Aktenzeichen 2 Ws 829/19 H – 2 Ws 832/19 H
StGB § 263 Abs. 5
Leitsatz
Tenor
I. Die Fortdauer der Untersuchungshaft der Angeschuldigten B… Y…, N… E… G…, G… K… und C…-S… S… wird angeordnet.
II. Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem Landgericht München I – 1. Jugendkammer – übertragen.
III. Der Antrag des Angeschuldigten K… vom 24.07.2019 auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls ist erledigt.
Gründe
Der Senat hat erneut gemäß §§ 121, 122 Abs. 4 StPO zu prüfen, ob die Untersuchungshaft gegen die Angeschuldigten weiter vollzogen werden darf. Diese Prüfung hat ergeben, dass die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gerechtfertigt ist, weil seit der letzten Haftprüfungsentscheidung des Senats vom 07.05.2019 (2 Ws 407/19 H – 410/19 H) ein Urteil noch nicht ergehen konnte. Inzwischen hat die Jugendkammer jeweils unter dem 23.07.2019 neue, der Anklageschrift angepasste Haftbefehle erlassen, die den Angeschuldigten jeweils am 24.07.2019 eröffnet wurden. Gleichzeitig wurden die vorangegangenen Haftbefehle aufgehoben.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO sind weiterhin gegeben.
Zum dringenden Tatverdacht und dem Haftgrund der Fluchtgefahr bezüglich aller Angeschuldigter nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 07.05.2019 und in den Beschlüssen vom 17. und 30.01.2019 (2 Ws 10/19 H – 2 Ws 11/19 H, Ws 61/19 H – 2 Ws 62/19 H) über die erste Haftprüfung, die weiter gelten. Ergänzend wird verwiesen auf die Anklageschrift vom 15.04.2019, insbesondere deren Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen (unter Ziff. II., „Beweisführung“), und die Gründe der Haftbefehle vom 23.07.2019.
Die Haftfortdauer steht bei den Angeschuldigten nach wie vor nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe und der Bedeutung der Sache. Sämtliche den Angeschuldigten vorgeworfenen Straftaten sind gemäß § 263 Abs. 5 StGB mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren belegt. Minder schwere Fälle liegen in Anbetracht der raffinierten und professionellen Vorgehensweise der Angeschuldigten als mutmaßliche Bandenmitglieder, der im Hinblick auf ihr Alter und ihre dadurch bedingte Hilflosigkeit und Vertrauensseligkeit bewusst ausgewählten Opfer und deren massive Schädigung nicht nahe. Deshalb ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei allen Angeschuldigten entgegen den Ausführungen in den Verteidigerschriftsätzen vom 14.08.2019 und 19.08.2019 gewahrt, auch beim Angeschuldigten K…, dem – bislang – nur 2 Fälle gewerbsmäßigen Bandenbetrugs vorgeworfen werden.
Haftverschonende Maßnahmen nach § 116 StPO kommen auch jetzt nicht in Betracht, insbesondere nicht beim Angeschuldigten K…. Auf die seinem Verteidiger, Rechtsanwalt T…, bekanntgemachte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft München I vom 25.07.2019 wird Bezug genommen. Der Angeschuldigte K… besitzt neben der deutschen auch die thailändische Staatsbürgerschaft. Er kann sich daher im Falle seiner Freilassung nach Thailand und in die Türkei – wegen seiner Verbindungen zu den dort ansässigen Bandenmitgliedern – absetzen. Der erhebliche Fluchtanreiz, der noch durch die realistische Möglichkeit einer Nachtragsanklage verstärkt wird (s. Stellungnahme der Staatsanwaltschaft München I vom 25.07.2019) kann nicht durch einen festen inländischen Wohnsitz bei der Mutter des Angeschuldigten und die Aussicht auf einen Arbeitsvertrag so gemindert werden, dass die Außervollzugsetzung des Haftbefehls verantwortet werden kann. Selbst engmaschige Meldeauflagen und die Zahlung einer Kaution können nicht die Erwartung hinreichend begründen, dass der Angeschuldigte der Versuchung, sich ins Ausland abzusetzen, widerstehen und sich dem Strafverfahren stellen wird. Denn der Angeschuldigte hat bisher illegale Einnahmequellen einer legalen Beschäftigung vorgezogen. Es kann daher nicht darauf vertraut werden, dass er sich plötzlich ändert und einer ehrlichen Arbeit nachgeht, zumal wenn ihm hier, beim Verbleiben im Inland, eine erhebliche, nicht mehr bewährungsfähige Freiheitsstrafe droht.
Gegen das in Haftsachen besonders zu beachtende Beschleunigungsgebot (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Hs 2 MRK, § 121 Abs. 1 StPO) wurde weiterhin (noch) nicht verstoßen. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs der Angeschuldigten, die sich nunmehr weitere 3 Monate in Untersuchungshaft befinden, ohne dass ein Urteil ergangen ist, mit zunehmender Dauer der Freiheitsentziehung gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates vergrößert hat und daher die Anforderungen an die Zügigkeit der Bearbeitung des Verfahrens nunmehr strenger sind als bei der vorangegangenen Haftprüfung (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.9.2001, NJW 2002, 207), ist die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft weiterhin gerechtfertigt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen in den Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft München vom 05.08.2019 und der Staatsanwaltschaft München I vom selben Tag (unter Ziff. 4.) Bezug genommen. Das Landgericht München I hat inzwischen neue, der Anklage angepasste Haftbefehle erlassen und diese den Angeschuldigten eröffnet. Mit Verfügung vom 07.08.2019 hat der Vorsitzende die Beteiligten um Reservierung von 8 Verhandlungsterminen in der Zeit vom 14.01. bis 12.02.2020 gebeten. Eine frühere Terminierung scheiterte an der bekannten Auslastung der Jugendkammer mit anderen aufwändigen Strafverfahren. Auf die Überlastungsanzeige des Vorsitzenden wurde umgehend mit Präsidiumsbeschlüssen des Landgerichts München I vom 29.04. und 27.06.2019 reagiert, indem aus den Mitgliedern der 9. Strafkammer eine Hilfsjugendkammer gebildet wurde und diese sowie eine weitere Kammer, nämlich die 3. Jugendkammer, bis 31.07.2019 Verfahren in der Zuständigkeit der 1. Jugendkammer (und der personell gleich besetzten 11. Strafkammer) zur dauerhaften Bearbeitung übernahmen.
Die Übertragung der weiteren Haftprüfung beruht auf § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.
Der Antrag des Angeschuldigten K… vom 24.07.2019 auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls, über den die Jugendkammer noch nicht entschieden hat, ist ebenso wie eine noch nicht erledigte Haftbeschwerde oder ein noch nicht verbeschiedener Haftprüfungsantrag durch die Entscheidung des Senats im Haftprüfungsverfahren gegenstandslos geworden (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 122 StPO Rn. 18). Denn der Senat hatte von Amts wegen über die Möglichkeit einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu befinden (s. o.). Der Antrag war daher für erledigt zu erklären.