Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums (Amphetamin und Cannabis)

Aktenzeichen  Au 7 K 19.1386

Datum:
2.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31126
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
FeV Anl. 4 Nr. 9.1

 

Leitsatz

1. Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin, entfällt die Fahreignung unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH BeckRS 2019, 15142 Rn. 12 mwN). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 6040 Rn. 11 mwN). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei den in Anlage 4 zur FeV aufgeführten Regelfällen handelt es sich um verbindliche Wertungen, von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann, nämlich wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Es obliegt jedoch dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 13762 Rn. 13 mwN, BeckRS 2014, 52916 Rn. 8 f., BeckRS 2012, 57079 Rn. 7 f.). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) konnte die Entscheidung mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.
I.
Die Anfechtungsklage ist nach Auslegung des klägerischen Begehrens gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Der uneingeschränkt formulierte Klageantrag soll sich hiernach gleichwohl nicht gegen die Androhung des Zwangsgeldes richten. Da der Kläger den Führerschein laut Akte bereits am 28. August 2019 bei der Fahrerlaubnisbehörde abgeliefert hat, würde es sich hierbei um einen unzulässigen Antrag handeln. Das angedrohte Zwangsgeld kann aufgrund der Ablieferung nicht mehr fällig werden. Die Zwangsgeldandrohung hat sich damit erledigt. Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit bestünde damit nicht (vgl. VG München, B.v. 4.12.2015 – M 1 S 15.4366 – Rn. 18, juris). Durch die Ablieferung des Führerscheins nicht erledigt hat sich hingegen die Verpflichtung zur Abgabe desselben in Nr. 2 des Bescheids, denn diese stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).
II.
Die so ausgelegte, zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid vom 22. August 2019 rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen nicht und wurden auch nicht vorgetragen.
2. Die in Nr. 1 des Bescheids getroffene Entziehungsentscheidung ist auch materiell rechtmäßig, denn die Fahrerlaubnisbehörde ging beim Erlass des Bescheids zu Recht von der fehlenden Fahreignung beim Kläger aus.
Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist nach ständiger Rechtsprechung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249 = juris, Rn. 9, und B.v. 22.1. 2001 – 3 B 144.00 – juris, Rn. 2). Da ein Widerspruchsverfahren hier nicht durchgeführt wurde, ist dies der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids vom 22. August 2019, d.h. der Tag der Bekanntgabe am 27. August 2019.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 27.6.2019 – 11 CS 19.961 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Dass der Kläger Amphetamin konsumiert und – ohne dass es fahrerlaubnisrechtlich darauf ankäme – unter der Wirkung dieser Substanz am 15. Mai 2019 ein Kraftfahrzeug geführt hat, steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen (vgl. Mitteilung wegen eines Betäubungsmitteldelikts, Bl. 1 der Behördenakte, und Polizeilicher Bericht – Drogen im Straßenverkehr, Bl. 17 bis 18 der Behördenakte) und des eingeholten toxikologischen Gutachtens vom 3. Juni 2019 (Bl. 11 bis 13 der Behördenakte) fest. Auch der Kläger bestreitet den durch das Gutachten nachgewiesenen Konsum in seiner Klagebegründung letztlich nicht. Entgegen seiner Ansicht ist es schlicht irrelevant, dass er keine Fahrauffälligkeiten gezeigt hat, sondern im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden ist, da eine Drogenfahrt bei sog. harten Drogen für den Entfall der Fahreignung zum einen schon gar nicht maßgeblich ist und zum anderen allenfalls aufzeigen mag, dass der Kläger selbst unter Einfluss von harten Drogen vom Gebrauch eines Kraftfahrzeugs nicht zurückschreckt. Auch der klägerische Einwand, dass keine rechtskräftige Verurteilung wegen eines entsprechenden Straßenverkehrsdelikts vorliege, geht fehl, da es vorliegend nicht um eine Bestrafung, sondern einzig um die Beurteilung der Fahreignung des Klägers geht, wofür eine strafgerichtliche Verurteilung basierend auf einem Gutachten keinen größeren Erkenntnisgewinn als das bereits vorliegende Gutachten bedeuten würde.
Auch der Einwand, dass die Einnahme von Medikamenten gegen Allergien, die der Kläger ausweislich des polizeilichen Berichts vom 15. Mai 2019 noch gegenüber den Polizeibeamten angegeben habe (vgl. Bl. 18 der Behördenakte), nicht in die Betrachtung miteingeflossen sei, obwohl diese erfahrungsgemäß, jedoch auch typenabhängig zu Nebenwirkungen und damit verbundenen körperlichen Erscheinungsformen führen könne, ist irrelevant, da er unsubstantiiert im Hinblick auf die gemessenen Werte der Blutprobe ist. Die gemessenen Ergebnisse von MDMA, THC sowie THC-COOH stehen ausweislich des toxikologischen Gutachtens vom 3. Juni 2019 fest und es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass sie durch eine Einnahme von Medikamenten gegen Allergie bedingt sind.
b) Fehl geht auch der Einwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass sich der Beklagte nicht auf allgemeine Einschätzungen zum Verkehrsgefährdungspotenzial bei Einnahme von Amphetamin berufen könne. Bei den in Anlage 4 zur FeV aufgeführten Regelfällen handelt es sich um verbindliche Wertungen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn 19), von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann, nämlich wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Gemäß Satz 1 der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV gelten die dort vorgenommenen Bewertungen für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich nach Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV. Der Kläger kann indes für sich keinen solchen Ausnahmefall im Sinne des Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV reklamieren. Der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt, dass sie an besondere Umstände anknüpft, die ihren Ursprung in der Person des Betroffenen selbst haben und bewirken, dass er aufgrund seiner besonderen Steuerungs- oder Kompensationsfähigkeit, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen trotz Drogenkonsums ausnahmsweise fahrgeeignet ist. Es obliegt jedoch insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 13 m.w.N., B.v. 10.6.2014 – 11 CS 14.347 – juris Rn. 9; B.v. 7.8.2012 – 11 ZB 12.1404 – DAR 2012, 660 = juris Rn. 8).
Solche besonderen Umstände hat die Klägerseite in ihrer Klagebegründung weder schlüssig vorgebracht, geschweige denn bewiesen, noch sind sie sonst ersichtlich. Für eine Kompensation drogenbedingter Einschränkungen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Kläger durch den – nachgewiesenen – Konsum ohne weiteres seine Fahreignung verloren.
Beim Kläger wurden drogentypische Ausfallerscheinungen laut Polizeilichem Bericht (Bl. 17 der Behördenakte) festgestellt, z.B. verlangsamte Pupillenreaktion, schwankend und zitternd. Dass sich dies im Zeitpunkt der späteren ärztlichen Untersuchung bereits anders dargestellt haben mag, steht dem nicht entgegen. Dass im Zeitpunkt der Drogenfahrt eine akute Wirkung der Drogen vorgelegen hat, zeigt zudem die im Blut des Klägers nachgewiesene Betäubungsmittelkonzentration – 172,5 ng/ml MDMA -, die eine erhebliche Überschreitung des analytischen Grenzwertes von 25 ng/ml darstellt. Die Annahme, dass der Kläger aufgrund des unstreitigen Konsums von Amphetamin (sowie zusätzlich Cannabis) nicht mehr über die erforderliche Kraftfahreignung verfügt, wird daher durch die Drogenfahrt noch erhärtet. Des Weiteren deutet die Angabe des Klägers gegenüber den Polizeibeamten (vgl. Protokoll, Bl. 15 der Behördenakte), er habe innerhalb der letzten 24 Stunden 2 „Joints“ geraucht, darauf hin, dass er zudem ein Cannabiskonsument war/ist und daher auch außerhalb des Konsums der harten Droge Amphetamin bereits Drogenerfahrung hat.
Nach allem sind besondere Umstände in der Person des Klägers, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen könnten, nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Bereits der einmalige Konsum einer harten Droge lässt die Fahreignung ganz regelmäßig und so auch beim Kläger entfallen.
c) Das Landratsamt ist nach alledem zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger zumindest einmal eine harte Droge konsumiert hat und ihm daher nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war. Aufgrund der derzeit feststehenden Fahrungeeignetheit sind – bislang zudem nicht erbrachte – Nachweise für eine Drogenabstinenz und für deren Stabilität erst im Rahmen eines Wieder- bzw. Neuerteilungsverfahrens mit medizinisch-psychologischer Untersuchung maßgeblich.
3. Folglich ist auch die auf die Entziehung gestützte Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Nr. 2 des Bescheids nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Da der Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, im Hinblick auf die in § 162 VwGO geregelte Erstattungsfähigkeit der Kosten denknotwendig eine für den Kläger positive Kostenentscheidung voraussetzt, kann ihm unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen von vornherein kein Erfolg beschieden sein.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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