreichung durch Dritte vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für einen derartigen Ausnahmefall, müsste der Antragsteller einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften und möglichst nachweisbaren Sachverhalt vortragen, der einen solchen unwissentlichen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt (BayVGH, B.v. 16.4.2018 – 11 ZB 18.344 – juris Rn. 19). Gerade in Fällen einer unbewussten Zuführung durch Dritte wird ein solcher Ausnahmefall regelmäßig erst dann als beachtlich anzusehen sein, wenn der Betroffene überzeugend aufzeigen konnte, dass ein Dritter einen Beweggrund hatte, ihm ohne sein Wissen Betäubungsmittel zuzuführen, und dass er selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und dessen Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 12; B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807 – juris Rn. 12; B.v. 24.7.2012 – 11 ZB 12.1362 – juris Rn. 11 m.w.N.; ebenso OVG NW, B.v. 22.3.2012 – 16 B 231/12 – juris Rn. 6).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Antragstellers nicht gerecht. Sein bereits im Laufe des behördlichen Verfahrens vorgebrachter Vortrag, er habe Schnupftabak konsumiert, der mit Kokain versetzt gewesen sein könnte, ist pauschal und letztlich als bloße Schutzbehauptung zu werten. Der Antragsteller kann diesen Vorgang weder zeitlich genauer eingrenzen, noch gelingt es ihm darzulegen, warum ihm jemand eine verhältnismäßig hochpreisige Droge wie Kokain ohne Anlass heimlich darreichen sollte und er dabei weder zuvor noch danach etwas davon gemerkt haben will. Gerade für den Erstkonsumenten ist die Rauschwirkung von Kokain auch bei Alkoholisierung spürbar wahrnehmbar (vgl. m.w.N. VG München, U.v. 25.7.2018 – M 6 K 18.1399 – juris Rn. 36).
Auch sein Vortrag, er habe Kokain während des Geschlechtsverkehrs mit einer ihm unbekannten Frau unbewusst aufgenommen, begründet voraussichtlich keinen ernsthaften Zweifel an einem (willentlichen) Kokainkonsum. Geringe Mengen von Kokain bzw. dessen Abbauprodukten lassen sich zwar auch mit einer unbewussten oralen Aufnahme erklären, nicht jedoch mit Geschlechtsverkehr oder Schweißkontakt allein (vgl. m.w.N. VG Lüneburg, B.v. 25.10.2018 – 1 B 44/18 – juris Rn. 22). Der Antragsteller hat aber weder genauere Umstände genannt, die vor diesem Hintergrund auf eine orale Aufnahme von Kokain schließen lassen, noch lässt sich aus seinen Schilderungen mit Gewissheit entnehmen, dass die von ihm genannte Frau überhaupt Kokain konsumiert hat. Dass der schon im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertretene Antragsteller diesen Vortrag erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens anbringt, sein Vorbringen also insoweit steigert, spricht zumindest dagegen, dass ihm derartige Kokaineinnahme prägnant in Erinnerung geblieben ist. Nicht nachvollziehbar ist schließlich, warum er sich zwar im Mai mehrfach mit der genannten Frau treffen konnte, nun aber keine Kontaktdaten von ihr haben will und sie erst recht nicht als Zeugin benennen kann (vgl. insoweit auch BayVGH, B.v. 16.4.2018 – 11 ZB 18.344 – juris Rn. 19).
Das gemeinsam mit dem Eilantrag vorgelegte Drogenscreening seines Urins vom 10. August 2021 ist nicht geeignet, den mit der Blutanalyse gewonnenen Nachweis der Einnahme von Kokain zu widerlegen, da derartige Tests aufgrund der schnellen Abbaubarkeit von Kokain in Urin und Blut allenfalls eine Aussage bezüglich eines wenige Tage zurückliegenden Konsums treffen können (vgl. m.w.N. OVG NRW, B.v. 5.1.2015 – 16 B 1026/14 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 7.12.2009 – 11 CS 09.1996 – juris Rn. 21 f.).
Vorliegend ist zudem weder eine atypische Konstellation ersichtlich, aufgrund derer man vom Regelfall abweichen müsste, noch hat der Antragsteller zwischenzeitlich seine Fahreignung wiedererlangt. Die Frage, ob er zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt haben könnte, kann zwar auch für die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung von Bedeutung sein (dazu BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2561 – juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 25.11.2010 – 10 S 2162/10 – juris Rn. 13). Der Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erfordert aber neben einer medizinisch-psychologischen Begutachtung den lückenlosen Beleg der Betäubungsmittelabstinenz für die Dauer eines Jahres (Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV). Dieser konnte unter Zugrundelegung einer gesicherten Kokaineinnahme nur drei Monate vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids schon in zeitlicher Hinsicht nicht erbracht werden.
2.3. Bei mangelnden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist für eine Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers im Regelfall kein Raum. Außerdem gebieten das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung und damit verbundene Nachteile in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit und seine private Lebensführung hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass von seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine erhöhte Gefahr ausgeht. Dies ist beim Antragsteller aus den schon im Rahmen der Prüfung der Sofortvollzugsanordnung genannten Gründen der Fall.
2.3. Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den (etwaig vorhandenen) Führerschein abzuliefern. Diese Verpflichtung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.
2.4. Die nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzte Gebühr von 150,- EUR, die nach § 2 dieser Verordnung festgesetzten Auslagen von 4,11,- EUR sowie die auf Art. 29 ff. VwZVG gestützte Androhung eines Zwangsgelds von 500,- EUR begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen wurden auch nicht erhoben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris Rn. 7).


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