Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen nicht fristgerechter Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens – Gelegentlicher Cannabiskonsum

Aktenzeichen  11 CS 20.1234

Datum:
24.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24639
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 3
FeV § 11 Abs. 8, § 14 Abs. 1 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, Anl. 4 Nr. 9.2.2
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (Bestätigung der stRspr, vgl. BVerwG BeckRS 2016, 118394 mwN; s. auch VGH München BeckRS 2019, 7170 Rn. 17). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis gelegentlicher Konsument von Cannabis und hat er mit einer Fahrt unter Cannabiseinfluss gegen das Trennungsgebot gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV verstoßen, begründet dies Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (Bestätigung von BVerwG BeckRS 2019, 19967 Rn. 15 f.; VGH München BeckRS 2017, 157879). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. “Gelegentlicher” Konsum von Cannabis iSd § 14 Abs. 1 S. 3 FeV iVm Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (Bestätigung von BVerwG BeckRS 2014, 57534 Rn. 20 ff.; VGH München BeckRS 2017, 157879 Rn. 20). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Inwieweit in der Vergangenheit liegende Konsumakte, die keine Eintragung im Fahreignungsregister nach sich gezogen haben, als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Konsums herangezogen werden können, beurteilt sich nach einer Einzelfallbetrachtung. Maßgeblich ist, ob bei Einbeziehung aller relevanten Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Gefahrenverdachts besteht, dass der Betroffene noch Cannabis einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist. Zudem muss sich, da das Merkmal der “Gelegentlichkeit” insoweit der Abgrenzung zum einmaligen (experimentellen) Probierkonsum dient, ein erneuter Konsum auch nach innerem Zusammenhang sowie unter zeitlichen Gesichtspunkten als Fortsetzung des früheren Konsummusters darstellen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 S 20.688 2020-04-28 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1 (jeweils Schlüsselzahlen 79.03 und 70.04), AM, B und L.
Nach einer Mitteilung der Polizeiinspektion F. an das Landratsamt O. (Fahrerlaubnisbehörde) vom 27. August 2015 führte der Antragsteller am 10. August 2015 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis. Dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U. vom 21. August 2015 zufolge wurden bei der am 10. August 2015 um 18:01 Uhr entnommenen Blutprobe folgende Werte festgestellt: 3,4 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 37,4 ng/ml THC-Carbonsäure (TCH-COOH) und 0,8 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC). Mit Bußgeldbescheid vom 3. September 2015, rechtskräftig seit 22. September 2015, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen den Antragsteller wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat.
Das Landratsamt forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 3. September 2015 zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auf, um zunächst sein Konsumverhalten abzuklären. Dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten der A. GmbH vom 25. November 2015 zufolge hat er angegeben, am 2. August 2015 erstmals einen Joint mitgeraucht zu haben. Am 4. August 2015 habe er nochmals einen Joint geraucht sowie am 9. August 2015 gegen 18:00 Uhr an einem Joint gezogen. Seither konsumiere er kein Cannabis mehr und habe auch nie andere Drogen konsumiert. Die vom Landratsamt gestellten Fragen wurden dahin beantwortete, das Konsummuster des Antragstellers sei nach dessen Angaben als gelegentliche Einnahme von Cannabis zu bezeichnen. Fortgesetzter und/oder aktueller gelegentlicher oder regelmäßiger bzw. gewohnheitsmäßiger Drogenkonsum sei nach den Befunden nicht gegeben. Bei zwei Urinproben sei kein Betäubungsmittelkonsum festgestellt worden.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis. Da durch die aktenkundige Fahrt das fehlende Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen belegt sei, sei der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Widerspruch sowie Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg (Au 7 K 16.556) blieben zunächst erfolglos. Auf die Berufung des Antragstellers hin hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die angegriffenen Bescheide sowie das erstinstanzliche Urteil mit Urteil vom 21. September 2017 (11 BV 17.685) auf. Die dagegen gerichtete Revision des Antragsgegners hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. April 2019 (3 C 25.17) zurückgewiesen.
Nachdem das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im September 2019 rechtskräftig geworden war, forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Oktober 2019 auf, zur Klärung seiner Fahreignung bis zum 28. Dezember 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zu klären sei, ob nicht zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Betäubungsmitteln oder deren Nachwirkungen führen werde (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn die gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Letzteres sei beim Antragsteller aufgrund des im verkehrsmedizinischen Gutachten vom 25. November 2015 genannten wiederholten Konsums von Cannabis und der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 10. August 2015 der Fall. Bei der Ausübung des ihm zustehenden Ermessens habe das Landratsamt neben der erheblichen Gefahr für den Straßenverkehr durch Cannabiskonsumenten auch berücksichtigt, dass die beim Antragsteller zum Zeitpunkt der Fahrt festgestellte THC-Konzentration bei 3,4 ng/ml gelegen habe, was für einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Fahrt und Konsum spreche. Ebenfalls berücksichtigt worden sei, dass seit der Fahrt unter Drogeneinfluss bereits vier Jahre vergangen seien. Allein durch den Zeitablauf hätten sich die Eignungszweifel jedoch nicht erledigt. Die genannte Fahrt sei nach wie vor im Fahreignungsregister registriert und damit verwertbar, zudem habe ein neues Verwaltungsverfahren erst nach der Aufhebung der Entziehungsverfügung eingeleitet werden können.
Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller nach Anhörung mit Bescheid vom 3. März 2020 gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Aus der Nichtbeibringung des Gutachtens sei auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.
Hiergegen ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Augsburg am 12. März 2020 Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Wiederherstellung (Entziehung der Fahrerlaubnis, Ablieferung des Führerscheins) der Klage mit der Begründung, die Gutachtensanordnung vom 14. Oktober 2019 sei ermessensfehlerhaft, da der einmalige Cannabiskonsum des Antragstellers vor mehr als vier Jahren keine Zweifel an der Fahreignung mehr begründe, zumal das ärztliche Gutachten der A. GmbH einen fortgesetzten Konsum verneint habe.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 28. April 2020 ab. Der Antrag sei unbegründet, da die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Das Landratsamt habe aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung sei nicht zu beanstanden, da eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege, der Verstoß gegen das Trennungsgebot am 10. August 2015 als weitere Tatsache Zweifel an der Eignung begründe und das somit eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden sei. Der Zeitablauf seit dem zugrundeliegenden Vorfall stehe dem nicht entgegen. Ein hinreichender Gefahrenverdacht, der die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertige, sei mit Blick auf die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr trotz eines relativ hohen THC-Wertes sowie eine offenbar verharmlosende Darstellung des Konsums gegeben. Nach den Erkenntnissen zum Abbauverhalten von THC könne die Angabe des Antragstellers, insgesamt nur dreimal Cannabis geraucht und zuletzt am 9. August 2015 gegen 18:00 Uhr drei oder vier Mal an einem Joint gezogen zu haben, nicht zutreffen. Ferner sei die im Fahreignungsregister einzutragende Fahrt unter THC-Einfluss nach den einschlägigen Tilgungsbestimmungen noch verwertbar gewesen. Im Übrigen falle aber auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, die Gutachtensanordnung sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Der Antragsteller habe seine Abstinenz im Herbst 2015 nachgewiesen, zu einem späteren Drogenkonsum gebe es keinerlei Erkenntnisse. Im Übrigen decke sich aber auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe falsche Angaben zu seinem früheren Konsum gemacht, nicht mit den Schlussfolgerungen des Gutachtens vom 25. November 2015. Darüber hinaus sei der vom Verwaltungsgericht herangezogene Grenzwert von 1,0 ng/ml THC nicht gesichert. Wenn das Landratsamt schon Zweifel an der Fahreignung äußere, hätte es als milderes Mittel einen erneuten Abstinenznachweis verlangen müssen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416), in Kraft getreten zum 1. Januar 2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.
b) Gemessen daran begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung begegnet keinen Bedenken, denn die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung war rechtmäßig.
aa) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 18) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vorlagen. Daran hat sich auch bis zum Erlass des Bescheids nichts geändert.
Der Antragsteller ist, was auch den vorgenannten, mit Blick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen ergangenen Entscheidungen des erkennenden Senats sowie des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegt, gelegentlicher Konsument von Cannabis und hat mit seiner Fahrt unter Cannabiseinfluss gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen, was Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet (vgl. BayVGH, U.v. 21.9.2017 – 11 BV 17.685 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 25.17 – juris Rn. 15 f.). Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 = juris Rn. 20 ff.; BayVGH, U.v. 21.9.2017 – 11 BV 17.685 – juris Rn. 20). Der Antragsteller hat bei der fachärztlichen Begutachtung angegeben, am 2. August 2015 erstmals einen Joint mitgeraucht, am 4. August 2015 nochmals einen Joint geraucht sowie am 9. August 2015 an einem Joint gezogen zu haben. Nach diesen Angaben, an denen sich der Antragsteller festhalten lassen muss, stehen drei Konsumvorgänge innerhalb weniger Tage und damit gelegentlicher Cannabiskonsum zumindest im Vorfeld der Fahrt am 10. August 2015 fest. Ferner hat er mit dieser Fahrt gegen das Trennungsgebot verstoßen. Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U. vom 21. August 2015 hat er mit einer Konzentration von 3,4 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 37,4 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH) und 0,8 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Somit hat er den maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml THC überschritten und war eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 28 ff.; BayVGH, B.v. 10.3.2015 – 11 CS 14.2200 – juris Rn. 12; B.v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690 – juris Rn. 15).
Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht die Zeitspanne von gut vier Jahren zwischen der genannten Fahrt und den vorgelagerten Konsumakten sowie der Gutachtensanordnung dem nicht entgegen. Dem Landratsamt war weder der Rückgriff auf den Vorfall am 10. August 2015 noch auf den davorliegenden Cannabiskonsum verwehrt.
Hinsichtlich der Fahrt unter Cannabiseinfluss, die in das Fahreignungsregister einzutragen war, folgt dies daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung Taten verwertbar sind und dem Betroffenen vorgehalten werden können, solange sie – wie hier aus den vom Verwaltungsgericht ausgeführten Gründen – im Fahreignungsregister noch nicht getilgt bzw. tilgungsreif sind (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 21.04 – NJW 2005, 3440 = juris Rn. 25 ff.; BayVGH, B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39 ff.; B.v. 7.12.2015 – 11 ZB 15.2271 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Inwieweit die in der Vergangenheit liegenden Konsumakte, die keine Eintragung im Fahreignungsregister nach sich gezogen haben, noch als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Konsums herangezogen werden können, beurteilt sich hingegen nach einer Einzelfallbetrachtung. Maßgeblich ist zum einen, ob bei Einbeziehung aller relevanten Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Gefahrenverdachts besteht, dass der Betroffene noch Cannabis einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist. Zum anderen müsste sich, da das Merkmal der „Gelegentlichkeit“ insoweit der Abgrenzung zum einmaligen (experimentellen) Probierkonsum dient, ein erneuter Konsum auch nach innerem Zusammenhang sowie unter zeitlichen Gesichtspunkten als Fortsetzung des früheren Konsummusters darstellen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.6.2005, a.a.O. Rn. 22 ff.; U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 = juris Rn. 21 ff.; BayVGH, B.v. 20.11.2006 – 11 CS 06.118 – juris Rn. 20 f.; B.v. 15.9.2009 – 11 CS 09.1166 – juris Rn. 21; U.v. 10.4.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 22.11.2012 – 10 S 3174/11 – juris Rn. 28; NdsOVG, B.v. 4.12.2008 – 12 ME 298/08 – juris Rn. 10; B.v. 7.6.2012 – 12 ME 31/12 – juris Rn. 7).
Nach diesen Grundsätzen setzt der zeitliche Abstand zu den Konsumakten hier keine relevante Zäsur. Nach eigenen Angaben hat der Antragsteller Anfang August 2015 binnen weniger Tage drei Mal Cannabis konsumiert. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er – über das einmalige Experimentieren hinaus – einen Wiederholungsvorsatz hinsichtlich der Einnahme dieses Betäubungsmittels gefasst und ein gewisses, als typisch für den Gelegenheitskonsumenten beschriebenes Konsummuster herausgebildet hatte (vgl. dazu Kleiber/Soellner in Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1. Auflage 1998, S. 32). Dass er sich in der Zwischenzeit völlig vom Cannabiskonsum gelöst hätte, ist nicht ersichtlich. Das ärztliche Gutachten vom 25. November 2015 hat dazu bereits deswegen keine maßgebliche Aussagekraft, weil es allein den Zeitraum bis November 2015 abdeckt. Darüber hinaus kommt es hier angesichts des über das einmalige Probieren hinausgehenden Betäubungsmittelmissbrauchs darauf an, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat. Über diese Frage kann nur ein medizinisch-psychologisches Gutachten Aufschluss geben (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081 = juris Rn. 24). Ebenfalls keine hinreichend belastbaren Rückschlüsse ergeben sich daraus, dass der Antragsteller seit dem Vorfall im August 2015 nicht nochmals als Cannnabiskonsument aufgefallen ist. Zum einen ist die Dunkelziffer hoch (vgl. BayVGH, U.v. 10.4.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 22.11.2012 – 10 S 3174/11 – juris Rn. 28), zum anderen kommt einem Wohlverhalten unter dem Druck eines anhängigen behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens nur beschränkte Aussagekraft zu (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 = juris Rn. 23).
Im Übrigen erheben sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Gutachten vom 25. November 2015 ausgeführt hat, mit Blick auf das Ergebnis der Blutprobe vom 10. August 2015 Zweifel an der Wahrheit der Angaben zum früheren Konsumverhalten, die auch die Belastbarkeit des Vorbringens des Antragstellers zum aktuellen Stand in Frage stellen. Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar. Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2017 – 11 CS 16.2401 – Blutalkohol 54, 140 = juris Rn. 13 ff. m.w.N.; U.v. 10.4.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 24). Hiervon ausgehend kann der beim Antragsteller am 10. August 2015 um 18:01 Uhr festgestellte THC-Wert von 3,4 ng/ml nicht auf den angegebenen Konsum am 9. August 2015 gegen 18:00 Uhr zurückzuführen sein. Vielmehr muss er, um einen solchen Wert zu erreichen, entweder kurz vor der Fahrt nochmals oder aber häufig Cannabis konsumiert haben.
bb) Die Ausübung des demnach eröffneten Ermessens dahin, ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, ist nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von seinem Ermessen in einer dem Ermächtigungszweck nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 VwGO).
Werden – wie vorliegend durch den erstmaligen Verstoß des Antragstellers gegen das Trennungsgebot – Zweifel an der Fahreignung aufgeworfen, hat die Fahrerlaubnisbehörde diese zu klären. Damit sie über eine hinreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage für die Prognose verfügt, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum von Cannabis und dem Führen eines Fahrzeugs trennen wird, bedarf es dabei in der Regel einer medizinisch-psychologischen Begutachtung (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 25.17 – juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 21.9.2017 – 11 BV 17.685 – juris Rn. 22, 33 f.).
Davon ausgehend sind hier keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung ersichtlich. Das Landratsamt hat das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und fehlerfrei, insbesondere ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ausgeübt. Dabei hat es unter Verweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats ausgeführt, dass der festgestellte THC-Gehalt von 3,4 ng/ml für einen relativ engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr spricht und somit weitere Aufklärungsmaßnahmen geboten erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 11 CS 17.143 – juris Rn. 22). Ferner hat es den Zeitablauf seit den genannten Konsumakten sowie der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 10. August 2015 als wesentlichen Umstand berücksichtigt und in nicht zu beanstandender Weise dahin gewürdigt, dass sich die Eignungszweifel dadurch nicht erledigt haben. Entgegen der Auffassung der Beschwerde war das Landratsamt auch nicht gehalten, vorrangig eine das Persönlichkeitsrecht weniger beeinträchtigende ärztliche Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zum gegenwärtigen Drogenkonsum anzuordnen. Denn vorliegend stellt sich die Frage, ob der Antragsteller das bisherige Konsummuster aufgrund eines stabiler Einstellungswandels aufgegeben hat oder aber gelegentlichen Cannabiskonsum von dem Fahren trennen kann. Dies bedarf – ggf. neben ärztlichen Feststellungen – einer psychologischen Bewertung, die auch die Persönlichkeit des Betroffenen einer Betrachtung unterzieht (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081 = juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 23; vgl. dazu auch Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 192).
2. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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