Strafrecht

Strafbarkeit wegen Umgangs mit ephedrin- und pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln nach dem GÜG in Altfällen

Aktenzeichen  1 Ws 169/18

Datum:
22.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15187
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 2; GÜG § 1 Nr. 1, §  3, § 19 Abs. 1  Nr. 1, § 19 Abs. 3  Nr. 1, § 19 Abs. 5
BtMG § 29; StGB § 27, § 73, § 73c, § 73d
EGStGB Art. 316h Satz 1
StPO § 111e Abs. 1, § 304
EGStPO § 14
VO (EG) Nr. 273/2004 Art. 2 lit. a; VO (EG) Nr. 111/2005 Art. 2 lit. a; VO (EU) Nr. 1258/2013; VO (EU) Nr. 1259/2013

 

Leitsatz

Im Hinblick auf den unerlaubten Umgang mit ephedrin- und pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln kommt eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Handeltreibens gem. § 19 I Nr. 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes [GÜG] erst für Taten ab dem 10.03.2017 in Betracht. (Rn. 21)

Gründe

I.
1. Gegen den Beschluss des LG ist die (einfache) Beschwerde gemäß § 304 StPO statthaft und auch sonst zulässig (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 111j Rn. 12).
2. Dem Rechtsmittel kann ein überwiegender Erfolg […] nicht versagt werden.
a) Auch wenn die dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten vor dem 01.07.2017 begangen worden sein sollen, waren vorliegend aufgrund der Übergangsvorschriften von Art. 316h S. 1 EGStGB und § 14 EGStPO die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 anzuwenden. Danach sind die mit dem Gesetz neugefassten Bestimmungen der §§ 73 ff. StGB und §§ 111b ff. StPO auf alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren anzuwenden, in denen noch keine erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, mithin auch auf das vorliegend gegen den Angeschuldigten geführte Verfahren.
b) Unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage kommt vorliegend die Anordnung eines Vermögensarrestes zur Sicherung der Wertersatzeinziehung (vormals dinglicher Arrest) gemäß §§ 111e I StPO, §§ 73, 73c, 73d StGB lediglich in Höhe von 2.206 € in Betracht.
aa) Nach § 111e I StPO [n.F.] kann ein Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen eines Betroffenen zur Sicherung der Wertersatzeinziehung nur dann angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden, § 111e I StPO [n.F.]. Auch nach neuer Gesetzesfassung setzt der Vermögensarrest voraus, dass zumindest der Verdacht einer Straftat besteht und Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass in dem Urteil die Einziehung von Wertersatz angeordnet werden wird.
bb) Ein solcher Tatverdacht besteht allerdings derzeit lediglich, soweit die StA dem Angeschuldigten nach der Anklageschrift vom 13.12.2017 […] 4 Fälle der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit BtM in nicht geringer Menge zur Last legt, weil dieser dem anderweitig Verfolgten Q. bei einer Gelegenheit 60 Packungen ‚Rhinopront Kombi Tabletten‘ für mindestens 342 €, bei einer weiteren Gelegenheit 100 Packungen ‚Rhinopront Kombi Tabletten‘ für mindestens 570 €, bei einer weiteren Gelegenheit erneut 120 Packungen ‚Rhinopront Kombi Tabletten‘ für mindestens 684 € und am 16.12.2017 wiederum 100 Packungen ‚Rhinopront Kombi Tabletten‘ für 610 € veräußert hat, und aus den veräußerten Medikamenten einmal 19,6 Gramm, einmal 32,7 Gramm und einmal 39,2 Gramm Methamphetaminhydrochlorid hergestellt wurde bzw. hinsichtlich der am 16.12.2017 veräußerten Menge die geplante Herstellung nur daran gescheitert ist, dass die Tabletten sicherstellt werden konnten. Dass der Angeschuldigte geglaubt haben will, die in diesen Mengen veräußerten ‚Rhinopront Kombi Tabletten‘ würden als normale Erkältungsmittel Verwendung finden, liegt auch weiterhin fern. Insoweit gelten die Erwägungen des Senats im Beschluss vom 29.03.2017 fort.
(1) Zwar ist für die Anordnung eines Vermögensarrestes nach § 111e I 1 StPO kein hinreichender Tatverdacht erforderlich. Vielmehr genügt das Vorliegen eines einfachen Verdachtes, wohingegen der in § 111e I 2 StPO angesprochene dringende Verdacht nur Auswirkungen auf das Anordnungsermessen hat. Allerdings hat die StA mit der Anklageerhebung deutlich gemacht, dass bis zum Abschluss der Ermittlungen keine weiteren hinreichend konkretisierbare Haupttaten ermittelt werden konnten, um einen hinreichenden Tatverdacht für Taten auch zurück bis 02.01.2015 begründen zu können und damit der seitens des Senats im Beschluss vom 29.03.2017 noch bejahte Anfangsverdacht nicht bestätigt werden konnte.
(2) Dagegen lässt sich ein Verdacht in diesem Sinne nicht auf eine Strafbarkeit nach § 19 I Nr. 1 GÜG stützen, weil § 19 V GÜG in der bis zum 09.03.2017 und damit für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung lediglich auf die Fassungen der VO (EG) Nr. 273/2004 und VO (EG) Nr. 111/2005 vom 18.08.2005 Bezug nimmt und die Definition des Begriffs der erfassten Stoffe im jeweiligen Art. 2 Buchstabe a der VO (EG) Nrn. 273/2004 und VO 111/2005 erst durch die VO (EU) Nrn. 1258/2013 und VO (EU) 1259/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 geändert und durch die VO (EU) Nr. 1259/2013 dem Anhang der VO (EG) Nr. 111/2005 eine neue Kategorie 4 angefügt wurde, nach der auch Pseudoephedrin oder seine Salze enthaltende Arzneimittel erfasst werden.
cc) Die Ansicht der StA unter Hinweis auf Teile der Literatur (z.B. Erbs/Kohlhaas/Anders, 218. EL Januar 2018, GÜG § 19 Rn. 1; Satzger/Langheld, Europarechtliche Verweisungen in Blankettstrafgesetzen und ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot, Anm. zu BGH 5 StR 543/10 in HRRS 2011, 460 ff.), dass § 19 V GÜG auf § 19 I Nr. 1 GÜG keine Anwendung findet, weil dieser anders als § 19 I Nr. 2 bis Nr. 5 GÜG nicht auf die VO (EG) Nr. 273/2004 und VO (EG) Nr. 111/2005 verweist, sondern einen Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 3 GÜG sanktioniere, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Gegen eine Anwendbarkeit von § 19 V GÜG spricht zwar, dass § 19 I Nr. 1 GÜG anders als § 19 I Nr. 2 bis Nr. 5 GÜG hinsichtlich des Tatbestands der Strafbarkeit nicht ausdrücklich auf die EG-Verordnungen Bezug nimmt. Eine solche Bezugnahme erfolgt jedoch zumindest mittelbar über den Grundstoffbegriff nach § 3 i.V.m. § 1 Nr. 1 GÜG. Allerdings bestanden bereits hinsichtlich der Vorgängervorschrift des § 29 I Nr. 1 GÜG [a.F.] Bedenken gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot, weil die Stoffe, die für ein strafbewehrtes Verbot in Betracht kamen, durch den Inhalt des GÜG – im Unterschied zum BtMG – nicht selbst hinreichend erschlossen wurden (vgl. MüKo-StGB/Kotz Nebenstrafrecht I § 29 GÜG Rn. 11). Durch die Neufassung des GÜG sollte eine bei Strafvorschriften als problematisch angesehene gleitende Verweisung auf die jeweils geltende Fassung von Normen anderer Gesetzgeber vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 16/7414 S. 21). Auch der BGH hat in einer Entscheidung zur Strafbarkeit nach § 29 I Nr. 1 GÜG [a.F.] bzw. § 19 I Nr. 1 GÜG [n.F.] ausgeführt, dass der Gesetzgeber in § 19 V GÜG [n.F.] ausdrücklich klargestellt habe, dass für die strafrechtliche Beurteilung auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens geltende Fassung der EG-Verordnungen abzustellen sei, so dass ab dem 19.03.2008 eine unbedenkliche statische Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht gelte (BGH, Beschluss vom 14.03.2011 – 5 StR 543/10 [bei juris]). Demgegenüber besitzt die Auffassung von Satzger/Langheld (a.a.O.), dass § 19 V GÜG sich nur auf die § 19 I Nr. 2 bis Nr. 5 GÜG bezieht, wenig Überzeugungskraft, zumal auch dieser Ansicht der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, durch die Einführung des § 19 V GÜG dynamische Verweisungen zu vermeiden und durch statische zu ersetzen, für eine Ausdehnung auch auf § 19 I Nr. 1 GÜG sprechen könne, der historische Wille des Gesetzgebers aber nicht so eindeutig artikuliert sei.
dd) Nach nochmaliger eingehender Prüfung entscheidet der Senat die im Beschluss vom 29.03.2017 noch offengelassene Frage dahingehend, dass § 19 V GÜG auch auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 19 I Nr. 1 GÜG anzuwenden ist. Nach Ansicht des Senats lässt sich der Gesetzesbegründung mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass mit der Neuregelung des § 19 V GÜG eine statische Verweisung geschaffen werden sollte, die sich auf alle Strafvorschriften des GÜG erstrecken sollte. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, der Wille des Gesetzgebers sei insoweit nicht eindeutig, muss unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes sowie von Art. 103 II GG die Auslegung Vorrang haben, die zu einer Straflosigkeit führt. Insoweit ist zwar der Umgang mit ephedrin- und pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln seit Inkrafttreten der Verordnungen (EU) Nr. 1258/2013 und Nr. 1259/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 am 20.12.2013 nach §§ 3, 1 I Nr. 1 GÜG verboten, eine Strafbarkeit nach § 19 I Nr. 1 GÜG kommt allerdings erst ab 10.03.2017 in Betracht, weil der Gesetzgeber § 19 V GÜG erst ab diesem Zeitpunkt dahingehend geändert hat, dass nunmehr die am 21.09.2016 geltende Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 273/2004 und Nr. 111/2005 maßgeblich ist (so auch Körner/Patzak/Volkmer § 19 GÜG Rn. 10 bzw. Vorbem. GÜG Rn. 27; Patzak, Verbot von Grundstoffen zur Herstellung von Amphetamin und Methamphetamin, in: Beck-Community veröffentlicht am 23.02.2014).
c) Nach alledem war der Vermögensarrest aufzuheben und der Antrag der StA zurückzuweisen, soweit sich dieser auf einen über 2.206 € hinausgehenden Betrag erstreckte bzw. erstrecken sollte, weil derzeit nicht (mehr) die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz für einen höheren Betrag vorliegen.
d) Der durch die Beihilfehandlungen erzielte Erlös in Höhe von 2.206 € unterliegt der Einziehung (§ 73 I StGB). Da die erlangten Geldbeträge nicht mehr in der ursprünglichen Form vorhanden sind, ist Wertersatz zu leisten (§ 73c StGB). Entgegen der Ansicht der Verteidigung sind die Anschaffungskosten hiervon nicht als Aufwendungen in Abzug zu bringen (§ 73d I 2 StGB), weil der Gesetzgeber durch die Einführung des Bruttoprinzips klarstellen wollte, dass das, was für ein verbotenes Geschäft aufgewendet wurde, verloren sein soll, wenn die Handlung, die zur Vemögensmehrung geführt hat, verboten war (Fischer StGB 65. Aufl. § 73d Rn. 5).
e) Ein Sicherungsbedürfnis i.S.d. § 111e I StPO [n.F.] liegt vor. Unter Berücksichtigung des Betrages in Höhe von lediglich noch 2.206 € sowie des Zeitablaufs erscheint die Aufrechterhaltung derzeit auch noch nicht unverhältnismäßig, zumal die Anklage bereits erhoben und der Abschluss des Erkenntnisverfahrens in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 IV StPO. Im Hinblick auf den deutlich überwiegenden Erfolg des Rechtsmittels erscheint es unbillig, den Angeschuldigten mit einem Teil der Kosten und Auslagen zu belasten.


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