Strafrecht

Rechtmäßige Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung wegen wiederholter Betäubungsmittelkriminalität

Aktenzeichen  19 CS 17.1784

Datum:
14.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7796
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4
AufenthG § 53 Abs. 3, § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1
EMRK Art. 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Ausweisung stellt eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme dar, deren Gewicht durch die Anordnung des Sofortvollzugs erheblich verschärft wird. Der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens muss als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich sein. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Falle der Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der übrigen Ausweisungsbestimmungen, vielmehr kommt diesen die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit dem jeweiligen Gewicht zu. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die insbesondere von Betäubungsmitteldelikten ausgehenden Gefahren sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Sie betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, die in der Werteordnung der Grundrechte einen sehr hohen Rang einnehmen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich angeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
5 Bei der Ausweisung hier geborener Ausländer ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, Rechnung zu tragen. Der konkrete, der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt ist ebenso zu berücksichtigen wie das Nachtatverhalten, die gesamte bisherige Entwicklung und der Verlauf von Haft und Therapie. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 S 15.2192 2017-08-07 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, ein im Jahr 1988 als Sohn türkischer Arbeitnehmer im Bundesgebiet geborener türkischer Staatsangehöriger, verfolgt mit seiner Beschwerde die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2015 weiter. Mit diesem Bescheid wurde er unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nrn. I., II. des Bescheides), wurden die Wirkungen der Ausweisung und einer evtl. Abschiebung auf die Dauer von zehn Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristet (Nr. III.), wurde seine Abschiebung aus der Haft heraus angeordnet (Nr. IV) und für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, unter Fristsetzung die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen darf bzw. der zu seiner Übernahme verpflichtet ist (Nr. V.). Der in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretene Antragsteller ist durch Urteil des Landgerichts N.-F. vom 28. Mai 2015 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 60 Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (1,1 kg Marihuana und 1,56 kg Methamphetamin) in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden; aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach Vorwegvollzug von zwei Jahren und sechs Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet worden.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Zwar hat der Antragsteller entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keinen ausdrücklichen Rechtsschutzantrag gestellt. Das Erfordernis eines „bestimmten Antrags“ in der Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) ist aber auch dann als erfüllt anzusehen, wenn ein ausdrücklicher Antrag zwar nicht gestellt ist, sich das Rechtsschutzziel – wie vorliegend – mittels Auslegung aus den Gründen und der Bezugnahme auf die Anträge in erster Instanz eindeutig ergibt (vgl. VGH BW, B.v. 1.7.2002 – 11 S 1293/02 – juris; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 21).
Die Beschwerde bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2015 wiederherzustellen.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege, weil die Klage des Antragstellers gegen den Ausweisungsbescheid voraussichtlich erfolglos bleiben werde. Die Ausweisung erweise sich gemessen an den Bestimmungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) voraussichtlich als rechtmäßig, weil die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Die aufgrund des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 53 Abs. 3 AufenthG lägen vor. Nach dem persönlichen Verhalten des Antragstellers müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Der Antragsteller sei mehrfach mit unterschiedlichen Delikten strafrechtlich in Erscheinung getreten (Betäubungsmittelstraftaten, vorsätzliche Körperverletzung, unerlaubter Besitz eines Gegenstandes nach dem Waffengesetz, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, mehrmaliges vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl, Sachbeschädigung, unerlaubter Besitz einer Schusswaffe und Urkundenfälschung) und ein bereits vollzogener Jugendarrest habe nicht zu einem inneren Wandel geführt. Der Antragsteller habe auch in der Haft disziplinarisch geahndet werden müssen, sein Suchtproblem sei ungelöst. Bei der anzustellenden Gesamtabwägung erweise sich die Ausweisung des Antragstellers trotz seiner schwerwiegenden Bleibeinteressen voraussichtlich als rechtmäßig. Einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund der Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Haftstrafe von acht Jahren stehe ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber. Trotz des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses und seines Aufenthalts im Bundesgebiet seit der Geburt stelle sich die Ausweisung nicht als unverhältnismäßig dar. Dass sich die gesamte Familie des Antragstellers im Bundesgebiet befinde, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten und dem Drogenkonsum abhalten können. Der Antragsteller sei seit seiner Jugend in zunehmendem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Antragsteller habe im Bundesgebiet weder einen Schulabschluss erreicht noch eine Ausbildung abgeschlossen. Ihm sei zumutbar, die türkischen Sprachkenntnisse zu vertiefen. Auch die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid sei nicht zu beanstanden.
Demgegenüber rügt der Antragsteller mit der Beschwerde, die Voraussetzungen nach § 53 Abs. 3 AufenthG seien nicht erfüllt. Die Straftaten des Antragstellers hätten auf der Suchterkrankung beruht. Der Antragsteller absolviere seit dem 22. Juni 2017 erfolgreich eine Drogentherapie. Die bislang durchgeführten Urin- und Speichelanalysen hätten bislang keine Suchtmittelrückfälligkeit ergeben. Die Therapie verlaufe äußerst positiv. Die Familie des Antragstellers besuche ihn regelmäßig, er sei sozial sehr in die Familie eingebunden.
Dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch nicht die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist – wie hier – das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet worden, dass eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers und damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit verhindert werden sollen, so setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das vorrangig öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Für das Vorliegen des besonderen Vollziehungsinteresses im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kommt es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – hier des Beschwerdegerichts – an (vgl. OVG NRW B.v. 5.8.2009 – 18 B 331/09 – juris). Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung zudem die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2005 – 2 BvR 485/05 – NJW 2005, 3275; BayVGH, B.v. 19.2.2009 – 19 CS 08.1175 – juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüberzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 4.10.2006 – 1 BvR 2403/06 – juris).
Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend entschieden, dass nach diesen Maßstäben der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg hat. Die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2015 ist voraussichtlich rechtmäßig (1.), die Anordnung des Vollzugs schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich (2.) und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (3.).
1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Ausweisungsverfügung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20). Nach den danach anzuwendenden aktuellen gesetzlichen Bestimmungen erweist sich Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin voraussichtlich als rechtmäßig. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist weiterhin davon auszugehen, dass das persönliche Verhalten des Antragstellers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 3 AufenthG).
Im Falle der Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen in §§ 53 Abs. 1, 54, 55 AufenthG; ihnen kommt auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit dem jeweiligen Gewicht zu (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 24). Soweit die Entwurfsbegründung von einer „Sonderregelung“ spricht (BT-Drs. 18/4097, S. 50), bezieht sich diese Wendung jedoch ersichtlich auf das in § 53 Abs. 3 AufenthG festgelegte Maß der Sicherheitsgefahr und statuiert im Übrigen keine Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U.v. 8.12.2011 – Rs. C – 371/08 „Ziebell“ – juris Rn. 80; BayVGH‚ U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein müssen (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 26).
Bei der Feststellung der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten schwerwiegenden Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, „Ziebell“ – Rn. 82 ff.), handelt es sich um eine Prognose, die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eigenständig zu treffen haben (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Die Indizien, die für diese Prognose heranzuziehen sind, ergeben sich nicht nur aus dem Verhalten im Strafvollzug und danach. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 6/00 – BVerwGE 112, 185, juris Rn. 14; vgl. auch BVerwG, B.v. 4.5.1990 – 1 B 82/89 – NVwZ-RR 1990, 649, juris Rn. 4). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18).
Nach diesen Maßgaben ist unter Berücksichtigung der Schwere der Tat, insbesondere der Höhe der verhängten Strafe von acht Jahren, der von wiederkehrender Strafbarkeit gekennzeichneten Entwicklung des Antragstellers und dem Gewicht der bedrohten Rechtsgüter trotz des Therapieverlaufs von einem Fortbestehen der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 53 Abs. 3 AufenthG auszugehen.
Die insbesondere von Betäubungsmitteldelikten ausgehenden Gefahren sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Sie betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Werteordnung der Grundrechte einen sehr hohen Rang einnehmen. Bei dem vom Antragsteller verübten Handel mit Methamphetamin in nicht geringer Menge, einer sehr gefährlichen Droge mit hohem Suchtpotential und schwerwiegenden gesundheitlichen Folgeschäden, wird das Sicherheitsinteresse der Gesellschaft in besonderem Maße tangiert. Die Schwere der Schuld spiegelt sich in der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe von acht Jahren wider.
Dass vom persönlichen Verhalten des Antragstellers weiterhin eine schwerwiegende Gefahr ausgeht, wird durch die Entwicklung des Antragstellers bestätigt. Der Antragsteller, der weder über einen Schul- noch einen Berufsabschluss verfügt, ist bereits vor der Anlasstat seit seiner Jugendzeit – u.a. noch vor dem im Alter von 18 Jahren beginnenden Konsum von Betäubungsmitteln – mehrfach und in zunehmendem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten (2003 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, 2004, 2007 und 2008 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, 2007 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln; 2008 ist er wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, 2012 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, 2013 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und unerlaubtem Besitz eines verbotenen Gegenstands nach dem Waffengesetz mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, so dass er eine entsprechende Hafterfahrung besitzt). Die Fülle und Vielfalt der strafgerichtlichen Verurteilungen legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Delinquenz entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht ausschließlich auf der Betäubungsmittelabhängigkeit beruht. Auch wenn in der Suchterkrankung des Antragstellers eine Ursache der von ihm verübten Straftaten zu sehen ist, vermag dies die bestehende Wiederholungsgefahr nicht entfallen zu lassen.
Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 29.5.2018 – 10 ZB 17.1739 – juris Rn. 9; B.v. 16.2.2018 – 10 ZB 17.2063 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 17.1386 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 B 14.1613 – juris Rn. 32 m.w.N.). Solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 10 ZB 15.231 – juris Rn. 11). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Therapieberichte keine objektiven Bewertungen oder gar Begutachtungen darstellen. Zu einer effektiven Drogenberatung ist ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Drogenabhängigen und dem Berater erforderlich. Der Berater ist kein verlängerter Arm des Staates, weil Drogenberater Interessenvertreter ihrer Klienten sind. Daher sind die Therapiestellungnahmen nicht als objektive Gutachten, sondern als einseitige Stellungnahmen zu bewerten (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 253; BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 23). Darüber hinaus liegen die Erfolgschancen einer Therapie im Allgemeinen deutlich unter 50% (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 46; BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Auch wenn sich der Antragsteller bereits seit 1,5 Jahren in einer Drogentherapie befindet, kann bei langjähriger Betäubungsmittelabhängigkeit keineswegs davon ausgegangen werden, dass eine noch nicht abgeschlossene Therapie erfolgreich sein und es dem Ausländer gelingen wird, nach seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug bzw. aus der Strafhaft auf Dauer ein drogen- und straffreies Leben zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2018, a.a.O.). Darüber hinaus verlief die Therapie nicht beanstandungsfrei. Ausweislich der Stellungnahme der Entziehungsanstalt vom 27. November 2018, die – wie erwähnt – als Äußerung zugunsten des Antragstellers zu bewerten ist, hat der Antragsteller den Missbrauch von Testosteron gestanden, was zu einer zeitlichen Streckung des geplanten Lockerungsrahmens geführt hat. Der Antragsteller sei aufgrund des insgesamt positiven Behandlungsverlaufs im Februar 2018 auf die Resozialisierungsstation verlegt worden. Den Anforderungen an die Selbstverantwortung habe sich der Antragsteller gewachsen gezeigt, so dass er seit September 2018 bei einer Dachdeckerfirma fest angestellt sei. Die Rückmeldungen des Arbeitgebers seien positiv. Im Rahmen von gewährten Vollzugslockerungen wie unbegleitete Wochenendbeurlaubungen hätten sich bislang keine Probleme oder Unzuverlässigkeiten ergeben. Allerdings könne aufgrund der noch nicht beendeten Therapie, der noch umfangreich erforderlichen Erprobung in weiterreichenden Lockerungen sowie der noch nicht erfolgten Ordnung des sozialen Empfangsraums und der Entlassperspektive noch nicht damit gerechnet werden, dass der Antragsteller außerhalb des Maßregelvollzugs keine erneuten Straftaten mehr begehen werde.
Dieser Befund wird bestätigt durch die aktuellen Entscheidungen im Strafvollzug. Die Strafvollstreckungskammer hat zuletzt mit Beschluss vom 11. Januar 2019 die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Danach sei noch nicht zu erwarten, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Das Ziel der Unterbringung, den Süchtigen zu heilen und zu bessern und die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten zu beseitigen oder herabzusetzen, sei noch nicht erreicht.
Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Strafvollstreckungskammer von einer fortbestehenden Gefahr der Begehung von Straftaten auszugehen. Überdies ist es nicht erforderlich, mit der ausländerrechtlichen Gefahrenprognose bis zum Zeitpunkt eines erfolgreichen Abschlusses der Drogentherapie oder der Haftentlassung des Klägers – nach Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung oder nach Vollstreckung der gesamten Strafe – abzuwarten (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 10 ZB 17.993 – juris Rn. 16; B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris).
Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit der Ausweisung nach § 53 Abs. 3 AufenthG ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – juris Rn. 77 m.w.N.). Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“ zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris Rn. 20). Auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG ist unter Berücksichtigung des besonderen Gefährdungsmaßstabs für die darin bezeichneten Gruppen von Ausländern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2) AufenthG durchzuführen.
Vorliegend ist die Ausweisung zur Wahrung der hier betroffenen Grundinteressen der Gesellschaft nach Überzeugung des Senats unerlässlich, weil die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung vor allem mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausreise nicht überwiegt.
Der Antragsteller kann sich in dem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf den stattgebenden Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG vom 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris) berufen. Danach besteht für faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot. Bei der Ausweisung hier geborener Ausländer ist aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Es ist im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung nicht ausreichend, wenn die Gerichte von der Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in jedem Fall ohne weiteres auf die Gefährdung höchster Gemeinwohlgüter und auf eine kaum widerlegliche Rückfallgefahr schließen. Vielmehr ist der konkrete, der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt ebenso zu berücksichtigen wie das Nachtatverhalten und der Verlauf von Haft und – gegebenenfalls – Therapie. Auch bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz darf ein allgemeines Erfahrungswissen nicht zu einer schematischen Gesetzesanwendung führen, die die im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände ausblendet.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall maßgeblich dadurch, dass der dort betroffene Ausländer eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hatte, die nicht drogenbezogene Kriminalität zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits acht Jahre zurücklag und eine Strafaussetzungsentscheidung bereits ergangen war. Zwar handelt es sich bei dem im Bundesgebiet geborenen und hier aufgewachsenen Antragsteller um einen sog. „faktischen Inländer“. Gleichwohl ist dem Antragsteller ein Leben im Einklang mit der Rechtsordnung nicht gelungen. Er hat weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss erworben und ist seit seiner Jugend in zunehmender Art und Weise durch verschiedene Delikte (darunter schwere Delikte wie gefährliche Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen sowie unerlaubter Besitz einer Schusswaffe) strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Antragsteller sein gesamtes Leben in der Bundesrepublik verbracht hat und sich seine Familienangehörigen ebenfalls im Bundesgebiet befinden, überwiegt das Ausweisungsinteresse im Hinblick auf die vom Antragsteller verübten massiven Straftaten der Betäubungsmittelkriminalität und die daraus resultierenden schwerwiegenden Gefahren. Nachdem die gesamte Entwicklung des Klägers von zunehmender Strafbarkeit geprägt war und der Antragsteller auch schon vor seiner Betäubungsmittelabhängigkeit strafrechtlich mit unterschiedlichen Delikten in Erscheinung getreten ist (so ist in dem Strafurteil vom 22.2.2008 wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe u.a. keine Rede von einer bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers), vermag die gegenwärtige Durchführung einer Drogentherapie nicht zu einem abweichenden Abwägungsergebnis zu führen. Dem kinderlosen Antragsteller ist es zumutbar, im Land seiner Staatsangehörigkeit Fuß zu fassen. Der Antragsteller beherrscht zumindest in Grundkenntnissen die türkische Sprache, ist also jedenfalls durch seine Familie den heimatstaatlichen Lebensverhältnissen näher gebracht worden. Auch die Eheschließung mit einer türkischstämmigen Frau im Jahr 2011 belegt die Verbindung des Antragstellers zum Heimatland. Dass die in der Türkei lebenden Angehörigen der zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau dem Antragsteller ablehnend gegenüber stehen, begründet keine Unverhältnismäßigkeit. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Antragsteller aus der eigenen Familie und den Urlaubsfahrten ins Heimatland weitere soziale Kontakte in der Türkei zur Verfügung stehen. Die Ausweisung erweist sich daher aller Voraussicht nach als rechtmäßig.
2. Die Anordnung des Vollzugs ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich. Diese Erforderlichkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn, wie hier, die Ausweisung zutreffend von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Spezialprävention getragen wird, die nicht nur langfristig, sondern auch schon während des Klageverfahrens Geltung beanspruchen (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2016 – 19 CS 16.878; NdsOVG, B.v. 16.12.2011 – 8 ME 76/11 – juris Rn. 40; VGH BW, B.v. 25.6.1998 – 11 S 682/98 – juris Rn. 4 f.; OVG NRW, B.v. 24.2.1998 – 18 B 1466/96 – juris Rn. 30 f.). Die derzeitige Unterbringung des Antragstellers in der Entziehungsanstalt, die Möglichkeit weiterer Lockerungen und der mögliche Zeitpunkt seiner Haftentlassung sind allenfalls für den tatsächlichen Vollzug der Abschiebung, nicht aber für die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Bedeutung. Trotz der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren kann mit einer Entlassung des Antragstellers vor rechtskräftigem Abschluss der Hauptsache gerechnet werden. Die Gefahr der Begehung erneuter Straftaten in der Zeitspanne bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens besteht fort. Auch ist die Durchführung einer Drogentherapie – wie ausgeführt – kein hinreichender Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung der Persönlichkeit und der Lebensumstände des Antragstellers, deretwegen das besondere Vollzugsinteresse hinter dem Interesse des Antragstellers zurückzutreten hätte. Die bereits für diesen Zeitraum festzustellenden Gefahren für die öffentlichen Belange sind unter Berücksichtigung der von den Straftaten des Antragstellers tangierten hohen Rechtsgüter von derartigem Gewicht, dass sie etwaige schutzwürdige Interessen des Antragstellers an der Erhaltung des Suspensiveffekts überwiegen (zu dieser Voraussetzung BVerfG, B.v. 12.9.1995 – 2 BvR 1179/95 – juris Rn. 43).
3. Die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Gefahren überwiegen auch die die Antragstellerseite treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Der Senat verkennt nicht, dass die sofortige Vollziehung der Ausweisung eine schwer wiegende Maßnahme darstellt, die erheblich in das Leben des Antragstellers und seiner Familie eingreift. Er wird – jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens – gezwungen, das Bundesgebiet zu verlassen, hier bestehende Bindungen zu unterbrechen und sein Leben im Heimatland zu bestreiten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller – auch in Anbetracht der während des Maßregelvollzugs ausgeübten Beschäftigung – in wirtschaftlicher Hinsicht bisher nicht im Bundesgebiet integriert ist, der Sofortvollzug also nicht mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz verbunden ist. Auch weitere im Bundesgebiet lebende Familienangehörige geraten durch die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers nicht in eine existenzbedrohende Notlage. Der Antragsteller ist kinderlos und hat keinerlei Unterhaltsverpflichtungen. Dem Antragsteller ist eine soziale Wiedereingliederung im Bundesgebiet für den Fall eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren durchaus möglich und auch zuzumuten. Die Wirkungen des Sofortvollzugs sind im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller mithin weitgehend reparabel. Dies gilt für die durch einen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet gefährdeten Rechtsgüter nicht. Realisiert sich die beschriebene konkrete Gefahr, dass der Antragsteller im Bundesgebiet erneut Straftaten der Betäubungsmittelkriminalität, Vermögens- oder Körperverletzungsdelikte begeht, die das Leben und die körperliche Unversehrtheit Dritter in ganz erheblicher Weise gefährden, sind die dann eingetretenen Schädigungen regelmäßig nicht wieder gutzumachen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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