Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum

Aktenzeichen  11 CS 20.1133

Datum:
11.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32700
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 108 Abs. 1 S. 1
StVG  § 2 Abs. 12 S. 1, § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
FeV Nr. 9.1 Anl. 4
StPO § 94 Abs. 2, § 98, § 477 Abs. 1, § 481 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sog. harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat(stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 11 ZB 20.52, BeckRS 2020, 16897; B.v. 20.3.2020 – 11 ZB 20.1, BeckRS 2020, 454).(Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Aussageverhalten des Antragstellers im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren lässt entgegen der im Fahrerlaubnisverfahren bestehenden Mitwirkungspflichten (vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG, § 11 Abs. 8 FeV) auf einen fehlenden Willen zu einer ihm möglichen und zumutbaren Mitwirkung schließen. Hieraus können im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) negative Schlüsse gezogen werden(vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2019 – 11 CS 19.1565, BeckRS 2019, 30468; B.v. 13.5.2013 – 11 ZB 13.523, BeckRS 2013, 51418 jeweils m.w.N.). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG ist die Polizei verpflichtet, den Fahrerlaubnisbehörden ihr bekannt gewordene Informationen über Tatsachen, hier Anzeichen für den Drogenkonsum, zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen. Diese Mitteilung verletzt nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. auch BVerwG, U.v. 15.4.1988 – 7 C 100.86, BeckRS 9998, 37800). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 S 20.193 2020-04-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Ende September 2019 ging bei der Antragsgegnerin ein polizeilicher Schlussbericht vom 17. September 2019 ein, wonach dem Antragsteller der Erwerb von Dimethyltriptamin (DMT) und der Besitz von Psilocybin, LSD, MDMA und Marihuana zur Last gelegt wurde. Er solle im Frühjahr 2019 an einem sog. „Raise-your-light-Seminar“ teilgenommen haben. Im Rahmen des Seminars sei allen Teilnehmern insgesamt viermal das Getränk „Ayahuasca“ mit dem Wirkstoff DMT für eine „Reise-zu-sich-selbst“ verabreicht worden. Für das Seminar hätten die Teilnehmer jeweils 200,- EUR gezahlt. Auf dem Teilnahmeformular vom 12. April 2019 habe der Antragsteller gegen Unterschrift bestätigt, sporadisch „Psylocibin, LSD, MDMA, Marihuana“ konsumiert zu haben. Eine Wohnungsdurchsuchung am 12. September 2019 sei negativ verlaufen.
Nach Anhörung entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. Januar 2020 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Am 15. Januar 2020 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen, über den nach Aktenlage bisher noch nicht entschieden wurde, und beim Verwaltungsgericht München die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragen.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 15. April 2020 mit der Begründung ab, bereits der einmalige Betäubungsmittelkonsum (ausgenommen Cannabis) führe zum Wegfall der Fahreignung. Aufgrund der unterschriftlich bestätigten Angaben des Antragstellers in dem Teilnahmeformular stehe mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass er zu diesem Zeitpunkt „sporadisch“, d.h. gelegentlich die Betäubungsmittel Psilocybin, LSD, MDMA und Marihuana konsumiert habe. Außerdem sei ihm im Rahmen des Seminars das Getränk „Ayahuasca“ mit dem Wirkstoff DMT verabreicht worden. Zwar habe er bestritten, Drogenkonsument zu sein, habe dies jedoch nicht genügend substantiiert. Denn es fehle eine plausible Erklärung, warum er die Angaben in dem Teilnahmeformular wahrheitswidrig gemacht haben sollte. Er habe zwar vage in den Raum stellen lassen, dass er sich aus wissenschaftlichem Interesse eine Teilnahme an einem „Selbstfindungsseminar“ mit integrierter Drogenerfahrung habe erschleichen wollen. Dies sei jedoch zuletzt deshalb nicht plausibel, weil die vorgelegten Unterlagen zu seiner Promotion, soweit sie ein Datum trügen, aus dem Jahr 2010 stammten. Darüber hinaus wäre ein wissenschaftliches Interesse an Drogen und Drogenkonsum kein Rechtfertigungsgrund für einen Eigenkonsum im Rahmen eines solchen Seminars. Der Antragsteller habe die Fahreignung auch nicht wiedererlangt, da er keine Abstinenz von einem Jahr und keinen motivational gefestigten Verhaltens und Einstellungswandel nachgewiesen habe. Nachdem er den Drogenkonsum unsubstantiiert bestritten habe, brauche auch nicht näher geklärt zu werden, für welchen Zeitpunkt der letzte Drogenkonsum genau anzusetzen wäre.
Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, es liege keinerlei Beweis dafür vor, dass er überhaupt Drogen konsumiert habe. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liege bei der Antragsgegnerin. Weder beim Antragsteller noch bei seiner Lebensgefährtin hätten sich während einer Hausdurchsuchung Drogen oder Anzeichen auf einen Drogenkonsum gefunden. Es liege kein positiver Drogentest oder eine diesbezügliche Zeugenaussage vor, was den von der Antragsgegnerin behaupteten Konsum in erheblicher Weise entkräfte. Auch im Umfeld des Antragstellers existiere kein Beweis für einen Konsum. Zwar zählten die eigenen Angaben des Betroffenen bzw. dritter Personen zu den Tatsachen im Rechtssinn. Jedoch müssten sie mit der notwendigen Sicherheit, vorliegend beweiserheblich und unzweifelhaft feststehen. Die Antragsgegnerin oder die Ermittlungsbehörde hätte den Sachverhalt zumindest weiter aufklären müssen. Sie hätte vor Entziehung der Fahrerlaubnis unproblematisch einen Haartest anordnen können. Dies werde der Antragsteller in den nächsten Tagen freiwillig machen. Der Test werde bei der jetzigen Haarlänge ca. sechs Monate rückwirkende Aufschlüsse geben. Auch wenn das Verwaltungsgericht das Erschleichen des Zugangs zu dem Seminar nicht für plausibel halte, da einzelne Promotionsunterlagen bereits aus dem Jahr 2010 stammten, so hätte es im Rahmen der Amtsermittlung weitere Informationen einholen müssen, um den Sachverhalt ausreichend zu ermitteln. Der Antragsteller habe im Jahr 2018 seine berufliche Anstellung verloren und daraufhin seine Promotion wiederaufgenommen. Eine Selbstständigkeit ab Juni 2019 habe dazu geführt, dass er die Promotion aus zeitlichen Gründen erneut vernachlässigt habe und sie momentan nicht mehr priorisiert weiterführen könne. Mit dem Vortrag, dass das Formular inhaltlich absichtlich falsch ausgefüllt worden sei, um an einer solchen Veranstaltung, ohne aufzufallen, teilnehmen zu können, und dass ein besonderes Interesse an der Beobachtung der Personen und der Ermittlung in der Szene bestehe, habe sich das Gericht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Gewerbliche Anbieter solcher Seminare würden unzweifelhaft ein hohes Maß an die Prüfung der Teilnehmer ansetzen und „Drogenanfänger“ sicherlich nicht zulassen. Der Antragsteller habe ein nicht zu widerlegendes wissenschaftliches Interesse. Er sei kein Drogenkonsument, sondern Wissenschaftler und Suchtpräventionspädagoge. Er sei akademisch ausgebildeter Ethnopharmakologe mit Magisterabschluss, zertifizierter Pädagoge in der Suchtprävention und Ausbilder für Pädagogen in der Suchtprävention. Er könne u.a. eine pädagogische Weiterbildung im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildungsbereich vorweisen und sei viele Jahre seiner beruflichen Laufbahn pädagogisch tätig gewesen. Die Antragsgegnerin habe ihn hierbei sogar für besonderes ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. Der Antragsteller müsse nicht vor Behörden die gesamten Umstände seiner höchstpersönlichen Lebensgestaltung darlegen und den an Indizien herbeigeführten Verdacht ausräumen, für welchen die Behörde obendrein noch selbst die Darlegungs- und Beweislast treffe. Die Behörde habe den Sachverhalt aufzuklären und verbleibende Ungenauigkeiten auszuräumen. Es blieben diverse Fallkonstellationen denkbar, die der Antragsteller nicht weiter zu konkretisieren und darzulegen habe. Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht hätten sich allein aufgrund eines Stück Papiers, dessen Authentizität und inhaltliche Korrektheit bestritten würden, ein Bild über den Antragsteller gemacht, ohne sonstige Beweise zu würdigen oder sich selbst ein Bild zu machen. Auch habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Einwand der unzulässigen Verwertung auseinandergesetzt. Das mutmaßliche Teilnahmeformular stamme aus dem Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung. Die Beschaffung und Verwertung sei unter schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen erfolgt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden seien. Der Antragsteller sei stets pädagogisch und für das Allgemeinwohl engagiert und sei seit über zehn Jahren beruflich in der Umwelt/Bildung für nachhaltige Entwicklung tätig. Er sei gesellschaftspolitisch engagiert und für sein bürgerschaftliches Engagement ausgezeichnet worden. Er habe eine zweijährige pädagogische Ausbildung zum Thema Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung absolviert. Sein Führungszeugnis weise keine Eintragungen auf. Er habe eine zehnjährige Ausbildung im sportlichen Bereich absolviert und gebe seit vielen Jahren Unterricht in Kung-Fu und Qi Gong. Mit anwaltlichen Schreiben von 8. Juni 2020 legte der Antragsteller eine negative Haarprobe vom 4. Juni 2020 vor, wonach bei einer untersuchten Haarlänge von 6 cm eine Drogenabstinenz von sechs Monaten bestätigt werden können. Auf den Schriftsatz vom 17. Juli 2020 wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2020 (BGBl I S. 1528), in Kraft getreten zum 1. Oktober 2020, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), in Kraft getreten zum 1. Juni 2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 11; B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn 16 jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, jeweils a.a.O. m.w.N.).
Aufgrund der Angaben des Antragstellers auf dem Teilnahmeformular steht jedenfalls mit hinreichender Sicherheit fest, dass er gelegentlich Psilocybin, LSD und MDMA, alles nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I, konsumiert hat. Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob er – was er bestreitet – auch Ayahuasca mit dem Wirkstoff DMT, das ebenfalls in Anlage I zum BtMG gelistet ist, zu sich genommen hat.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass der Antragsteller das Teilnahmeformular für das „Ayahuasca Retreat“ ausgefüllt hat. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die handschriftlich eingetragenen persönlichen Daten seinen Angaben gegenüber der Polizei entsprechen und die Unterschrift seiner Unterschrift auf dem polizeilichen Durchsuchungsprotokoll vom 12. September 2019 und der Prozessvollmacht vom 21. November 2019 gleicht. Auch wenn er dies gleichzeitig bestreiten lässt, leugnet letztlich auch der Antragsteller nicht, dass das Formular von ihm herrührt. Denn im Beschwerdeverfahren lässt er – im Gegensatz zum Eilverfahren, wo er dies lediglich als nicht feststehend bezeichnet – vortragen, das Formular absichtlich falsch ausgefüllt zu haben, um an dem Seminar teilnehmen zu können, ohne aufzufallen. Dies überzeugt allerdings nicht. Auch wenn in dem Formular nach Drogenvorerfahrungen gefragt wurde, spricht dies nicht dafür, dass die Veranstalter zahlende „Drogenanfänger“ von der Teilnahme an dem Seminar ausschließen wollten. Die zu unterschreibenden Selbsterklärungen auf dem Formular dienten ersichtlich dem Ausschluss von Gesundheitsgefahren für die Teilnehmer. In diesem Rahmen wollten die Veranstalter u.a. Vorerkrankungen und sonstige psychische Gefährdungen in Erfahrung zu bringen und sie legten Wert darauf, dass die Teilnehmer 48 Stunden vor Seminarbeginn keine Drogen mehr konsumieren würden. Das Seminar war auf die „innere Entwicklung und Aktivierung der Selbstheilungskräfte“ und nicht primär auf neue Drogenerfahrungen ausgerichtet. Um ein wissenschaftliches Interesse ungestört verfolgen zu können, Personen beobachten und in der Szene unauffällig ermitteln zu können, hätte es genügt, dieses Interesse zu verschweigen, sich unauffällig zu verhalten und ein unverfängliches Motiv anzugeben, was der Antragsteller auch getan hat („innerer Fokus, Klarheit“). Es ist nicht nachvollziehbar, in welcher Weise die Vorspiegelung von Drogenvorerfahrungen, zu denen ein „Drogenanfänger“ bei eventuellen Nachfragen nichts Erlebtes hätte berichten können, der Verschleierung eines wissenschaftlichen Interesses hätte dienen können.
Da nichts gegen die Glaubhaftigkeit der in dem Teilnahmeformular aus freien Stücken gemachten Angaben spricht und der Antragsteller keine konkreten glaubhaften Angaben zu der Teilnahme an dem „Ayahuasca Retreat“ und seinem Drogenkonsum gemacht hat, muss er sich an seinen schriftlichen Erklärungen festhalten lassen. Gegen einen sporadischen, d.h. gelegentlichen Drogenkonsum spricht insbesondere nicht die negativ verlaufene Wohnungsdurchsuchung, da diese Konsumform keine Bevorratung voraussetzt. Dasselbe gilt für das wissenschaftliche Interesse des Antragstellers. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein wissenschaftliches Interesse an Betäubungsmitteln, der Ethnopharmakologie oder der Suchtprävention oder wonach ein bestimmter akademischer Bildungsgrad oder ehrenamtliches gesellschaftliches Engagement gegen einen „Selbstversuch“ oder den Eigenkonsum sprechen würden. Der Senat teilt die Ansicht der Antragsgegnerin, dass das Aussageverhalten des Antragstellers im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren entgegen der im Fahrerlaubnisverfahren bestehenden Mitwirkungspflichten (vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG, § 11 Abs. 8 FeV) auf einen fehlenden Willen zu einer ihm möglichen und zumutbaren Mitwirkung schließen lässt und dass hieraus im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) negative Schlüsse gezogen werden können (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2019 – 11 CS 19.1565 – juris Rn. 24; B.v. 13.5.2013 – 11 ZB 13.523 – NJW 2014, 407 = juris Rn. 23 jeweils m.w.N.). Die Mitwirkungsverpflichtung schließt auch Angaben zum Drogenkonsum ein (BayVGH, B.v. 13.5.2013 a.a.O. m.w.N.). Zu Recht führt die Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller unter Verweis auf die Darlegungs- und Beweislast der Behörde konkrete Angaben zu der Seminarteilnahme und seinem Drogenkonsum vermieden und ansonsten lediglich Fragen zu mehreren denkbaren Sachverhaltsgestaltungen aufgeworfen hat, ohne hierzu konkrete Anhaltspunkte anzuführen, bzw. ermittelte Sachverhalte in Zweifel gezogen hat. Entgegen der Darstellung im Beschwerdeverfahren hat er den Konsum der in dem Anmeldeformular angegebenen Betäubungsmittel nicht von Anfang an bestritten, sondern im Eilantrag vom 15. Januar 2020 dazu ausgeführt, es stehe nicht fest, „dass dieses inhaltlich richtig ist und nicht nur falsche Angaben gemacht wurden“, und in der Beschwerdebegründung darauf abgehoben, dass keinerlei Beweise für den Drogenkonsum vorlägen. Dies hat mit einem substantiierten Bestreiten, d.h. der Angabe nachvollziehbarer und nachprüfbarer Einzelheiten zum Drogenkonsum oder dazu, wie es zu den gegensätzlichen Angaben gekommen ist, nichts zu tun. Vielmehr lässt dieses Verhalten den Schluss zu, dass der Antragsteller die Wahrheit nicht mitteilen möchte. Gerade dann, wenn ein Beteiligter sich – wie hier – nicht klar und eindeutig zu Gegebenheiten äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er deshalb besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht dies zu seinen Lasten berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2006 – 11 CS 05.2853 – juris Rn. 31 m.w.N.).
Auch die Kritik des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe auf seine schriftlichen Angaben in dem Anmeldeformular abgestellt, anstatt den Sachverhalt aufzuklären, ist unberechtigt. Solange es keine konkreten Anhaltspunkte für die inhaltliche Unrichtigkeit der Angaben in dem Anmeldeformular gab, durfte sie vom Normalfall, nämlich davon ausgehen, dass es sich um wahrheitsgemäße Angaben handelt. Vor diesem Hintergrund war sie nicht verpflichtet, den Antragsteller zu einer für ihn kostenpflichtigen Haarprobe aufzufordern, zumal deren Aussagekraft ungefähr sechs Monate nach dem Seminar sehr gering gewesen wäre. Die vom Antragsteller vorgelegte negative Haarprobe vom 4. Juni 2020, die eine Aussage über die zurückliegenden sechs Monate trifft, ist daher erst recht nicht dazu geeignet, seine Angaben aus dem Teilnahmeformular zu widerlegen.
Soweit der Antragsteller sich gegen die Verwertung des von der Polizei im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei den Seminarveranstaltern aufgefundenen Teilnahmeformulars wendet, sind seinem Vorbringen lediglich unbestimmte pauschale Vorwürfe zu entnehmen, die den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügen. Die behaupteten Verfahrensverstöße, unter denen das Teilnahmeformular erlangt worden sein soll, werden nicht ansatzweise angegeben. Aus den Akten ergeben sich indes keine Gründe, die zu einem Verwertungsverbot führen könnten. Nach § 477 Abs. 1 StPO dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren von Amts wegen (verfahrensübergreifend) den Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind. Nach § 481 Abs. 1 Satz 1 StPO dürfen die Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Daten aus Strafverfahren verwenden, also den Zweck personenbezogener Daten zur Gefahrenabwehr im engeren Sinne, d.h. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, zur Erfüllung von durch andere Rechtsvorschriften übertragene Aufgaben oder zur Vollzugshilfe ändern (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 481 Rn. 2). Zu den dort genannten Zwecken dürfen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte an Polizeibehörden auch personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermitteln oder Akteneinsicht gewähren (§ 481 Abs. 1 Satz 2 StPO). Gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG ist die Polizei verpflichtet, den Fahrerlaubnisbehörden ihr bekannt gewordene Informationen über Tatsachen, hier Anzeichen für den Drogenkonsum, zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen. Diese Mitteilung verletzt nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerwG, U.v. 15.4.1988 – 7 C 100.86 – NJW 1988, 1863 = juris Rn. 11). Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Teilnahmeformular bei den Seminarveranstaltern unter Verstoß gegen die Strafprozessordnung erlangt wurde. Es handelt sich um einen Gegenstand im Sinne von § 94 StPO, der als Beweismittel von Bedeutung sein konnte und deshalb nach §§ 94 ff. StPO sichergestellt oder nach § 94 Abs. 2, § 98 StPO beschlagnahmt werden durfte. Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO sind nicht erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass es sich bei den Angaben auf dem Teilnahmeformular, das der Antragsteller zur Verwendung Dritter ausgefüllt hat, um Informationen aus dem absolut geschützten unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt, in den ein Eingriff nicht zulässig ist. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht einmal für Tagebuchaufzeichnungen angenommen, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten strafbaren Handlungen aufweisen (BVerfG, B.v. 14.9.1989 – 2 BvR 1062/87 – BVerfGE 80, 367 = juris Rn. 20). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung stellt ein Beweisverwertungsverbot eine begründungsbedürftige Ausnahme dar (Schmitt a.a.O., Einl. Rn. 55 m.w.N.). Die im Schriftsatz vom 15. Januar 2020 aufgestellte Behauptung, der Inhalt des Formulars „wäre im höchstpersönlichen Lebensbereich erstellt worden und ist damit mangels Anfangsverdacht, Belehrung, sonstiger Legitimation zur Informationsbeschaffung offensichtlich strafrechtlich überhaupt nicht verwertbar und einer verwaltungsrechtlichen Verwertung auch nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Grundrechtseingriffe ebenfalls nicht zugänglich“, ist nicht nachvollziehbar.
Soweit der Antragsteller vermutet, die Antragsgegnerin habe nur ihm die Fahrerlaubnis entzogen und dadurch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Es werden keine Bezugsfälle genannt, so dass schon unklar bleibt, ob es sich überhaupt um Fälle aus dem Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin handelt. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Anspruch auf Gleichbehandlung besteht jedoch nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger, hier der Antragsgegnerin, der in seinem Zuständigkeitsbereich die Gleichbehandlung zu sichern hat (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 28 m.w.N.). Zudem vermittelt der Gleichbehandlungsanspruch nach ständiger Rechtsprechung ohnehin keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 11 ZB 18.461 – juris Rn. 23 m.w.N.). Bei fehlender Fahreignung ist die Fahrerlaubnisbehörde von Gesetzes wegen zur Entziehung der Fahrerlaubnis verpflichtet, was ihr keinen Raum für eine andere Entscheidung lässt.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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