Strafrecht

Erkrankung, Beschwerde, Verteidiger, Dienstvergehen, Arzt, Dienstherrn, Beschwerdebescheid, Mobiltelefon, Versuch, Zeugenaussage, Bewertung, Zeitpunkt, Ehefrau, Briefkasten, weitere Beschwerde

Aktenzeichen  S 4 BLc 3/20

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52665
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die weitere Beschwerde vom 27. März 2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Beschwerdeführer ist Soldat auf Zeit mit einer Dienstzeit von 13 Jahren. Er ist Angehöriger der X./Sanitätsregiment X in D..
Am 12. November 2019 verhängte der Kompaniechef X./Sanitätsregiment X gegen den Beschwerdeführer eine Disziplinarbuße in Höhe von 750,00 €, der er folgenden Tenor zugrunde legte:
„Er war im Zeitraum von 22. bis 28.10.2019 während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit an seinem Wohnort für den Disziplinarvorgesetzten mehrfach telefonisch und persönlich nicht erreichbar und hat auf die hinterlassenen Sprachnachrichten nicht reagiert.“
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 14. November 2019 hat der Beschwerdeführer gegen diese Disziplinarmaßnahme Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass nicht nachvollziehbar sei, wann und auf welche Weise mehrfach versucht worden sein soll, den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Versuch unternommen worden sei, den Beschwerdeführer mehrfach persönlich zu erreichen. Mit weiterem Schreiben vom 10. Februar 2020 hat der Verteidiger des Beschwerdeführers ausgeführt, dass in der Disziplinarmaßnahme zu Recht ausgeführt werde, dass der Beschwerdeführer krank sei. Diese Erkrankung sei nach Auffassung des Dienstherrn so gravierend, dass auf eine dauerhafte Dienst- und Verwendungsunfähigkeit geschlossen werde. Die Erkrankung solle ihre Ursache auf psychiatrischem Gebiet haben. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb der Beschwerdeführer vom 1. Oktober 2019 bis zunächst 8. November 2019 „kzH“ geschrieben gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sich zu Hause aufgehalten, jedoch die Anrufe auf seinem Mobiltelefon nicht wahrgenommen. Es sei nicht erklärlich, weshalb, wie später geschehen, die Ehefrau nicht sofort angerufen worden sei. Es sei auch nicht erklärlich, weshalb vor diesem Hintergrund der telefonischen Nichterreichbarkeit auf dem Mobiltelefon am 22. Oktober 2019 nicht schriftlich an den Beschwerdeführer herangetreten worden sei. Es sei darüber hinaus verwunderlich, dass gar nicht erst der Versuch unternommen worden sei, mit ihm als Verteidiger Kontakt aufzunehmen, da er bereits seit dem 10. Oktober 2019 als Verteidiger legitimiert gewesen sei. Darüber hinaus ergebe sich aus den Akten eine Voreingenommenheit gegenüber dem Beschwerdeführer. Dies sei insbesondere der Zeugenaussage des Zeugen D zu entnehmen, der in seiner Vernehmung nicht von „Kamerad“, sondern bereits von „Delinquent“ spreche. Seltsamerweise sei auch anlässlich des ausgeführten Hausbesuchs am 28. Oktober 2019 keine schriftliche Nachricht in den Briefkasten geworfen worden, was aus Sicht der Verteidigung bei der nunmehr dargestellten Lage eigentlich eine Selbstverständlichkeit hätte gewesen sein müssen. Die Nichterreichbarkeit am Mobiltelefon stelle kein Dienstvergehen dar, zumal der Beschwerdeführer zuvor nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er auch während der langen Erkrankungsdauer auf seinem Mobiltelefon erreichbar sein müsse. Gegebenenfalls wäre es dann notwendig gewesen, mit dem behandelnden Arzt die Frage dieser Art der Erreichbarkeit abzuklären.
Der Kommandeur Sanitätsregiment X hat die Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschwerdebescheid vom 26. Februar 2020 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die allgemeine Dienstleistungspflicht des Beschwerdeführers aufgrund seines Status „krank zu Hause“ ausgesetzt gewesen sei. Die allgemeine Dienstpflicht bleibe jedoch gleichwohl bestehen. Es sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, dass zum vorgeworfenen Zeitpunkt ein Verfahren auf Überprüfung seiner Dienstfähigkeit gelaufen sei, dass seine Mitwirkung erforderte. Von einem erkrankten Soldaten, der sich zu Hause aufhalte, sei nicht zu verlangen, dass er sich rund um die Uhr zur Verfügung halte bzw. telefonisch erreichbar sei. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass insgesamt zehn Versuche der telefonischen Verbindungsaufnahme an vier Tagen, mit Hinterlassung einer Nachricht auf der Mailbox erfolglos bleiben bzw. nicht dazu führen, dass von Seiten des Soldaten Verbindung mit dem Disziplinarvorgesetzten aufgenommen werde. Auch der Versuch einer persönlichen Verbindungsaufnahme im Rahmen eines sich anschließenden Hausbesuchs sei erfolglos geblieben. Die Übermittlung der Unterlagen an den Anwalt des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 stehe nicht im Zusammenhang mit dem Versuch der Verbindungsaufnahme mit dem Beschwerdeführer, da eine dienstrechtliche Verpflichtung grundsätzlich unmittelbar zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Disziplinarvorgesetzten bestehe. Unter Berücksichtigung aller Faktoren sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme daher tat- und schuldangemessen.
Gegen diesen Beschwerdebescheid hat der Verteidiger des Beschwerdeführers entsprechend der ihm erteilten Rechtsbehelfsbelehrung mit Schreiben vom 27. März 2020 weitere Beschwerde bei der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd in Koblenz eingelegt. Diese weitere Beschwerde hat der Vorsitzende der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit Verfügung vom 31. März 2020 zuständigkeitshalber an die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd in Koblenz abgegeben.
Mit Schreiben vom 7. April 2020 hat der Verteidiger des Beschwerdeführers die weitere Beschwerde dahingehend begründet, dass der Disziplinarvorgesetzte verkenne, in welchem „Formenkreis“ der Beschwerdeführer erkrankt sei. Der Beschwerdeführer leide an einer schweren Depression, die die Krankschreibung notwendig gemacht habe. Diese Erkrankung werde nun sogar zu einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses wegen Dienstunfähigkeit führen. Der Dienstherr unterlasse es zudem mitzuteilen, aufgrund welcher Dienstvorschrift er der Auffassung sei, dass ein Soldat während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit telefonisch erreichbar sein müsse. Hätte man dem Soldaten angesichts des Hausbesuchs im Hausbriefkasten eine Nachricht hinterlassen, wäre er sofort erreichbar gewesen. Es sei zudem nicht zu erwarten, dass ein kranker Soldat überhaupt sein Mobiltelefon bei sich führe. Gegebenenfalls hätte man dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Krankschreibung eine entsprechende Nachricht zukommen lassen müssen. Dies sei nicht geschehen. Der Beschwerdeführer habe sich sofort gemeldet, als ihm eine Nachricht bekanntgeworden sei. Selbst wenn die Übermittlung der Unterlagen an den Rechtsanwalt mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 nicht im Zusammenhang mit dem Versuch der Kontaktaufnahme gestanden habe, hätte es allein schon die Fürsorgepflicht erfordert, dass man den Versuch der Kontaktaufnahme über den Rechtsanwalt gemacht hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt sowie den Inhalt der genannten Schriftsätze vollinhaltlich Bezug genommen.
II.
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 42 Nr. 4 Wehrdisziplinarordnung (WDO) i.V.m. § 16 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) zulässig. Sie wurde insbesondere auch fristgerecht eingelegt und begründet.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
Der Kompaniechef X./Sanitätsregiment X und der Kommandeur Sanitätsregiment X haben in der Disziplinarmaßnahme vom 12. November 2019 bzw. im Beschwerdebescheid vom 26. Februar 2020 zu Recht ein Dienstvergehen des Beschwerdeführers festgestellt.
Auf der Grundlage der der Kammer vorliegenden Beschwerdeakte steht zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer am 22. Oktober 2019 um 12:56 Uhr, 13:01 Uhr und 15:58 Uhr, am 23. Oktober 2019 um 08:16 Uhr, 10:15 Uhr und 16:22 Uhr, am 24. Oktober 2019 um 07:51 Uhr, 08:10 Uhr und 16:20 Uhr sowie am 25. Oktober 2019 um 08:59 Uhr für seinen Disziplinarvorgesetzten telefonisch nicht erreichbar war und sich auf die Anrufe hin auch nicht bei diesem gemeldet hat. Auch ein Hausbesuch der Zeugen E und F am 28. Oktober 2019 um 08:00 Uhr war erfolglos, da der Beschwerdeführer nicht zu Hause angetroffen wurde.
Der vorstehend unstreitig festgestellte Sachverhalt stellt nach Bewertung der Kammer entgegen der Auffassung des Verteidigers des Beschwerdeführers ein Dienstvergehen dar. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen des Verteidigers greifen nach Überzeugung der Kammer nicht durch.
Die Pflicht zur telefonischen Erreichbarkeit ist Teil der Pflicht des Beschwerdeführers zum treuen Dienen gemäß § 7 Soldatengesetz. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil des Beamtendisziplinarsenats vom 23. Februar 2005 (Az 1 D 1.04) unmissverständlich klargestellt, dass ein Beamter, der krankheitsbedingt dienstunfähig ist und vorübergehend keinen Dienst leistet, aufgrund seiner allgemeinen Treuepflicht zum Dienstherrn verpflichtet ist, sicherzustellen, dass ihn Mitteilungen seiner Dienststelle unverzüglich erreichen können. Diese für einen Beamten geltende allgemeine Treuepflicht ist nach Überzeugung der Kammer zwingend auf Soldaten zu übertragen. Die Pflicht zur Sicherstellung der telefonischen Erreichbarkeit ergibt sich vorliegend in besonderem Maße auch daraus, dass ein den Beschwerdeführer betreffendes Dienstunfähigkeitsverfahren in Gang gesetzt worden war und er wusste, dass in diesem Zusammenhang auch seine Mitwirkung erforderlich war.
Dabei ist es aus Sicht der Kammer nicht erforderlich, dass der Beschwerdeführer quasi neben seinem Mobiltelefon sitzt, aber es ist seine Pflicht, regelmäßig zu kontrollieren, ob ein entgangener Anruf seines Dienstherrn registriert ist. Dies hat der Beschwerdeführer über eine Woche nicht getan. Die Einlassung des Verteidigers des Beschwerdeführers, dass die Vorgesetzten anlässlich des Hausbesuchs eine Nachricht in den Briefkasten hätten legen können, verkennt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Woche vergangen war, ohne dass der Beschwerdeführer zu erreichen gewesen wäre.
Auch der Hinweis des Verteidigers, dass der Beschwerdeführer nicht verpflichtet sei, ein Mobiltelefon mit sich zu führen geht fehl. Der Beschwerdeführer hat seine Mobilfunknummer selbst in der Dienststelle zwecks seiner Erreichbarkeit hinterlegt. Hätte er angegeben, kein Telefon zu besitzen, hätte die Dienststelle ihm zur Auflage machen können, sich in vorgegebenen Abständen bei seinen Vorgesetzten zu melden und nachzufragen, ob es etwas zu besprechen gebe.
Die Geltendmachung des Verteidigers, dass die Vorgesetzten des Beschwerdeführers diesem gegenüber ihre Fürsorgepflicht verletzt hätten, weil sie nicht über den Verteidiger versucht hätten, Kontakt zu ihm aufzunehmen, ist nach Überzeugung der Kammer abwegig. Der Kommandeur Sanitätsregiment X hat in seinem Beschwerdebescheid vom 26. Februar 2020 völlig zu Recht darauf verwiesen, dass eine dienstrechtliche Verpflichtung nur unmittelbar zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Disziplinarvorgesetzten besteht.
Entgegen der Auffassung des Verteidigers des Beschwerdeführers vermag die Kammer auch keine Schuldminderungsaspekte aufgrund der bestehenden Erkrankung zu erkennen. Die Leiterin des Sanitätsversorgungszentrums Dornstadt, die sachverständige Zeugin Oberfeldarzt G, hat in der von der Kammer eingeholten ärztlichen Stellungnahme dezidiert zu der Frage Stellung genommen, ob die beim Beschwerdeführer diagnostizierte Depression für seinen Pflichtenverstoß ursächlich bzw. mitursächlich gewesen sein kann. Diese Frage hat sie mit Hinweis auf die fachärztlich diagnostizierte mittelgradige Depression und das Ergebnis der fachärztlichen Dokumentation vom 17. Oktober 2019 anlässlich einer Vorstellung des Beschwerdeführers beim behandelnden Facharzt ausdrücklich verneint. Dabei hat sie für die Kammer nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Vorstellung beim Facharzt fünf Tage vor dem ersten Versuch, den Beschwerdeführer zu erreichen erfolgte und der Beschwerdeführer bis kurz davor ehrenamtlich bei der Feuerwehr gearbeitet hat, was nach ihrer Überzeugung eine schwere Depression ausschließe. Dieser Argumentation schließt sich die Kammer ausdrücklich an.
Die gegen die ärztliche Kompetenz der sachverständigen Zeugin Oberfeldarzt G gerichteten Einwände des Verteidigers des Beschwerdeführers greifen nach Überzeugung der Kammer nicht durch. Die sachverständige Zeugin Oberfeldarzt G ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und damit mehr als ausreichend in der Lage, fachärztliche Befunde zu bewerten und als sachverständige Zeugin von der Kammer angeforderte Fragen fachkundig zu beantworten.
Der Beschwerdeführer hat damit vorsätzlich seine Dienstpflichten zum treuen Dienen gemäß § 7 Soldatengesetz und durch sein Verhalten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Soldatengesetz verletzt. Er hat damit ein vorsätzliches Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 Soldatengesetz begangen, wobei er als Vorgesetzter unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Soldatengesetz gehandelt hat.
Hinsichtlich der Einstufung und Würdigung des Dienstvergehens ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme in Form einer Disziplinarbuße in Höhe von 750,00 € nicht zu beanstanden ist. Mit Blick auf die von der Vertrauensperson im Rahmen ihrer Anhörung beschriebene Persönlichkeit des Beschwerdeführers und der erforderlich gewordenen Einbindung mehrerer Kameraden beim Versuch der Kontaktaufnahme erscheint nach Überzeugung der Kammer die verhängte Disziplinarbuße verhältnismäßig und erforderlich, um auch nach außen zu dokumentieren, dass ein solches Verhalten nicht akzeptiert werden kann.
Aus den vorstehenden Gründen kann die weitere Beschwerde vom 27. März 2020 keinen Erfolg haben.
III.
Von der Auferlegung der Kosten des Verfahrens vor dem Truppendienstgericht gemäß § 42 Satz 1 Wehrdisziplinarordnung i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Wehrbeschwerdeordnung auf den Beschwerdeführer hat die Kammer abgesehen.


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