Strafrecht

Hauptverhandlung, Angeklagte, Arzt, Staatsanwaltschaft, Syrien, Verteidiger, Angeklagten, Freiheitsstrafe, Bank, Anklage, Strafzumessung, Wahllichtbildvorlage, Strafkammer, Kenntnis, Glaubhaftigkeit der Aussage, festgestellter Sachverhalt

Aktenzeichen  7 KLs 220 Js 28064/20

Datum:
14.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49290
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte O… Ch… geb. am …, ist schuldig des Betrugs.
II. Der Angeklagte wird deswegen unter Einbeziehung der Strafen aus der Verurteilung des Landgerichts Rostock vom 22.11.2019, Az. …, und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.
III. 1) Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 44.550,- € wird angeordnet.
2) Die Anordnung von Wertersatzeinziehung im Urteil des Landgerichts Rostock vom 22.11.2019, Az. …, bleibt aufrechterhalten.
IV. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 263 I, III S. 1, S. 2 Nr. 1 Alt. 1, 25 II, 53, 54, 55, 73 I, 73 c StGB

Gründe

A. Prozessgeschichte
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat am 02.03.2021, bei Gericht am 09.03.2021 eingegangen, Anklage gegen Ch… O… wegen Betrug in einem besonders schweren Fall erhoben.
Mit Eröffnungsbeschluss vom 31.05.2021 hat das Landgericht – 7. Strafkammer – die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.
Eine Verständigung hat weder vor noch in der Hauptverhandlung stattgefunden.
C. Festgestellter Sachverhalt:
I. Vorgeschichte
Die Geschädigte betreibt in S… gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Landwirtschaft, wobei sowohl die Geschädigte als auch ihr Ehemann, der Zeuge Alfons Sch… jeweils eigene Höfe besitzen, die sie gemeinsam bewirtschaften. Im Oktober 2016 bot die Geschädigte Rosa Sch… auf der Internetplattform „T…-Börse“ ein Güllefass zum Verkauf an.
Auf dieses Inserat hin meldete sich per E-Mail eine Person, die sich mit dem Namen „Dr. William Rogers“ vorstellte. Diese Person gab sich als Arzt aus dem Jemen aus und bat die Geschädigte, ihn bei einem Geldtransfer von 7,2 Mio. US-$ vom Jemen nach Deutschland zu unterstützen. Die Geschädigte sollte für die Hilfeleistung 20 % der Geldsumme erhalten. Die Geschädigte willigte im Vertrauen auf den Erhalt des versprochenen Anteils ein. In den nächsten ca. drei Jahren wurde die Geschädigte von mindestens zwei Personen unter verschiedenen Legenden (Dr. William Rogers, Diplomat Reid, Daminan Wright, Simion Sandu, Diplomat Soloman, Bruce Pauolo, Megan Sheffler) per Email, WhatsApp und auch teilweise telefonisch durch umfangreiche Lügengeschichten – insbesondere fehlende Dokumente, erforderliche Zertifikate, Freigaben, Steuern und anderem – aufgefordert, Geldbeträge zu bezahlen, um den Geldtransfer letztlich erfolgreich abschließen zu können. Im Laufe dieses Geschehens wurde der der Zeugin versprochene Anteil der zu transferierenden Summe auf 50 % erhöht. Die Geschädigte unterlag dem Irrtum, tatsächlich den vereinbarten Geldanteil nach erfolgreichem Transfer zu erhalten, und überließ der Personengruppe im Zeitraum 25.10.2016 bis 19.10.2018 durch Überweisungen auf verschiedene Konten und durch Barzahlungen Geldbeträge im einer Gesamthöhe von 267.929,15 €.
Die unbekannten Täter beabsichtigten, die Zeugin Sch… zu einer Vielzahl von Zahlungen zu veranlassen. Wie von den unbekannten Tätern von vornherein beabsichtigt, kam es zu keiner Zeit zu einer Überlassung des versprochenen Geldbetrags an die Geschädigte. Die Täter wussten, dass sie keinen Anspruch auf die von der Geschädigten geleisteten Zahlungen hatten.
Der Geschädigten wurde erzählt, der Geldkoffer sei im November 2016 zunächst nach London verbracht worden. Dort habe ein Diplomat namens „Reid“ das Geld in Empfang genommen.
Da es bei dem Flughafen Komplikationen gegeben habe, überwies die Geschädigte auf Anforderung Geld nach London. Der Diplomat Reid sei weiter nach München geflogen, wo jedoch bei der Zollkontrolle ein Dokument gefehlt habe, welches lediglich in Amsterdam zu beschaffen sei. Er sei dann erneut nach Amsterdam geflogen und habe die Sendung einem gewissen Damian Wright übergeben. Die Geschädigte wurde im Mai 2017 aufgefordert, erneut Geld für die Überfahrt des Geldkoffers in einem LKW zu bezahlen. Sie wurde darüber getäuscht, dass der LKW-Fahrer sowie der angebliche Diplomat „Reid“ sodann an der holländischen Grenze festgenommen worden seien. Der Geldkoffer sei schließlich nach Amsterdam gekommen.
Die Geschädigte reiste insgesamt dreimal nach Amsterdam. Am 12.05.2017 fuhr sie mit ihrem Sohn Sebastian, am 04.07.2017 mit dem Sohn Michael und am 27.07.2017 mit ihrem Ehemann nach Amsterdam. Der Geschädigten wurde jeweils ein Hotel in der Nähe des Flughafens als Treffpunkt genannt. Dort wurde sie und ihr Begleiter mit einem Pkw abgeholt und zu einem Büro in der Innenstadt verbracht. Bei dem ersten Treffen am 12.05.2017 übergab die Geschädigte an eine unbekannte Person die sich mit dem Namen „Damian Wright“ vorstellte einen Geldbetrag in Höhe von 7.500 €. Die Geschädigte erhielt aus der Geldsendung eine 100 $ Note, die sie am Flughafen umtauschte. Am 04.07.2017 übergab die Geschädigte weitere 15.000 € dem Irrtum unterlegen, angebliche Dokumente auszulösen und am 27.07.2017 insgesamt 16.650 € zum Zwecke der angeblichen Legalisierung des Handels.
Der Geschädigten wurde weiter berichtet, dass „Damian Wright“ das Geld auf ein Konto in der Türkei einzahlen wolle, sodass „Dr. William Rogers“ den Agenten „Simion Sandu“ beauftragt habe, in die Türkei zu fliegen, um dies zu verhindern. Der Geschädigten wurde anschließend verdeutlicht, dass „Simion Sandu“ die Sendung ohne Diplomaten nicht nach Deutschland verbringen könne und daher den Geldkoffer dem „Diplomaten Soloman“ übergeben worden sei. Die Geschädigte überwies infolgedessen Geldbeträge auf ein Konto in Istanbul. Ihr wurde sodann berichtet, dass der „Diplomat Soloman“ bei der zweiten Überweisung verhaften worden sei. „Simion Sandu“ sei sodann mit der Sendung mit einem Privatjet nach Wien geflogen. Die Geschädigte zahlte auch hier einen Geldbetrag in dem Glauben, dass dann die Sendung durch den Piloten freigegeben werde und um vorgegaukelte Probleme am Flughafen zu lösen. Die Geschädigte wurde schließlich in den Glauben versetzt, „Simion Sandu“ habe die Sendung „Megan Sheffer“ zur Aufbewahrung überlassen, weil er selbst verhaftet worden sei. „Meghan Sheffer“ habe die Sendung nach Hamburg zu dem Partner „Bruce Pauolo“ verbracht.
Die Geschädigte wurde sodann von „Bruce Pauolo“ kontaktiert.
II. Eigentliches Tatgeschehen:
Nicht ausschließbar war der Angeklagte an dem geschilderten Vorgeschehen nicht beteiligt, sondern erlangte erst zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt vor dem 02.09.2018 zumindest vom Kerngeschehen der Lügengeschichten und von der Täuschung der Geschädigten hinsichtlich des versprochenen Geldanteils bei erfolgreichem Abschluss des angeblichen Geldtransfers aus dem Jemen Kenntnis und wurde insbesondere in die Legende „Bruce Pauolo“ eingebunden.
Der Angeklagte kontaktierte die Geschädigte im weiteren Verlauf telefonisch und veranlasste sie im Zeitraum von September 2018 bis 19.10.2018, insgesamt fünfmal nach Hamburg zu fahren, um ihm Geldbeträge in bar zu übergeben. Dabei hielt er zum einen die Täuschung über den Erhalt ihres Anteils aus der Geldsendung aufrecht und täuschte vor, sie habe sie aus verschiedensten Gründen noch Geldbeträge zu leisten, um den Geldtransfer erfolgreich abschließen zu können. Der Angeklagte bestimmte jeweils die Termine und den Treffpunkt in Hamburg. Er nahm bei den einzelnen Treffen das von der Geschädigten übergebene Bargeld entgegen, welches sie jeweils im Vertrauen auf die Zusagen des Angeklagten leistete. Die Kontaktaufnahmen sowie die Kommunikation in Hamburg erfolgten in deutscher Sprache. Der Angeklagte sprach dabei gebrochen deutsch bzw. mit erheblichem Akzent. Die Telefonate wurden sowohl mit der Geschädigten als auch mit ihrem Ehemann geführt. Bei den ersten vier Fahrten begleitete der Zeuge Alfons Sch… die Geschädigte. Die fünfte Fahrt unternahm die Geschädigte alleine.
1. Fahrt
Der Angeklagte kontaktierte die Geschädigte erstmals zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 02.09.20218 telefonisch, um mit ihr ein Treffen in Hamburg zu vereinbaren. Der Angeklagte täuschte dabei vor, sie könne das ihr versprochene Geld mitnehmen, müsse jedoch noch 3.500 € bezahlen. Am 02.09.2018 reiste die Geschädigte mit ihrem Ehemann zum ersten Mal nach Hamburg. Sie trafen den Angeklagten vor dem Hotel i5. budget Hamburg City, A2.strasse … in H.. Die Geschädigte übergab dem Angeklagten 3.500 € in bar in dem Glauben, das versprochene Geld nunmehr zu erhalten. Der Angeklagte forderte jedoch noch weitere 10.000 €, wobei er bewusst wahrheitswidrig angab, dass dieser Betrag zur Begleichung von Steuerzahlungen notwendig wäre, ohne die das transferierte Geld nicht übergeben werden könne.
2. Fahrt
Die Geschädigte reiste sodann am 07.09.2018 erneut mit ihrem Ehemann nach Hamburg in das gleiche Hotel. Bereits vor dem Hotel übergab die Geschädigte dem Angeklagten 10.000 € in bar, um nach Begleichung der Steuerschulden das versprochene Geld in Empfang zu nehmen. Der Angeklagte führte die Geschädigte sowie den Zeugen Alfons Sch… in das Zimmer mit der Nummer … und legte dort drei schwarz eingefärbte 100 $ – Scheine in einen Mülleimer, um anschließend Wasser und diverse andere Flüssigkeiten hinzuzugeben. Die schwarze Farbe löste sich dadurch von den Geldscheinen. Nachdem diese getrocknet waren, überließ der Angeklagte die Geldnoten der Geschädigten und forderte sie auf, diese in einer Wechselstube in Euro umzutauschen, was sie dann auch erfolgreich ausführte. Der Angeklagte gaukelte der die Geschädigte vor, das gesamte Geld sei schwarz eingefärbt. Sie müsse daher für die notwendigen Reinigungsflüssigkeiten noch weitere 20.000 € bezahlen.
3. Fahrt
Am 14.09.2018 fuhr die Geschädigte ein drittes Mal mit dem Zeugen Alfons Sch… nach Hamburg, um dem Angeklagten 20.000 € für die angeblichen Reinigungsmittel der Geldscheine zu übergeben. Die Geschädigte, ihr Ehemann sowie der Angeklagte trafen sich erneut bei dem Hotel und fuhren anschließend gemeinsam in dem Pkw der Zeugen Sch… in die Nähe der „Kita Sonnenschein“, Bullenhuser Damm in Hamburg. Der Angeklagte versicherte, dass sich hier in der Nähe die Firma befinde, in welcher die Geldscheine gewaschen werden sollten. Nachdem die Geschädigte dem Angeklagten 20.000 € für den Kauf der Reinigungsmittel übergeben hatte, verließ der Angeklagte den Pkw und bat die Geschädigte zu warten. Nach einigen Stunden rief der Angeklagte die Geschädigte an, woraufhin sie mit ihrem Ehemann zu dem Treffpunkt „Kita Sonnenschein“ fuhr. Dort übergab der Angeklagte der Zeugin Sch… in einem Kuvert zehn 100 $-Scheine und erläuterte dabei, dass es noch Scheine mit roten Flecken gebe; die Scheine müßten noch gereinigt werden. Die Geschädigte erhielt die versprochene Geldsumme abermals nicht und fuhr mit dem Zeugen Alfons Sch… nach Hause. Neun der insgesamt zehn $ – Noten tauschte die Geschädigte bei ihrer Hausbank um. Auf einer der 100 $ – Note befanden sich noch rote Flecken. Diese Geldnote stellte die Geschädigte später der Polizei zu Untersuchungszwecken zur Verfügung. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine echte Geldnote handelte.
4. Fahrt
Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 14.09.2018 und dem 19.09.2018 rief der Angeklagte unter der Legende „Bruce Paulo“ erneut bei der Geschädigten an und bat sie wiederum, 8.000 € für Reinigungsmittel zu überbringen, um die noch vorhandenen roten Flecken zu entfernen. Daraufhin reiste die Geschädigte schließlich am 19.09.2018 gemeinsam mit dem Zeugen Alfons Sch… nach Hamburg. Gemeinsam mit dem Angeklagten fuhren sie erneut zu der angeblichen Firma des Angeklagten, in welcher die Scheine gewaschen werden sollten. Die Geschädigte übergab dem Angeklagten im Vertrauen darauf zunächst 8.000 € für die angeblichen Reinigungsmittel, bevor er weitere 800 € für die „Security“ forderte. Die Geschädigte hob sodann in Hamburg bei einer Bank 800 € ab und übergab den Geldbetrag zusammen mit einem mitgeführten Rollkoffer dem Angeklagten in der Nähe der angeblichen Firma. Den versprochenen Geldbetrag erhielt die Geschädigte, wie von dem Angeklagten beabsichtigt, nicht. Der Angeklagte erklärte ihr nunmehr stattdessen, es nicht möglich, einen Geldbetrag über 500.000 € ohne Weiteres nach Deutschland zu verbringen. Die Geschädigte trat abermals mit ihrem Ehemann unverrichteter Dinge die Heimreise an.
Kontoeröffnung/5. Fahrt
Zwischen dem 19.09.2018 und dem 26.09.2018 forderte der Angeklagte die Geschädigte auf, bei der „C8. A5. Bank“ in der Schweiz ein Konto zu eröffnen, und täuschte dabei vor, die Gesamtsumme in Höhe von 7,2 Mio $ wurde auf diesem Konto für die Geschädigte gutgeschrieben. Am 26.09.2018 erhielt die Geschädigte von der E-Mailadresse info@c8..com eine E-Mail, in der ihr mitgeteilt wurde, dass von einem „Lucas Pandus“ 7.2 Mio. $ bzw. 6.118.027,20 Euro für ihren Namen gutgeschrieben wurden. Die Geschädigte wurde in der E-Mail aufgefordert, ein Konto zu eröffnen. Am 27.09.2018 druckte die Geschädigte die der Email angehängten Vordrucke aus, füllte sie aus und übersandte sie an die angebliche Bank per E-Mail. Wie der Angeklagte wusste, existiert diese Bank nicht. Der Angeklagte wollte die Geschädigte über den Geldeingang täuschen, um ihr Vertrauen auf den Erhalt der versprochenen Geldleistung zu stabilisieren.
Im weiteren Verlauf telefonierte die Geschädigte mit einer männlichen Person, die sich als Steuerberater ausgab. Diese bisher unbekannte Person spiegelte der Geschädigten vor, sie habe noch Steuern zu entrichten, wenn sie das Geld von dem schweizerischen Konto auf das Konto bei ihrer Hausbank transferieren wolle. Die Geschädigte überwies sodann 4.000 € und 6.000 € über eine R2b3 auf ein Konto, für das ihr die Daten übermittelt worden waren, und fuhr schließlich am 19.10.2021 allein mit dem Zug nach Hamburg, um dem Angeklagten weitere 2.250 € für angebliche Steuerzahlungen zu überreichen. In Kenntnis dieser Umstände hatte der Angeklagte die Geschädigte zuvor angerufen und ihr unter Bezugnahme auf die angebliche Steuerzahlung den Treffpunkt genannt. Die Geschädigte traf sich mit dem Angeklagten am Hauptbahnhof in Hamburg, folgte ihm in eine Seitenstraße und händigte ihm den Geldbetrag in Höhe von 2.250 € in bar aus. Zu einem Geldtransfer auf ein Konto der Geschädigten kam es, wie dem Angeklagten von vorn herein bewusst war, nicht.
Der Angeklagte meldete sich letztmals im November 2019 telefonisch bei der Geschädigten. Er versprach ich dabei, dass der Geldkoffer nunmehr in Hamburg sei und sie ihn erhalten könne, wenn sie nochmals 400 € zahle. Zu weiteren Zahlungen seitens der Geschädigten kam es nach dem 19.10.2018 jedoch nicht mehr.
Insgesamt nahm der Angeklagte in Hamburg von der Geschädigten 44.550 € in bar entgegen.
Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte einen Anteil der von der Geschädigten übergebenen Beträgen an den oder die unbekannten Mittäter weitergab.
Der Angeklagte handelte in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit mindestens einem unbekannten Täter. Der Angeklagte wollte durch sein Handeln den bei der Zeugin Sch… von dem/den unbekannten Täter(n) erregten Irrtum über einen Geldtransfer aus dem Ausland und einer Entlohnung für eine Unterstützung eines solchen Transfers aufrechterhalten, diesen Irrtum für seine eigenen Täuschungshandlungen nutzen und die Geschädigte damit zu möglichst vielen Zahlungen an ihn veranlassen. Der Angeklagte wusste, dass es einen Geldtransfer aus dem Jemen nicht gab und die Geschädigte kein Geld erhalten würde. Dem Angeklagten war bewusst, dass weder er noch sein(e) Mittäter auf die Zahlungen der Geschädigten Anspruch hatten.
Durch die Tatbegehung wollte sich der Angeklagte eine nicht nur vorübergehende nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen.
Der Angeklagte erklärte sich bei seiner Verhaftung am 23.09.2020 mit der formlosen Einziehung und Vernichtung seiner mitgeführten Mobiltelefone einverstanden.
Die Geschädigte hatte bereits im Jahr 2017 Anzeige gegen „Sandu“ bei der Polizei erstattet. Dabei wurde sie dahingehend belehrt, keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten, da es sich höchstwahrscheinlich um einen Betrug handele.
D. Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung.
Die Vorahndung ergibt sich aus dem den Angeklagten betreffenden Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 01.06.2021.
II. Vorgeschichte
Die unter C. 1. dargestellte Vorgeschichte ergibt sich aus der Aussage der Zeugin Rosa Sch… in der Hauptverhandlung. Die Zeugin erläuterte den dargestellten Sachverhalt, beginnend mit dem Verkaufsangebot des Güllefasses und der Kontaktaufnahme des „Dr. William Rogers“. Mit den Verfahrensbeteiligten sowie der Zeugin Sch… wurde in der Hauptverhandlung die Zahlungsaufstellung (Bl. 582/583 d.A.) in Augenschein genommen und es wurde diese verlesen. Aus dieser von der Zeugin selbst gefertigten Aufstellung, die sie als richtig bestätigte, ergeben sich chronologisch geordnet sämtliche Zahlungen, die Art und Weise der Übermittlung der Zahlung sowie den von der Tätergruppierung jeweils angegebenen angeblichen Grund für die Zahlungen. Diese Daten stimmten mit den im Selbstleseverfahren eingeführten Kontoauszügen (Bl. 54/69 d.A.) und Unterlagen von Finanzdienstleistern (Bl. 70/98) überein.
III. Festgestellter Sachverhalt
1. Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte äußerte sich in der Hauptverhandlung selbst nicht zum Tatvorwurf. Der Verteidiger erklärte, der Angeklagte habe keine E-Mails geschrieben, er sei niemals im Hotel I5. in Hamburg gewesen und habe das Ehepaar Sch… nie getroffen. Er habe kein Geld im Empfang genommen. Der Angeklagte äußerte zu dieser Verteidigererklärung, dass er nichts zu sagen habe.
2. Identifizierung des Angeklagten als in Hamburg aufgetretener Täter
a) Telefonnummer der Geschädigten S4. auf dem Mobiltelefon des Angeklagten
Die Polizeidirektion D3. – D4. führte unter dem Az.: … ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten, welches an die Polizeibehörden Hamburg abgegeben und dort unter dem Az.: … weitergeführt wurde.
Ausgangspunkt war dort eine Strafanzeige der Geschädigten Saleh M… die im Februar 2019 als Immobilienmaklerin von einem vermeintlichen Interessenten (Dr. A3. I.) für ein Haus per E-Mail angeschrieben wurde. Diese Person gab an, Arzt zu sein, der sich gerade in Syrien befinde, und das Haus auch ohne vorherige Besichtigung erwerben wolle. Der Kontakt sei ausschließlich per E-Mail erfolgt. Zusätzlich hätte er noch sein gesamtes Vermögen nach Deutschland verbringen wollen und habe die Geschädigte gebeten, ihm dabei zu helfen. Die Geschädigte willigte ein und sollte sich mit einem englischen Diplomaten „Ashton John“ in Hamburg treffen, um das Geld gegen die Zahlung einer Zollgebühr von 6000 € in Empfang zu nehmen. Das Treffen sei am 14.03.2019 im I5.-Hotel Hamburg erfolgt, jedoch sei der angekündigte „Ashton John“ nicht erschienen, sondern jemand, der sich als „Thomas Karami“ ausgegeben habe. Es handelte sich, wie im Nachhinein ermittelt werden konnte, um den Angeklagten O… Ch…. Die Geschädigte sei gemeinsam mit dem Angeklagten in die B2. straße zum angeblichen Zollamt gefahren, wo das Geld abgeholt werden sollte. Dort habe die Geschädigte dem „Thomas Karami“ 6.000 € übergeben, der dann weggegangen und kurz darauf ohne Geld wiedergekommen sei. Die Person habe der Geschädigten einen Umschlag gezeigt, in welchem ein Bündel schwarzer Scheine gewesen sei. Fünf der Scheine habe „Thomas Karami“ herausgenommen, sie in eine Flüssigkeit gelegt, woraufhin die schwarze Farbe restlos verschwunden sei. Danach habe die Geschädigte die Dollarscheine in einer Bank in Euro tauschen sollen. Das habe sie auch getan und drei Scheine davon für sich behalten. Den Rest habe der „Thomas Karami“ an sich genommen. Die Geschädigte habe weitere 70.000 € zahlen sollen, um das restliche Geld nach Deutschland zu bringen. Nachdem sie angegeben habe, dies nicht leisten zu können, sei sie wieder nach Hause gefahren. Die Geschädigte zeigte das Geschehen bei der Polizei an. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in Zusammenarbeit mit der Geschädigten gab es in ein weiteres Treffen mit dem Täter, in dem 30.000 € im Rahmen des sogenannten wash-wash Verfahrens in 60.000 € gewaschen werden sollten. Dieses Treffen wurden durch die Polizei begleitet. Die Geschädigte traf vereinbarungsgemäß den Täter am 22.01.2020 in Frankfurt, wo er durch Polizeibeamte festgenommen wurde. Die Person, die die Geschädigte im Hotel I5. Hamburg traf, sei identisch mit der festgenommenen Person in Frankfurt gewesen. Es handelt sich um den hier Angeklagten O… Ch….
Bei der Festnahme wurde das von dem dort Beschuldigten O… mitgeführte Handy sichergestellt und ausgewertet. Im Rahmen der Auswertung wurden zwei gelöschte Telefonnummern ermittelt, deren Anschlussinhaber zum einen ein Herr K… und zum anderen die in hiesigem Verfahren Geschädigte Rosa Sch… ist. Ferner konnte ermittelt werden, dass der Angeklagte vier Telefonnummern (…) verwendet.
Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 21.04.2021 unter dem Az.: … in Bezug auf die rechtskräftige Verurteilung des Amtsgerichts Rostock – …) gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Der diesem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatvorwurf ergibt sich aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerken der Polizeidirektion D3.-D4. vom 02.03.2020 und vom 06.03.2020 sowie aus dem verlesenen Schlussvermerk des LKA H1. vom 07.07.2020, dem verlesenen Vermerk des LKA H1. zur Auswertung des Mobiltelefons des Beschuldigten vom 21.07.2020 und der verlesenen Verfügung der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 21.04.2021.
Die Zeugin KHKin D… gab in ihrer Zeugenvernehmung ergänzend an, dass ein Ermittlungsersuchen der Staatsanwaltschaft Hamburg eingegangen sei. Bei der erfolgten Festnahme des Angeklagten sei ein Handy sichergestellt worden. Der Angeklagte habe 4 Handynummern aktiviert. Ein gelöschter Kontakt sei „Rosa Sch… gewesen. Die Zeugin KHK’in D… habe sodann die Geschädigte Sch… vorgeladen. Auf Vorhalt, ob sie eine der 4 Handynummern kenne, habe die Zeugin Rosa Sch… angegeben, dass sie die Nummern mit den Endziffern … und … oder … erkenne. Ferner sei der Zeugin die Alias-Personalie „Thomas Karami“ bekannt, da sie eine E-Mail von „Bruce Paulo“ erhalten habe, welche mit „Thomas Karami“ unterschrieben worden sei; darüber hinaus habe sie mit einem „Thomas Karami“ nichts zu tun gehabt.
Im Rahmen der Auswertung des E-Mail-Accounts der Zeugin Rosa S4. konnte eine Email vom 17.10.2019 um 10:20:41 Uhr von „bruce pauolo“ … an … mit folgendem Inhalt festgestellt werden:
Die Kammer konnte sich aus dem Umstand, dass die Telefonnummer der Geschädigten auf dem im Besitz des Angeklagten befindlichen Mobiltelefons – wenn auch im gelöschten Bereich – verzeichnet war, davon überzeugen, dass der Angeklagte die Telefonnummer der Geschädigten hatte und es für ihn damit möglich war, telefonisch Kontakt aufzunehmen. Aus dem der Verhaftung in Frankfurt zu Grunde liegenden Sachverhalt ergibt sich, dass er unter verschiedenen Legenden auftritt, unter anderem auch unter „Thomas Karami“, von welchem auch die Geschädigte Rosa Sch… eine E-Mail erhielt.
b) Identifizierung durch die Zeugen Rosa und Alfons Sch… auf der Wahllichtbildvorlage und in der Hauptverhandlung
Ausweislich der Schilderung der Zeugin KHKin D… konnten die Zeugen Rosa und Alfons Sch… den Angeklagten am 12.08.2020 auf einer Wahllichtbildvorlage als den „Bruce Paulo“, den sie in Hamburg getroffen hatten, identifizieren. Die Wahllichtbildvorlage wurde bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheleute Sch… durchgeführt. Auf einer A4 Seite befanden sich insgesamt acht Bilder. Die Kammer verkennt nicht, dass es vorzugswürdig ist, wenn dem Zeugen die Lichtbilder nicht gleichzeitig, sondern gem. Nr. 18 Abs. 2 und Abs. 3 RiStBV nacheinander (sequenziell) vorgelegt werden (BGH NStZ 2000, 419 = StV 2000, 603 L; NStZ 2011, 648; (NStZ 2012, 283 Rn. 6, beck-online). Die sequentielle Vorlage zeichnet sich dadurch aus, dass der Zeuge das Lichtbild von jeweils einer Person sieht und ihm nacheinander die Lichtbilder mehrerer Personen gezeigt werden (vgl. BGH Beschl. v. 9.3.2000 – 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419, 420). Der höhere Beweiswert einer solchen sequentiell durchgeführten Wahllichtbildvorlage beruht vor allem darauf, dass dem Zeugen in Ermangelung zeitgleich vorgelegter weiterer Lichtbilder die Identifizierung im Wege eines – in der Praxis häufig vorkommenden – Ausschlussverfahrens am Maßstab eines (relativen) Ähnlichkeitsurteils regelmäßig verschlossen ist. Der Zeuge kann und muss vielmehr bei jedem einzelnen Bild bzw. bei jeder einzelnen Person ausschließlich auf sein aktuelles Erinnerungsbild zurückgreifen (vgl. BGH Urt. v. 14.4.2011 – 4 StR 501/10, NStZ 2011, 648, 649; NStZ 2020, 499 Rn. 10, beck-online). Ferner wurde kein Protokoll über die Wahllichtbildvorlage bezüglich des Zeugen Sch… Alfons gefertigt.
Der Kammer ist der erheblich mindere Beweiswert der durchgeführten Wahllichtbildvorlage bewusst. Beweiswertmindernd kommt vorliegend noch hinzu – auch darüber ist sich die Kammer im Klaren -, dass die Eheleute bei der Vorlage gleichzeitig anwesend waren. Dennoch konnte sich die Kammer von der Wiedererkennung des Angeklagten seitens der Zeugen Sch… auf der Wahllichtbildvorlage überzeugen. Die Zeugin Rosa Sch… gab in der Hauptverhandlung an, sie habe den Angeklagten im Rahmen der Wahllichtbildvorlage sicher wiedererkannt. Die Zeugin KHK’in D… erinnerte, dass die Zeugin Rosa Sch… sich die Wahllichtbildvorlage ein paar Minuten angesehen habe, sich zuerst nicht sicher gewesen sei, ob „Bruce Paulo“ nicht auch die Nummer 4 gewesen sein könnte, dann aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Nummer 3 als Täter identifiziert habe. Die Zusammenstellung der Wahllichtbilder sei durch das zuständige Fachkommissariat erfolgt.
Auch in der Hauptverhandlung selbst bestätigte die Zeugin Rosa Sch… dass es sich bei dem Angeklagten um die Person „Bruce Paulo“ handelt. Die Zeugin konnte den Angeklagten identifizieren, obwohl dieser – ausschließlich während der Zeugenvernehmung der Zeugin Rosa Sch… – eine dunkle Sonnenbrille trug, die seine Augen verdeckte. Der Zeugin wurde in der Hauptverhandlung ihre Personenbeschreibung des „Bruce Paulo“ anlässlich ihrer Zeugenaussage vom 15.04.2019 vorgehalten, wonach es sich bei „Paulo“ um einen dunkelhäutigen Mann, nicht um einen Schwarzafrikaner, der ca. 35 bis 40 Jahre alt sein dürfte, handele. Sie habe – so ihre damalige Aussage – auch ein Lichtbild von ihm (Bl. 5 d.A.). Die Zeugin erläuterte, sie besitze definitiv kein Lichtbild von „Bruce Paulo“ und habe auch nie eines gehabt. In der Hauptverhandlung äußerte die einvernommene Polizeibeamtin KHKin D… dahingehend den Verdacht, dass es sich um ein Übermittlungsfehler in der Zeugenvernehmung vom 15.04.2019 handeln könnte. Sie gehe eher davon aus, dass „Sandu“ mit der Beschreibung gemeint sein dürfte. Die Zeugin Sch… habe bereits in einem Vorgespräch zu ihr gesagt, dass sie kein Bild von „Bruce“ besitze. Letztlich konnte die Diskrepanz um das (nicht) vorhandene Bild nicht aufgeklärt werden.
Hinsichtlich des Zeugen Alfons Sch… berichtete die KHK’in D… der Hauptverhandlung, dass er nach der Zeugin Rosa Sch… hinsichtlich der Wahllichtbildvorlage befragt wurde. Für ihn sei es sofort klar gewesen, dass es sich bei dem in Hamburg angetroffenen „Bruce Paulo“ um die Nummer 3 der Wahllichtbildvorlage handele. Er habe es an der markanten Augenstellung und den Lippen erkannt. Der Zeuge Alfons Sch… bestätigte in der Hauptverhandlung, ohne Zögern Nummer 3 als die in Hamburg getroffene Person „Bruce Paulo“ wiedererkannt zu haben. Auch die Zeugin KHKin D… berichtete, der Zeuge Alfons Sch… habe den Angeklagten auf der Wahllichtbildvorlage sofort und zweifelsfrei erkannt.
Auch in der Hauptverhandlung erkannte der Zeuge Sch… Alfons den Angeklagten als „Bruce Paulo“ wieder. Dabei betrachtete er den Angeklagten, bemerkte dann, dass der Angeklagte etwas an Gewicht zugenommen habe, ihn jedoch insbesondere an der Augen wiedererkenne. Der Zeuge fügte an, er habe, um sich den „Bruce Paulo“ einzuprägen, insbesondere auf die Augenpartie konzentriert, da man dann bei einer Wiedererkennung nicht so leicht durcheinanderkomme, wie wenn man versuche sich alles einzuprägen. Die Augen und hier die Augenstellung und die Augenlidform seien für ihn markant gewesen; daran erkenne er den Angeklagten zweifelsfrei wieder. Die Augen stünden weit auseinander; weiter als beispielsweise die Augen des Verteidigers. Er erkenne den Angeklagten auch am Maß der Ohren, wenngleich er sich dieses Merkmal nicht so gut eingeprägt habe wie die Augen. Der „Bruco Paulo“ habe in Hamburg zwar ein Cap getragen, jedoch sei dies nicht in das Gesicht gezogen gewesen.
Der Zeuge konnte schließlich den Angeklagten auch zuordnen, gleichwohl neben dem zivil gekleideten Angeklagten der Dolmetscher, ebenfalls eine dunkelhäutige Person, die mit T-Shirt bekleidet war und eine Glatze trug, saß.
Alfons Sch… wurde in der Hautverhandlung ein Aktenvermerk vorgehalten, nach dem er den in Hamburg getroffenen „Bruce Paulo“ dahingehend beschrieb, dass er vom Aussehen her aus einer niederländischen Überseekolonie stammen könne. Der Zeuge erklärte, dass er den Angeklagten nicht – soweit man dies sagen dürfe – als „Neger“ bezeichnen würde. Unter einem „Neger“ stelle er sich einen großen Mann mit gekrausten Haaren und großen Lippen vor. Den Angeklagten würde er als Person mit dunkler Hautfarbe, eben wie aus einer niederländischen Überseekolonie, beschreiben. Gefragt nach weiteren Auffälligkeiten berichtete der Zeuge davon, dass der „Bruce Paulo“ mit seiner Hand stets in der Jackentasche mit einer Tüte gespielt habe.
c) Stimmenvergleich durch KHK’in D…
Der Zeugin KHK’in D… wurden in der Hauptverhandlung zwei von der Zeugin Rosa Sch… gefertigte Aufzeichnungen von Telefonaten zwischen ihr bzw. dem Zeugen Alfons Sch… und dem „Bruce Paulo“ vorgespielt. Die Zeugin KHKin D… erklärte, sie habe eine relativ kurze Unterredung mit dem Angeklagten in der JVA gehabt. Hinsichtlich des ersten Telefongesprächs könne sie zum Gesprächspartner „Bruce Paulo“ keine Angaben machen. Bei dem zweiten Telefongespräch könne sie hingegen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Stimmengleichheit zwischen dem Angeklagten und dem Gesprächspartner erkennen. Zwar habe der Angeklagte in der JVA Englisch gesprochen, während „Bruce Paulo“ in dem Telefonat gebrochen deutsch spreche. Sie erkenne jedoch die Tonlage und den Tonfall wieder beim Insistieren auf einem Verlangen sowie beim In-das-Wort-Fallen.
d) Deutschkenntnisse des Angeklagten
Die Zeugen Rosa und Alfons Sch… erläuterten in der Hauptverhandlung, die Stimme des „Bruce Paulo“, mit welchem telefonischer Kontakt bestand, sei identisch mit der Stimme des „Bruce Paulo“ gewesen, mit welchem sie sich in Hamburg getroffen hätten. Die Zeugen gaben übereinstimmend an, dass „Bruce Paulo“ deutsch gesprochen hätte. Der Zeuge Alfons Sch… konnte dies an demselben Tonfall, nicht hektisch, nicht laut, jedoch überzeugend und überlegt erklären. „Bruce Paulo“ habe Deutsch gesprochen, nicht fließend, aber man habe sich inhaltlich verständigen können.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, um mit den Zeugen Rosa und Sch… wie festgestellt, zu kommunizieren.
Der Angeklagte äußerte sich in der Hauptverhandlung nicht. Auch für Erklärungen zu den persönlichen Verhältnissen bediente er sich des Dolmetschers. Der Zeuge Kriminalkommissar M… der den Angeklagten am 23.09.2020 in Lübeck festnahm, schilderte die Umstände der Festnahme bei dem Arbeitgeber des Angeklagten. Als der Angeklagte den Polizeibeamten erkannt habe, sei er zunächst geflüchtet und über einen Zaun gesprungen, wo er sodann liegend in einem Gebüsch festgenommen worden sei. Es habe eine kurze Unterredung des Zeugen mit dem Angeklagten gegeben, bei welcher der Zeuge den Angeklagten gebeten hätte, über den Zaun zu steigen. Der Zeuge habe den Angeklagten sodann belehrt und ihm im Dienstfahrzeug den Haftbefehl vorgelegt, den der Angeklagte durchgelesen habe. Vorsorglich habe der Zeuge den Angeklagten auf Deutsch und Englisch belehrt. Auf dem Polizeipräsidium habe der Angeklagte mitgeteilt, dass er seinen Rechtsanwalt und seine Freundin informieren wolle. Die Verständigung sei größtenteils auf Deutsch abgelaufen. Der Angeklagte habe auf Deutsch geantwortet. Ein alltägliches Gespräch auf Deutsch sei mit dem Angeklagten möglich gewesen. Der Zeuge hätte den Eindruck gehabt, dass sich der Angeklagte auf Deutsch ausdrücken könne, wenn auch in gebrochenem Deutsch bzw. mit erheblichem Akzent.
An der Glaubhaftigkeit der Aussage des Polizeibeamten bestehen keine Zweifel. Die Kammer konnte sich davon überzeugen, dass Gespräche auf Deutsch mit dem Angeklagten, wie von den Zeugen Sch… beschrieben, in sprachlicher Hinsicht stattgefunden haben können.
3. Einbindung des Angeklagten in die Legende „Bruce Paulo“
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte in die Legende des „Bruce Paulo“ eingebunden war. Aus den mit dem Ehepaar Sch… geführten Gesprächen ergibt sich, dass der Angeklagte jedenfalls von dem Kern der der Geschädigten unterbreiteten Geschichte Kenntnis hatte. Er wusste, dass der Geschädigten Rosa Sch… lein hoher Geldbetrag versprochen wurde, der ihr niemals ausgezahlt wird. Sein Ziel war es, mit der Geschädigten Treffen in Hamburg zu vereinbaren und unter weiteren Vorwänden möglichst viel Geld von ihr zu erlangen, auf welches er keinen Anspruch hatte.
Das Smartphone Huawei (Asservat 1.2.) wurde bei dem Angeklagten im Rahmen der Festnahme am 23.09.2020 beschlagnahmt und durch die Firma c2.-it-oHG ausgewertet. Die Niederschrift der Beschlagnahme vom 23.09.2021 (Bl. 432 d.A.) wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Auf dem Smartphone finden sich WhatsApp – Protokolle die darauf schließen lassen, dass der Angeklagte die Legende des „Bruce Pauolo“ kannte.
Am 18.10.2018 um 14:51 Uhr schrieb eine unbekannte Person unter der Kennung „… Chief Wasup“ an den Angeklagten mit der Kennung „… chidioha73“:
Surname: Bruce First Name: Paulo
Am 20.11.2018 um 10:15 Uhr schrieb der Angeklagte an die Kennung „Chief Wasup“ die Mitteilung:
Surname: Bruce First Name: Paulo
Schließlich schrieb „Chief Wasup“ an den Angeklagten am 20.12.2019 um 17:20 Uhr:
Name: paulo Surname Bruce
Die Chatprotokolle wurden im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt. Der Kammer ist bewusst, dass die hier aufgezeigten Nachrichten nach den jeweiligen Geldübergaben in Hamburg stattgefunden haben. Sie lassen jedoch darauf schließen, dass dem Angeklagten der Name „Bruce Paulo“ mitgeteilt wurde und ihm daher vertraut ist.
Die Einbindung in die Legende lässt sich auch dadurch erkennen, dass mit Nachricht vom 26.09.2018, 15:30 Uhr „Chief Wasup“ dem Angeklagten schreibt:
Ask the woman if C8. A5. Bank Switzerland has contacted her.
Die Zeugin Rosa Sch… erinnerte sich in der Hauptverhandlung daran, dass der Angeklagte ihr gesagt hätte, das Geld sei auf einem Konto in der Schweiz eingezahlt worden. „Bruce“ habe sie dazu angeleitet, dort auch ein Konto zu eröffnen, was sie dann am 27.09.2018 getan habe. Sie habe ein ihr übermitteltes Formular ausgefüllt und es direkt an die angebliche Bank übersandt. Die Unterlagen der Kontoeröffnung wurden mit der Zeugin und den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und verlesen. Die Zeugin Rosa Sch… bestätigte, dass es sich dabei um den ihr übermittelten und von ihr ausgefüllten Antrag auf Kontoeröffnung bei der vermeintlichen C8. A5. Bank in Z. handelt. Die ermittelnde Polizeibeamtin KHKin D… bestätigte in ihrer Zeugenaussage, dass die Bank nicht existiert.
Lediglich ein Tag nach der oben erwähnten Nachricht des „ChiefWasup“ leitete die Geschädigte unter der Email Adresse „…“ dem „Bruce Pauolo“ unter der Adresse „b…@gmail.com“ folgende Nachricht der „C8. A5. Bak“ weiter:
Von: „C8. A5. Bank“ An: „…“ Cc: Gesendet: Mi., Sep. 26, 2018 at 20:15 Betreff: C8. A5. Bank. C8. A5. Bank. Head Office: B3.strasse …, … Z., Switzerland. Att: Rosa Sch…, We have received the deposit confirmation on your behalf from Mr, Lucas Pandus, to further credit your account to the total sum of 7.200.000 United States $ equals 6.118.027,20 Euro, according to the index conversion rate of today, in this regards you are to fill and return to us our payment account opening form attached below for your perusal and also a copy of your international passport or any form of identification will be needed, once you are done filling out our payment application form your online account details be created for transfers within 24 hours of your online account set up Best Regards. Carinna Deigo C8. A5. Bank Customer Contact Center Switzerland. Tel: +41 91 700 81.
Am 26.09.2018 um 15.30 Uhr weist demnach „Chief Wasup“ den Angeklagten an, die Frau zu fragen, ob die C8. A5. Bank sie kontaktiert habe. Am selben Tag um 20.15 Uhr bekommt die Geschädigte eine E-Mail der nicht existenten Bank mit der Aufforderung, ein Konto zu eröffnen, und der Täuschung, dass auf ihren Namen Geld einbezahlt wurde. Schon aufgrund des engen zeitlichen Moments ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte auch in das Tatgeschehen um die Kontoeröffnung eingebunden war und diesbezüglich Weisungen einer bisher unbekannten Person erhielt.
4. Querverbindung zu „Lucas Pandus“
Die Zeugen Rosa und Alfons Sch… bestätigten in der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte den oben beschriebenen wash-wash-trick am 07.09.2018 in dem Hotelzimmer mit der Zimmernummer … durchführte. Die Zeugen Sch… gaben beide an, den Angeklagten vor dem Hotel getroffen und von ihm in dieses Zimmer geführt worden zu sein, für das der Angeklagte einen Schlüssel bzw. Zugangskarte besessen habe. Die Zeugin KHK’in D… erläuterte, Ermittlungen bezüglich der Zimmernummer hätten ergeben, dass eine Person unter dem Namen „Lucas Pandus“ im Zeitraum 07.09.2018 bis 08.09.2018 das Zimmer 403 angemietet hätte. Ermittlungen zu „Lucas Pandus“, der derzeit zur Fahndung ausgeschrieben sei, führten zu einem Ermittlungsverfahren, welches die Staatsanwaltschaft Koblenz unter dem Az.: … gegen einen „Lucas Pandus“ führte.
Gegenstand der diesbezüglich in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Ermittlungsakte war folgender Sachverhalt:
Die im dortigen Verfahren Geschädigte und Anzeigeerstatterin Myrah H… sei im Rahmen der Suche nach einer Arbeitsstelle im Internet auf einen Engländer namens „Lucas Pandus“ gestoßen. Dieser habe der Geschädigten angeboten, sie als Kindermädchen für seine in Deutschland lebenden Kinder einzustellen. Zusätzlich müsse sie auch Ware annehmen und an eine andere Adresse weiterleiten. Die Geschädigte habe gesagt, dass sie es machen würde, jedoch nur, wenn sie für die Waren das Geld im Voraus bekommen würde, um die Rechnungen direkt begleichen zu können. Weiter habe sie ihre persönlichen Daten angeben müssen. Irgendwann habe die Geschädigte dann einen Anruf eines angeblichen Diplomaten erhalten, welcher im Zollamt in Hamburg festgehalten würde. Dieser hätte Geld von dem „Lucas Pandus“ für die Geschädigte dabei. Damit solle sie den Kindern eine Wohnung kaufen. Es handele sich um 200.000 €. Jedoch benötige er jetzt dringend 17.000 €, um vom Zoll freigelassen zu werden. Er habe auch ein Foto seines Diplomatenausweises geschickt. Die Geschädigte habe sodann zweimal jeweils 1.000 € an ein vom Diplomaten angegebenes online-Kreditkonto der R2B3 AG überwiesen. Die Geschädigte habe dabei, was sich aus einem Screenshot auf dem Mobiltelefon der Geschädigten ergibt, folgende Nachricht erhalten: „Name.lucas pandus, R2B3 prepaid MasterCard, nr, 5…6. Sie laden nur in R2B3 und nur 1 Euro provision für jeden Betrag“
Auf dem Smartphone Huawei (Asservat 1.2.), welches im hiesigen Ermittlungsverfahren bei dem Angeklagten im Rahmen der Festnahme am 23.09.2020 sichergestellt und durch die Firma c2.-it-oHG ausgewertet wurde, konnte folgende Konversation festgestellt werden:
Am 21.08.2020 um 06:48 Uhr schrieb der Angeklagte mit der Kennung … an eine unbekannte Person unter der Kennung … Okay New:
„Name.lucas pandus, R2B3 prepaid MasterCard, nr, 5…6. Sie laden nur in R2B3 und nur 1 Euro provision für jeden Betrag“
Die Whats-App-Kommuniukation wurde im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt. Es handelt sich um identische Nachrichten. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Angeklagte zumindest auch in die Legende „Lucas Pandus“ eingeweiht war.
5. Gesamtwürdigung
Bei Zusammenschau der aufgezeigten einzelnen Indizien ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei der Person unter der Legende „Bruce Paulo“, die mit den Geschädigten telefonisch kommunizierte und sich mit ihnen sodann in Hamburg traf, um dieselbe Person, nämlich den Angeklagten handelt. Die Kammer bemisst dabei der Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugen Sch… anhand der Wahllichtbildvorlage und auch in der Hauptverhandlung ebenso wie der Stimmenidentifizierung durch die Zeugin KHK’in D… nur geringen Beweiswert zu. Die Kammer konnte die Überzeugung vielmehr durch eine Gesamtschau der einzelnen Indizien, insbesondere unter Berücksichtigung der objektiven Beweismittel (Ziffer 2a. und 3.) gewinnen. Soweit der Angeklagte im Rahmen des Schlussvortrages des Verteidigers auf dessen Bitte die (coronabedingt) getragene Maske entfernte, die Oberlippe mit den Fingern nach oben zog und auf eine mittige Zahnlücke hinwies, welche die Zeugen nicht beschrieben hätten, ist dieser Umstand nicht geeignet, Zweifel an der Identifizierung des Angeklagten als Täter zu begründen. Diese Zahnlücke war der Kammer zuvor nicht aufgefallen, obwohl der Angeklagte teilweise keine Maske trug. Die Kammer konnte nicht feststellen, dass die Zahnlücke des Angeklagten ohne ein Hochziehen der Oberlippe offensichtlich erkennbar ist. Daher ist dieser Umstand auch nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen Sch… zu erschüttern.
6. Geschehnisse in Hamburg
Die Feststellungen zu den Geschehnissen in Hamburg stützt die Kammer insbesondere auf die Zeugenaussagen der Rosa und Alfons Sch…
Die Zeugin Rosa Sch… erinnerte sich in der Hauptverhandlung daran, dass die 1. Fahrt nach Hamburg am 04.09.2018 oder 05.09.2018 gewesen wäre. „Bruce“ habe sie angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie bei Zahlung von 3.500 € den ihr versprochenen Geldbetrag mitnehmen könne. Sie hätten in Hamburg ein Zimmer reserviert. Sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann mit dem Pkw gefahren. Das Geld habe sie dem Bruce im Hotel gegeben. Sie seien dann einige Tage später erneut nach Hamburg gefahren. Sie hätten dem Angeklagten 10.000 € zur Begleichung von Steuern gegeben. Bei diesem Treffen hätte der Angeklagte im Zimmer mit der Zimmernummer … schwarz eingefärbte Geldscheine mit sich geführt. Er habe die gefärbten Geldscheine in den Mülleimer gelegt und dazu mehrere Flüssigkeiten gegeben. Daraufhin habe er drei 100 $ Scheine gewaschen. Sie habe dann die Scheine in einer Wechselstube in Euro umgetauscht. In einem weiteren Telefonat habe er 20.000 € für Reinigungsmittel von ihr verlangt. Die 3. Fahrt sei ebenfalls im September gewesen. Sie hätten sich mit dem Angeklagten vor dem Hotel getroffen und seien dann gemeinsam zu seiner angeblichen Firma gefahren. Nachdem sie ihm die 20.000 € übergeben habe, hätte er ihnen versprochen, von diesem Geld die Chemikalien für die Reinigung zu kaufen. Nach einer gewissen Zeit habe er sie erneut kontaktiert. Er habe ihr dann zehn 100 $-Scheine mit der Bemerkung übergeben, dass noch einige Scheine rote Flecken hätten. Neun dieser Scheine habe sie bei ihrer Bank umgetauscht. Auf einem Schein seien tatsächlich rote Flecken gewesen. Diesen Schein habe sie der Polizei übergeben. Der Angeklagte habe sie erneut angerufen und erneut 8.000 € für Mittel bezüglich der Reinigung der roten Flecken verlangt. Bei dem vierten Treffen in Hamburg habe sie dem Angeklagten neben den 8.000 € zusätzlich einen Rollkoffer ihrer Tochter übergeben, sodass das versprochene Geld dort hineingelegt werden könne. Bei diesem Treffen hätte der Angeklagte weitere 800 € für „Security“ verlangt, die sie sodann in Hamburg an einem Geldautomaten abgehoben und ihm übergeben habe. Der Angeklagte habe abends erneut angerufen und mitgeteilt, dass es nicht möglich sei, mehr als 500.000 € über die Grenze nach Deutschland zu verbringen. Sie seien dann wieder abgereist und hätten den Koffer auch nicht mehr zurückbekommen. In einem weiteren Telefonat mit dem Angeklagten habe dieser ihr mitgeteilt, dass 7.2 Millionen $ auf einer Bank in Z. eingezahlt worden seien. Sie habe daraufhin auf dessen Veranlassung am 27.09.2018 ein Konto bei dieser Bank eröffnet. Ein Steuerberater habe sie sodann kontaktiert, um ihr mitzuteilen, dass weitere Steuerzahlungen notwendig wären, wenn sie das Geld zu ihrer Hausbank transferieren wolle. Sie habe sodann insgesamt 10.000 € (6.000 € und 4.000 €) über eine R2b3 nach Hamburg überwiesen. Weitere 2.250 € habe sie bei dem letzten Treffen mit dem Angeklagten am 19.10.2018 in Hamburg übergeben habe. Sie sei dorthin alleine mit dem Zug gefahren. Nachdem sie den Angeklagten am Hauptbahnhof getroffen hätte, seien sie in eine Seitenstraße gegangen wo sie ihm dann das Geld in Höhe von 2.250 € für Steuerzahlungen übergeben habe. Ein letztes Telefonat mit dem Angeklagten habe es im November 2019 gegeben. Das Geld – so die Auskunft in diesem Telefongespräch – sei nunmehr in Hamburg und sie könne es gegen eine Zahlung von 400 € in Empfang nehmen. Sie habe aber keine Zahlungen mehr geleistet.
Der Zeuge Alfons Sch… gab in der Hauptbehandlung an, er habe vermutlich erst Ende 2017 aufgrund von festgestellten Unregelmäßigkeiten auf seinem eigenen Bankkonto davon Kenntnis erlangt, dass Geldzahlungen durch seine Ehefrau geleistet wurden. Er habe seine Ehefrau mehrmals nach Hamburg begleitet, da es für ihn wichtig gewesen sei, aufgrund der langen Strecke einen Fahrerwechsel vorzunehmen. Seine Frau habe an einen Geldtransfer aus dem Jemen und den Erhalt eines Anteils an diesem Geld fest geglaubt; sie sein nicht mehr zu bremsen gewesen. Er habe die Tankrechnungen von den insgesamt 4 Fahrten im September 2018 mit dem Pkw nach Hamburg aufgehoben. Er habe mitbekommen, dass seine Ehefrau von „Bruce Paulo“ angerufen worden sei. Bei diesen Gesprächen sei es um Beträge und Treffpunkte bzw. Terminvereinbarungen gegangen. Er habe das Telefon von seiner Ehefrau auch teilweise übernommen und mit „Bruce Paulo“ telefoniert. Der Angeklagte hätte das Hotel, in welchem sie sich getroffen hätten, vorgeschlagen. Erinnerlich war dem Zeugen insbesondere, wie der Angeklagte im Zimmer mit der Nummer … aus einem Kuvert drei 100 $ Scheine, die schwarz eingefärbt gewesen wären, in einen Mülleimer legte um diese dort durch Zugabe von Wasser und zwei weiteren verschiedenen Flüssigkeiten zu waschen. Die Farbe habe sich sodann von den Geldnoten gelöst. Er sei beeindruckt von dieser Vorführung gewesen. Der Zeuge erinnerte sich daran, dass es für ihn den Anschein gemacht habe, als ob der Angeklagte dies täglich machen würde. Seine Ehefrau habe diese Banknoten in einer Wechselstube eingelöst. Er sei mindestens dreimal gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem Angeklagten zu einer Kindertagesstätte „Kita Sonnenschein“ gefahren, da sich dort in der Nähe die Firma befunden haben soll, in welcher das Geld gewaschen werde. Einmal hätten sie dem Angeklagten dort auch einen Rollkoffer übergeben. Seine Ehefrau habe einmal von dem Angeklagten zehn 100 $-Scheine erhalten, wobei ein Schein rote Flecken gehabt habe, der dann später der Polizei übergeben worden sei. An die genauen übergebenen Geldbeträge konnte sich der Zeuge nicht erinnern, auf Vorhalt der Beträge gab er jedoch an, dass er sich an die übergebenen 20.000 € erinnere.
Das Gericht hat keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussagen. Im Kerngeschehen sind die Angaben der Zeugen widerspruchsfrei. An besonders eindrucksvolle Gegebenheiten erinnerten sich die Zeugen noch sehr gut, wie zum Beispiel die für sie beeindruckende „Wäsche“ der eingefärbten 100 $-Noten in dem Hotelzimmer. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Tat schon geraume Zeit zurückliegt und dem Gesamtgeschehen ein relativ komplexer Tatablauf über mehrere Jahre zugrunde liegt. Die Zeugin Rosa Sch… machte sich jedoch Aufzeichnungen von dem Tatgeschehen, auf welche sie in der Hauptverhandlung hinsichtlich einzelner Daten und Beträge zurückgriff. Im Übrigen erstattete sich nach entsprechender Aufforderung des Gerichts freien Bericht. Die Kammer verkannte bei Würdigung der Zeugen als Beweismittel auch nicht, dass infolge der gleichzeitigen Anwesenheit beider Zeugen bei deren Aussage bei der Polizei ein geminderter Beweiswert einzupreisen ist. Die Kammer konnte in der Hauptverhandlung jedoch feststellen, dass beide Zeugen Erinnerungslücken und fehlendes Wissen deutlich machten, ebenso Unsicherheiten in der Erinnerung.
Die einzelnen Fahrten nach Hamburg konnten zudem durch Verlesen und Inaugenscheinnahme der durch den Zeugen Alfons Sch… übersandten Tankbelege festgestellt werden. Darüber hinaus wurde die Rechnung des Hotels i5. budget, A2.strasse … in Hamburg betreffend die Übernachtung der Zeugen Sch… vom 02.09.2018 ebenso wie die vorgenannte von der Zeugin Sch… gefertigte Zahlungsaufstellung, auf welcher sie notiert hatte, wann sie welche Zahlungen in diesem Gesamtkomplex geleistet hatte, in Augenschein genommen und verlesen.
7. Irrtumsbedingte Vermögensverfügung
Die Zeugin Rosa Sch… räumte selbst in ihrer Zeugenaussage ein, dass sie bereits im Jahr 2017 eine Anzeige bei der Polizei gegen „Sandu“ gemacht habe. Sie sei bereits damals beraten worden, keine Zahlungen mehr zu leisten. Sie sei jedoch weiterhin fest davon überzeugt gewesen, den ihr versprochenen Anteil zu erhalten. Dies bestätigte auch der Zeuge Alfons Sch…. Seine Frau sei nicht mehr zu bremsen gewesen. Er habe zu ihr gesagt, alle mit ihr in dieser Sache kommunizierenden Personen würden gerade an einem Tisch sitzen und sich beraten, wer sich als nächstes bei ihr melde. Man habe mit seiner Frau jedoch diesbezüglich nicht reden können, man habe vielmehr wie gegen eine Wand geredet.
8. Einverständnis mit der Vernichtung der Mobiltelefone
Die Niederschrift, bei welcher sich der Angeklagte mit der Vernichtung der bei seiner Verhaftung am 23.09.2020 mitgeführten Mobiltelefone einverstanden erklärte, wurde in der Hauptverhandlung verlesen (Bl. 432/433 d.A.).
E. Rechtliche Würdigung
I. Vorgeschichte
Auch nach Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel konnte sich die Kammer nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass der Angeklagte in sämtliche Abschnitte der Betrugshandlung von der Kontaktaufnahme des „Dr. W.“ bis zu den Geldübergaben in Hamburg involviert war. Einen unmittelbaren Kontakt zu dem Angeklagten gab es lediglich im September und Oktober 2018 telefonisch und bei den Verabredungen in Hamburg. Davon, dass der Angeklagte bereits zuvor in das Geschehen (C. 1.) involviert war, konnte sich die Kammer nicht überzeugen.
II. Festgestellter Sachverhalt:
Hinsichtlich des unter C. 2. festgestellten Sachverhaltes hat sich der Angeklagte des gewerbsmäßigen Betruges in Mittäterschaft gem. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
1. Eine Betrugstat aufgrund einheitlichem Tatentschluss
Die Kammer hat hinsichtlich sämtlicher Geldübergaben durch die Geschädigte Rosa Sch… in Hamburg lediglich eine einheitliche Betrugstat angenommen. Es handelt sich immer um dieselbe Geschädigte, die unter der Täuschung, einen Anteil für einen Geldtransfer zu erhalten, irrtumsbedingt Vermögensverfügungen traf. Unter Aufrechterhaltung der dem Angeklagten bekannten Täuschung über diesen versprochenen Anteil veranlasste er die Geschädigte durch weitere Lügengeschichten, ihm mehrmals Geldbeträge zu übergeben. Insoweit war von einem Tatentschluss des Angeklagten auszugehen.
2. Mittäterschaft
Der Angeklagte handelte als Mittäter. Mittäter ist nach ständiger Rspr. des BGH, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2012, 241, 243).
Kern der von dem Angeklagten begangenen Betrugstat war die Aufrechterhaltung des Irrtums der Geschädigten Rosa Sch… sie würde einen nicht unerheblichen Anteil von 7.2 Mio. $ bei gelungenem Geldtransfer bekommen. Der Angeklagte leistete einen wesentlichen Tatbeitrag, indem er in telefonischen Kontakten die Geschichte über einen Geldtransfer nach Deutschland und einen hohen Anteil als Lohn für die Zeugin Rosa Sch… bestätigte und wiederholt auf eine Gewinnaussicht hinwies, die Zeugen Rosa und Alfons Sch… in Hamburg traf, das von ihnen übergebene Geld entgegennahm, einmal sogar mit ihnen den sog. wash-wash-Trick durchführte und sie letztlich durch neue Täuschungen darüber, man benötige weiterhin Geld etwa für Steuern oder Reinigungsmittel, mehrfach dazu bewegte, erneut nach Hamburg zu fahren und Bargeld zu übergeben.
Aus den eingeführten Chatverläufen ergibt sich zudem, dass noch mindestens eine weitere Person im Hintergrund aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes mit dem Angeklagten agiert. So erkundigt sich etwa, wie dargestellt, eine unbekannte Person bei dem Angeklagten über whatsapp, ob er die Geschädigte bereits nach einer Kontaktaufnahme durch die „C8. A5. Bank“ fragte. Letztlich wusste der Angeklagte zumindest von einer unbekannten Person, dass der Geschädigten Rosa Sch… ein gewisser Geldbetrag für einen angeblichen Geldtransfer versprochen wurde, da er diese Täuschung gegenüber der Geschädigten aufrecht hielt.
Der Angeklagte hat darüber hinaus auch einen eigenen Tatwillen, weil er – so die Überzeugung der Kammer – selbst einen finanziellen Vorteil erhielt. Der Angeklagte nahm das in Hamburg übergebene Geld an sich und konnte darüber verfügen. Die Höhe des bei dem Angeklagten verbliebenen Anteils konnte nicht festgestellt werden. Die Kammer schließt jedoch aus, dass der Angeklagte seine umfänglichen Aktivitäten ohne Entlohnung ausführte. Einen anderen Zweck als den Erhalt zumindest eines Anteils des von der Geschädigten übergebenen Geldes ist nicht ersichtlich.
3. Keine Bande
Demgegenüber konnte sich die Kammer keine Überzeugung davon bilden, dass der Angeklagte mit weiteren Personen eine Bande im strafrechtlichen Sinne gebildet hätte.
Eine Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen voraus, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Diebstähle zu begehen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325; BGHSt 50, 160). Nicht erforderlich ist die gegenseitige verbindliche Verpflichtung zur Begehung bestimmter Delikte; es genügt vielmehr auch die Übereinkunft, in Zukunft sich ergebende günstige Gelegenheiten zu gemeinsamer Tatbegehung zu nutzen (BGH NStZ 2009, 35, 36). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Sie setzt den Willen voraus, sich mit anderen zu verbinden, um künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen (BGHSt 50, 160, 161). Sie bedarf keiner ausdrücklichen Vereinbarung; die Bandenabrede kann auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (BGHSt 50, 160, 162). Das Vorliegen einer Bandenabrede kann daher auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden (BGH NStZ 2009, 35, 36; BGHSt 50, 160, 162; BGH BeckRS 2019, 19904 Rn. 32 f.). Unschädlich ist eine Begrenzung auf eine bestimmte Begehungsart gegen denselben Gewahrsamsinhaber oder nach Zeit, Ort und Beuteart (BGH NStZ 2015, 647).
Die Kammer konnte sich auch nach Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass mindestens drei Personen hinsichtlich des Komplexes im Zusammenhang mit den Geldübergaben in Hamburg zusammenwirkten. Nach der Beweisaufnahme konnte lediglich festgestellt werden, dass der Angeklagte zumindest mit einer weiteren Person zusammenwirkte.
4. Gewerbsmäßiges Handeln
Der Angeklagte handelte bei Begehung der Betrugstat auch gewerbsmäßig. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Gewerbsmäßigkeit setzt daher stets – im Unterschied zu den Voraussetzungen des Betrugstatbestandes – eigennütziges Handeln und damit tätereigene Einnahmen voraus. Das Erstreben von Geldmitteln ist nicht unbedingt erforderlich; so kann es etwa genügen, dass der Täter die Tatbeute für sich verwendet, indem er sie zur Deckung eigener Bedürfnisse einsetzt und eigene Aufwendungen erspart (BGH NStZ 2021, 235).
Der Angeklagte veranlasste die Geschädigte über den Zeitraum eines Monates mehrmals, ihm Geldbeträge zu übergeben. Er täuschte dabei jeweils vor, dass sie die versprochene Geldsumme erhalte, soweit sie noch anfallende Kosten etwa für Reinigungsmittel oder Steuern zahle. Schon aus diesem Tatgeschehen kann – wenn auch nur eine einheitliche Tat im rechtlichen Sinne angenommen wird – infolge der wiederholten Teilakte eine andauernde Begehungsweise erkannt werden.
Die Einnahmen stellten für den Angeklagten auch eine nicht unerhebliche Einnahmequelle dar. Die Geldbeträge wurden dem Angeklagten in Hamburg persönlich übergeben. Die Kammer ist davon überzeugt, dass dem Angeklagten zumindest ein nicht unerheblicher Anteil verbleiben sollte. Selbst bei Weitergabe eines Teils des von der Geschädigten erhaltenen Geldes würden diese Taterträge unter Berücksichtigung seines damaligen Einkommens im Verhältnis zu seinen Unterhaltsverpflichtungen, Mietkosten und Rückzahlungen der Schulden einen erheblichen Anteil seiner Einnahmen darstellen.
F. Strafzumessung
Bei der Strafzumessung ist zunächst von dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
Ein Wegfall der Regelwirkung und die Anwendung des Normalstrafrahmens der §§ 263 Abs. 1 StGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da bei einer Gesamtabwägung aller Umstände, die für die Wertung von Tat und dem Täter in Betracht kommen, weder das Tatbild aller objektiven und subjektiven Momente noch die Persönlichkeit des Angeklagten OC vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweichen, dass die Anwendung des Strafrahmens des verwirklichten Regelbeispiels unangemessen hart wäre.
Nicht übersehen worden ist dabei, dass in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung alle Umstände und Aspekte heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Es liegen hier aber in der Gesamtschau keine solchen gewichtigen Umstände vor, welche einen Wegfall der Regelwirkung der §§ 263a Abs. 2 i.V.m. 263 Abs. 3 S. 1 und 2 Nr. 1 StGB bzw. § 267 Abs. 3 S. 1 und 2 Nr. 1 StGB tragen könnten. Dabei hat die Kammer auf der einen Seite beachtet, dass die Tat durch besonders leichtsinniges Verhalten der Geschädigten erleichtert wurde. Die Geschädigte erstattete bereits im Jahr 2017 eine Anzeige gegen „Sandu“, anlässlich derer sie durch die Polizei davor gewarnt wurde, weitere Zahlungen zu tätigen. Auf der anderen Seite war jedoch zu berücksichtigten, dass der Angeklagte durch wiederholtes Einwirken auf die Geschädigte diese dazu veranlasste, mehrmals nach Hamburg zu reisen, um ihm dort jeweils erhebliche Geldbeträge, insgesamt 44.550 € zu übergeben. Der Angeklagte versuchte, sie auch noch in einem Telefongespräch im November 2019 zu einer weiteren Zahlung von 400 € zu überreden. Der Angeklagte täuschte die Geschädigte solange durch Lügengeschichten, bis diese erst nach einem relativ großen Vermögensverlust nicht mehr bereit war, Geld zu zahlen.
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Tat bereits eine geraume Zeit zurückliegt und der Angeklagte sich schon bei der Sicherstellung der bei seiner Verhaftung am 23.09.2020 mitgeführten Mobiltelefone mit der Vernichtung durch die Polizei einverstanden erklärte. Es bedurfte daher keiner Einziehung dieser Tatmittel im Urteil. Strafmildernd wurde der Umstand erkannt, dass die Geschädigte bereits im Jahr 2017 eine Anzeige gegen „Sandu“ bei der Polizei erstattete. Die Anzeige entspringt aus dem zugrundeliegenden Täuschungskomplex über die angebliche Zahlung für die Hilfe bei einem erfolgreichen Geldtransfer. Bereits bei dieser Anzeige, also weit vor der hier abgeurteilten Tat, wurde die Geschädigte durch die Polizei dahingehend belehrt, keine weiteren Zahlungen zu leisten. Wurde die Tat durch leichtsinniges und nachlässiges Verhalten des Geschädigten erleichtert, kommt außer der Verringerung des Erfolgsunwerts auch noch eine Minderung des Handlungsunwerts in Betracht, weil dann regelmäßig der bei der Tat aufgewendete Wille schwächer ist (vgl. BGH wistra 1983, 145; Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 592).
Dagegen war strafschärfend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bereits wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vierzehn Fällen vorgeahndet war und aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Oldenburg vom 01.02.2017, rechtskräftig seit 09.02.2017 bei Tatbegehung unter offener Bewährung stand. Die Freiheitsstrafe wurde bereits erlassen. Das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg konnte in der Hauptverhandlung nicht verlesen werden, da es trotz mehrmaliger Aufforderung nicht übersandt wurde. Ein weiteres Zuwarten auf die Übersendung des Urteils war aufgrund der gebotenen Verfahrensbeschleunigung der vorliegenden Haftsache nicht vertretbar.
Strafschärfend wurde die dem Angeklagten zurechenbare Schadenshöhe von insgesamt 44.550 € beachtet. Ferner handelte der Angeklagte mit erheblicher krimineller Energie. Eingebettet in die Legende „Bruce Paulo“ täuschte der Angeklagte die Geschädigte in mehreren Teilakten und unter Verwendung der erfundenen Geschichte über einen Geldtransfer aus dem Ausland mit dem Versprechen der Zahlung eines erheblichen Anteils an die Zeugin Rosa Sch…, und nutze das ihm von der Geschädigten entgegengebrachte Vertrauen aus. Er traf sich mit der Geschädigten in Hamburg und stabilisierte ihr Vertrauen durch Vorführung des sog. wash-wash-Tricks. Die einzelnen Teilakte der Tat zogen sich über einen Zeitraum von über einem Monat. Er ließ erst von der Geschädigten ab, als er merkte, dass die Geschädigte endgültig nicht mehr bereit war, ihm Geld zu übermitteln. Die dadurch in der Gesamtschau erkennbare raffinierte Vorbereitung der Tat sowie die besonders intensive Täuschung durch den Angeklagten, spiegelt die hohe kriminelle Energie wider.
Unter Würdigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt die Kammer daher eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren für tat- und schuldangemessen.
Die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 05.03.2019, rechtskräftig seit 10.01.2020 (Az.: …) von 8 Monaten, 10 Monaten und 1 Jahr waren gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 StGB unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe hier einzubeziehen. Aus allen Einzelstrafen war gem. §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 StGB unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 3 Jahren eine Gesamtstrafe zu bilden. Bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde gesehen, dass es sich um gleichgelagerte Taten nach demselben Tatmuster mit einem engen situativen und motivischen Zusammenhang handelt. Die den einzubeziehenden Strafen zu Grunde liegenden Taten standen in einem engen zeitlichen Zusammenhang; sie wurden sämtlich im Februar und März 2018 begangen. Die hier abzuurteilende Tat wurde hingegen erste im September und Oktober 2018 begangen. Alle Taten betreffen die gleichen Rechtsgüter. Unter nochmaliger Abwägung sämtlicher vorgenannter für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, insbesondere den Zeitablauf und die Leichtgläubigkeit der Geschädigten einerseits sowie die Vorstrafe und die andauernde, hartnäckige und intensive Täuschungshandlung andererseits hielt die Kammer daher eine
Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren
für tat- und schuldangemessen.
G. Einziehung
I. Einziehung von Wertersatz
Die Kammer hat gem. §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 44.550 € angeordnet. Die Summer ergibt sich aus den Beträgen, welche die Geschädigte dem Angeklagten bei ihren gemeinsamen Treffen in Hamburg übergeben hat. Der Angeklagte erlangte als Mittäter Verfügungsgewalt über diese Geldbeträge. Unerheblich ist insoweit, ob der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt Teile dieser Geldbeträge an Mittäter weitergegeben hat.
II. Aufrechterhaltung der Wertersatzeinziehung im Vorverfahren
Die Anordnung der Wertersatzeinziehung im Urteil des Landgerichts Rostocks vom 22.11.2019, Az. … war gem. § 55 Abs. 2 StGB aufrechtzuerhalten.
H. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO.


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