Strafrecht

Polizeibeamter ordnet Blutentnahme ohne vorheriges Kontaktieren eines Richters an

Aktenzeichen  3 Ws 51/18

Datum:
19.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36952
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 2 Abs. 3, § 340
StVG § 24a Abs. 2
StPO § 81a Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2, § 172, § 174 Abs. 1, § 177
OWiG § 46 Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

Strafprozessuale Eingriffsbefugnisse stellen zugleich einen materiell-rechtlichen Rechtsfertigungsgrund dar. Im Falle einer Änderung der im Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme gültigen Vorschrift findet deshalb auch insoweit nach dem Meistbegünstigungsprinzip des § 2 III StGB das mildere Gesetz (hier: § 81a II 2 StPO in der am 24.08.2017 in Kraft getretenen Fassung vom 18.08.2017 [BGBl. I S. 3202/3203]) Anwendung.

Gründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet, weil nach dem Vortrag in der Antragsschrift eine Strafbarkeit des Besch. in jedem Fall ausscheidet. […] Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat […] keinen Erfolg, weil die vom Besch. in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter getroffene Anordnung der Blutentnahme nach der seit dem 24.08.2017 gültigen Rechtslage rechtmäßig erfolgt und damit sein Verhalten zugleich gerechtfertigt ist.
1. Der Umstand, dass […] die Voraussetzungen der Gefahr im Verzug nicht vorlagen und deshalb gemäß § 81a II StPO i.V.m. § 46 IV OWiG in der zur Tatzeit geltenden Fassung die Blutentnahme durch den Richter hätte angeordnet werden müssen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der dem Besch. zur Last gelegten Handlung. Denn aufgrund der Neufassung der genannten Bestimmungen mit Wirkung vom 24.08.2017 [BGBl. I S. 3202/3203] ist nach § 46 IV 2 OWiG n.F. bei Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a II StVG der Richtervorbehalt entfallen. Nach der neuen Rechtslage ist die Anordnung der Blutentnahme durch einen Polizeibeamten nicht nur prozessual rechtmäßig, sondern auch materiell gerechtfertigt. Denn die staatlichen Eingriffsbefugnisse stellen zugleich einen Rechtfertigungsgrund dar (Schönke/Schröder/Eser StGB 29. Aufl. § 223 Rn. 14, 15; Fischer StGB 65. Aufl. § 223 Rn. 36, jeweils m.w.N.).
2. Obwohl die genannten Vorschriften erst nach der dem Besch. zur Last gelegten Tat geändert wurden, ist dies gemäß § 2 III StGB zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Tatbeendigung geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert wird. Maßgebend ist insoweit der gesamte sachlich-rechtliche Rechtszustand (Schönke/Schröder/Eser/Hecker § 2 Rn. 18; Fischer § 2 Rn. 8), der nicht nur die jeweilige Fassung des konkreten Deliktstatbestandes beinhaltet, sondern auch Änderungen im Allgemeinen Teil des Strafrechts, wie z.B. im Bereich der Rechtfertigungsgründe, einbezieht (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.] Hassemer/Kargl StGB 5. Aufl. § 2 Rn. 24a; Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB 3. Aufl. § 2 Rn. 22). Da nach der neuen Rechtslage das Verhalten des Polizeibeamten jedenfalls gerechtfertigt ist, führt dies in Anwendung des § 2 III StGB zur Straflosigkeit. […]


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