Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Kokainkonsums, Nachweis, Gesamtschau aus positivem Drogenschnelltest und weiteren Umständen, Wiedererlangung der Fahreignung (verneint)

Aktenzeichen  11 CS 21.332

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10966
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
Anlage 4 Nr. 9.1 der

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 6 S 20.2020 2021-01-11 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.
Durch eine Mitteilung des Polizeipräsidiums Freiburg – Verkehrskommissariat Weil am Rhein – wurde dem Landratsamt Main-Spessart bekannt, dass der Antragsteller als Fahrzeugführer am 10. August 2019 bei der Einreise in die Schweiz auffällig wurde. Der Grenzwachtposten Basel Nord stellte 6,35 g Marihuana, 2,27 g Kokain und zwei Ecstasy-Tabletten sicher. Dem schweizerischen Bericht zufolge wirkte der Antragsteller benommen und reagierte ein Drogenvortest des Speichels positiv auf Kokain. Der Antragsteller habe angegeben, vor ein paar Tagen Marihuana geraucht, ansonsten aber keine Betäubungsmittel eingenommen zu haben. Zu dem Kokain und den Ecstasy-Tabletten habe er erklärt, diese seien für „den Samstag (Street Parade)“ bestimmt gewesen; vielleicht hätte er diese konsumiert. Das Verkehrskommissariat Weil am Rhein führte daraufhin einen Urinvortest (Standard) durch, der positiv auf Kokain, THC, Opiate und Amphetamin ausfiel. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen. Dazu ist in dem ärztlichen Bericht vom 10. August 2019 festgehalten, eine funktionsfähige Vene sei nicht gefunden worden; der Antragsteller scheine äußerlich deutlich unter Drogeneinfluss zu stehen. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 24. September 2019 wurde der Antragsteller rechtskräftig wegen versuchter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt.
Das Landratsamt forderte den Antragsteller daraufhin auf, ein ärztliches Gutachten beizubringen. In dem vorgelegten Gutachten der pima-mpu GmbH vom 5. Oktober 2020 heißt es zur Drogenanamnese, der Antragsteller habe nach eigenen Angaben seit 1990/1991 Cannabis konsumiert, seit 1993/1994 Heroin. Zuletzt habe er Cannabis sowie Heroin 1998 eingenommen und in diesem Jahr eine sechsmonatige stationäre Drogentherapie absolviert. Sonstige Drogen habe er nie konsumiert. Einen am 18. September 2014 bei ihm sichergestellten Joint habe er „im Vorgriff auf seinen Geburtstag“ geschenkt bekommen. Die am 10. August 2019 aufgefundenen Drogen habe er einem Bekannten bringen, aber nicht selbst konsumieren wollen. Die positiven Vortests könne er sich nicht erklären. Zu aktuellen Befunden führt das Gutachten aus, in einer Urinprobe vom 17. September 2020 sowie vom 30. September 2020 seien keine Drogen nachweisbar gewesen. Zudem habe der Antragsteller eine Bescheinigung über ein forensisch gesichertes Drogenkontrollprogramm vom 17. Februar 2020 bis zum 7. August 2020 vorgelegt; dort würden negative Urinproben vom 7. Mai 2020, 26. Mai 2020, 7. Juli 2020 und 7. August 2020 bestätigt. Bewertet werden die Befunde dahingehend, bei dem Antragsteller habe sich nach seinen Angaben seit 1990/1991 eine Drogenabhängigkeit entwickelt (Cannabis bis 1998; Heroin von 1993/1994 bis 1998). Befunde, die auf einen aktuellen Drogenkonsum hinweisen, hätten sich bei der körperlichen Untersuchung nicht erheben lassen. Die Fragestellung des Landratsamts beantwortete der Gutachter dahingehend, der Antragsteller habe Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (insbesondere Cannabis und Heroin) eingenommen, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur FeV in Frage stellen. Die Frage, ob Einnahme von Betäubungsmitteln vorliege, sei u.a. mit zwei Urinscreenings geklärt worden.
Mit Bescheid vom 10. November 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller nach Anhörung die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein umgehend, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Der Antragsteller sei wegen des Konsums von Heroin, der mit dem ärztlichen Gutachten vom 5. Oktober 2020 nachgewiesen worden sei, gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Am 11. Dezember 2020 erhob der Antragsteller Klage (W 6 K 20.1993) und stellte zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, den das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 11. Januar 2021 ablehnte. Die Anfechtungsklage bleibe voraussichtlich ohne Erfolg. Die mangelnde Fahreignung des Antragstellers könne entgegen der Auffassung des Landratsamts zwar nicht auf das ärztliche Gutachten vom 5. Oktober 2020 gestützt werden. Dieses sei nicht tragfähig, da es lediglich die Angaben des Antragstellers zur Vergangenheit bis 1998 berücksichtige und sodann den aktuellen Drogenkonsum anhand des Ergebnisses zweier Urinscreenings beleuchte, sich jedoch nicht näher mit dem Zeitraum zwischen 1998 und der Begutachtung befasse bzw. die Angaben dazu nicht hinterfrage. Auf den Konsum von Heroin habe das Landratsamt sich angesichts des Zeitablaufs seit 1998, die Drogentherapie in jenem Jahr und eine Wiedererlangung der Fahreignung im Jahr 2004 aber nicht stützen dürfen, ohne ein Abweichen vom Regelfall gemäß der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV bzw. eine Wiedererlangung der Fahreignung gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV zu prüfen. Bei einer Würdigung der Gesamtumstände sei das Gericht jedoch davon überzeugt, dass der Antragsteller im zeitlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten Ausreise in die Schweiz am 10. August 2019 Kokain eingenommen habe, was – im Wege eines Austauschs der Begründung – zu berücksichtigen sei. Ein Drogenvortest biete zwar keine vollkommene Sicherheit für die Einnahme eines Betäubungsmittels und diene regelmäßig nur als Entscheidungshilfe zur Anordnung einer Blutprobe. Hier seien jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten Proben vom Speichel und Urin positiv auf Kokain getestet worden, was die Einnahme dieser Substanz bereits hinreichend sicher belege. Zudem sprächen der Besitz von Kokain, die beschriebenen drogentypischen Auffälligkeiten, die Drogenvorgeschichte und der aus den Angaben des Antragstellers ersichtliche Kontakt zum Drogenmilieu für einen Kokainkonsum. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller seine Fahreignung wiedergewonnen habe, bestünden nicht. Es fehle der Nachweis einer einjährigen Abstinenz, aber auch an einem medizinisch-psychologischen Gutachten zum Beleg eines stabilen Einstellungswandels. Im Übrigen falle aber auch eine von den Erfolgsaussichten der Klage losgelöste reine Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, der Austausch der Begründung durch das Verwaltungsgericht verletze ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör, sei aber auch inhaltlich nicht gerechtfertigt. Zu einem positiven Drogenvortest könne es auch durch Hautkontakt mit Kokain kommen und die beschriebene Benommenheit des Antragstellers bei der Kontrolle könne auch auf anderen Gründen beruhen, etwa der Uhrzeit von 01:45 Uhr nachts. Das Amtsgericht Lörrach sei gerade nicht von einer Trunkenheitsfahrt ausgegangen. Im Übrigen habe der Antragsteller nach dem Ergebnis des absolvierten Urinkontrollprogramms seine Fahreignung mittlerweile wiedergewonnen. Die erforderliche Abstinenzzeit beginne hier mit dem 17. Februar 2020 und sei seit dem 17. Februar 2021 erfüllt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.
1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 11). Abzustellen ist hier daher auf den Erlass des Bescheids vom 10. November 2020.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2020 (BGBl I S. 1528), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das zum Teil zum 1. Juni 2020 in Kraft getretene Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Kokain (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 = juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11 f.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig die Einnahme harter Drogen nachgewiesen worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.).
2. Gemessen daran begegnet die Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen war, weil er harte Drogen eingenommen hat.
a) Insoweit hat es sich zu Recht nicht auf den in dem ärztlichen Gutachten vom 5. Oktober 2020 genannten Konsum von Heroin bis in das Jahr 1998 hinein gestützt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081 = juris Rn. 22 ff.) und des Senats (BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 14) darf nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden. Dass der genannte Heroinkonsum zu einer Eintragung im Verkehrs- bzw. Fahreignungsregister oder zu einer Eintragung im Bundeszentralregister geführt hat, ist anhand der vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Somit ist entscheidend, ob sich daraus – unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums und der seither vergangenen Zeit – noch ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme feststehender Fahrungeeignetheit ergeben (vgl. BayVGH a.a.O.). Dies ist hier insbesondere mit Blick auf die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2004, der nach Auskunft des Antragstellers eine stationäre Drogentherapie vorausging, nicht der Fall.
b) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller in den Tagen vor der Einreise in die Schweiz am 10. August 2019 Kokain eingenommen hat und dies im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist. Ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, richtet sich – vorausgesetzt, dass höherrangiges oder spezielleres Recht nichts Abweichendes vorgibt – nach dem Recht, das geeignet ist, seinen Spruch zu rechtfertigen. Erweist sich der Spruch eines angefochtenen Verwaltungsaktes aus anderen Rechtsgründen, als sie die Verwaltungsbehörde angegeben hat, als rechtmäßig, ohne dass – aus der Sicht dieser anderen Rechtsgründe – an dem Spruch etwas Wesentliches geändert zu werden braucht, dann ist der Verwaltungsakt (wenn sonst keine Rechtsfehler vorliegen) im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29.87 – BVerwGE 80, 96 = juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 23.6.2016 – 11 CS 16.907 – juris Rn. 23). So liegt es hier, weil jedenfalls in einer Gesamtschau ein Kokainkonsum mit hinreichender Gewissheit feststeht (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.2881 – juris Rn. 15; B.v. 21.3.2005 – 11 CS 04.2334 – juris Rn. 12).
Die Ergebnisse der beiden Drogenschnellteste des Speichels sowie des Urins sind – schon jeweils für sich betrachtet – zumindest starke Indizien für einen Kokainkonsum (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 a.a.O. Rn. 16; B.v. 21.3.2005 a.a.O. Rn. 12; OVG MV, B.v. 4.11.2008 – juris Rn. 10; Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, S. 455; Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 328, 333). Weitere gewichtige Anhaltspunkte sind der Besitz einer geringen Menge dieses Betäubungsmittels, der für Eigenkonsum spricht (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.2881 – juris Rn. 19), sowie die von der schweizerischen Grenzwache und dem mit der Blutentnahme beauftragten Arzt unabhängig voneinander beschriebenen drogentypischen Auffälligkeiten. Ob auch die Drogenvorgeschichte und die eingeräumten Kontakte zum Drogenmilieu für den Kokainkonsum sprechen, bedarf demnach keiner Erörterung.
Die dagegen vorgebrachten Einwände des Antragstellers vermögen diese Anhaltspunkte nicht zu entkräften. Die Erklärung, die positiven Tests in Speichel und Urin könnten auch auf Hautkontakt beruhen, ist bereits tatsächlich nicht nachvollziehbar. Die Einlassung, er habe die Drogen nicht selbst konsumieren, sondern einem Bekannten in der Schweiz bringen wollen, hat das Verwaltungsgericht angesichts des offenkundigen Risikos der Entdeckung beim Überschreiten der Schweizer Grenze zu Recht als nicht plausibel erachtet. Ebenso wenig dringt der Antragsteller mit dem Verweis auf die nächtliche Uhrzeit der Kontrolle durch, denn mit Übermüdung lassen sich die beschriebenen drogentypischen Auffälligkeiten – u.a. Zittern im Romberg-Test, Händezittern und unsicherer Finger-Nasen-Versuch – nicht schlüssig erklären. Dem Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach hat das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend keine Bedeutung zugemessen, da dieser einen Konsum der aufgefundenen Betäubungsmittel bereits nicht zum Gegenstand hatte. Schließlich steht auch das ärztliche Gutachten vom 5. Oktober 2020 dieser Bewertung nicht entgegen. Eine Aussage zum Kokainkonsum im Zusammenhang mit der Einreise in die Schweiz lässt sich dem Gutachten bereits nicht entnehmen, wäre aber auch nicht belastbar, weil die Angaben des Antragstellers dazu nicht annähernd kritisch auf ihre Verwertbarkeit überprüft wurden (vgl. dazu Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 97, 115 zu Hypothese 0, Kriterium N 0.4).
Das rechtliche Gehör des Antragstellers ist mit Blick auf die gerichtliche „Auswechslung der Begründung“ jedenfalls dadurch gewahrt, dass er sich im Beschwerdeverfahren zu der rechtlichen Bewertung durch das Verwaltungsgericht äußern konnte. Abgesehen davon war diese aber auch nicht überraschend und außerhalb dessen, womit ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter rechnen konnte (vgl. dazu BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683 = juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 1 B 12.13 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 30.4.2019 – 15 ZB 19.31547 – juris Rn. 5). So hat denn auch der Bevollmächtigte des Antragsstellers mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 zur Frage mangelnder Fahreignung aufgrund des Vorfalls am 10. August 2019 inhaltlich Stellung genommen.
c) Der Antragsteller hat seine Fahreignung im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch nicht wiedererlangt. Die hierzu nach der Rechtsprechung des Senats zugrunde zu legende verfahrensrechtliche Einjahresfrist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den der Betroffene als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, ausreichende Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 = juris Rn. 18 m.w.N.). Allerdings genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz regelmäßig nicht. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (stRspr, vgl. nur BayVGH, B.v. 29.11.2018 – 11 CS 18.2228 – juris Rn. 15; B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 15). Diese Frist hat hier, worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist, jedenfalls nicht vor dem 17. Februar 2020 begonnen, und war damit bei Erlass des angegriffenen Bescheids noch nicht abgelaufen. Somit hatte das Landratsamt keine Veranlassung, eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen, um festzustellen, ob die Abstinenz hinreichend gefestigt ist. Das Vorbringen des Antragstellers, er habe sich seit dem Februar 2020 einem engmaschigen Drogenkontrollprogramm unterworden, kann daher allenfalls im Wiedererteilungsverfahren Berücksichtigung finden.
3. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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