Strafrecht

Keine Haftung von Vertragshändler und Porsche AG für Thermofenster in Dieselmotor (hier: Porsche Macan S Diesel)

Aktenzeichen  13 O 732/19

Datum:
2.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43746
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 311 Abs. 2, § 437, § 438, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826, § 831

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – Schadensersatzansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein mit einem sog. Thermofenster ausgestatteter, von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Porsche AG ist nicht Erfüllungsgehilfin der Händlerin im Sinne des § 278 BGB und mangels einer Stellvertretung erfolgt auch keine Wissenszurechnung nach § 166 BGB, so dass eine eventuelle Verletzung von Aufklärungspflichten seitens der Porsche AG der Händlerin nicht zuzurechnen ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verwendete Thermofenster, die jedenfalls in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt sind, stellen – unabhängig davon, ob sie in Einzelfällen unzulässig sind – kein besonders verwerfliches, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und auf die Schädigung von Fahrzeugnutzern gerichtetes Verhalten dar. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München II sachlich und örtlich zuständig.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klagepartei stehen weder die gegen die Beklagte zu 1) noch die gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten Ansprüche zu.
I. Der Klagepartei stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) zu. Diese befindet sich daher auch nicht im Annahmeverzug und ist nicht verpflichtet, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klagepartei zu tragen.
1. Mögliche kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche im Sinne von § 437 BGB sind verjährt. Die Verjährung richtet sich nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BGB und nicht nach § 438 Abs. 3 BGB, da unabhängig von der Frage, ob Mängel vorliegen, die Beklagte zu 1) jedenfalls nicht arglistig gehandelt hat. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde der Klagepartei am 18.12.2014 übergeben. Die zweijährige Verjährungsfrist endete somit mit Ablauf des 18.12.2016 (§§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Sowohl die Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 20.02.2018 (Anlage K 31) als auch die Klageerhebung vom 26.02.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag und der Beklagten zu 1) zugestellt am 16.03.2019, erfolgten daher nach Ablauf der Verjährungsfrist. Die Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie kann infolgedessen die Leistung von Schadensersatz verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Der von der Klagepartei erklärte Rücktritt ist unwirksam (§ 218 Abs. 1 BGB). Einer weitergehenden Prüfung des Bestehens von Gewährleistungsansprüchen bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
2. Die Beklagte zu 1) haftet nicht nach § 311 Abs. 2 BGB wegen fehlerhafter Aufklärung der Klagepartei im Rahmen von Vertragsverhandlungen vor Kaufvertragsschluss. Eine solche Aufklärungspflichtverletzung könnte sich im vorliegenden Fall nur in Bezug auf die Themen Beschaffenheit und Verwendbarkeit des Fahrzeugs im Hinblick auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung und die Nichteinhaltung der Stickoxidgrenzwerte der Euro 6 Abgasnorm ergeben. Ansprüche aus c.i.c. wegen fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Offenbarungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten durch den Verkäufer mit Bezug auf Sach- oder Rechtsmängel sind jedoch ausgeschlossen, da insoweit die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eine abschließende Sonderregelung darstellen (Jauernig/Berger, BGB, 17. Aufl. 2018, § 437 Rn. 33, 34). Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) überhaupt Aufklärungspflichten verletzt haben könnte, nachdem sie die von der Klagepartei behaupteten „Manipulationen“ nicht kannte und auch nicht hätte kennen können. Die von der Klagepartei behauptete Verletzung von Aufklärungspflichten der Beklagten zu 2) ist, unabhängig davon, ob sie vorliegt, der Beklagten zu 1) nicht zuzurechnen, da die Beklagte zu 2) nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) im Sinne des § 278 BGB ist und mangels einer Stellvertretung auch eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB nicht erfolgt.
3. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Der zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 1) geschlossene Kaufvertrag ist wirksam. § 27 Abs. 1 EG-FGV ist kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (OLG München, Urteil vom 09.09.2019, Az. 21 U 1216/19). Die Beklagte zu 1) hat den Kaufpreis aufgrund dieses Vertrages und damit nicht ohne Rechtsgrund erhalten.
Die Klagepartei konnte den Kaufvertrag mangels Anfechtungsgrundes auch nicht wirksam anfechten. Die Beklagte zu 1) hat die Klagepartei nicht arglistig getäuscht. Eine Zurechnung der vom Kläger behaupteten arglistigen Täuschung der Beklagten zu 2) findet nicht statt, da die Beklagte zu 1) unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) die behauptete arglistige Täuschung begangen hat, im Verhältnis zur Beklagten zu 2) Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist (OLG München, Urteil vom 09.09.2019, Az. 21 U 1216/19) und die behauptete Täuschung weder kannte noch kennen musste.
II. Der Klagepartei stehen auch keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zu. Auch diese befindet sich daher nicht im Annahmeverzug und ist nicht verpflichtet, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klagepartei zu tragen.
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB.
a) Die Klagepartei hat das im Rahmen von § 826 BGB erforderliche vorsätzliche Handeln der Beklagten zu 2) nicht schlüssig dargelegt.
Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um eine juristische Person. Die anerkanntermaßen auf alle juristischen Personen anzuwendende Vorschrift des § 31 BGB bestimmt, dass sich die juristische Person den Schaden zurechnen lassen muss, den „der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt“. Der Begriff des „verfassungsmäßigen Vertreters“ wird von der Rechtsprechung so ausgelegt, dass damit jede Person gemeint ist – ob sie in der Satzung als solche erwähnt ist oder nicht -, der bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und die die juristische Person insoweit repräsentiert (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rn. 6).
Die Klagepartei trägt jedoch weder zum Vorsatz der verfassungsmäßigen Vertreter, insbesondere des Vorstandes bzw. einzelner Vorstandsmitglieder, noch zum Vorsatz sonstiger Repräsentanten der Beklagten substantiiert vor. Soweit sich die Klagepartei in ihrem Vortrag auf die in den Dieselmotoren EA 189 verwendete Umschaltlogik zur Steuerung der Abgasrückführung bezieht, die von der … AG entwickelt worden ist, so ist dies für den vorliegenden Fall unerheblich. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass Dieselmotoren des Typs EA 189 überhaupt in Fahrzeugen der Beklagten zu 2) verbaut wurden. Jedenfalls ist ein solcher Motor nicht im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut. Sofern die Klagepartei behauptet, dass „zahlreiche Mitarbeiter“ Kenntnis von Manipulationen gehabt haben sollen, ist der Vortrag auch deshalb unsubstantiiert, weil Personen weder namentlich benannt werden, noch erkennbar wird, warum es sich insoweit um Repräsentanten der Beklagten zu 2) handeln soll. … Schließlich ist auch die Bezugnahme der Klagepartei auf ein von der Staatsanwaltschaft Stuttgart in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren erwirktes Bußgeld … unbehelflich, da die Klagepartei selbst vorträgt, das Bußgeld sei wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung verhängt worden.
Der Grundsatz der vollen Darlegungslast der eine für sie günstige Rechtsfolge behauptenden Partei bedarf zwar in Fällen, in denen wesentliche Geschehensabläufe außerhalb ihrer Wahrnehmung liegen und die sie auch nicht ermitteln kann, einer Einschränkung, wenn es der anderen Partei möglich und zumutbar ist, die notwendige Aufklärung zu leisten (BGH NJW 2014, 3033). Dies bedeutet aber nicht, dass sich die grundsätzlich darlegungsbelastete Partei jeglichen Sachvortrages enthalten oder lediglich Behauptungen ins Blaue hinein aufstellen kann. Vielmehr hat sie sich, soweit es ihr möglich ist, Kenntnis zu verschaffen. Das betrifft insbesondere die Themen, welche Personen zur maßgeblichen Zeit Vorstände und Repräsentanten der Beklagten gewesen sind, für welche Aufgabenbereiche sie zuständig waren und aufgrund welcher Tatsachen von einem vorsätzlichen Handeln dieser Personen auszugehen ist. Soweit die Klagepartei sich gehindert sieht, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, ist zu erläutern, welche Anstrengungen sie zur Kenntniserlangung unternommen hat und welche Hinderungsgründe einer weiteren Substantiierung entgegenstehen. In jedem Fall hat sie aber zumindest greifbare Anhaltspunkte vorzutragen und unter Beweis zu stellen, aus welchen sich ein Vorsatz herleiten lässt (ebenda). Erst wenn aufgrund solcher greifbarer Anhaltspunkte in nachvollziehbarer Weise der konkrete Verdacht vorsätzlichen Handelns der Vorstände der Beklagten besteht, kommt eine Reduzierung der Anforderungen an die Darlegungslast der Klagepartei nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast in Betracht. Vorliegend kommen daher die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht zur Anwendung.
b) Darüber hinaus liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) vor. Es ist davon auszugehen, dass eine temperaturabhängige Regulierung der Abgasaufbereitung und -rückführung bei Dieselmotoren weit verbreitet und aus technischen Gründen für deren Funktionsfähigkeit notwendig ist. Darüber hinaus sind eine betriebsabhängige Steuerung der Einspritzung des Harnstoffs AdBlue und die Verwendung von SCR-Katalysatoren bei Dieselmotoren weit verbreitet. Die Verwendung sogenannter … die jedenfalls in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt sind, stellen daher, unabhängig davon, ob sie in Einzelfällen unzulässig sind, kein besonders verwerfliches, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und auf die Schädigung von Fahrzeugnutzern gerichtetes Verhalten dar. Ihr Einsatz beinhaltet daher keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. … Denn es ist davon auszugehen, dass kein fehlerhafter Betrieb vorliegt. Schließlich liegt darin, dass ein Automatikgetriebe eigenständig zwischen verschiedenen Fahrstufen wechselt, keine „Manipulation“. Vielmehr handelt es sich um ein technisches Funktionsprinzip solcher Getriebe.
2. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB.
Auch soweit die Klagepartei behauptet, die Beklagte zu 2) habe ihn betrügerisch geschädigt, trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Dieser Darlegungs- und Beweislast ist sie zumindest im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen vorsätzlichen Handelns und des Vorliegens einer Bereicherungsabsicht im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB der Beklagten zu 2) bzw. der für sie handelnden Vorstände und sonstigen Repräsentanten (§ 31 BGB) nicht nachgekommen. Daher kommt auch hier nicht Betracht, die Grundsätze sekundärer Darlegungslast anzuwenden.
3. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB in Verbindung mit § 831 Abs. 1 BGB.
Auch soweit die Klagepartei behauptet, die Beklagte zu 2) habe sie durch das Handeln ihr zuzurechnender Verrichtungsgehilfen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Auch insoweit ist der Vortrag indes unsubstantiiert. Soweit die Klagepartei vorträgt, „zahlreiche Mitarbeiter“ hätten von „Manipulationen“ gewusst, handelt es sich um eine nicht prüfbare Behauptung ins Blaue hinein. Es bleibt unklar, wer wann weshalb was genau gewusst hat. Im Hinblick auf den Begriff Manipulationen bleibt unklar, ob die Klagepartei die – hier nicht entscheidungserhebliche – Umschaltlogik in Dieselmotoren des Typs EA 189 oder die von ihr behaupteten „Manipulationen“ des Dieselmotors V6 TDI 3,0 I meint.
Soweit die Klagepartei darlegt, der … hätte genaue Kenntnis von der Funktionsweise des Dieselmotors V6 TDI 3,0 I gehabt, erschließt sich aus dem Vortrag nicht, dass diese Person Fahrzeugnutzern vorsätzlich einen Schaden zufügen wollte und sittenwidrig handelte. Angesichts der weiten Verbreitung der hier relevanten Funktionsprinzipien eines Dieselmotors erschließt sich dies nicht ohne Weiteres.
Die Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast kommt daher auch hier nicht in Betracht.
4. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1 und 27 Abs. 1 EG-FGV.
Die §§ 6, 27 EG-FGV sind Vorschriften des öffentlichen Rechts, welche dazu dienen, sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Fahrzeuge mit einer gültigen Übereinstimmungserklärung versehen sind. Die Vorschriften sollen im öffentlichen Interesse eine hohe Verkehrssicherheit und eine rationale Energienutzung gewährleisten, dem Gesundheits- und Umweltschutz dienen und einen wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung bieten. Der Schutz von Individualinteressen von Kraftfahrzeugerwerbern gehört dagegen nicht zum Schutzzweck der Vorschriften (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17; OLG München NJW-RR 2019, 1497; OLG München, Urteil vom 04.12.2019, Az. 3 U 2420/19).
5. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Schadenersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG. Mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch die Beklagte zu 2) ist eine irreführende Darstellung eines besonders günstigen Angebots nicht verbunden. Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht nach § 311 Abs. 3 BGB wegen der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens bzw. nach den Grundsätzen der sogenannten Prospekthaftung (OLG München, Urteil vom 04.12.2019, Az. 3 U 2420/19).
Die Klage war daher gegen beide Beklagte vollumfänglich abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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