Strafrecht

Kriegsverbrechen

Aktenzeichen  8 St 5/19

Datum:
26.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52732
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VStGB § 7 Abs. 1 Nr. 5,§ 8 Abs. 1 Nr. 9
StGB  22, § 23, § 25 Abs. 2,§ 52, § 53,§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 240 Abs. 1, Abs.3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte Ah. Z. D. ist schuldig
-der gefährlichen Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung
-in Tatmehrheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen
II. Er wird daher zur Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
III. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
IV. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.  

Gründe

I. Allgemeines, Verfahrensgang
Dem Urteil liegt keine Verständigung zugrunde.
II. Feststellungen
A. Persönliche Verhältnisse
1. Herkunft und beruflicher Werdegang
Der Angeklagte wurde am … 1992 in H. A., Provinz Kapisa, in Afghanistan geboren. Den in Dokumenten afghanischer Behörden nicht enthaltenen Nachnamen D. hat er entweder bei der Armee erhalten oder sich selbst ausgewählt.
Seine Eltern leben in Afghanistan in der Provinz Kapisa und dort in der gleichnamigen Provinzhauptstadt, wo er auch aufwuchs. Der Vater ist Arzt, die Mutter Hausfrau. Er hat drei ältere Schwestern und vier ältere Brüder.
Nach dem neunjährigen Besuch einer Privatschule wechselte der Angeklagte zum 22. März 2009 auf eine Militärschule in K., die er im Dezember 2011 nach der zwölften Schulklasse mit sehr gutem Ergebnis beendete. Kurzzeitig registrierte er sich dann bei der afghanischen Polizei, für die er aber nicht arbeitete. Im Anschluss hieran trat er in die afghanische Armee (ANA) ein, wo er mit Lehrgängen von März bis Oktober 2012 und Mai bis November 2012, die er jeweils mit „sehr gut“ abschloss, unter anderem in Kabul zum Infanterieoffizier ausgebildet wurde. Er erreichte den Rang eines Oberleutnants und wurde im Anschluss an seine Ausbildung im Zuständigkeitsbereich des 203. Armeekorps der ANA in der Provinz Paktia/Gardes eingesetzt.
Nach dem nachfolgend unter B. geschilderten Tatgeschehen erlitt er bei einem IED/Minenanschlags auf ein Fahrzeug einer von ihm befehligten Einheit durch Splitter am linken Arm und im Kopfbereich und am Rücken Verletzungen, zudem verlor er dabei vier Frontzähne. Nach einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt wurde er an weitere Standorte (Samkanai/Chamkani; Ahmad Khel) im Zuständigkeitsbereich desselben Armeekorps versetzt.
2. Flucht nach Deutschland und anschließender Aufenthalt Um die Jahreswende 2014/2015 verließ der Angeklagte A1. zunächst in den Iran, anschließend reiste er weiter in die Türkei, wo er sich etwa eineinhalb Monate aufhielt. Mitte März 2015 traf er in Griechenland ein, von wo er weiter über die Balkanroute (Mazedonien, Serbien u.a.) und Österreich nach Tschechien reiste.
Dort wurde er am 21.7.2015 durch Polizeibeamte in einem Zug von Wien nach Berlin aufgegriffen, wobei er als Ziel seiner Reise Norwegen angab. Aus Tschechien wurde er nach kurzer Inhaftierung nach Österreich zurückgeschoben, von dort reiste er weiter nach Ungarn und schließlich nach Deutschland, wo er am 5. August 2015 in Windorf in Oberbayern von Polizeibeamten aufgegriffen wurde und Asylantrag stellte.
Anfangs war er in einer Asylbewerberunterkunft in München untergebracht, anschließend im Landkreis Ebersberg sowie zuletzt seit 24.01.2018 in einer Unterkunft in Steinhöring.
Er erwarb deutsche Sprachkenntnisse und besuchte ab September 2016 für ein Schuljahr die Berufsintegrationsklasse der Staatlichen Berufsschule E. in Kooperation mit der Stiftung Sankt Zeno/Kirchseeon. Das Jahreszeugnis weist für den Spracherwerb Deutsch, der orientiert am Sprachniveau B 1 erfolgt, die Note Befriedigend aus. Während des Schuljahres absolvierte er jeweils knapp zweiwöchige Praktika im Bereich Grundpflege und als Pflegekraft im Kreiskrankenhaus Ebersberg. Von Februar bis September 2018 arbeitete er als Auffüllhelfer in einem Supermarkt. Ab 1.9.2018 begann er eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungsund Klimatechnik bei einem Haustechnikbetrieb in St..
Mit der Zeugin G., die als Helferin Sprachkurse für Asylbewerber erteilte, ging der Angeklagte eine Beziehung ein. Im Frühjahr 2018 heirateten sie nach islamischem Recht und schlossen einen Ehevertrag. Der Angeklagte hielt sich regelmäßig bei der Zeugin auf, wo er auch Waschzeug und Kleidung aufbewahrte. Eine standesamtliche Eheschließung scheiterte bislang an fehlenden Ausweisdokumenten. Seit dem 26.10.2018 befindet sich der Angeklagte ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA M.-St..
3. Asylverfahren
Sein Antrag auf Anerkennung als Asylbewerber wurde mit nicht bestandskräftigem Bescheid vom 24.11.2017 abgelehnt, auch die Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz wurden ihm nicht zuerkannt. Gegen den Bescheid ist Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
4. Vorahndungen
Der Angeklagte ist nicht vorgeahndet.
5. Beeinträchtigungen/Erkrankungen
Der Angeklagte vermeidet aufgrund seiner Erlebnisse in Afghanistan das Ausgehen bei Dunkelheit sowie Menschenmassen, da er befürchtet, von Taleban erkannt zu werden. Er hat die oben genannten Verletzungen bei einer Explosion erlitten, verspürt aber trotz einzelner verbliebener Splitter keine Schmerzen mehr.
B. Tatgeschehen
1. Verhör dreier festgenommener mutmaßlicher Taleban
a) Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende 2013 / Anfang 2014 befand sich der Angeklagte im Rang eines Oberleutnants auf einem Stützpunkt der ANA auf dem Gelände einer ehemaligen US-Militärbasis in S. K./S. K. in der Provinz Paktia im Südosten Afghanistans. Der Kommandeur seiner Einheit war nicht anwesend, so dass ein weiterer – an sich gleichrangiger – Oberleutnant namens N. die Einheit als stellvertretender Kommandeur befehligte.
Am Vortag des nachfolgend geschilderten Geschehens war eine Gruppe von Soldaten unweit des Stützpunktes durch Aufständische u.a. mit PK (Maschinengewehr) und RPG („Panzerfaust“) beschossen worden.
Der auf dem Stützpunkt verbliebene Angeklagte bemerkte am Tattag, also am Tag nach diesem Beschuss, dass drei Gefangene mit Dienstfahrzeugen gebracht wurden. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt und ihre Augen mit Tüchern verbunden. Oberleutnant N. erklärte, was der Angeklagte wahrnahm, dass er die drei Gefangenen in sein Büro bringen wolle, was auch geschah.
Er hörte dann aus dem Büro des Oberleutnants N. Schreie und begab sich dorthin. Als der Angeklagte in das Büro kam, schlug Oberleutnant N. mit einem etwa 100 cm langen etwa zolldicken Stück eines Wasserschlauchs auf die Gefangenen ein. Dauer, Art, Häufigkeit, Intensität und Opfer der Schläge konnten nicht festgestellt werden. N. bat den Angeklagten, bei der anstehenden Vernehmung mitzuschreiben, was dieser auch tat.
In dem Büroraum befanden sich neben den drei Gefangenen und Oberleutnant N. der Angeklagte, ein weiterer Soldat, der mit einem Sturmgewehr des Typs M16 bewaffnet war, sowie mindestens ein weiterer Soldat im Rang eines Stabsfeldwebels, der die Vernehmung filmte. Die Wände des Zimmers bestanden aus Holzoder Sperrholzplatten, der Boden war mit Teppich ausgelegt.
Den drei Gefangenen waren weiterhin die Hände auf dem Rücken gefesselt, ihre Augen waren mit Tüchern verbunden. Sie saßen nebeneinander in landestypischer Weise im Schneidersitz oder kniend auf dem Boden, ihnen saßen im Abstand von etwa Armlänge bis maximal einem Meter der Angeklagte und Leutnant N. ebenfalls auf dem Boden gegenüber. Hinter dem Angeklagten stand der Soldat mit dem Sturmgewehr.
Ziel der in Gegenwart des Angeklagten stattfindenden, etwas über vier Minuten dauernden Befragung war es, Informationen über den Aufenthalt des M. (Anführers) der drei von den Vernehmenden als Taleban Verdächtigten zu erlangen, sowie über Waffenverstecke der Taleban. Entsprechende Fragen bzw. Vorhalte (sie seien Taleban u.a.) wurden im Verlauf des Verhörs wiederholt an die drei Gefangenen gerichtet. Dabei wirkten der Angeklagte und Oberleutnant N. aufgrund eines gemeinsam gefassten Entschlusses, mittels Drohungen und auch mittels leichter bis mittelgradiger Gewalthandlungen Aussagen der drei Gefangenen zu erlangen, zusammen.
Zu Beginn der gemeinsam geführten Befragung drohte N. dem ersten, vor ihm sitzenden Gefangenen, er werde ihn zerreißen. Der Angeklagte äußerte zu diesem Gefangenen auf Dari “Ich werde dich an Strom anschließen“, was der Offizier N. den ansonsten Paschtu sprechenden Gefangenen auf Paschtu übersetzte. Im weiteren Verlauf wurde weder ein Kabel herbeigeholt noch Anstalten dazu gemacht, auch wurde der Gefangene nicht an ein Elektrokabel angeschlossen. Der Gefangene äußerte, was er sagen solle, er wisse nichts. Sodann griff der Angeklagte diesem von vorne mit der Hand dicht am Kopfansatz in die Haare und zog daran bzw. hielt ihn für etwa 10 Sekunden an den Haaren fest, anschließend schlug er den Kopf des mit dem Rücken an der Wand des Zimmers angelehnt Sitzenden viermal in schneller Folge nach hinten gegen diese Wand. Danach schlug Oberleutnant N. diesem Gefangenen mit den losen Enden des mittig gefalteten Wasserschlauchs zweimal mit einer Ausholbewegung von oben nach unten auf den Kopf und äußerte zu ihm, er sei nicht unschuldig.
Sodann wandten sich die beiden Offiziere dem rechts vom Angeklagten sitzenden Gefangenen zu. N. sagte, dieser sei ein Taleb, er habe ihn „aus dem Haus heraus“ mitgenommen. Der Angeklagte fasste diesem Gefangenen am Kopfansatz in die Haare und zog daran bzw. hielt ihn für die Dauer von etwa 30 Sekunden daran fest und forderte ihn auf, „Sage es uns“. Der Gefangene erklärte, er schwöre bei Gott, er habe nichts gesehen, wenn er etwas gesehen hätte, hätte er es gesagt, er lüge nicht. Der ebenfalls im Raum befindliche Soldat mit dem M16-Sturmgewehr äußerte daraufhin, dass sie ihn in dem Haus festgenommen hätten, von dem die Raketen abgeschossen worden seien. Der Gefangene begann daraufhin zu schluchzen, wurde aufgefordert, zu gestehen und äußerte, es seien Taleban und Milizen und andere da gewesen, er wisse es nicht. Daraufhin versetzte ihm der Angeklagte einen leichten Schlag mit der flachen rechten Hand ins Gesicht und wies ihn an, mit dem Weinen aufzuhören.
Oberleutnant N. schlug anschließend dem dritten, links vom Angeklagten sitzenden Gefangenen zweimal mit einer Bewegung aus dem Ellenbogengelenk heraus mit dem linken Handrücken gegen den linken vorderen Stirnbereich, griff ihn dann mit der linken Hand an die rechte Schulter, zog ihn seitlich nach vorne zu Boden, so dass er auf der linken Körperseite lag, und schlug ihm zweimal mit der Unterseite der zu einer Faust geballten rechten Hand von oben auf den Kopf im Bereich hinter dem rechten Ohr. Er fragte ihn, ob er wisse, wo der M. sei und fordert ihn auf, dies zu sagen. Daraufhin nannte dieser den Namen N., der stamme aus dem Dorf, und sei in dem Haus. N. versetzte ihm, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, einen streifenden Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht.
Aufgrund der vorangegangenen Misshandlungen teilte dieser dritte Gefangene dem Angeklagten und Leutnant N. letztlich mit, wo sich Waffen der Taleban, ihr M. und andere Taleban befanden. Die Vernehmung musste abgebrochen werden, als ein Sicherheitsoffizier hinzukam, der die drei Gefangenen mitnahm. Später wurden sie in ein Gefängnis verbracht.
Bei Beginn des Verhörs waren die Gefangenen unverletzt. Alle drei waren nach dem äußeren Erscheinungsbild etwa zwischen 20 und 40 Jahre alt und ohne körperliche Beeinträchtigungen. Blutende oder knöcherne Verletzungen oder auch sonstige sichtbare äußere Verletzungen traten durch die Misshandlungen nicht ein. Schmerzensschreie oder -laute wurden nicht geäußert.
Die Schläge mit der flachen Hand sowie die Schläge des N. mit der Faust waren von geringer bis mittlerer Intensität und daher allenfalls geeignet, streifige Rötungen herbeizuführen und leichte bis mittelgradige Schmerzen.
Das – nicht zu sehende, sondern nur zu hörende – Schlagen des Kopfes gegen die Holzwand erfolgte ebenfalls mit nicht sehr hoher Intensität und – da der Gefangene an die Wand angelehnt saß – aus geringem Abstand zwischen Wand und Kopf und war somit geeignet, Schmerz zu erzeugen und ggf. eine leichte Beule, nicht jedoch Kopfschwartenverletzungen oder gar Quetsch-Risswunden.
Die Schläge mit dem Wasserschlauch waren von mittlerer Intensität und allenfalls geeignet, Hautrötungen auf der Kopfoberseite und leichte Schmerzen zu erzeugen. Das Fassen am und Halten des Kopfhaars im Stirnbereich war nicht intensiv und mittelgradig schmerzhaft.
Psychische Folgeschäden oder akute schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen konnten nicht festgestellt werden.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan 2014 wurden die drei Gefangenen im Rahmen einer Amnestie aus der Haft entlassen.
In Gegenwart mindestens einer filmenden Person und einer weiteren stehenden uniformierten Person, die ein Schlauchstück und eine Fernbedienung in der Hand hielt, äußerte zudem der zweite Gefangene, der dabei keine Augenbinde mehr trug, aber gefesselt im Schneidersitz in demselben Büroraum wie oben beschrieben ohne sichtbare Verletzungen auf dem Boden saß, dass er „damals“ Schüler gewesen sei und „ihn“ – um wen es geht ist unklarnicht gekannt habe. Ob dieses Geschehen vor oder nach der oben geschilderten Vernehmung stattgefunden hat, konnte nicht geklärt werden.
2. Tötung und Zurschaustellung eines Taleban-Kommandeurs
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im ersten Quartal des Jahres 2014 erhielt der Angeklagte von einem vorgesetzten General den Befehl, einen hochrangigen Taleban-Kommandeur namens Qu. N. Sh. aufzuspüren, auf dessen Ergreifung von den USA ein Geldbetrag in Höhe von 15.000 USD ausgesetzt worden war. Daher begab sich der Angeklagte gemeinsam mit 13 Soldaten zu Fuß gegen Abend zu einer in der Umgebung der Ortschaft Said Karam in der Provinz Paktia gelegenen Straße, um dort Personenkontrollen durchzuführen. Nach einigen Stunden näherten sich mehrere Personen dem Angeklagten und seinen Soldaten. Als sie auf etwa 10 – 15 m an die Stellung der Soldaten herangekommen waren, eröffneten die Personen das Feuer auf die Soldaten. Im Verlauf des etwa zehnminütigen Gefechts wurde Qu. N. Sh. getötet.
Die Leiche des Qu. N. Sh. wurde nach dem Gefecht gegen 6:30 Uhr auf einem Feld aufgefunden. Der Angeklagte meldete dies seinem Vorgesetzten, der ihm daraufhin befahl, den Leichnam nach Said Karam zu einem Metzger zu bringen, der einen Fleischerhaken habe. Der Angeklagte ordnete an, die Leiche auf das Heck eines zwischenzeitlich eingetroffenen Militärfahrzeuges des Typs Humvee, das in der Fahrzeugmitte mit einem lafettierten Maschinengewehr versehen war und ein schräges Heck hatte, zu legen und nach Said Karam zu fahren. Die bekleidete Leiche, die an der linken Stirnhälfte Blutanhaftungen aufwies, wurde dementsprechend auf das Heck des Fahrzeugs gelegt, wobei sie rücklings etwa mittig mit der Wirbelsäule auf einer Halterung lag, so dass Arme und Beine nach unten baumelten.
Das nachfolgende Geschehen von wenigstens neunminütiger Dauer wurde, wie der Angeklagte wusste, von einem Soldaten gefilmt, der sich teils auf dem Fahrzeug und teils unmittelbar in dessen Nähe befand. Ein Polizist der Afghanischen Nationalpolizei (ANP) schlug vor Fahrtbeginn etwa dreimal mit der Faust auf den Toten ein, der Angeklagte griff ihm in den Arm und machte eine winkende Geste. Anschließend setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Der Angeklagte folgte dem Fahrzeug, das im Schritttempo fuhr, zu Fuß im Abstand von anfangs etwa 15-25 m, teils näherte er sich dem Fahrzeug, vor dem weitere Uniformierte zu Fuß gingen.
Auf dem Fahrzeug befanden sich anfangs wenigstens drei Soldaten, einer davon in der Dachluke an dem montierten Maschinengewehr, zwei saßen hinter der Dachluke über dem Heck und zunächst befand sich auch der die Szene Filmende auf dem Fahrzeugdach.
Direkt hinter dem Fahrzeug folgte zu Fuß der bereits genannte Polizist der ANP, der mehrfach während der Fahrt mit seinem Sturmgewehr des Typs AK47 auf die Leiche einschlug und tanzende Bewegungen ausführte; auch einer der auf dem Dach sitzenden Soldaten schlug zweimal von oben mit seinem Sturmgewehr auf die Leiche. Zudem fielen während der Fahrt durch verschiedene Personen auf und unmittelbar an dem Fahrzeug sowie den unmittelbar hinter dem Fahrzeug folgenden Polizeibeamten Äußerungen dahingehend, dass der Leichnam ein „unehelich erzeugter“ sei und man „seine Frau ficken“ solle.
Bei einem kurzen Halt des Fahrzeugs in einer Ortschaft hielt der Angeklagte, umringt von Zivilisten und Soldaten, einen Fleischerhaken an die Leiche, ohne jedoch den Haken an ihr zu befestigen, anschließend folgte er zu Fuß dem Fahrzeug, das sich wieder in Bewegung setzte.
Auf Anweisung des Angeklagten wurde die Leiche zu einem etwa drei Meter hohen „Hesco“-Schutzwall vor einem Polizei- oder Militärstützpunkt gefahren. Dort legte der Angeklagte dem Leichnam eine Seilschlinge um den Hals und zog sie fest, anschließend zogen Soldaten auf Geheiß des Angeklagten von oben den Körper an dem Seil hinauf und befestigten ihn an dem mit einem Metallgitter versehenen Wall. Dabei unterstützte der Angeklagte die Soldaten, indem er ein Bein des Getöteten festhielt. Der Leichnam hing schließlich am Hals aufgehängt außen an dem „Hesco“-Wall.
Im Anschluss daran sprach der Angeklagte zu den anwesenden Personen und in die ihn filmende Kamera:
„Dieser heißt Qu. N. Sh. und er ist der Führer einer Talebangruppe. Wir haben gestern um 20:00 Uhr unsere Operation gestartet und ihm aufgelauert bis 03:00 Uhr morgens. Wir schnappten ihn und seine Leiche, wie die von einem Esel mitgenommen und hier erhängt. Wenn wir wieder solche Leute ertappen, werden wir sie wieder in Zusammenarbeit mit der NSA und der ANP töten, wenn sie unsere Leute attackieren. Wir, d.h. ich selbst habe ihn wie einen Esel unrühmlich getötet und wir erhängen seine Leiche. Hier sehen die Leute seine Leiche.“
Beim Vorgang des Aufhängens an dem Schutzwall kam es ihm und den von ihm befehligten Untergebenen, die auf seine Anordnung an der Befestigung der Leiche mitwirkten, darauf an, den Getöteten wie eine Trophäe zu präsentieren und somit in seiner Totenehre bzw. in seiner über den Tod hinausreichenden Ehre herabzuwürdigen und durch die Behauptung, er habe den Talebanführer selbst getötet, sein berufliches Fortkommen zu fördern.
3. Konflikt in Afghanistan
In Afghanistan bestand zu den Zeitpunkten der unter 1. und 2. geschilderten Vorgänge ein seit Jahresende 2001 andauernder Krieg in Form eines nichtinternationalen bewaffneten Konfliktes zwischen den afghanischen Regierungsstreitkräften, unterstützt durch die Truppen der ISAF (International Security Assistance Force), welche bis 2014 nach und nach abgezogen wurden, und der USgeführten OEF auf der einen Seite und den Taleban sowie weiteren nichtstaatlichen bewaffneten Gruppierungen wie etwa dem Islamischen Staat in der Provinz Khorasan und der Hezbe-Islami auf der anderen Seite. Diesem Konflikt waren bereits seit 1978 nahezu ununterbrochene bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen vorangegangen.
a) Afghanistan bis zum Jahr 2001
Ab 1978 kam es zum ersten innerafghanischen Konflikt zwischen einer kommunistischen Regierung, unterstützt durch die Sowjetunion mit entsandten Armeeeinheiten einerseits und Islamisten aus der ländlichen Mittelschicht (Mudschaheddin) andererseits. Letztere wurden durch westliche Staaten, Golfstaaten und Pakistan unterstützt. Im Anschluss an den Sturz dieser Regierung im Jahr 1992 kam es zu innerafghanischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen MudschaheddinGruppierungen. In deren Verlauf gewannen die Taleban mit pakistanischer Unterstützung die Herrschaft über große Landesteile und bezeichneten ab September 1996 diese Gebiete als „Islamisches Emirat Afghanistan“, ohne jedoch international anerkannt zu werden.
b) Afghanistan ab September 2001
Infolge der USgeführten Militärintervention nach dem 11.09.2001 endete in diesem Jahr die der Herrschaft der Taleban und eine zivile Regierung unter dem P. H. K. wurde etabliert. Die Führung der Taleban um M. O. begann mit der Organisation des Widerstandes gegen die neue afghanische Regierung mit dem Ziel, diese zu vertreiben und eine – aus ihrer Sicht – wahre islamische Ordnung zu installieren. Wegen der durch Angriffe der Taleban bedrohten Sicherheitslage beschloss die internationale Gemeinschaft eine Unterstützung der Regierung Karzai durch die ISAF (International Security Assistance Force), die ab dem Jahr 2001 in Kabul stationiert wurde und die ab dem Jahr 2004 mittels Wiederaufbauteams (PRT) in den Provinzen für Stabilität sorgen sollte. Daneben operierten Einheiten aus Staaten, die die USgeführte OEF (Operation Enduring Freedeom) unterstützten.
Die Taleban bekämpften diese Entwicklung mit dem Ziel, die (mittlerweile) international anerkannte Regierung der Islamischen Republik Afghanistan sowie die diese stützenden Verwaltungs- und Militärkräfte und die in Afghanistan anwesenden Angehörigen ausländischer Streitkräfte und Hilfsorganisationen zu vertreiben. Die Regierungskräfte (ANSDF = Afghan National Security and Defence Forces) bestehen u.a. aus der ANA, dem Geheimdienst NDS und der Nationalpolizei ANP, sowie vereinzelten Einheiten der ALP (Afghan Local Police), einer auf örtlicher Basis rekrutierten, in der Regel nicht uniformierten milizartigen Hilfspolizeitruppe.
c) Sicherheitsvorfälle und Opferzahlen ab 2013
Im Jahr 2013 kam es landesweit zu wenigstens 500.000 Operationen der ANA und ANP und über 26.000 konventionellen ISAF-Operationen. Im April 2013 begann eine von den Taleban angeführte Frühjahrsoffensive. Die UN berichten von über  S2.. Wenigstens 4.600 Angehörige der ANSDF wurden im Jahr 2013 getötet.
In den ersten Monaten des Jahres 2014 führten ANA und ANP über 97.000 konventionelle Operationen aus, die ISAF 893. Im Mai verkündeten die Taleban erneut eine Frühjahrsoffensive. Bis August 2014 kamen 3450 Angehörige der ANSDF bei Angriffen der Aufständischen ums Leben.
d) Lage in der Provinz Paktia
In der Provinz kam es im Zeitraum 2013 und 2014 zu erheblichen gewaltsamen Auseinandersetzungen; die deutsche Bundesregierung stufte die Sicherheitsbedrohung in der Provinz als die zweithöchste landesweit ein. Die Intensität der Kämpfe war 2014 noch höher als 2013.
Auch stammen führende Vertreter der Taleban wie M. M. und J. H. aus der Provinz Paktia und nehmen dort eine dominierende Stellung ein. Die ANA ist mit der 2. Brigade des 203. Armeekorps vertreten, die ISAF-Truppen wurden reduziert und zogen bis April 2014 ab, jedoch verblieb eine US-Basis im Rahmen der OEF.
4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
In seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war der Angeklagte nicht beeinträchtigt.
5. Strafbarkeit nach afghanischem Recht
Die einfache und gemeinschaftliche Körperverletzung waren nach afghanischem Recht gemäß den Artikeln 409, 410 des Afghanischen Strafgesetzbuchs von 1976 strafbar, ebenso nach Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs von 2017, das im Februar 2018 in Kraft trat, in den neuen Artt. 577 und 578. Die Strafdrohung reicht von Geldstrafe bis Gefängnisstrafe. Eine gemeinschaftliche Begehung ist ebenfalls nach Art. 38 a.F. bzw. Art. 57 n.F. des Afghanischen StGB strafbar.
Ein der Nötigung vergleichbarer Tatbestand der Drohung war in Artt. 434 f. AFG StGB von 1976 und im neuen StGB von 2017 in Art. 624 geregelt, wobei eine Drohung mit einer Straftat gegen Leben oder Vermögen vorausgesetzt wurde.
6. Auslieferungsverkehr mit Afghanistan
Ein Auslieferungsverkehr mit Afghanistan findet – mindestens seit November 2016 – nicht statt.
III. Beweiswürdigung
A. Persönliche Verhältnisse
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seiner Einlassung in der Hauptverhandlung, dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister und weiteren verlesenen Urkunden sowie den Angaben des Zeugen L., der als polizeilicher Hauptsachbearbeiter im Ermittlungsverfahren tätig war.
Anhaltspunkte für Fälschungen der Tazkira, des Führerscheins und der Ausbildungszeugnisse verschiedener afghanischer Armeeeinrichtungen haben sich nach Aussage dieses Zeugen nicht ergeben.
Soweit verschiedene Geburtsdaten vorliegen, erscheint dem Senat das vom Angeklagten angegebene Datum 25.09.1995 glaubhaft; es ist insbesondere vereinbar mit der Altersangabe in der Tazkira des Angeklagten, wonach er im Jahr 2012 dem äußeren Erscheinungsbild nach 20 Jahre alt sei, und plausibler als die senatsbekannt häufigen, in dieser Häufung aber unwahrscheinlichen Angaben des 31.12. oder 1.1. als vermeintliches Geburtsdatum bei Personen aus dem Herkunftsland des Angeklagten. Fehler bei der Erfassung liegen auch deshalb nahe, weil teils offenbar aufgrund Schreibversehens in ein und demselben behördlichen Vorgang (so im verlesenen Bescheid der Polizei Südmähren) zwei verschiedene Geburtsjahre genannt werden.
B. Tatgeschehen
1. Feststellungen unter Ziff. II. B. 1 bis 2 im Allgemeinen, zeitliche Einordnung
Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen insbesondere auf den in Augenschein genommenen vier Minuten und zwei Sekunden dauernden Aufnahmen des Verhörs der drei Gefangenen (Video 20130313009.mp4), einem achtsekündigen Video, das zentral einen der drei Gefangenen zeigt (30032010001.mp4) sowie neun Minuten und 15 Sekunden dauernden Videoaufnahmen vom Transport und Aufhängen der Leiche (IMG_1283.mp4), wobei die auf den Aufnahmen zu hörenden Äußerungen der Beteiligten – soweit sie akustisch verständlich sind – durch öffentlich bestellte und vereidigte Dolmetscher für die Sprachen Pashtu und Dari übersetzt und im Wege des Urkundsbeweises eingeführt wurden. Im Übrigen beruhen sie auf den Einlassungen des Angeklagten, soweit diesen gefolgt werden konnte, sowie den Erläuterungen der Sachverständigen Prof. Dr. P1. und Dr. M..
Die zeitliche und örtliche Einordnung des Tatgeschehens zum Zeitraum Ende 2013/Anfang 2014 beruht auf den Angaben des Angeklagten zu den Zeitpunkten, zu denen die Videodateien erstellt wurden und den von ihm geschilderten Handlungsorten am Stützpunkt in S. K..
Metadaten zu Ort und Zeitpunkt der Erstellung der auf verschiedenen EDV-Geräten gesicherten Videodateien waren nach Angaben des Zeugen KHK L. nicht auffindbar. Die Angaben des Angeklagten sind jedoch insoweit stimmig, als der angegebene Tatzeitraum zwischen der Beendigung seiner Offizierslehrgänge im Dezember 2012 und der Flucht aus Afghanistan ab etwa Ende 2014/Anfang 2015 liegt. Die Videos zur Tat unter II.B. 1 wurden nach Angaben des Zeugen KHK L. im Rahmen der Durchsuchung beim Angeklagten auf einem diesem gehörenden Laptop aufgefunden, das Video zum Tatgeschehen unter II.B.2 auf einem IPad, welches die Zeugin G. dem Angeklagten zur Verfügung gestellt hatte und welches sie über den Verteidiger des Angeklagten einschließlich des Zugangscodes herausgegeben hat.
2. Einlassung des Angeklagten
a) Einlassung und Erklärungen in der Hauptverhandlung
In einer verlesenen und vom Angeklagten bestätigten schriftlichen Einlassung, die er durch weitere mündliche Angaben im Laufe der Hauptverhandlung ergänzt hat, hat der Angeklagte zunächst Bezug genommen auf seine Angaben bei den ermittlungsrichterlichen Vernehmungen (s. dazu unter b)).
Weiterhin führte er aus, jeweils auf Befehl seiner Vorgesetzten gehandelt zu haben, das Unrecht seines Handelns habe er nicht erkannt, Verhöre seien damals wesentlich heftiger verlaufen. Gewalt habe seit seiner Kindheit zum Alltag gehört und er sei damit aufgewachsen, er habe damals eine andere Sichtweise dazu gehabt als heute. Während seiner Ausbildung seien auch die Militärschüler gezüchtigt worden u.a. mit Holzprügeln. Von den Taleban gefangen genommene Militärangehörige hätten schlimmere Verhörmethoden zu erwarten gehabt, u.a. das Abschneiden von Gliedmaßen und Abziehen von Fingernägeln etc. Für die örtlichen Verhältnisse handele es sich bei den (von ihm angewandten) um relativ harmlose Methoden. Verhöre von Taleban wie das ihm zur Last liegende hätten seinen Befehlen und seiner damaligen militärischen Ausbildung entsprochen. In Vorschriften der Genfer Abkommen sei er nicht unterwiesen worden. Das Verbinden der Augen sei erfolgt, damit Verhörspersonen nicht erkannt werden konnten, da immer mit Racheaktionen und Bestrafungsmaßnahmen der Taleban zu rechnen gewesen sei, zumal es vielfach im Rahmen von Amnestien zu Freilassungen gekommen sei. Ziel des Verhörs sei es auch gewesen, die Tötung von Mitgliedern seiner Einheit und Zivilisten zu verhindern. Die Tat wolle er nicht bagatellisieren, sondern nur erklären, weshalb er damals so gehandelt habe.
Zudem hat er auf Nachfrage angegeben, er sei zum Zeitpunkt der Taten ebenso wie N. Oberleutnant gewesen und hat bestätigt, der jeweils in Tarnkleidung auf den beiden Videodateien (Video 20130313009.mp4 und IMG_1283.mp4) zu sehende Offizier zu sein.
Zum Tatgeschehen unter B. 1 hat er ergänzend angegeben, dass am Vortag seine Kameraden „bei denen“ (den Gefangenen) gewesen seien, aus deren Haus sei geschossen worden, die Schützen seien zu einem Berg weggelaufen und man habe in dem Haus Munitionsreste von Waffen des Typs PK und RPG gefunden. Am nächsten Tag habe man vom NSD Informationen bekommen; ihre – der ANA – Leute hätten die drei dann festgenommen. In dem Bezirk und dem Dorf seien alle außer den Kindern T. gewesen.
Zum Tatgeschehen unter B.II. 2 gab er an, dass er die Ansprache am Ende der Videoaufzeichnung auch deshalb gehalten habe, weil er sich davon – insbesondere der unzutreffenden Behauptung, den Taleban-Anführer selbst getötet zu haben – berufliche Vorteile versprochen habe.
b) Frühere Angaben
(1) Angaben im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung anlässlich der Haftbefehlseröffnung
In dem insoweit verlesenen Protokoll der Vernehmung gab der Angeklagte an, er sei die auf dem Video zu sehende rechts sitzende Person, die drei Gefangenen seien Taleban. Sein Kollege habe die drei festgenommen und gleich erschießen wollen, dies sei nichts Ungewöhnliches und von der Regierung gebilligt gewesen. Er sei einfach dazu gekommen und habe dem Kollegen gesagt, er solle die drei nicht erschießen, sondern befragen. Der Kollege habe den gleichen Dienstrang wie er gehabt, jedoch sei der vorgesetzte Hauptmann in einem anderen Camp gewesen, so dass der Kollege das Kommando gehabt habe. Dieser habe ihn gebeten, das Protokoll zu führen. Er habe mit einem Schlauch geschlagen und der Angeklagte habe ihn immer wieder gebeten, damit aufzuhören. Ziel sei es gewesen, zu erfahren, wo die anderen Taleban ihre Waffen gelagert hätten und wo diese aktiv seien. Dies habe der Taleban mit dem weißen Oberteil – d.i. der oben als „dritter Gefangener“ bezeichnete – ihnen letztlich gesagt, wobei dies auf dem Video nicht mehr zu sehen sei. Sie hätten die Befragung abbrechen müssen, als ein Sicherheitsoffizier hinzugekommen sei, der die Gefangenen mitgenommen habe, diese seien nach Wissen des Angeklagten in ein Gefängnis gekommen und nach der Präsidentschaftswahl mit insgesamt 400 Taleban freigelassen worden.
Das Video sei Ende 2013/Anfang 2014 in Paktia, A. K.von Stabsfeldwebel A. N. aufgenommen worden, in A. K. sei er stationiert gewesen. In der Militärkaserne seien Polizei, Sicherheitspolizei, Bürgermeister und Militär stationiert gewesen. Er sei damals doambridman gewesen (Leutnant) in einer regulären Armeeeinheit. Die Aufzeichnung auf Video sei üblich gewesen, manchmal seien Videos auf YouTube hochgeladen worden. Dieses Video sei an 700 Leute in dem Lager verteilt worden, auch an ihn.
Er sei auf die drei Gefangenen aufmerksam geworden, als er die Dienstfahrzeuge habe kommen sehen. Die Gefangenen seien bereits gefesselt mit verbundenen Augen in die Kaserne gebracht worden, er habe seinen Kollegen angesprochen, der ihm gesagt habe, es seien gefangene Taleban, er werde sie in sein Zimmer bringen. Der Angeklagte habe zunächst seine Untergebenen in die Mittagspause geschickt. Zu dem Vernehmungsort, einem Büro seines Kollegen, sei er dann gekommen, weil er Schreie – deren Herkunft und deren Art der Angeklagte nicht weiter erläuterte – gehört habe. Der Kollege habe bereits mit dem Schlagen begonnen, dies habe er gehört und habe sich deshalb in das Zimmer begeben. Als er den Raum betreten habe, habe der Kollege bereits mit dem Schlauch geschlagen, er habe gesagt, der Kollege solle aufhören, dies sei aber noch nicht gefilmt worden. Als er hereingekommen sei, sei mit dem Filmen begonnen worden und er habe auch Platz genommen. Den Kollegen habe er gewarnt, es sei gefährlich, wenn er weiter schlagen würde, er werde Probleme mit der Polizei und dem Offizier der Taleban bekommen.
Der Taleban mit dem weißen Oberteil (oben unter II. B. 1 als dritter Gefangener bezeichnet) habe wegen der Schläge ihnen letztlich gesagt, wo die Waffen, der M. – der „Chef“ von den dreien – und die anderen Taleban seien.
(2) Angaben im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung anlässlich des Haftprüfungstermins Ausweislich des verlesenen Protokolls hat sich der Angeklagte zu dem damals alleine haftbefehlsgegenständlichen Tatvorwurf der Folter dreier Gefangener lediglich dahingehend geäußert, er habe „den Gefangenen geschlagen und an den Haaren gezogen“.
Im Übrigen hat er sich zu dem weiteren, damals nicht Gegenstand des Haftbefehls gewesenen Tatvorwurf unter II.B.2 wie folgt geäußert:
Er habe Befehl von einem General bekommen, Qu. N. Sh., den größten Talebanoffizier in der Region, um jeden Preis zu töten, nicht jedoch, wenn der sich ergebe. Die Amerikaner hätten eine Belohnung von 15.000 USD ausgesetzt gehabt für die Festnahme oder Tötung.
In der Folge schilderte er im Rahmen der Vernehmung den Hergang des Gefechts – wie festgestellt – wobei er bis zum Eintreffen eines Hauptmanns R. am nächsten Morgen um 6:30 Uhr der einzige anwesende Offizier im Rang eines Oberleutnants gewesen sei. Shahed sei mit einer einzigen Kugel in den Kopf getötet worden, er – der Angeklagteselbst habe nur eine Pistole dabei gehabt, aber in der Nacht nicht selbst damit geschossen und auch den Getöteten nicht angeschossen.
Als die von den beiden Offizieren verständigte Polizei eingetroffen sei, habe man ihm gesagt, er solle fragen, wie man weiter vorgehen solle. Sein vorgesetzter General habe ihn angewiesen, die Leiche zu einem Basar zu einem Metzger zu bringen, der einen Fleischerhaken habe. Falls der Metzger sich weigere, solle er den General kontaktieren, da dieser ihn gekannt habe. Der Angeklagte sei dagegen gewesen, den Körper des Toten aufzuhängen und habe sich geweigert, den Fleischerhaken zu benutzen.
(3) Schreiben an das BAMF
In einem vom Angeklagten stammenden Schreiben an das BAMF vom 19.04.2016, das im Selbstleseverfahren eingeführt wurde, ordnet der Angeklagte das Geschehen unter B. II 2 (Leiche) einem Zeitraum vor oder im Februar 2014 zu, da er u.a. nach der Tötung eines „Talebanchefs“ namens „Qu. N. S.“ Drohungen erhalten habe und im Anschluss sich die Explosion ereignet habe, bei der er erheblich durch Splitter verletzt worden sei und vier Zähne verloren habe. Zudem erwähnt er in dem Schreiben auch, dass es „von der Situation in Afghanistan“ ein Video gebe, welches das Verhör von Taleban durch ihn zeige und den Abtransport eines toten Taleban.
(4) Angaben im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG gegenüber der Zeugin J. Die vernommene Zeugin J. hatte kaum Erinnerungen an die Inhalte der Befragung. Ihr sei lediglich noch erinnerlich, dass der Angeklagte die Tötung eines Verletzten geschildert habe, dem ein Fleischerhaken durch den Kopf gestoßen worden sei und dass der Fall insoweit für sie ungewöhnlich gewesen sei, als der Angeklagte A2. der Afghanischen Armee gewesen sei. An weitere Details erinnerte sie sich nicht.
Die Angaben sind daher mit Ausnahme des Umstandes, dass der Angeklagte sich bereits beim BAMF selbst jedenfalls einer dem Tatgeschehen unter Ziff. B. 2 zuzuordnenden Tat bezichtigte, unergiebig, zumal hinzu kommt, dass Zweifel an der Richtigkeit der Übertragung durch den vom BAMF bei der Anhörung eingesetzten iranischstämmigen und nicht vereidigten Dolmetscher bestehen, nach dem polizeilich gefahndet wird. Denn die aufgrund Mitteilung des BAMF an die Ermittlungsbehörden eingeleiteten Ermittlungen wegen des Verdachts, der Angeklagte habe gemäß seinen Angaben in der Anhörung nach § 25 AsylG einen noch lebenden Verwundeten mittels eines Fleischerhakens getötet und daran aufgehängt, wie es der Zeuge KHK Lapp zum Anlass des Ermittlungsverfahrens glaubhaft schilderte, sind angesichts des auf der Videoaufzeichnung zu sehenden Geschehens nicht belegt, sondern vielmehr hat sich dieser bei der Anhörung geschilderte Ablauf deutlich anders dargestellt.
c) Würdigung der Einlassung
Die Einlassungen des Angeklagten in den verlesenen ermittlungsrichterlichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung erscheinen dem Senat im Wesentlichen stimmig und glaubhaft. Die Chronologie der Ereignisse ist weitgehend vereinbar mit dem Inhalt des bereits 2016 an das BAMF adressierten Schreibens.
Konkrete Umstände außerhalb der Einlassung, die geeignet sind, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen, liegen lediglich hinsichtlich seiner zeitlich nicht präzisierten Behauptung vor, er habe während des Verhörs auf N. dahingehend eingewirkt, keine Gewalt anzuwenden, da sich Entsprechendes der Videoaufzeichnung nicht entnehmen lässt.
Anhaltspunkte, die geeignet sind, seine wenn auch von gewissen Tendenzen zur Entlastung von eigener Verantwortung getragenen Einlassungen im Übrigen zu widerlegen, liegen hingegen nicht vor.
(1) Tatgeschehen unter II.B.1
Hinsichtlich der außerhalb der Videoaufzeichnungen liegenden Geschehnisse, insbesondere des Anlasses der Festnahme und Vernehmung, wird die Einlassung gestützt durch die während des Verhörs erfolgte Äußerung des N. in Richtung des Angeklagten, dass er ihn (den zweiten, grün gekleideten Gefangenen) „aus dem Haus heraus“ mitgenommen habe, welche dann durch den mit einem M16-Gewehr versehenen Soldaten ergänzt wird, der erklärt, einen der Verdächtigen habe man in dem Haus festgenommen, aus dem sie mit Raketen beschossen worden seien. Dies steht in Einklang mit der Einlassung des Angeklagten, es habe am Vortag des Verhörs einen Beschuss u.a. mit RPG gegeben.
Für die Einlassung des Angeklagten, er habe nicht selbst das Verhör als verantwortlicher Offizier geführt, sprechen u.a. der deutlich höhere Redeanteil und Anteil an Misshandlungen durch N. und der Umstand, dass der Angeklagte – wie von ihm angegeben als mit dem Mitschreiben Beauftragter – Schreibpapier und Stift benutzt. Dass N. eine zivile Trainingsjacke über der Uniform trägt, lässt nicht an der Offiziers- und Vorgesetzteneigenschaft zweifeln. Denn der Senat hat ein Lichtbildaus einem Ordner der Zeugin G. in Augenschein genommen, auf dem der Angeklagte vor Bäumen mit etwa einem Dutzend bewaffneter und uniformierter Soldaten posiert und dabei eine zivile blousonartige Jacke über seiner Tarnuniform trägt, dies mithin nicht ungewöhnlich zu sein scheint.
Ebenso ergibt sich aus dem Inhalt der Vernehmung, dass den drei Gefangenen vorgeworfen wurde, Taleban zu sein. Unklar blieb dabei, ob die Äußerung des zweiten (grün gekleideten) Gefangenen auf dem nur acht Sekunden dauernden Video, er sei Schüler gewesen – unter Verwendung des dem Arabischen entlehnten Wortes „talib“ – dahingehend zu verstehen ist, er habe nur die Schule besucht, oder aber, dass er (nur) ein einfaches Mitglied der Taleban gewesen sei im Gegensatz zu einem als Anführer fungierenden Geistlichen/Korangelehrten (M. oder Qu.).
Dass es sich bei dem Schlaggegenstand um einen Wasserschlauch handelt, wie vom Angeklagten erklärt, ist anhand der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen klar erkennbar. Die Feststellungen zu Länge und Dicke des Schlauchstücks ergeben sich im Wege der Schätzung aus den sichtbaren Größenverhältnissen im Vergleich zu Körpermaßen (Armlänge, Fingerdicke). Dass im Rahmen der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Angeklagten einmal das Wort „Kabel“ verwendet wurde – ansonsten ist darin stets von Wasserschlauch und Schlauch die Rede -, dürfte auf Ungenauigkeiten bei der Übertragung durch den eingesetzten Dolmetscher des LKA beruhen, der auch die Übersetzung der Audiospuren im Ermittlungsverfahren vorgenommen hat.
(2) Hinsichtlich des Tatgeschehens unter Ziff. II. B. 2 ist die Einlassung des Angeklagten, er sei von einem General zur Festnahme oder Tötung des Taleban-Führers angewiesen worden, nach Angaben des Sachverständigen Dr. M. (zu dessen Qualifikation s.u. III.B. 2) plausibel, da anders als in westlichen Armeen derartige direkte Weisungen an untere Führungsebenen nicht unüblich seien. Es bestehe auch, so der Sachverständige, im Rahmen der bei der ANA verbreiteten Befehlstaktik eine autoritätshörige Tendenz dazu, Befehlen nachzukommen und hiervon nicht abzuweichen. Auch dass seitens der USA Belohnungen auf die Ergreifung von Führungskräften der Taleban ausgesetzt würden sei, so der Sachverständige, verbreitet.
Nicht glaubhaft angesichts der – im Haftprüfungstermin nicht vorliegenden – Aufnahmen von Transport und Aufhängen des Leichnams erscheint hingegen die Einlassung des Angeklagten, sich geweigert zu haben oder dagegen gewesen zu sein, die Leiche aufzuhängen bzw. insoweit nur auf Befehl gehandelt zu haben. Aus den Aufnahmen ergibt sich, dass der Angeklagte aktiv daran mitwirkte, den Leichnam mit Hilfe eines Seiles an der Befestigung anzubringen; die Schlinge legte er ihm selbst um den Hals, zudem gab er hierbei Anweisungen an die weiteren anwesenden Soldaten.
Dass er auch hierzu angewiesen wurde bzw. durch wen dies geschehen sein sollte hat er in keiner Weise dargestellt. Es spricht angesichts der eindeutigen Aufnahmen auch nichts dafür, dass etwa eine Anweisung durch die ANP erfolgte, da es sich, wie vom Angeklagten geschildert, um eine Operation der ANA handelte, die ANP hiervon nur nach dem Gefecht verständigt wurde und ansonsten lediglich ANA-Kräfte an der Tötung und der Abwicklung des Abtransports beteiligt waren. Eine Anordnung des weiteren am Morgen hinzugekommenen Offiziers oder des Generals, der das Aufsuchen eines Metzgers anordnete, ist vom Angeklagten konkret nicht behauptet und auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass der Angeklagte zuletzt selbst eine Ansprache hielt, in der er sich die Tötung des Qu. N. Sh. zuschrieb, zur Überzeugung des Senats dafür, dass er der für das Aufhängen der Leiche verantwortlich handelnde Offizier war.
Dass der Angeklagte nicht weiter auf den Polizeibeamten einwirkte, der während des Transports auf die Leiche einschlug, ist vereinbar mit den Angaben des Sachverständigen Dr. M. dahingehend, dass ANA einerseits und ANP – der der Polizist aufgrund seiner blaugrauen Uniformierung zugehörig sei – andererseits unabhängig voneinander operierten und keine wechselseitige Befehlsgewalt bekannt sei. Die Angaben des Angeklagten zum zeitlichen Ablauf, nämlich einem nächtlichen Gefecht und einigen Stunden Wartezeit bis zum Transport und Aufhängen der Leiche werden gestützt durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P1. (s.u. e)).
d) Videoaufzeichnungen und Übersetzungen
Auf den in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen von der Verhörsituation mit einer Dauer von vier Minuten und zwei Sekunden und einem achtsekündigen Video sind die festgestellten Geschehnisse unter II.B.1 zu sehen, mit Ausnahme des Auftreffens des Kopfes eines Gefangenen an der Holzwand, das nur durch vier schnell aufeinanderfolgende dumpfe Geräusche zu hören ist; auch das Auftreffen des ohrfeigenartigen Schlages gegen den schluchzenden Gefangenen ist lediglich zu hören. Die Tonspur wurde durch öffentlich bestellte und vereidigte Dolmetscher /Übersetzer für Pashtu und Dari im Zwischenverfahren übersetzt und die gefertigten Übersetzungen im Selbstleseverfahren eingeführt.
Ergänzend hat der in der Hauptverhandlung anwesende Dolmetscher für D. und P., N., insoweit als Sachverständiger erläutert, dass auf dem etwa vierminütigen Verhörvideo die Gefangenen P. sprächen.
Im Hinblick auf eine im Ermittlungsverfahren gefertigte Übersetzung durch einen vom BayLKA herangezogenen, nicht bestellten und vereidigten Dolmetscher/Übersetzer, der zudem bei der Übersetzungsniederschrift Formulierungshilfen der ermittelnden Polizeibeamten in Anspruch nahm, hat der Sprachsachverständige N. erläutert, dass der Angeklagte auf dem etwa vierminütigen Video auf D. androhe „ich werde Dich an Strom anschließen“ – und nicht wie im Ermittlungsverfahren übersetzt „ich hole den Elektroschock“ – und dies anschließend durch den anwesenden Oberleutnant N. dem Gefangenen auf P. übersetzt werde.
Zweifel an der Richtigkeit der verlesenen Übersetzungen haben sich nicht ergeben, die Abweichung zwischen der Übersetzung des Sprachsachverständigen „Strom“ und der des im Zwischenverfahren eingesetzten Dolmetschers/Übersetzers „Stromkabel“ ist geringfügig. Der für D. eingesetzte Dolmetscher/Übersetzer Ja. und der ergänzend für P. eingesetzte Dolmetscher/Übersetzer Mo. sind senatsbekannt äußerst zuverlässig und fachkundig. Die Zuordnung des Gesprochenen zu auf den Videoaufzeichnungen zu sehenden Personen ist ohne weiteres möglich, soweit nicht, – wie lediglich bei der Aufzeichnung der Tat unter II.B.2 aufgrund der dort oft wechselnden Kameraposition – teils Stimmen von außerhalb des Kamerabereichs befindlichen Personen zu hören sind. Die Äußerungen des Angeklagten, insbesondere seine Ansprache nach dem Aufhängen der Leiche, sind jedoch diesem klar und eindeutig anhand der Beschreibung des Sprechers in der im Selbstleseverfahren verlesenen Übersetzung zuordenbar.
e) Mögliche Verletzungen und sonstige Folgen der Misshandlungen
Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. P1. zur Einschätzung der auf dem Verhörvideo zu sehenden Misshandlungen und den hieraus möglich erscheinenden Verletzungsfolgen sowie etwaigen psychischen Folgen angehört.
Der Sachverständige ist seit Jahrzehnten als Rechtsmediziner tätig, hat eine einjährige Facharztausbildung im Bereich Psychiatrie absolviert. Im Rahmen dieser Berufsund Sachverständigentätigkeit ist er nicht nur mit der Untersuchung und Begutachtung physischer, sondern auch psychiatrischer Befunde befasst. Dem Senat ist er auch aus anderweitigen Verfahren als hoch kompetent bekannt.
(1) Physische Auswirkungen der körperlichen Misshandlungen
Der Sachverständige hat anhand der Videoaufzeichnung ausgeführt, dass die dort zu sehenden Misshandlungen wie festgestellt von leichter bis mittelgradiger Intensität seien.
Hätte er im Anschluss an das Geschehene die drei Gefangenen zu untersuchen und könne dabei keine sichtbaren Verletzungen feststellen, so der Sachverständige, so würde er nicht ausschließen können, dass die auf der Videoaufzeichnung zu sehenden Misshandlungen stattgefunden hätten, denn es sei bei dem Geschehen allenfalls mit vorübergehenden streifigen Hautrötungen zu rechnen, maximal sei durch das Schlagen des Kopfes des ersten Gefangenen an die hölzerne Wand eine leichte Schwellung (Beule) oder ein kleineres Hämatom mögliche Folge.
Da das Schmerzempfinden generell subjektiv und bei einer u.U. vorliegenden Stresssituation wie der vorangegangenen Festnahme die Schmerzwahrnehmung möglicherweise herabgesetzt sei, sei eine Bewertung des subjektiven Schmerzempfindens über die Bewertung der objektiven Intensität der Misshandlungen hinaus nur schwer möglich. Jedenfalls seien die Misshandlungen als körperlich unangenehm anzusehen, aber nicht von einer Intensität oder Qualität, dass überhaupt ein hohes Schmerzempfinden zu erwarten sei.
(2) Psychische krankheitswertige Folgen des Verhörs
Zu den psychischen Beeinträchtigungen sei – sofern eine Beeinträchtigung mit Krankheitswert in Betracht komme – an eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach ICD 10 F 43.1 zu denken, jedoch sei eine solche weder von ihrer Grundvoraussetzung, nämlich einer Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, festzustellen, noch – mangels jeglicher Untersuchungsmöglichkeit – die entsprechenden u.U. verzögert eintretenden weiteren Krankheitssymptome. Der Eintritt einer derartigen Störung sei bei einem Tatgeschehen wie dem vorliegenden von vielfältigen individuellen Umständen, der Konstitution und dem Erwartungshorizont abhängig. Es sei daher keine Aussage zur Eintrittswahrscheinlichkeit einer PTBS bei dem vorliegenden Geschehen möglich.
(3) Psychische Folgen des Verhörs ohne Krankheitswert
Auch unterhalb der Schwelle einer diagnostizierbaren Erkrankung wie einer PTBS seien aus medizinischpsychiatrischer Sicht schwerwiegende seelische Beeinträchtigungen aus dem zu sehenden Tatgeschehen, den geäußerten Drohungen (Anschließen an Strom, Zerreißen) und der Situation der Fesselung und Desorientierung durch das Verbinden der Augen nicht feststellbar, auch hierfür komme es maßgeblich auf die individuellen Gegebenheiten und den individuellen Erwartungshorizont und psychischen Zustand an, also u.a. darauf, welche Misshandlungsintensität subjektiv befürchtet werde und wie die Situation subjektiv bewertet werde. Alleine anhand der äußeren Umstände der Gefangennahme und des Verhörs könne ohne eine Exploration der Betroffenen keine Aussage über den Eintritt und den Schweregrad psychischer Beeinträchtigungen bzw. deren Wahrscheinlichkeit getroffen werden.
(4) Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach kritischer eigener Prüfung an.
Zutreffend sind die körperlichen Misshandlungen von allenfalls leichter bis mittelgradiger Intensität. Äußerungen von Schmerzempfinden und Angst sind mit Ausnahme eines kurzen Schluchzens/Wimmerns des zweiten Gefangenen nicht erkennbar. Die Gefangenen sind bei Beginn der Vernehmung äußerlich unverletzt, ebenso wie zum Ende der Videoaufzeichnung. Insoweit erscheint die Angabe des Angeklagten glaubhaft, dass die Gefangenen am Ende des Verhörs keine äußeren Anzeichen von Verletzungen aufgewiesen hätten.
Das Schlagen des Kopfes gegen die Holzwand erfolgte aus kurzer Entfernung, da der Gefangene mit dem Rücken an die Wand angelehnt sitzt und daher nur ein geringer Beschleunigungsweg möglich ist, wie sich auch aus der Frequenz der vier schnell aufeinander folgenden Anstoßgeräusche innerhalb von 1 -2 Sekunden ergibt.
Bei dem Schlauchstück handelte es sich ersichtlich und insoweit mit den Angaben des Angeklagten vereinbar um einen einfachen etwa zolldicken Gummi(wasser) schlauch ohne jegliche erkennbare Beschwerung oder Drahtverstärkung, zugeschlagen wurde mit den offenen losen Enden und nicht der Stelle, an der der Schlauch geknickt war, so dass auch eine etwaige Befüllung des Schlauches zur Verstärkung der Schlagwirkung erkennbar ausscheidet.
Die Sitzposition mag unbequem erscheinen, nach Ausführungen des insoweit auch aus eigener Anschauung aufgrund seiner Aufenthalte in Afghanistan sachkundigen Sachverständigen Dr. M. handelt es sich dabei um eine landestypische Sitzhaltung. Hinzu kommt, dass auch der Angeklagte und der Oberleutnant N. die gleiche sitzende Position einnehmen. Eine sogenannte „Stressposition“ als Folter- /Verhörmethode ist daher nicht gegeben.
Die drei Gefangenen waren jedenfalls nicht über einen erheblichen Zeitraum hinweg in Gewahrsam der Sicherheitskräfte, Erschöpfungszustände aufgrund einer längeren vorangegangenen Gefangennahme sind daher nicht ersichtlich.
Zur Dauer, Intensität, Häufigkeit und Richtung der Schläge, die der Angeklagte beim Betreten des Verhörraumes wahrgenommen hat, konnten mangels näherer Angaben des Angeklagten keine Feststellungen getroffen werden. Dass er – wie in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung angegeben – Schreie hörte, ohne Präzisierung dahingehend, ob sie von Gefangenen oder Soldaten stammten, ob es Schmerzensschreie waren oder einfaches Schreien, lässt ebenfalls keine Rückschlüsse auf schwere Misshandlungen zu, da während des aufgezeichneten Verhörs durch N. auch sehr laut gesprochen wird, seitens der Gefangenen jedoch keinerlei, geschweige denn laute, als Schreien interpretierbare oder Schmerzensäußerungen erfolgen. Es ist daher auch nicht erkennbar, dass und inwieweit die Gefangenen bei Beginn des aufgezeichneten Verhörs durch vorangegangene Misshandlungen eingeschüchtert und psychisch beeinträchtigt waren und dies durch das gemeinsam geführte Verhör sodann verstärkt wurde.
f) Zurschaustellung der Leiche
Der Sachverständige Prof. Dr. P1. hat überzeugend und anhand der in Augenschein genommenen Aufnahmen nachvollziehbar begründet, dass die vom Angeklagten und weiteren Soldaten aufgehängte Person mangels jeglicher Anzeichen, die auf erhaltene Vitalfunktionen hinweisen, tatsächlich bereits tot war, und zwar bereits bei Beginn des Abtransports.
Darüber hinaus ergibt sich aus seinen Ausführungen, dass die Angaben des Angeklagten zur Zeitdauer zwischen dem nächtlichen Gefecht und anschließendem Transport der Leiche plausibel sind, da keine Anzeichen für eine beginnende Leichenstarre, mit deren Eintritt in einem Zeitraum von 2-5 Stunden nach Todeseintritt zu rechnen sei, zu erkennen seien.
2. Feststellungen unter Ziff. II.B.3 (Taleban/Konflikt in Afghanistan)
Die Feststellungen zu dem in Afghanistan herrschenden Konflikt zwischen den Taleban und der Zentralregierung sowie ausländischen Kräften beruhen auf dem erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. M..
Der Sachverständige Dr. M. ist studierter Historiker und verfügt darüber hinaus über einen Masterabschluss in Politikwissenschaften. An der Stiftung Wissenschaft und Politik war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und für Afghanistan zuständig. Auch seine Promotion erfolgte über die Verhältnisse in Afghanistan. Während seiner Tätigkeit dort führte er eigene Forschungen zu den Taleban durch, bereiste das Land mehrfach und führte insbesondere auch Interviews mit ehemaligen Angehörigen der Taleban. Nach einer Tätigkeit bei der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ist er inzwischen beim Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr beschäftigt. Die sowohl in die Breite wie in die Tiefe reichende Fachkunde des Sachverständigen Dr. M. wurde in seiner Anhörung für den Senat offenbar, der sich deshalb seinen überzeugenden Ausführungen vollumfänglich anschließt.
Ausgehend von einer sozialwissenschaftlichen Definition von Krieg als eine institutionalisierte andauernde gewaltsame Auseinandersetzung in qualitativer Hinsicht und mehr als 1000 Todesopfern in quantitativer Hinsicht seien diese Voraussetzungen angesichts der vom Sachverständigen referierten Zahlen an Toten und der Einsatzzahlen ohne weiteres dergestalt zu bejahen, dass in Afghanistan ein andauernder bewaffneter Konflikt unter Beteiligung einer von ausländischen Einheiten unterstützten Zentralregierung und inländischen Aufständischen vorliegt, und dies auch in der Provinz Paktia im Tatzeitraum durchgehend der Fall war.
3. Feststellungen unter Ziff. II B. 4 (Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Einsichts- und Steuerungsfähigkeit)
Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ergaben sich weder aus seiner Biographie und seiner Einlassung noch aus dem auf Videoaufzeichnungen dokumentierten Tatgeschehen.
4. Feststellungen unter Ziff. II.B. 5
Zu den Normen des afghanischen Strafrechts hat der Senat ein den Verfahrensbeteiligten bekannt gegebenes Gutachten des M.-Pl.-Instituts für internationales und ausländisches Strafrecht eingeholt.
5. Feststellungen unter Ziff. II B. 6
IV. Die Feststellungen beruhen auf dem verlesenen Schreiben des Bundesamtes für Justiz.
Rechtliche Würdigung
A. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts
Auf die Taten unter II. B. 1 findet nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB das deutsche Strafrecht Anwendung. Die Taten fanden in Afghanistan und mithin im Ausland statt und wurden durch den Angeklagten, der ausschließlich afghanischer Staatsangehöriger ist, begangen; jedoch wurde er im Inland betroffen und festgenommen. Die dem Angeklagten zur Last liegenden Handlungen sind – wie festgestellt – sämtlich auch nach afghanischem Recht strafbar, ungeachtet dessen, dass im Rahmen einer prozessualen Tat bereits die Strafbarkeit nach dem ausländischen Recht zur Anwendung sämtlicher deutscher Strafnormen führt (Ambos in MüKO StGB 3.A. § 7 Rdn.6 mwN), so dass es nicht darauf ankommt, dass der Straftatbestand der Nötigung in Afghanistan in dieser Form nicht existiert.
Schließlich wurde der Angeklagte im Bundesgebiet aufgegriffen und findet zwischen der Islamischen Republik Afghanistan und der Bundesrepublik kein Auslieferungsverkehr statt.
Hinsichtlich der Tatvorwürfe der Verbrechen nach dem VStGB folgt die Anwendbarkeit auf die Auslandstaten aus § 1 VStGB ungeachtet eines Inlandsbezuges.
B. Taten unter II.B. 1
1. grausame und unmenschliche Behandlung/ Folter, § 8 Abs. 1 S.1 Nr. 3 VStGB
Soweit dem Angeklagten in der zugelassenen Anklage Folter i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VStGB zur Last lag, ist dieser Tatbestand nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt.
a) Der Straftatbestand der Folter nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ist ein Unterfall der grausamen oder unmenschlichen Behandlung, wobei der Folterbegriff wie in § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB zu verstehen ist, ergänzt um das weitere Merkmal, dass die Folter final erfolgt, um eine Aussage oder Informationen zu erhalten und zudem eine gewisse Bemächtigungssituation vorliegen muss (Geiß/Zimmermann in MüKo StGB 3. A. VStGB § 8 Rdn. 141).
b) Zwar handelt es sich um Gewaltanwendung mit dem Ziel, Informationen zu erlangen; eine Bemächtigungssituation liegt ebenfalls vor.
c) Die körperlichen und seelischen Misshandlungen sind jedoch nicht erheblich im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, so dass weder eine Folter noch ein sonstiger Fall der grausamen oder unmenschlichen Behandlung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB gegeben ist.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies hinsichtlich körperlicher Misshandlungen nur dann der Fall, wenn sie deutlich über das hinausgehen, was dem Merkmal der körperlichen Misshandlung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB entspricht (BGH StB 40/18 Rdn. 22 mwN). Bei isolierter Betrachtung der zugefügten körperlichen Misshandlungen ist diese Schwelle nicht erreicht, vielmehr handelt es sich sämtlich um einfach gelagerte leichte bis mittelgradige Körperverletzungshandlungen und geringfügige zu erwartende Verletzungserfolge von allenfalls vorübergehender Dauer.
(2) Auch unter Zusammenschau der Gesamtumstände des Verhörs ist jedoch der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt.
Grausame oder unmenschliche Behandlung in Form der Folter setzen voraus, dass erhebliche körperliche oder seelische Leiden zugefügt werden, um eine Abgrenzung von einfachen Misshandlungen zu ermöglichen. Im Bereich des – ergänzend bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des VStGB heranzuziehenden IStGH-Statuts wird dies formuliert als „große“ (engl.: severe) körperliche oder seelische Schmerzen (Werle/Jeßberger Völkerstrafrecht 4.A. Rdnr. 1204).
Die Erheblichkeit der körperlichen und/oder seelischen Leiden ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, insbesondere der Art der Handlung sowie ihres Kontextes. (BGH StB 40/18 Rdn. 22 mwN).
Erhebliche Schmerzen sind zwar nicht gleichzusetzen mit extremen Schmerzen (Geiß/Zimmermann aaO Rdn. 142). Die Entscheidung Case No. IT-99-36-A JStGH vom 03.04.2007, Rn. 249 führt dazu aus, dass diese Begriffe nicht identisch seien; in Rdn. 251 wird weiter ausgeführt, dass die Frage, ob erhebliche Schmerzen oder Leiden im Sinne des Folterbegriffs vorlägen, in der Regel fallspezifisch beantwortet werden müsse. Die Kriterien seien hierbei der körperliche und geistige Zustand des Opfers, die Wirkungen der Misshandlungen und auch Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Position der Unterlegenheit sowie die objektive Schwere der zugefügten Leiden sowie ihre Art und ihr Zweck. Gegenständlich waren bei dieser Entscheidung Schläge mit Gewehrkolben und Fußtritte bis zur Bewusstlosigkeit, Schläge mit Schlagstöcken nach nächtlichem Aufwecken und Aufstellen an einer Wand, Schläge ins Gesicht bis zum Bluten aus Mund und Nase, u.a. Werle/Jeßberger aaO Rdn. 1000 führen beispielhaft neben Handlungen, die per se als Folter einzustufen seien (Stromstöße, Aufhängen an einer Stange, Verursachen von Erstickungsanfällen und Verbrennen von Körperteilen), als Zufügen großer seelischer Schmerzen Scheinexekutionen und den Zwang, Leichen von Familienmitgliedern und Freunden zu bestatten (nach vorangegangener Ermordung und teils Verstümmelung, JStGH v. 01.09.2004 – Brdanin) an.
(4) Unter Gesamtwürdigung der Umstände des Verhörs und unter Berücksichtigung der oben dargestellten rechtlichen Gesichtspunkte ist der Senat überzeugt, dass das Merkmal der Folter i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB als Unterfall der grausamen oder unmenschlichen Behandlung bzw. einer grausamen oder unmenschlichen Behandlung als solche im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist.
Hierbei sind folgende Umstände bestimmend:
– die ersichtlich unbeeinträchtigte körperliche Konstitution der Gefangenen vor und während des Verhörs.
– dass sie sich erst seit kurzer Zeit in Gefangenschaft befanden.
– die insgesamt kurze Gesamtdauer der Befragung und der einzelnen Misshandlungen, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach den Angaben des Angeklagten bereits bei Betreten des Raumes Schläge unbekannter Häufigkeit, Intensität und Richtung und unbekannter Dauer gegen die Gefangenen gerichtet wurden.
– die geringe bis mittlere Intensität der Verletzungshandlungen.
– die vom Sachverständigen Prof. Dr. P1. geschilderten zu erwartenden geringen Verletzungen, die weitgehend in leichten bis höchstens mittelgradigen Schmerzen und vorübergehenden Hautrötungen bestehen.
– entgegen der Würdigung in der Anklage handelt es sich bei der Sitzposition nicht um eine unbequeme Haltung, sondern um die landestypische Sitzweise, eine sogenannte foltertypische „Stressposition“ ist daher nicht gegeben.
– jedenfalls die Fesselung ist eine typische und auch im Bundesgebiet übliche Maßnahme der Eigensicherung; es handelt sich somit nicht um eine gezielte Maßnahme der Erniedrigung und Einschüchterung. die Desorientierung durch das Verbinden der Augen ist zwar an sich geeignet, psychische Wirkungen der Körperverletzungshandlungen zu steigern, da nicht erkennbar ist, wo und wie auf die jeweiligen Gefangenen oder Mitgefangenen eingewirkt wird. Jedoch wird dieser Effekt allenfalls ausgenutzt, da – nachvollziehbar und glaubhaft – das Verbinden der Augen primär bezweckte, dass die Befrager nicht erkannt und ggf. Repressalien ausgesetzt werden, die Desorientierung allenfalls wenn auch erwünschter Nebeneffekt ist.
– die Drohung mit dem Anschließen an Strom wurde nicht wiederholt und auch nichts getan, was zu ihrer Umsetzung gedient hätte oder was seitens der Gefangenen dahingehend hätte interpretiert werden können, insbesondere ist akustisch nichts wahrnehmbar, was hierauf hindeuten würde (Aufstehen eines der Verhörenden, um ein Kabel zu holen, Einstecken eines Kabels o.ä.).
– psychische Beeinträchtigungen der drei Befragten sind bis auf das kurze Weinen des zweiten der drei Gefangenen nicht ersichtlich, eine schwere Beeinträchtigung ist aus Äußerungen und körperlichen Reaktionen gar nicht erkennbar.
– reine Erniedrigungshandlungen wie Beleidigungen und herabsetzende Äußerungen, die eine zusätzliche psychische Beeinträchtigung herbeiführen könnten, fanden nicht statt.
Ob darüber hinaus – wie vom JStGH gefordert (vgl. Geiß/Zimmermann aaO § 8 VStGB Rdn. 139) – die Behandlung zu so schwerwiegenden und anhaltenden Nachteilen führen muss, dass die Fähigkeit einer Person, ein normales und konstruktives Leben zu führen, nachhaltig behindert wird, was vorliegend nicht festgestellt werden konnte und auch nicht nahe liegt, kann dahinstehen. Der Senat hat diese offenbar deutlich höheren Anforderungen an die Feststellung erheblicher körperlicher oder seelischer Leiden seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt, da auch ohne derartige dauerhafte Folgen die Erheblichkeitsschwelle des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB nicht erreicht ist.
d) Ungeachtet der fehlenden objektiven Tatbestandsmäßigkeit ist auch ein wenigstens bedingter Vorsatz des Angeklagten, erhebliche Leiden körperlicher oder seelischer Art zuzufügen, mithin die Schwelle zu einer grausamen oder unmenschlichen Behandlung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zu überschreiten, nicht feststellbar. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass ein solcher Vorsatz bei dem gemeinsam mit dem Angeklagten handelnden Oberleutnant N. vorhanden war. Insbesondere aufgrund der insgesamt kurzzeitigen, mäßig bis mittelgradig intensiven Einwirkung erscheint ein entsprechender Vorsatz nicht naheliegend. Auch hinsichtlich der beim Eintreffen des Angeklagten von ihm beobachteten Schläge, die der Angeklagte mangels Tatbeteiligung bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu verantworten hat, hat der Angeklagte nichts geschildert und ist auch sonst nichts ersichtlich, was darauf hinweist, dass hierdurch bereits ein Zustand der Gefangenen herbeigeführt worden wäre, der die anschließenden gemeinschaftlichen Misshandlungen trotz ihrer niedrigen Intensität aufgrund einer Zusammenschau mit diesem Vorgeschehen als erheblich i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB erscheinen lässt.
2. Weitere Tatbestände des VStGB
Soweit im Rahmen des Antrags der Bundesanwaltschaft auf Erteilung eines rechtlichen Hinweises die Strafnormen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB und des § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB genannt wurden, sind diese Tatbestände ebenfalls nicht erfüllt.
(1) Der Straftatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB setzt voraus, dass eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt wird (Geiß/Zimmermann aaO § 8 VStGB Rdn. 201). In der Kommentarliteratur werden beispielhaft für diese Behandlung „exzessive und grausame“ Verhöre angeführt (Geiß/Zimmermann aaO Rdn. 203 mwN).
Auch nach dem dieser Strafnorm zugrundeliegenden Art. 8 Abs. 2 c) ii) IStGH-Statut ist Voraussetzung, dass die Tat, die sich gegen die Würde der geschützten Person richtet, von solcher Schwere ist, dass sie allgemein nach objektivem Maßstab als Gräueltat („outrage“) angesehen wird (Werle/Jeßberger aaO Rdn. 1238 mwN).
Diese Schwelle ist untere Berücksichtigung der obigen Erwägungen zum Tatbestand der Folter und zur grausamen oder unmenschlichen Behandlung auch unter Zugrundelegung geringerer Anforderungen an die Intensität der Einwirkung und ihrer Folgen zur Überzeugung des Senats nicht erreicht.
(2) Soweit die Bundesanwaltschaft den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB angeführt hat, ist nicht ersichtlich, dass die afghanischen Regierungskräfte/ANSDF – ggf. in Zusammenwirken mit den sie unterstützenden Einheiten der ISAF und OEF – im Tatzeitraum einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen eine Zivilbevölkerung führten, was Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach einem der Tatbestände des § 7 Abs. 1 VStGB ist (vgl. Barthe, NStZ 2012, 247, 249 f.).
3. Gefährliche Körperverletzung
a) Der Angeklagte hat sich der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in drei Fällen schuldig gemacht. Hinsichtlich eines Gefangenen (des ersten, in der Mitte sitzenden) haben sowohl der Angeklagte als auch der weitere Offizier eigenhändig wissentlich und willentlich Verletzungshandlungen begangen. Hinsichtlich der beiden weiteren Gefangenen wirkte unmittelbar zwar jeder von ihnen alleine, jedoch entsprach dies dem gemeinsamen Plan, Informationen unter Zuhilfenahme von Gewalt und Drohung zu erlangen.
b) Der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist hingegen nicht erfüllt, da angesichts der konkreten Art und Weise der Tatausführung der Wasserschlauch kein gefährliches Werkzeug ist. Dies folgt zum einen aus den obigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P1., zum anderen aus der Schlagausführung von oben auf die Kopfoberseite und dem Umstand, dass aufgrund des um den Kopf gebundenen Tuches eine Verletzung etwa der Augen selbst bei einem Fehlgehen der Schläge nicht zu erwarten war.
Soweit nach Fischer StGB 65. A. § 224 Rdn. 16 ein Schlauch als gefährliches Werkzeug anzusehen sei u.a. unter Verweis auf BGH 2 StR 463/05 ist dies hier nicht einschlägig, da es in der betreffenden Entscheidung um ein Stück eines mit Metallgewebe ausgekleideten festen Hochdruckreinigerschlauches ging (BGH aaO Rdn. 19 zit. nach juris) und nicht wie vorliegend um einen einfachen Gummischlauch. In der weiteren bei Fischer aaO zum Beleg zitierten Entscheidung BGHSt 3, 105, 109 wird die Eigenschaft eines Weinschlauchs als ein einem Stock vergleichbares gefährliches Werkzeug gerade nicht bejaht, sondern vielmehr angezweifelt (BGH 1 StR 708/51 Rdn. 8 zit. nach juris). Daher ist ein wie hier verwendetes Stück eines einfachen Wasserschlauchs nicht als gefährliches Werkzeug anzusehen.
4. Nötigung und versuchte Nötigung
a) Hinsichtlich des dritten Gefangenen liegt vollendete Nötigung vor, da dieser die gewünschten Informationen infolge der Einwirkungen bei dem Verhör gemäß dem gemeinsamen Ziel der vernehmenden Offiziere preisgab.
b) Bezüglich der beiden weiteren Gefangenen, die die gewünschten Informationen nicht erteilten, liegt eine versuchte Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB vor. Ein strafbefreiender Rücktritt ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB sind nicht erfüllt. Soweit der Versuch als unbeendet anzusehen sein sollte und hierfür auch bei mehreren Tätern § 24 Abs. 1 StGB für anwendbar gehalten wird (vgl. Fischer aaO § 24 Rdn. 37a mwN), handelt es sich nicht um eine freiwillige Aufgabe, denn die Vernehmung konnte nicht fortgesetzt werden, weil die Gefangenen durch den Sicherheitsoffizier der Einheit abgeholt wurden, die Vernehmung nach den eigenen Angaben des Angeklagten deshalb abgebrochen werden musste.
Ob der Versuch nicht schon aufgrund der anderweitigen Zielerreichung in Form der Aussage des dritten Gefangenen als beendet anzusehen war, ist daher unerheblich.
4. Verbotsirrtum
Der Angeklagte befand sich nicht in einem Verbotsirrtum. Dass, wie er vorbringt, keine Unterrichtung in humanitärem Völkerrecht erfolgte, ist unschädlich, da die Strafbarkeit seines Verhaltens sich bereits aus allgemeinen Strafnormen des afghanischen Strafrechts ergibt. Die erstmals in der Hauptverhandlung erfolgte Angabe, das Vorgehen bei der Vernehmung habe seiner Ausbildung entsprochen, ist mangels näherer Ausführungen zum gelehrten Inhalt und den Methoden zu substanzlos, um einen – jedenfalls ohnehin vermeidbaren – Verbotsirrtum zu belegen. Zudem hat der Angeklagte in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung im Rahmen der Haftbefehlseröffnung, auf die er Bezug genommen und die er insoweit auch nicht widerrufen hat, selbst erklärt, dass er zu N. gesagt habe, dieser solle aufhören zu schlagen, weil er sonst Probleme mit der afghanischen Polizei bekomme, wenn er weitermache. Dies zeigt ein grundsätzlich vorhandenes Bewusstsein vom Unrechtsgehalt der Verletzungshandlungen im Rahmen des Verhörs.
5. Konkurrenzen
Die gefährliche Körperverletzung wurde in drei sachlich zusammentreffenden Fällen begangen, da drei Personen misshandelt wurden. Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH 3 StR 651/17 Rn. 38 zit. nach juris).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben; zwar wurde in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang auf die drei Gefangenen eingewirkt, wobei jedoch die Misshandlungen durch die beiden Vernehmungsführer unterschiedlicher Art und Intensität waren.
Die Taten der vollendeten bzw. versuchten Nötigung stehen jeweils in Tateinheit mit den drei Fällen der gefährlichen Körperverletzung.
C. Tat unter II.B.2
Das Aufhängen der Leiche an dem Wall nebst Präsentation der aufgehängten Leiche des getöteten Taleban-Anführers Quari Naim Shaheed nebst einer auf Video aufgezeichneten Ansprache unter Beschimpfung als Esel erfüllt den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB.
Zum Tatzeitpunkt herrschte ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt in ganz Afghanistan und somit auch in der Provinz Paktia. Der Verstorbene war, wie der Angeklagte ebenfalls wusste, Angehöriger einer kämpfenden Partei i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 6 VStGB. Sein Leichnam unterfällt damit ebenfalls dem Schutzbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB (vgl. BGH Urt. v. 27.07.2017 3 StR 57/17 Rdn. 15 ff. zit. nach juris).
Es handelt sich vorliegend um eine schwerwiegende Beeinträchtigung der auch einem Verstorbenen zukommenden Würde. Der Tote wird als Esel bezeichnet und trophäenartig präsentiert, um die Tötung als – vermeintlich dem Angeklagten persönlich zuzurechnenden – Erfolg darzustellen und als offenbar gewünschter Nebeneffekt, andere Taleban abzuschrecken, wie sich aus dem Wortlaut der Ansprache des Angeklagten ergibt.
V. Strafzumessung
A. Strafrahmen
Der Strafrahmen wurde hinsichtlich der Taten unter II.B.1 dem § 224 Abs. 1 StGB entnommen; minder schwere Fälle liegen auch unter Berücksichtigung von Geständnis, Zeitablauf und anzunehmenden geringen Verletzungserfolgen nicht vor, zumal tateinheitlich vollendete bzw. versuchte Nötigungshandlungen begangen wurden und die Opfer infolge der Fesselung wehrlos waren.
Hinsichtlich der Tat unter II.B.2 ist der Strafrahmen dem § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB entnommen.
B. Strafzumessung hinsichtlich der Einzelstrafen
Bei der Strafzumessung wurden folgende wesentliche Gesichtspunkte berücksichtigt:
1. Taten unter II.B.1
Zugunsten des Angeklagten
– sein Geständnis
– das bisher straffreie Leben
– die Integrationsleistung seit seiner Ankunft im Bundesgebiet
– der Umstand, dass die Teilnahme an dem Verhör nach seinem spontanen Eintreffen im Büro auf Anweisung des ihm zum Zeitpunkt der Befragung überstellten Offiziers erfolgte, mithin nicht eigeninitiativ
– die geringe bis allenfalls mittelgradige Intensität der Verletzungshandlungen und der Umstand, dass lediglich geringe Verletzungen und leichte bis mittelgradige Schmerzen zugefügt wurden
– die in Afghanistan nach Bekunden des Sachverständigen Dr. M. allgemein gesellschaftlich niedrigere Hemmschwelle bei der Anwendung körperlicher Gewalt durch Sicherheitskräfte auch aufgrund einer seit Jahrzehnten bestehenden Bürgerkriegssituation
– dass im Rahmen der Nötigung das mit dieser verfolgte Ziel des Aufspürens einer Talebangruppierung, ihres Anführers und ihrer Waffen legitim war und zum grundsätzlichen Auftrag des Angeklagten als Armeeangehöriger gehörte, mithin nicht aus rein eigennützigen Motiven gehandelt wurde Zu Lasten des Angeklagten
– die tateinheitliche Begehung der vollendeten Nötigung
– das Vorgehen gegen infolge der Fesselung und Augenbinden Wehrlose Unberücksichtigt blieb die Verbreitung des Tatgeschehens durch Austausch des Videos an etwa 700 Angehörige der ANA durch den Ersteller des Videos, da nicht festgestellt werden konnte, dass es sich um eine vom Angeklagten verschuldete Auswirkung handelt, nur solche jedoch im Rahmen des § 46 Abs. 1 StGB eine Rolle spielen können.
Die nur versuchten Fälle der Nötigung wurden nicht erheblich strafschärfend berücksichtigt.
2. Tat unter Ziff. II.B. 2
Zugunsten des Angeklagten
– das Bekanntwerden der Tat durch die eigenen Angaben des Angeklagten im Rahmen seiner Anhörung beim BAMF
– das weitgehende Geständnis des Angeklagten
– das straffreie Leben
– die Integrationsleistung seit seiner Ankunft im Bundesgebiet
– der Handlungsimpuls aufgrund einer zunächst erfolgten direkten Anweisung eines vorgesetzten Generals, der das Aufsuchen eines Metzgers offenbar zum Zweck des Aufhängens mit einem Fleischerhaken angeordnet hatte Zu Lasten des Angeklagten:
– sein Motiv, durch die Präsentation der Leiche und die auf Video aufgezeichnete Ansprache berufliche Vorteile zu erlangen, wobei er von einer Verbreitung des Videos ausging und dies ersichtlich erhoffte Nicht strafschärfend berücksichtigt wurden hingegen die Umstände des Transports der Leiche, da nicht ersichtlich ist, dass der Angeklagte anderweitige Möglichkeiten gehabt hätte – seine Einheit war zu Fuß zur Kontrollstelle gekommen und hatte nach dem Gefecht Fahrzeuge anfordern müssen – sowie die Misshandlungen durch den hinter dem Fahrzeug laufenden Polizeibeamten, da nach Angaben des Sachverständigen Dr. M. P2. und Armee jeweils eigenständig operieren und kein wechselseitiges Weisungsrecht besteht. Ebenso wenig sind die Misshandlung durch einen der Soldaten auf dem Fahrzeug als dem Angeklagten anzulastendes Geschehen angesehen, da nichts dafür spricht, dass der Angeklagte diese spontane zweimalige Handlung hätte vorhersehen oder verhindern können oder müssen oder gar gebilligt hat. Gleiches gilt für die Schmähungen zum Nachteil des Verstorbenen während der Fahrt.
Auch soweit eine Verbreitung des Videos durch das Zugänglichmachen an die Zeugin G. erfolgt ist, wurde dies nicht strafschärfend gewertet, da dies erkennbar nicht aus Gründen der Selbstdarstellung oder zum Zweck der Entwürdigung des Toten erfolgte, sondern wie auch die Präsentation anderer Videos etwa von Leichenteilen, um ihr die Zustände in Afghanistan zu beschreiben bzw. im Rahmen der von der Zeugin übernommenen Unterstützung des Angeklagten im Asylverfahren.
C. Einzelstrafen
Insgesamt hat der Senat daher folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen erachtet:
– 1 Jahr Freiheitsstrafe für die Tat zum Nachteil des dritten Gefangenen (gefährliche Körperverletzung mit Nötigung)
– jeweils 10 Monate Freiheitsstrafe für die Taten zum Nachteil des ersten und zweiten Gefangenen (gefährliche Körperverletzung mit versuchter Nötigung)
– 1 Jahr 4 Monate Freiheitsstrafe für die Tat unter II. B. 2
D. Gesamtstrafe
Unter nochmaliger Abwägung der oben genannten Strafzumessungsgesichtspunkte hält der Senat eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen. Hierbei hat der Senat insbesondere auch berücksichtigt, dass zwischen den Taten unter II.B. 1 ein sehr enger – wenn auch nicht für eine Tateinheit ausreichender – Zusammenhang besteht.
E. Strafaussetzung zur Bewährung
Eine Strafaussetzung zur Bewährung konnte verantwortet werden.
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 und 2 StGB liegen vor.
Die Kriminalprognose ist angesichts der Entwicklung des Angeklagten, der in einer stabilen Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und Verlobten lebt, sich gut integriert hat, Sprachkenntnisse erworben und durch Schulbesuch, Praktika und Arbeit eine gute Ausgangslage für eine solide berufliche Entwicklung geschaffen hat, durchweg positiv. Die noch ungewisse aufenthaltsrechtliche Lage – die auch schon vor der Festnahme bestand und nicht kriminogen wirkte – schränkt diese Prognose nicht ein.
Auch liegen besondere Umstände vor, die die Aussetzung rechtfertigen. Die Taten liegen über fünf Jahre zurück; sie wurden alleine aufgrund des Einsatzes als Armeeangehöriger in Afghanistan begangen, der beendet ist und dessen Wiederholung angesichts der Desertion auch bei einer etwaigen Rückführung nach Afghanistan nicht zu besorgen ist. Der Angeklagte hat sich in Deutschland nichts zu Schulden kommen lassen. Er hat das gegen ihn gerichtete Verfahren selbst durch seine Angaben beim BAMF in Gang gesetzt und war bei den Ermittlungen durchweg nach Bekunden des Zeugen L. ruhig und kooperativ, u.a. wurden PIN-Nummern bzw. Passwörter für Mobilgeräte freiwillig herausgegeben. Er hat inzwischen 9 Monate Untersuchungshaft erlitten, die ihn ersichtlich beeindruckt hat.
Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Strafvollstreckung nicht.
VI. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.


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