Strafrecht

Rechtmäßige vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge wegen Dienstvergehen

Aktenzeichen  RO 10A DS 16.961

Datum:
21.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG BayDG Art. 6 Abs. 1, Art. 14, Art. 19 Abs. 1, Art. 24 Abs. 3, Art. 25 Abs. 1, Art. 39, Art. 43 Abs. 2, Art. 55, Art. 61
StGB StGB § 13 Abs. 1, § 53, § 263 Abs. 3 Nr. 4, § 266 Abs. 1
BeamtStG BeamtStG § 24, § 33 Abs. 1 S. 2, § 34 S. 2, S. 3, § 35 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Steht zur Überzeugung des Gerichts die Verwirklichung der Untreue wie hier in Höhe von knapp 20.000 Euro fest, so trägt dies die Prognose der voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. (redaktioneller Leitsatz)
2. Weitere Tatvorwürfe, die nicht wegen erwiesener Unschuld, sondern aus Gründen der Prozessökonomie eingestellt werden, können diese Prognose stützen.  (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Frage der Einbehaltung der Dienstbezüge ist das Gesamtfamilieneinkommen zu berücksichtigen (ebenso BVerwG BeckRS 1996, 12529). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der mit Verfügung vom 26. April 2016 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von 50% seiner monatlichen Dienstbezüge.
Der am …1954 geborene Antragsteller steht als Verwaltungsrat (Besoldungsgruppe A 13) im Dienste der Gemeinde 1…, Landkreis 2… Er trat seinen Dienst im Bereich der Inneren Staatsverwaltung am 1. September 1970 beim Landkreis 2… an. Mit Wirkung vom 30. Oktober 1972 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kreisinspektoranwärter und mit Wirkung vom 1. Januar 1976 bei der Gemeinde 1… unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Gemeindeinspektor zur Anstellung ernannt und als geschäftsleitender Beamter eingestellt. Am 1. Juli 1978 erfolgte die Ernennung zum Verwaltungsinspektor und mit Wirkung vom 1. November 1979 zum Oberinspektor. Der Antragsteller wurde am 30. Oktober 1981 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und mit Wirkung vom 1. September 1984 zum Amtmann ernannt. Mit Wirkung ab 1. Oktober 1989 erfolgte die Ernennung zum Amtsrat und mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 die Ernennung zum Oberamtsrat. Seit 1. Januar 2011 führt er die Amtsbezeichnung Verwaltungsrat. Der verheiratete Antragsteller ist Vater zweier erwachsener Kinder und mit Ausnahme des gegenständlichen Verfahrens nicht disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
Der Gemeinderat der Gemeinde 1… leitete mit Beschluss vom 25. November 2014 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein, enthob ihn vorläufig des Dienstes und übertrug das Verfahren mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 auf die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde -. Die Landesanwaltschaft setzte das Verfahren mit Verfügung vom 25. März 2015 aufgrund des Strafermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft … (Az. 155 Js 24977/14) gemäß Art. 24 Abs. 3 BayDG aus. Das Amtsgericht … übersandte der Landesanwaltschaft mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 eine Abschrift der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 4. November 2015. In dieser wurde u. a. der Antragsteller der Untreue in drei besonders schweren Fällen und Untreue durch Unterlassen in einem besonders schweren Fall gemäß § 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Nr. 4, § 13 Abs. 1, § 53 StGB beschuldigt. Mit Telefax vom 22. April 2016 wurde der Landesanwaltschaft der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts … übersandt.
Mit streitgegenständlicher Verfügung vom 26. April 2016 wurde der Antragsteller mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben (Nr. 1.) und die Einbehaltung von 50% seiner monatlichen Dienstbezüge angeordnet (Nr. 2.). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es genüge im Rahmen einer vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 39 Abs. 1 BayDG hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens die Feststellung, dass der Beamte dieses mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen habe. Nicht erforderlich sei, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen sei. Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen bestehe die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller Dienstvergehen begangen habe. Die Staatsanwaltschaft … habe mit Anklageschrift vom 4. November 2015 die öffentliche Klage zum Amtsgericht …, Schöffengericht, wegen Untreue in drei besonders schweren Fällen und Untreue durch Unterlassen in einem besonders schweren Fall erhoben. Mit Beschluss vom 21. April 2016 habe das Amtsgericht die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren von dem Amtsgericht – Schöffengericht – … eröffnet. Aufgrund der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses bestehe die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beamte Dienstvergehen begangen habe.
In einem Vermerk der Disziplinarbehörde vom 3. Februar 2015 und einer Ausdehnungsverfügung vom 11. Februar 2015 würden ihm weitere Sachverhalte zum Vorwurf gemacht. Nach den Feststellungen im Prüfbericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands (Textziffer 6) habe der bis zum 30. April 2014 amtierende 1. Bürgermeister zum Zeitpunkt der Prüfung monatlich 480 € für die Nutzung des privateigenen Kraftfahrzeugs zu dienstlichen Zwecken erhalten. Diese seien nicht versteuert worden. Aus öffentlichen Kassen gezahlte Reisekostenvergütungen seien grundsätzlich steuerfrei (§ 3 Nr. 13 EStG). Pauschalzahlungen erfüllten nicht die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit, da der erstattete Aufwand nicht nachprüfbar sei. Anders sei dies, wenn über einen repräsentativen Zeitraum die Nutzung durch ein Fahrtenbuch dokumentiert sei. Aufzeichnungen über die Nutzung des privaten PKW seien den Prüfern nicht vorgelegt worden. Das Finanzamt … habe eine monatliche Reisekostenpauschale in Höhe von 140 € anerkannt. Der übersteigende Betrag hätte als Arbeitslohn nachversteuert werden müssen. Der Antragsteller solle den damaligen Bürgermeister nicht auf die Rechtswidrigkeit der überhöhten und steuerfreien Reisekostenpauschale hingewiesen haben, obwohl dies im Rahmen der Personalverwaltung und Haushaltswirtschaft zu seinen Aufgaben gehört habe.
Der in der Anklageschrift unter Ziffer III. dargestellte Antrag des 1. Bürgermeisters an das Finanzamt … habe auch einen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 73b Abs. 2 EStG „für die Reise zum 60. Geburtstag des Bürgermeisters und für den Gutschein bei 3… zum Dienstjubiläum“ betroffen. Hintergrund für die Sachgeschenke sollten eine dem Bürgermeister zum 60. Geburtstag geschenkte Urlaubsreise im Wert von 1.056 €, sowie ein Gutschein für den Beamten für den Gasthof 3… zum Dienstjubiläum im Wert von 200 € gewesen sein. Solche Sachzuwendungen gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn nach § 2 Abs. 1 LStDV. Das Finanzamt … habe gegenüber der Gemeinde 1… am 5. Juni 2013 einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid erlassen, der auch die in der Anklageschrift unter Ziffer III. dargestellte beantragte Nettolohnversteuerung betroffen habe. Hiervon seien 423,89 € auf die Sachgeschenke Urlaubsreise und Essensgutschein zum Dienstjubiläum entfallen. Die Zahlung dieses Betrages sei durch die Gemeinde erfolgt, obwohl es sich hier um persönliche Steuerschulden des 1. Bürgermeisters und des Beamten gehandelt habe. Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft diese Untreuevorwürfe aus verfahrensökonomischen Gründen nach § 154a Abs. 1 StPO beschränkt habe, stehe der Begehung eines Dienstvergehens nicht entgegen.
Mit Schreiben vom 3. November 2014 habe das Finanzamt … einen Bescheid über Hinterziehungszinsen an die Gemeinde 1… in Höhe von 3.264 € erlassen. Dieser Bescheid habe die Zinsen auf Steuernachforderungen für die dem Antragsteller im Januar und Dezember 2010 gewährten Urlaubsabgeltungen betroffen. Der Beamte wäre verpflichtet gewesen, diesen Betrag selbst zu begleichen. Auch im Hinblick auf diesen Sachverhalt habe die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 154a Abs. 1 StPO beschränkt. Die Gemeinde 1… habe ferner mit Schreiben vom 9. Februar 2015 mitgeteilt, dass der Antragsteller sowie zwei weitere Beamte im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2003 entgegen § 5 der Bayerischen Leistungsprämien- und Leistungszulagenverordnung vom 15. Dezember 1998 zeitgleich Leistungszulagen erhalten hätten. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren bezüglich Untreuehandlungen vor dem 1. Januar 2010, insbesondere im Zusammenhang mit der Gewährung unzulässiger Leistungszulagen nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Ferner solle der Antragsteller, entgegen den Bestimmungen der Urlaubsverordnung, bereits im Jahr 2000 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 15.949,50 DM erhalten haben. Der Betrag soll ein Jahr später zum 1. Dezember 2001 steuerfrei ausbezahlt worden sein.
Der Antragsteller habe ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, indem er gegen die Pflicht, bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) und die übertragenen Aufgaben uneigennützig wahrzunehmen (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verstoßen habe. Weiterhin komme ein Verstoß gegen die Pflicht seine Vorgesetzten zu beraten nach § 35 Satz 1 BeamtStG in Betracht. Er habe auch gegen seine Verpflichtung, die Gesetze zu beachten und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Die schuldhaften Dienstpflichtverletzungen stellten ein einheitliches Dienstvergehen dar.
Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung beruhe auf Art. 39 Abs. 1 BayDG. Der Sachverhalt lasse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwarten, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Nr. 5, Art. 11 BayDG erkannt werde. Die zur Bestimmung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme vorzunehmende disziplinarische Gesamtwürdigung aller derzeit bekannten be- und entlastenden Umstände führe nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen dazu, dass das Fehlverhalten als schwerwiegend einzustufen sei und zu einem irreversiblen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit geführt habe.
Ausgangspunkt der Maßnahmezumessung seien die dem Antragsteller in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vorgeworfenen Untreuehandlungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bewirkten schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führe. Begehe ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsehe, reiche der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Vorliegend gehe die Staatsanwaltschaft jeweils von Untreue in einem besonders schweren Fall aus. Der Strafrahmen sehe eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
Der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei der Grundsatz zu entnehmen, dass bei einem innerdienstlichen Betrug und Untreue zum Nachteil des Dienstherrn bei einem Gesamtschaden von über 5.000 € die Entfernung aus dem Dienst ohne Hinzutreten weiterer Erschwernisgründe gerechtfertigt sein könne. Hiernach sei die Entfernung des Beamten aus dem Dienst bereits alleine aufgrund der Höhe des vom Beamten verursachten Untreueschadens, der von der Staatsanwaltschaft mit insgesamt 79.681,11 € beziffert werde, indiziert. Es würden weitere Sachverhalte hinzutreten, die zu einem erheblichen Vermögensschaden der Gemeinde geführt hätten. Für das Vorliegen anderer in der Rechtsprechung „anerkannter“ (klassischer) Milderungsgründe, die typisiert Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose gäben, sei nichts vorgetragen. Solche seien derzeit auch nicht ersichtlich.
Die Anordnung der vorläufigen Diensterhebung sei aber auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayDG sachgerecht, weil durch das Verbleiben des Antragstellers im Dienst der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt sei. Der ungestörte und geordnete Ablauf des Dienstbetriebs wäre bei einem Verbleib im Dienst nicht mehr gewährleistet. Vorliegend wäre es weder den Mitarbeitern noch der Allgemeinheit verständlich zu machen, dass der Antragsteller weiter seinen Dienst als Leiter der Haupt- und Personalabteilung versehe. Eine Umsetzungsmöglichkeit außerhalb dieser Bereiche bestehe nach schriftlicher Auskunft des 1. Bürgermeisters nicht.
Nach Art. 39 Abs. 2 BayDG könne die Disziplinarbehörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50% der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden. Die Entscheidung über die Höhe der einzubehaltenden Bezüge stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Disziplinarbehörde und richte sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie trage dem Umstand Rechnung, dass der Beamte nach der vorläufigen Dienstenthebung keine Gegenleistung mehr erbringe und seine Arbeitskraft ggfs. anderweitig einsetzen könne. Der Beamte müsse sich zwar eine gewisse Einschränkung in seiner Lebenshaltung gefallen lassen, jedoch dürfe die Einbehaltung nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen. Der in Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG genannte Einbehaltungssatz von 50% stelle dabei den für den Regelfall geltenden Höchstsatz dar. Besondere wirtschaftliche Umstände, die eine Abweichung von diesem Regelhöchstsatz begründen würden, seien seitens des Antragstellers innerhalb der gesetzten Frist nicht geltend gemacht worden und auch vor dem Hintergrund des Bruttoeinkommens (Bezüge nach A 13, aktuell 5030,39 € brutto monatlich) nicht ersichtlich. Nach einer Bezügesimulation verblieben ihm 2.547,58 € brutto (2.099,36 € netto). Die von ihm vorgelegte Übersicht über die wirtschaftlichen Verhältnisse vom 18. Februar 2015 sei unvollständig und nicht plausibel.
Am 23. Juni 2016 ließ der Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der angeordneten Einbehaltung von Dienstbezügen stellen. Zur Begründung des Antrags wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … in mehrerlei Hinsicht Einstellungen enthalte. Dies hätte auch die Landesanwaltschaft berücksichtigen müssen. Die Landesanwaltschaft gehe ohne weitere Feststellungen, sondern lediglich aufgrund eines Rechtssprechungszitats (das fast 40 Jahre zurückliege), davon aus, dass der Beamte „seine/ihre Arbeitskraft ggf. anderweitig einsetzen kann“. Tatsächlich aber sei der Beamte seit November 2014 durchgängig krankgeschrieben. Schließlich leuchte auch nicht ein, warum eine Umsetzungsmöglichkeit innerhalb der Verwaltung nicht möglich sein solle. Zum 1. Juli 2016 sei eine neue Mitarbeiterin mit der gleichen Qualifikation eingestellt worden. Ein weiterer Mitarbeiter werde zudem zu hoch bewertet. Dies sei ein Widerspruch. Dabei sei auch drauf hinzuweisen, dass die Personalkosten bei der Gemeinde 1… von 2014 auf 2016 um ein Viertel gestiegen seien, wobei Neueinstellungen nur im Bereich der Verwaltung erfolgt seien. Die Enthebung vom Dienst sei rechtswidrig. Jedenfalls seien weniger als die angeordneten 50% der monatlichen Dienstbezüge einzubehalten. Hierzu werde noch weiter vorgetragen.
Der Antragsteller lässt beantragen,
die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Aussetzungsantrag kostenpflichtig abzulehnen.
Aufgrund der bindenden Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung vom 29. Juni 2016 und der weiteren in der Verfügung dargestellten Dienstpflichtverletzungen, die der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen habe, sei die Prognose der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt. Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge würden aufrechterhalten bleiben.
Die Gemeinde 1… beantragte mit Schreiben vom 21. Juli 2016 das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller auszudehnen. Dem kam die Landesanwaltschaft Bayern mit Verfügung vom 7. Juli 2016 nach. Dieser lässt sich u. a. entnehmen, dass die Gemeinde 1… der Landesanwaltschaft mit Schreiben vom 10. Juni 2016 einen USB-Stick übersandt habe, auf dem sich Dateien befänden, die vom Dienst-PC des Antragstellers stammen würden. Diese Dateien sollten private Angelegenheiten betreffen und zu einem großen Teil während der Arbeitszeit angelegt bzw. bearbeitet worden sein. Nach der Dienstanweisung für den Einsatz der automatisierten Datenverarbeitung vom 17. Oktober 2013, die der Antragsteller am 24. Oktober 2013 unterzeichnet habe, sei es unzulässig, Daten, Programme oder zu speichernde Informationen, gleich welchen sachlichen Inhalts, zu einem anderen Zweck, als zur rechtmäßigen Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verarbeiten oder zu vervielfältigen, dienstlich oder persönlich zu verwerten oder einem nicht unmittelbar berechtigten Personenkreis zugänglich zu machen. Durch das Abspeichern und Bearbeiten privater Dateien habe der Antragsteller ein innerdienstliches Dienstvergehen nach Art. 19 Abs. 1 BayDG, § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, da er durch sein Verhalten gegen die Pflicht zu uneigennützigen Aufgabenwahrnehmung nach § 34 Satz 2 BeamtStG und die Pflicht, dienstliche Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu befolgen, nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen habe. Nachdem sich auf dem USB Stick auch drei Dateien mit pornographischen Aufnahmen befänden, habe der Antragsteller auch gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen.
Das Amtsgericht … verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom 29. Juni 2016 (Az. 23 Ls 155 Js 24977/14) – rechtskräftig seit 7. Juli 2016 – wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenunterlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Aussetzung der mit Verfügung vom 26. April 2016 ausgesprochenen vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen.
Gemäß Art. 43 Abs. 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog entscheidet der Vorsitzende der Disziplinarkammer über den Antrag gemäß Art. 61 Abs. 1 BayDG, da die Entscheidung in Beschlussform außerhalb der mündlichen Verhandlung ergeht, vgl. Art. 61 Abs. 3 BayDG.
Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Verfügung ist Art. 39 Abs. 1 BayDG. Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens u. a. vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch das Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Der Beamte kann gemäß Art. 61 Abs. 1 BayDG bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beantragen. Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen, Art. 61 Abs. 2 BayDG. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. z. B. BayVGH vom 11.12.2013 Az. 16a DS 13.706 m. w. N.). Solche ernstlichen Zweifel bestehen hier nicht.
Im Hinblick auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Beamte im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden wird. Dies ist dann der Fall, wenn nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel im Sinne des Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen (vgl. BayVGH vom 11.12.2013 a. a. O.). Dabei genügt hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat. Es ist nicht erforderlich, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BayVGH vom 11.12.2013 a. a. O.). Da im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden. Der Untersuchungsgrundsatz des Gerichts ist dahingehend eingeschränkt, dass regelmäßig nur die Pflicht besteht, auf die vorhandenen Feststellungen zurückgreifen zu müssen (vgl. BayVGH vom 11.12.2013 a. a. O. m. w. N.).
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verfügung sind weder vorgebracht noch für das Gericht erkennbar. Auch in materieller Hinsicht bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist es überwiegend wahrscheinlich, dass gegen den Antragsteller nach Erhebung einer Disziplinarklage auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.
Der Antragsteller wurde nach Stellen des Antrags gemäß Art. 61 BayDG mit Urteil des Amtsgerichts … vom 29. Juni 2016 (Az. 23 LS 155 Js 24977/14) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB verurteilt. Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung die tatsächlichen Feststellungen dieses seit 7. Juli 2016 rechtskräftigen Strafurteils zugrunde. Die strafgerichtlichen Feststellungen sind gemäß Art. 55 BayDG i. V. m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für ein Disziplinar(-klage)verfahren bindend. Offenkundig unrichtige Feststellungen sind weder erkennbar noch von dem – insoweit geständigen – Antragsteller behauptet worden. Vielmehr räumte er selbst ein, dass der Gemeinde 1… durch die Übernahme einer persönlichen Steuerschuld des Antragstellers ein Schaden in Höhe von 19.954,43 € entstanden ist.
Dem Urteil lassen sich u. a. folgende Feststellungen entnehmen:
„II. Nachversteuerung
Im Frühjahr 2013 hat das Finanzamt … für die Jahre 2009 – 2012 eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Gemeinde 1… durchgeführt. Im Prüfungsbericht vom 02.05.2013 wurden diverse Auszahlungen der Gemeinde 1… an die anderweitig Verfolgte 4… und den Angeklagten 5… beanstandet und hierfür mit Bescheid vom 05.06.2013 steuerliche Nachforderungen im Hinblick auf die Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 30.455,45 Euro gegenüber der Gemeinde 1… festgesetzt. Der Nachforderung zugrunde lag der Umstand zugrunde, dass die erfolgten Auszahlungen jeweils brutto ohne Abzug der Lohnsteuer nach § 2 Abs. 1 LStDV erfolgt waren.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Nachforderung:
Auszahlungsgrund
Begünstigter
Auszahlungsbetrag
Steuerliche
Nachforderung
Anordnung vom 29.01.2010 und vom 14.12.2010
Urlaubsabgeltung für den Geschäftsstellenleiter
5…
Jan 2010: 11.193,40 Euro
Dez 2010: 10.712,83 Euro
19.954,43 Euro
Nach Abschluss der Lohnsteueraußenprüfung war der Angeklagte 5… vor der Festsetzung des Bescheids persönlich von der Zeugin 6…, der zuständigen Prüferin des Finanzamts …, auf die Beanstandungen sowie den Umstand hingewiesen worden, dass es sich bei der Nachforderung um eine persönliche Steuerschuld handelt. Dem anderweitig Verfolgte 4… und dem Angeklagten 5… war dabei bekannt, dass das Finanzamt … die auf die ausgezahlte Reisekostenpauschale und Urlaubsabgeltung entfallene Nachversteuerung jeweils der persönlichen Einkommenssteuerschuld zuführen und nicht die Gemeinde 1… in Anspruch nehmen wollte. Dennoch bestand der Angeklagte 5… gegenüber der Zeugin 6… auf der Übernahme der Steuerschuld durch die Gemeinde 1…
Dementsprechend stellte der anderweitig Verfolgte 4… in seiner Eigenschaft als 1. Bürgermeister mit Schreiben vom 26.04.2013 anschließend beim Finanzamt … im Namen der Gemeinde 1… einen Antrag auf Pauschalisierung der Lohnsteuer und Übersendung eines Steuerbescheids an die Gemeinde 1… Dieses Schreiben wurde von dem Angeklagten 5… zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt vor Antragstellung vorbereitet und dem anderweitig Verfolgte 4… mit den zugehörigen Unterlagen zur Zeichnung vorgelegt. In der Folge hat das Finanzamt … am 05.06.2013 einen gegen die Gemeinde 1… gerichteten Lohnsteuerbescheid über 30.455,45 Euro erlassen. Die Steuerlast in Höhe von insgesamt 30.455,45 Euro wurde sodann aufgrund der vom anderweitig Verfolgte 4… in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Angeklagten 5… gefertigten Zahlungsanordnung vom 22.07.2013 von der Gemeinde 1… auch tatsächlich beglichen. Eine Rückforderung der entrichteten Lohnsteuer von den durch die Auszahlungen begünstigten Angeklagten 5…erfolgte plangemäß nicht.
Für die Übernahme der Steuerlast durch die Gemeinde war lediglich die Form der Nettonachversteuerung möglich, indem der tatsächliche Auszahlungsbetrag als Nettobetrag für die Berechnung der Steuerschuld zugrunde gelegt wird. Tatsächlich wurde die nachzuversteuernde Urlaubsabgeltung für den Angeklagten 5… brutto ausbezahlt, so dass der darin enthaltene Lohnsteueranteil dem Angeklagten statt dem Finanzamt zugeflossen war. Durch die Nettonach-versteuerung hat die Gemeinde 1… den genannten Betrag, einschließlich der enthaltenen Lohnsteuer nochmals versteuert.
Der Gemeinde 1… entstand durch die Übernahme der persönlichen Steuerschuld des Angeklagten 5…ein Schaden in Höhe von 19.954,43 Euro.“
Es steht zu Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Antragsteller einer Untreue zulasten der Gemeinde 1… und damit eines innerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Dies ist für sich alleine geeignet, die Prognose der voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu tragen, so dass es auf die weiteren in der streitgegenständlichen Verfügung vorgebrachten Gesichtspunkte und auf den nach Fortführung des Disziplinarverfahrens auf dieses ausgedehnten neuen Sachverhalt nicht mehr ankommt. Es kommt ferner auch nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayDG vorliegen, so dass sich die Frage einer Umsetzungsmöglichkeit des Antragstellers innerhalb der Verwaltung der Gemeinde 1… nicht stellt.
Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden.
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat, vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (vgl. z. B. BVerwG vom 10.12.2015 a. a. O.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. z. B. BVerfG vom 8.12.2004 a. a. O.). Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 a. a. O.).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist nach der neueren Rechtsprechung jedoch auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a. a. O.). Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet dies eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Dienstvergehen. Es wird verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind. Auf die bisher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zulasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht (mehr) an (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a. a. O.).
Der letztlich abgeurteilte Tatvorwurf gegen den Antragsteller beinhaltet eine Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Hinsichtlich weiterer Vorwürfe wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2, 1 StPO (Teileinstellung bei mehreren Taten) bzw. gemäß § 154a StPO („Beschränkung der Verfolgung“) eingestellt. Die oben genannten Strafnormen sehen einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Die volle Ausschöpfung dieses Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens überwiegend wahrscheinlich. Der Antragsteller hat im Zusammenwirken mit dem damaligen 1. Bürgermeister der Gemeinde 1… bewirkt, dass eine persönliche Steuerschuld durch diese beglichen wurde. Auch wenn die vom Antragsgegner für die Bemessung der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme herangezogene Obergrenze der Höhe des Gesamtschadens von 5.000 €, die bisher von der Rechtsprechung als maßgeblich angesehen wurde (vgl. z. B. BayVGH vom 21.1.2012 Az. 16a D 13.1889), unter Zugrundelegung neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl nicht mehr maßgeblich sein dürfte, liegt die hier relevante – durch den Antragsteller eingeräumte – Schadenshöhe von 19.954,43 € jedoch in einem Bereich, der eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nahelegt. Hinzu kommt, dass weitere Tatvorwürfe nicht wegen erwiesener Unschuld sondern aus Gründen der Prozessökonomie eingestellt wurden (vgl. Strafurteil Seite 5, Ziffer IV) und der steuerlichen Nachforderung nicht ein einmaliges Fehlverhalten sondern zeitlich länger dauernde Unregelmäßigkeiten bei der Versteuerung der Urlaubsabgeltung zugrunde lagen. Die Verurteilung bewegt sich mit 10 Monaten auch in einem Bereich, der nahe an das Strafmaß heranreicht, das zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat.
Anerkannte (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, sind bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Das Verhalten des Antragstellers stellt sich nicht als unbedachte persönlichkeitsfremde Gelegenheitstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (vgl. hierzu BVerwG vom 24.2.1999 Az. 1 D 31.98). Wie sich dem Strafurteil entnehmen lässt, musste es dem Antragsteller nach den Hinweisen der Steuerprüferin bewusst sein, dass es sich bei der Steuernachforderung um eine persönliche Schuld und nicht um eine der Gemeinde 1… handelte. Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor der Tatentdeckung liegt erkennbar auch nicht vor. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger Milderungsgründe sind nicht ersichtlich.
Die vorläufige Dienstenthebung ist in Anbetracht der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig. Zwar ist der Antragsteller disziplinarrechtlich zuvor nicht in Erscheinung getreten. Dem steht jedoch auch unter Berücksichtigung der langjährigen Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung das – hier erhebliche – Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden entgegen, die die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und angemessene Reaktion erscheinen lassen.
Hinsichtlich der verfügten Einbehaltung der Bezüge gemäß Art. 39 Abs. 2 BayDG ist der Antragsgegner den Ausführungen in der streitgegenständlichen Verfügung nicht substantiiert entgegen getreten. Der im gerichtlichen Verfahren angekündigte weitere Vortrag ist auch insoweit unterblieben. Die von dem Antragsteller vorgelegte „Übersicht über die wirtschaftlichen Verhältnisse“ ist lückenhaft und enthält z. B. keine Angaben zu den Einkünften der Antragstellers und seiner Ehefrau. Ausgaben werden ohne Nachweise nur behauptet. Auf das Angebot des Antragsgegners auf Berücksichtigung einer nachgereichten – vollständigen – Erklärung erfolgte keine Rektion.
Nach einer Bezügesimulation verbleiben dem Antragsteller 2.547,58 € brutto (2.099,36 € netto). Unter Berücksichtigung der im Strafurteil konstatierten geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Schulden ist nicht erkennbar, dass der Einbehalt existenzgefährdende wirtschaftliche Beeinträchtigungen zu Folge hat. Zu berücksichtigen ist auch die Tätigkeit seiner Ehefrau als beamtete Fachoberlehrerin. Bei der Frage der Einbehaltung von Dienstbezügen ist nämlich das Gesamtfamilieneinkommen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG vom 29.5.1996 Az. 1 DB 11.96). Schließlich sind die Kinder des Antragstellers erwachsen. Es ist nicht erkennbar, dass insoweit noch Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Gewisse mit dem Einbehalt verbundene Einschränkungen muss der Antragsteller in Kauf nehmen. Trotz seiner – angeblichen – Dienst- und Arbeitsunfähigkeit ist nicht erkennbar, dass ihn die Einbehaltung der Bezüge in einem unzumutbaren Ausmaß beeinträchtigt.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO, Art. 72 Abs. 4, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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