Strafrecht

Unberechtigte Datenabfragen und Weitergabe der Erkenntnisse an Dritte durch Polizeibeamtin

Aktenzeichen  M 19L DK 17.198

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161885
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10
BayDSG Art. 37 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 13 Abs. 1, § 258 Abs. 1
BeamtStG § 35 S. 2, § 37

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird in das Amt einer Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft. Der Zeitraum der Beförderungssperre wird auf drei Jahre verkürzt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

Gründe

Gegen die Beklagte wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt einer Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7) verhängt.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Fehler auf.
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem im Tatbestand unter Nr. 2.1. bis 2.4. dargestellten Sachverhalt aus. Hinsichtlich des unter Nr. 2.2. geschilderten Vorfalls besteht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts München vom 22. Februar 2016 Bindungswirkung (vgl. Art. 25 Bayerische Disziplinargesetz – BayDG). Mit dieser Tat hat sich die Beklagte einer Strafvereitelung durch Unterlassen (§ 258 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Die Vorfälle unter Nr. 2.1., 2.3. und 2.4 hat die Beklagte im Straf- und im Disziplinarverfahren vollumfänglich eingeräumt. Sie hat lediglich betont, dass die Datenabfragen insbesondere zu dem Zweck erfolgt seien, ihren Ehemann vor der Begehung einer Straftat zu bewahren.
3. Durch die der Beklagten zur Last gelegten Taten hat sie innerdienstlich ein Dienstvergehen begangen, weil sie schuldhaft die ihr obliegenden Pflichten verletzt hat.
Mit den unberechtigten Datenabfragen und der Weitergabe der hieraus gewonnenen Erkenntnisse hat die Beklagte gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Nr. 3 BayDSG und § 258 StGB), die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und allgemeiner Richtlinien (§ 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. der EDV-Rahmenrichtlinie), die Pflicht zur uneigennützigen Aufgabenwahrnehmung (§ 34 Satz 2 BeamtStG), die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 37 BeamtStG) verstoßen.
Hierbei handelte sie vorsätzlich.
Hinzu kommt, dass die Beklagte als Polizeibeamtin Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen hat. Polizeibeamte genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Ls. 1 und Rn. 35 f.; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Ls. 2 und Rn. 22 f.).
4. Das festgestellte einheitliche innerdienstliche Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt aber dennoch zu dem Ergebnis, dass die Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hat und die Zurückstufung damit die ausreichende Disziplinarmaßnahme darstellt.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem gesetzlichen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ist ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Dienst eröffnet (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 59). Hier sieht § 258 StGB einen gesetzlichen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor.
Zwar hat das Amtsgericht München im Urteil vom 22. Juni 2016 lediglich eine Geldstrafe gegen die Beklagte verhängt. Dies spielt aber bei der Disziplinarmaßnahmenzumessung infolge eines innerdienstlich begangenen Dienstvergehens keine Rolle (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls.).
Ausgangspunkt der Maßnamezumessung ist hier daher die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Zu der schwersten strafrechtlich abgeurteilten Tat (vgl. Nr. 2.2 des Tatbestands) kommen zudem die anderen ihr zur Last gelegten Sachverhalte. Nach Auffassung des Gerichts ist hier jedoch noch kein endgültiger Vertrauensverlust im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG eingetreten. Als erforderlich, aber auch ausreichend sieht das Gericht hier die Zurückstufung der Beklagten um eine Stufe an.
Die zu ihren Gunsten sprechenden Umstände haben solches Gewicht, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen ist. Die Beklagte ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Weiter hat sie von Anfang an konstruktiv an der Aufklärung der Vorwürfe mitgewirkt; dies gilt für das Strafverfahren ebenso wie für das behördliche und gerichtliche Disziplinarverfahren. Ferner hat sie am 21. Juni 2016 freiwillig in eine auf zwei Jahre begrenzte verstärkte Dienstaufsicht eingewilligt. Maßgeblich zu ihren Gunsten spricht zudem das äußerst positive Persönlichkeitsbild vom 18. Oktober 2016 sowie der Umstand, dass es zu keinen weiteren Datenabfragen gekommen ist.
5. Die Beförderungssperre wird auf drei Jahre ab Rechtskraft des Urteils verkürzt (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayDG). Insoweit können neben der Dauer des Disziplinarverfahrens die guten dienstlichen Leistungen der Beklagten Berücksichtigung finden.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
Nach Rechtsmittelverzicht der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist das Urteil rechtskräftig.


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