Strafrecht

Meldedaten sind “nicht allgemein zugänglich” iSd § 42 Abs. 2 BDSG

Aktenzeichen  303 Cs 112 Js 14331/20

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36480
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BDSG § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Die im Melderegister gespeicherten Daten sind, auch wenn sie im Wege einer einfachen Melderegisterauskunft zu erlangen sind, “nicht allgemein zugänglich” iSd § 42 Abs. 2 BDSG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des unerlaubten Verarbeitens personenbezogener Daten und wird deshalb zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt.
2. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.
3. Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, trägt die Staatskasse seine notwendigen Auslagen und die Kosten des Verfahrens. Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, hat dieser seine notwendigen Auslagen und die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten:
Der Angeklagte wurde am (…) in (…) geboren. Er ist verlobt und deutscher Staatsangehöriger. Der Angeklagte wohnt in (…). Der Angeklagte war noch im Jahr 2020 als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt A. im dortigen Bürgerservicebüro angestellt. Der unter Ziffer II. festgestellte Sachverhalt hatte für den Angeklagten arbeitsrechtliche Konsequenzen und führte dazu, dass der Angeklagte mit der Stadt A. einen Aufhebungsvertrag schloss. Der Angeklagte arbeitet nunmehr in einem Restaurant als Servicekraft und verdient in etwa 1.500,00 € netto. Kinder hat der Angeklagte keine.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
II.
Zum Tatgeschehen hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war in dem Zeitraum vom (…).2016 bis zum (…).11.2020 als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt A. beschäftigt und war dort als Mitarbeiter des Bürgerservicebüros tätig, sodass er im Rahmen dieser beruflichen Tätigkeit auch Zugriff auf Daten der Einwohnermeldedatei hatte. In diesem Zusammenhang wurde er am (…).2016 schriftlich auf die Wahrung des Meldegeheimnisses nach § 7 des Bundesmeldegesetzes verpflichtet und unter anderem über etwaige strafrechtliche Konsequenzen einer Verletzung des Meldegeheimnisses belehrt.
Am 12.09.2020 gegen 15:30 Uhr kam es in A. zu einer Auseinandersetzung zwischen dem anderweitig Verfolgten Ö. auf der einen Seite und den Zeugen S. sowie A. auf der anderen Seite, in deren Verlauf unter anderem der anderweitig Verfolgte Ö. die beiden genannten Zeugen mit Pfefferspray besprühte. Die Zeugin S. machte hinsichtlich des Vorfalles noch im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung am 12.09.2020 Angaben.
Am 14.09.2020 um 13:54 Uhr und um 13:55 Uhr schrieb der anderweitig Verfolgte Ö. von seinem Smartphone mit der Dual-SIM-Karte bezüglich der Anschlussnummern (…) per WhatsApp an den Angeklagten unter der Anschlussnummer (…), dass er die Adresse der beiden genannten Zeugen herausfinden und ihm dann übermitteln soll. Er führte daraufhin, wie von dem anderweitig Verfolgten Ö. in Auftrag gegeben, unter missbräuchlicher und unbefugter Verwendung seiner diesbezüglichen Zugangsmöglichkeit im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitarbeiter im Bürgerservicebüro der Stadt A. am 14.09.2020 eine Einwohnermeldeamtsabfrage hinsichtlich der Person A. durch, wodurch er dessen aktuelle Wohnadresse in Erfahrung brachte, die er sodann umgehend an den anderweitig Verfolgten Ö. mitteilte, indem er diesem per WhatsApp von seinem Smartphone mit der Anschlussnummer (…) schrieb: „Bruder wie immer hast du nicht von mir, (…)“. Der anderweitig Verfolgte Ö. verwendete die von dem Angeklagten erlangten personenbezogenen Daten, indem er die aktuelle gemeinsame Wohnadresse der S. und A. an eine bisher unbekannte männliche Person weitergab, die er von seinem Smartphone mit der Anschlussnummer (…) am 16.09.2020 bei der Zeugin S. anrufen und diese unter der Nennung deren Wohnadresse bzw. einer ähnlich klingenden Wohnadresse mit den Worten: „Du kleine Hurentochter“ beleidigen ließ.
Der Angeklagte wusste, dass der anderweitig Verfolgte Ö. die übermittelte Wohnadresse der Zeugen S. und A. dazu nutzt, mit diesen den Vorfall vom 12.09.2020 gegen 15:30 Uhr in der in A. zu klären, wobei dem Angeklagten auch klar war, dass der anderweitig Verfolgte Ö. solche Angelegenheiten mit Gewalt klärt.
Die Stadt A., vertreten durch deren Oberbürgermeister, hat als Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO am 25.11.2020 Strafantrag gestellt.
III.
Zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Würdigung:
Von den unter Ziffer I. festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hat sich das Gericht aufgrund der Angaben des Angeklagten sowie dem Auszug aus dem Bundeszentralregister überzeugt.
Zum Tatgeschehen hat der Angeklagte ebenfalls Angaben gemacht. Er räumte ein, dass er am 14.09.2020 die entsprechenden Daten abgefragt und dem anderweitig Verfolgten Ö. mitgeteilt habe. Schließlich sei es seine Aufgabe gewesen, Meldeauskünfte zu erteilen. Einschränkungen habe es keine gegeben, weil bezüglich der abgerufenen Daten keine Auskunftssperre vorgelegen habe. Im Übrigen habe er rechtmäßig gehandelt und nicht gewusst, zu welchem Zweck der anderweitig Verfolgte Ö. die Daten nutzen wollte.
Im Ergebnis bestritt der Angeklagte, dass er in Schädigungsabsicht gehandelt habe. Im Übrigen handele es sich bei Daten, die im Wege einer einfachen Melderegisterauskunft zu erlangen seien, um allgemein zugängliche Daten, sodass die Tatbestandsmäßigkeit des § 42 Abs. 2 BDSG entfalle.
Dieser Rechtsauffassung konnte im Ergebnis nicht gefolgt werden. Der Angeklagte hat unstreitig die unter Ziffer II. genannten Daten abgerufen. Diese Einlassung konnte durch die Einvernahme des Zeugen PHK F. in der Hauptverhandlung bestätigt werden. Dieser konnte die polizeilichen Ermittlungsergebnisse dem Gericht glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, insbesondere, dass nach Ermittlungen bei der Stadt A. festgestellt worden sei, dass der Angeklagte am 14.09.2020 auf den entsprechenden Datensatz der Person A. zugegriffen habe. Dies habe der Angeklagte auch schon bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung eingeräumt. Darüber hinaus konnte der Zeuge PHK F. glaubhaft und ohne jeglichen Belastungseifer die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung darlegen, die den Angeklagten auch in subjektiver Hinsicht schwer belasten. Hiernach habe der Angeklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, dass er gewusst habe, dass die Anfrage des anderweitig Verfolgten Ö. bei ihm im Zusammenhang mit einer Schlägerei stehe. Auf die damalige Frage des Polizeibeamten, was der Ö. mit dieser Adresse vorhabe, habe der Angeklagte angegeben, dass ihm schon klar gewesen sei, dass er die Adresse wohl nutzen werde, um die Sache mit den Anderen zu klären. Auf nochmalige Frage des Polizeibeamten habe der Angeklagte zu verstehen gegeben, dass Ö. seine Angelegenheit mit Gewalt löst. Auch der vorgehaltene Chatverlauf zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten Ö., der auch von dem ermittelnden Polizeibeamten PHK F. bestätigt und in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte, legt dar, dass der Angeklagte sehr wohl wusste, dass Ö. gewaltbereit vorgeht und derartige Adressweitergaben nutzt, um andere zu schädigen. So schreibt der Angeklagte beispielsweise am Abend des 14.09.2021: „hast du ihm richtig gegeben Bruder“. Daraufhin antwortete Ö.: „Ja bruder nasen bruch“. Auch aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte und Ö. scheinbar ein freundschaftliches Verhältnis pflegten, erscheinen die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass er nicht gewusst habe, zu welchem Zweck Ö. die Daten nutzt, eine reine Schutzbehauptung.
Darüber hinaus vertritt das Gericht die Rechtsauffassung, dass die vorgenannten personenbezogenen Daten von A. auch „nicht allgemein zugänglich“ i.S.d. § 42 Abs. 2 BDSG waren. Eine einfache Melderegisterauskunft nach § 44 BMG bedarf zwar keiner Darlegung eines berechtigten Interesses, ist aber doch insoweit aus rechtlichen Gründen beschränkt, als dass zumindest eine Erklärung, die Daten nicht für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, erforderlich ist (§ 44 Abs. 3 Nr. 2 BMG). Damit sind Meldedaten nicht allgemein zugänglich (Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, BDSG § 42 Rn. 11; BeckOK DatenschutzR/Brodowski/Nowak, 36. Ed. 1.5.2021, BDSG § 42 Rn. 27). Zudem unterliegt die Übermittlung von Daten aus dem Melderegister weitergehenden Beschränkungen bis hin zur Übermittlungssperre. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers spricht ebenfalls dagegen, das Melderegister als allgemein zugängliche Quelle anzusehen.
Der Angeklagte räumte in der Hauptverhandlung letzten Endes auch ein, dass der Ö. keine Erklärung ihm gegenüber abgegeben habe, dass er die Daten nicht für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels verwenden werde, sodass deshalb bereits eine fehlende Berechtigung hinsichtlich der Verarbeitung der Daten vorlag.
Soweit dem Angeklagten im Strafbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 15.03.2021 am 17.09.2020 ein weiterer Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz sowie eine Straftat der Verletzung von Privatgeheimnissen zur Last gelegt wurde, war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil nicht mehr festzustellen war, zu welchem Zweck die Datenabfrage am 17.09.2020 erfolgte.
IV.
Zur Strafzumessung:
Bei der Strafzumessung ist das Gericht gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB von der Schuld des Angeklagten ausgegangen und hat gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die Wirkungen berücksichtigt, die von der Strafe für sein zukünftiges Leben in der Gesellschaft zu erwarten sind.
Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Gericht zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten im Wesentlichen folgende Umstände berücksichtigt:
Strafmildernd berücksichtigte das Gericht, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Auch wurde vom Gericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er jedenfalls zum objektiven Geschehensablauf Angaben machte und die Abfrage und Weitergabe der Daten insoweit unstreitig stellte, auch wenn der Angeklagte ein Handeln in subjektiver Schädigungsabsicht bis zuletzt bestritten hat. Letzten Endes musste zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass die Durchführung des Strafverfahrens weitreichende Konsequenzen für seinen weiteren Lebensverlauf hatte. Der Angeklagte ist nicht mehr als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt A. angestellt. Nach diesem Vorfall erfolgte der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit seinem ehemaligen Arbeitgeber.
Straferschwerend musste berücksichtigt werden, dass der Angeklagte das in ihn gesetzte Vertrauen seines Arbeitgebers missbraucht hat und dass derartige Straftaten geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit der Verwaltung ernsthaft zu erschüttern.
Nach nochmaliger Abwägung sämtlicher Strafzumessungserwägungen erachtete das Gericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen für tat- und unrechtsangemessen und für einen gerechten Schuldausgleich.
Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse setzte das Gericht die Tagessatzhöhe auf 50,00 € fest.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 465, 467 Abs. 1 StPO.
26.07.2021

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