Aktenzeichen 1 Ws 359/18 (Gehörsrüge)
StVollzG § 119 Abs. 3
StPO § 275 Abs. 2
Leitsatz
1 Auch eine Verplombung oder Einhausung eines privaten Computers kann ggf. erhebliche Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht ausschließen, da in den Datenspeicher des Computers Textinhalte eingegeben werden können (z.B. Erkenntnisse über Fluchtwege, verbotene Außenkontakte, Aufstellungen über die Abgabe von Betäubungsmitteln an Mitgefangene und andere verbotene Beziehungen zwischen den Gefangenen). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Anders als bei Urteilen schreibt das Gesetz die Unterzeichnung von Beschlüssen durch die entscheidenden Richter nicht vor. § 275 Abs. 2 StPO ist hierauf auch nicht entsprechend anwendbar. Das gilt auch für Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer, selbst wenn nur ein Richter zur Entscheidung berufen ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
SR StVK 956/17 2018-04-09 Bes LGREGENSBURG LG Regensburg
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der auswärtigen kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 09.04.2018 wird unter Festsetzung des Beschwerdewertes auf 500,00 Euro auf seine Kosten einstimmig als offensichtlich unbegründet verworfen (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 3 StVollzG).
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Der Senat hatte mit Beschluss vom 18.09.2017 (Az.: 1 Ws 293/17) einen vorangegangenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer samt zugrunde liegendem Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing aufgehoben, eine weitere Sachaufklärung für erforderlich gehalten, den Prüfauftrag erteilt, welche Vor- und Nachteile die Nutzung des anstaltseigenen Computerraumes durch den Verurteilten einerseits und die Gestattung eines privaten modifizierten Computers andererseits hat, und dabei eine Reihe konkreter Fragen zur Beantwortung gestellt, die im angefochtenen Beschluss auf Seite 2 unten wiedergegeben sind. Erst aufgrund einer vollständigen Tatsachenplattform ist nämlich die Beurteilung möglich, in welchem Umfang dem Verurteilten eine Abfassung des Schriftverkehrs mit Behörden und Gerichten mittels moderner Datenverarbeitung ermöglicht werden kann.
2. Diesem Prüfauftrag sind die Justizvollzugsanstalt Straubing und die Strafvollstreckungskammer nunmehr vollumfänglich nachgekommen und mit einer sehr ausführlichen und sehr sorgfältigen Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Verurteilten weder die Nutzung des anstaltseigenen Computerraumes noch eines privaten modifizierten Computers gestattet werden kann.
a) Der Senat schließt sich in jeder Hinsicht den Argumenten und der abschließenden Einschätzung der Strafvollstreckungskammer an, dass dem Verurteilten die Nutzung des anstaltseigenen Computerraumes nicht gestattet werden kann, insbesondere da dieser Raum bei einem uneingeschränkten Zugang des Verurteilten für geordnete Schulungszwecke nicht mehr angemessen zur Verfügung stehen würde und einen unverhältnismäßigen Personalaufwand im Hinblick auf die erforderlichen Überwachungsmaßnahmen zur Folge hätte.
b) Hinsichtlich der Gestattung eines modifizierten privaten Computers ist zwar festzustellen, dass ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S… W… vom 28.01.2016 die dort vorgeschlagenen technischen Änderungen die Missbrauchsmöglichkeiten auf ein zufriedenstellendes Sicherheitsniveau reduzieren könnten, soweit es um Datenübermittlung auf den Computer und um Datenweiterleitung vom Computer geht. Daneben besteht aber, wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat, auch bei einem modifizierten Computer die konkrete Gefahr, dass der Verurteilte im Computer selbst die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdende Abspeicherungen vornimmt. Die Strafvollstreckungskammer trifft diese Einschätzung auf der Grundlage der einschlägigen ober- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; vorgenanntes Gutachten verhält sich zur Problematik der Abspeicherung nicht. Sie hatte dabei insbesondere sowohl im Blick, dass auch eine Verplombung oder Einhausung des Computers erhebliche Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht ausschließen können, da in den Datenspeicher des Computers Textinhalte eingegeben werden können (z.B. Erkenntnisse über Fluchtwege, verbotene Außenkontakte, Aufstellungen über die Abgabe von Betäubungsmitteln an Mitgefangene und andere verbotene Beziehungen zwischen den Gefangenen), als auch, dass durch die Nutzung eines eigenen Computers ein erheblicher zusätzlicher zeitlicher und personeller Aufwand verursacht würde, als auch, dass der Verurteilte vorliegend ohne den Einsatz eines Computers in der Wahrung seiner Rechte nicht unzumutbar behindert wird, was ein besonderes Interesse des Verurteilten darstellen könnte, das einen erhöhten Kontrollaufwand gebieten würde (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerfG, Beschluss vom 12.06.2002, Az.: 2 BvR 697/02; BVerfG, Beschluss vom 31.03.2003, Az.: 2 BvR 1848/02; OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.2018, Az.: 1 Vollz (Ws) 137/18, Rn. 14 – zitiert nach juris -). Da sich die Strafvollstreckungskammer somit mit sicherheits- und ordnungsgefährdenden Verwendungen eines eigenen Computers konkret und in nachvollziehbarer Weise auseinandergesetzt hat, hat sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge getan.
3. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 StVollzG sind mangels abschließender, umzusetzender Entscheidung nicht gegeben.
4. Soweit der Verurteilte schließlich beanstandet, die Unterschrift des Richters am Amtsgericht Semmler unter dem Beschluss vom 09.04.2018 entspreche nicht den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen, kann dies dahinstehen.
Der 2. Strafsenat hat hierzu im Beschluss vom 28.05.2018 (Az.: 2 Ws 304/18) bereits ausgeführt, dass anders als bei Urteilen gemäß § 275 Abs. 2 StPO das Gesetz die Unterzeichnung von Beschlüssen nicht vorschreibt. Diese Vorschrift ist hierauf auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. RGSt 43, 217, 218; BGH, Urteil vom 14.02.1985 – 4 StR 731/84, NStZ 1985, 492; BayObLGSt 1957, 4, 5; Stuckenberg, in: LR-StPO, 26. Aufl. § 275 Rn. 43; Greger, in: KK-StPO, 7. Aufl. § 275 Rn. 1; Peglau, in: BeckOK-StPO § 275 Rn. 38). Das gilt auch für Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer (vgl. OLG Hamm, JMBl NW 1978, 70 – juris Rn. 5-), selbst wenn – wie hier nach der gesetzlichen Vorschrift des § 78 b Abs. 1 Nr. 2 GVG – nur ein Richter zur Entscheidung berufen ist (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 96, 204). Fehlt es in einem solchen Fall an der Unterschrift des zuständigen Richters, so muss sich jedoch zumindest aus den Umständen zweifelsfrei ergeben, dass die in den Akten zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts niedergelegte Entscheidung auf seiner Willensbildung beruht (BayObLG, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). So liegt es hier. Selbst wenn man die Unterschrift des Richters am Amtsgericht S.. unter dem Beschluss vom 09.04.2018 als Paraphe ansehen würde, ergibt sich zweifelsfrei die Urheberschaft des entscheidenden Richters aus den weiteren in der Akte von ihm in gleicher Weise unterzeichneten Verfügungen. Dass es sich nicht um einen bloßen Entscheidungsentwurf handelt, folgt daraus, dass die Hinausgabeverfügung vom 09.04.2018 ebenfalls in ähnlicher Weise gezeichnet ist.