Strafrecht

Unerlaubter Waffenbesitz und Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikte: Tateinheit, Tatmehrheit und prozessuale Tat iSd § 264 Abs. 1 StPO

Aktenzeichen  16 KLs 418 Js 53161/18

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27043
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 52, § 53
StPO § 264 Abs. 1
WaffG § 52

 

Leitsatz

1. Tateinheit zwischen unerlaubtem Waffenbesitz und einem Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikt liegt vor, wenn der Täter bereits mit Beginn des unerlaubten Waffenbesitzes den Willen hat, die Waffe zur Tötung bzw. Körperverletzung einzusetzen. (Rn. 9)
2. Bei Annahme von Tateinheit gilt der Grundsatz, dass eine sachlich-rechtlich einheitliche Tat auch eine Tat im Sinne des für die Frage des Verbrauchs der Strafklage maßgebenden § 264 StPO bildet. (Rn. 15)
3. Auch bei einem Konkurrenzverhältnis der Tatmehrheit zwischen unerlaubtem Waffenbesitz und einem Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikt kann dieselbe Tat im Sinne des § 264 StPO vorliegen. Hierbei kommt es nach allgemeinen Grundsätzen darauf an, ob die Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO den geschichtlichen und dadurch zeitlich wie sachverhaltlich begrenzten Vorgang bezeichnet, auf den die Anklage hinweist und innerhalb dessen der Angeschuldigte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. (Rn. 16 – 17)

Tenor

1. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 30.08.2019 wird nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten sowie die notwendigen Auslagen der Einziehungsbeteiligten.

Gründe

I.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhob im Verfahren 418 Js 53161/18 am 30.08.2019 vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth – Strafkammer – gegen den Angeschuldigten wegen folgenden Sachverhalts Anklage:
„Durch Bescheid des Landratsamts … vom 22.08.2016 wurden dem Angeschuldigten seine ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen. Der Angeschuldigte wurde durch diesen Bescheid zudem aufgefordert, sämtliche Waffen und Munition an einen Berechtigten herauszugeben bzw. unbrauchbar zu machen. Diese Aufforderung wurde für sofort vollziehbar erklärt und der Bescheid wurde dem Angeschuldigten am 23.08.2016 zugestellt.
Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum zwischen dem 01.10.2016 und dem 12.10.2016 stellte der Angeschuldigte in dem Kellerabteil … des Anwesens …, eine unverschlossene Holztruhe mit Munition sowie eine mit einem Vorhängeschloss gesicherte Kunststoffbox mit zwei halbautomatische Pistolen, vier Repetiergewehre, passende Munition und Waffenzubehör ab und verwahrte diese dort. Das Kellerabteil hatte er ab dem 01.08.2016 von den Zeugen … und … angemietet, die das Anwesen für den Eigentümer … verwalteten.
Da der Angeschuldigte der Anordnung des Bescheides des Landratsamts … vom 22.08.2016, die Waffen an einen Berechtigten herauszugeben oder unbrauchbar zu machen, nicht nachkam, erließ das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach am 16.09.2016, Aktenzeichen …, einen Durchsuchungsbeschluss für das Anwesen des Angeschuldigten, …, zum Zwecke der Sicherstellung der im Bescheid des Landratsamts … vom 22. August 2016 bezeichneten Waffen samt Munition.
Dieser Durchsuchungsbeschluss wurde am 19.10.2016 vollzogen. Da es bei der Durchsuchung zu einem Schusswechsel zwischen dem Angeschuldigten und den durchsuchenden Polizeibeamten mit tödlichem Ausgang kam, wurde der Angeschuldigte am 19.10.2016 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts … vom 20.10.2016, Geschäftszeichen …, inhaftiert.
Bei der Durchsuchung am 19.10.2016 wurden in dem Schlafzimmer des Angeschuldigten in einem unversperrten Sideboard gegenüber dem Bett eine halbautomatische Pistole und passende Munition, in der Garage Munition und Waffenzubehör und im Waffenraum zwei Wurfsterne sowie 2 Patronen aufgefunden. Bei den Wurfsternen handelt es sich um verbotene Gegenstände.
Im Einzelnen wurden bei der Durchsuchung am 19.10.2016 im Schlafzimmer des Angeschuldigten folgende Waffe und Munition aufgefunden und sichergestellt:
Nr.
Anzahl
Waffe/Munition
1
1
halbautomatische Pistole, Glock 23, Kaliber 40, Nr. CVW 828, in der sich ein Magazin Glock … 3208 mit 13 Patronen, Kaliber 40, befand
2
60
Patronen in vier Magazinen Glock 3206, Kaliber 40, S&W CBC
3
68
Patronen in vier Magazinen Glock, 9 × 19, S&B 15
4
51
Patronen in drei Magazinen Glock, 9 mm, Luger Geco
In der Garage des Angeschuldigten wurde am 19.10.2016 folgende Munition aufgefunden und sichergestellt:
Nr.
Anzahl
Waffe/Munition
5
18
Patronen in einer Styroporaufbewahrung.
6
9
Patronen in Pappkarton
7
50
Patronen, Kaliber 7,65, 4,7g Vollmantel
8
50
Patronen, Kaliber 22
9
7
Patronen, Kaliber 45, in einem Pistolenmagazin
10
1
Munitionsbehältnis mit Flintenlaufgeschoß (Munitionsbehältnis)
Im Waffenraum des Angeschuldigten wurden am 19.10.2016 folgende verbotene Gegenstände und Munition aufgefunden und sichergestellt:
Nr.
Anzahl
Waffe/Munition
11
2
Wurfsterne, Durchmesser ca. 11,5 cm
12
2
Patronen, 357 Magnum
Die Waffen, Munition und das Waffenzubehör aus dem Kellerabteil … wurden bei der Durchsuchung am 19.01.2017 im Kellerabteil … des Anwesens …, aufgefunden und gemäß §§ 94, 98 StPO sichergestellt. Der Zeuge … räumte die beiden Kisten des Angeschuldigten, ohne diese zu verändern und aus eigener Initiative, aus dem Kellerabteil … in sein eigenes Kellerabteil mit der …, als er von der Inhaftierung des Angeschuldigten erfahren hatte. Hintergrund war, dass er das Kellerabteil … neu vermieten wollte.
Im Einzelnen wurden in dem Kellerabteil folgenden Waffen und Munition sowie Waffenzubehör aufgefunden und sichergestellt:
Nr.
Anzahl
Waffe/Munition
13
1
Unterhebelrepetierbüchse Rossi M, Nr. SK058887
14
1
Selbstladebüchse Heckler & Koch SL, Nr. 48-003947, mit Zielfernrohr
15
1
Selbstladeflinte Benelli M, Nr. Y005294
16
1
Repetierbüchse Remington, Nr. RR12506A
17
1
Halbautomatische Pistole SIG Sauer, Nr. G 138461
18.
1
Halbautomatische Pistole Hämmerli, Nr. 04337
19
1
Wechselsystem SIG Sauer, Nr. G138461D
20
1
Wechselsystem, Nr. PA458 mit einer Zieleinrichtung, Nr. E5834489
21
1,
Wechselsystem Glock, Nr. L1169
22
1
Wechselsystem Häckler u. Koch, Nr. 25-077600
23
15
Patronen in einem Magazin für Pistole Glock, Kaliber 9 mm, Vollmantel
24
9
Patronen in einem Magazin, Kaliber 9 mm
25
4
Patronen in einem Speedloader für Revolver
26
11.186
Patronen, verschiedene Kaliber (243 kg)
Der Angeschuldigte wusste jedenfalls seit 27.08.2016, dass ihm die für den Besitz erforderlichen waffenrechtlichen. Erlaubnisse entzogen worden waren. Zudem wusste der Angeschuldigte, dass die bei den Durchsuchungen am 19.10.2016 und 19.01.2017 aufgefundenen Waffen und Munition nicht ordnungsgemäß verwahrt waren. Dem Angeschuldigten war ferner bewusst, dass der Zeuge … jederzeit Zugriff auf die in … ungesichert aufbewahrten Waffen und Munition haben konnte.
Am 23.10.2017 übereignete der Angeschuldigte im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht …, Aktenzeichen …, die oben genannten Waffen, Munition und das Waffenzubehör an seine damalige Pflichtverteidigerin, der Einziehungsbeteiligten …, zum Zwecke der Sicherung der Anwaltsvergütung. Diese Übereignung konkretisierte der Angeschuldigte am 09.03.2018, indem er zusätzlich zu der am 23.10.2017 erfolgten Übereignung sämtliche Herausgabeansprüche an seine Verteidigerin abtrat.
Die Einziehungsbeteiligte … wusste zu dem Zeitpunkt der Übereignung – dem Tag der Urteilsverkündung -, dass der Angeschuldigte keine waffenrechtliche Erlaubnis mehr hatte; der Waffenbesitz des Angeschuldigten daher unerlaubt war und die Waffen somit der Einziehung unterliegen, da im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht …, Az. …, am 21.09.2017 der Bescheid des Landratsamts … vom 22.08.2016 hinsichtlich der Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis sowie am 04.140.2017 der Durchsuchungsbeschluss des … vom 22.08.2016, Aktenzeichen …, verlesen und somit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
Die oben genannten verbotenen Gegenstände, Waffen und Munition unterliegen der Einziehung.“
Dieser Sachverhalt wurde wie folgt rechtlich gewürdigt:
„unerlaubter Besitz halbautomatischer Kurzwaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz verbotener Waffen in Tateinheit mit unerlaubten Umgang mit Schusswaffen und Munition gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1, 54 Abs. 1 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1, Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.3, Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG, §§ 52, 74 Abs. 1, Abs. 2, 74 a Nr. 2 StGB.“
II.
Das Hauptverfahren ist aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen.
Der Eröffnung des Hauptverfahrens steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen, weil durch das Urteil des Landgerichts … vom 23.10.2017, Aktenzeichen …, Strafklageverbrauch eingetreten ist. Das Urteil vom 23.10.2017 betrifft dieselbe Tat im prozessrechtlichen Sinne wie die nunmehr angeklagte Tat.
1. Zunächst geht die Anklage selbst – zutreffend – davon aus, dass der gleichzeitige Besitz von Waffen und Munition, auch wenn diese an verschiedenen Stellen und nur für kurze Zeit gleichzeitig aufbewahrt werden, einen tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz darstellt (vgl. MüKoStGB/Heinrich 3. Aufl. 2018 WaffG § 52 Rn. 165).
2. Der Angeschuldigte wurde mit Urteil des Landgerichts … vom 23.10.2017 wegen Mordes in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen des versuchten Mordes, jeweils mit gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 19.10.2016, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zur Tat verwendete er die unter seinem Kopfkissen liegende Pistole der Marke „Glock 34“, Auf die Feststellungen des Urteils vom 23.10.2017 wird Bezug genommen.
Der bereits durch Urteil des Landgerichts … vom 23.10.2017 abgeurteilte Mord und der gleichzeitig verwirklichte unerlaubte Waffenbesitz – der Besitz sämtlicher Waffen und Munition, gleich an welchem Ort aufbewahrt – stehen zueinander in Tateinheit.
a) Idealkonkurrenz liegt jedenfalls zweifelsfrei im Hinblick auf die konkrete Tötungs- oder Körperverletzungshandlung vor, wie sie im Urteil des Schwurgerichts beschrieben ist. Unerheblich ist dabei, dass die verwirklichten Tatbestände nach dem Waffengesetz keinen Eingang in den Urteilstenor gefunden haben. Das Gericht hätte den damaligen Angeklagten insoweit tateinheitlich zum Tötungsdelikt auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilen können. Der damalige Angeklagte hat sich in der Sitzung vom 18.10.2017 mit der formlosen Einziehung der Tatwaffe nebst zugehöriger Munition einverstanden erklärt.
b) Tateinheit ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Täter bereits zu Beginn des Besitzes den Willen hat, die Waffe zur Tötung bzw. Körperverletzung einzusetzen (MüKoStGB a.a.O. Rn. 142; Fischer StGB § 211 Rn. 106). Nur wo dies nicht der Fall ist (der Täter also unberechtigt eine Waffe besitzt und sich erst während dieser Zeit zur Vornahme einer Tötung entschließt), ist das Konkurrenzverhältnis umstritten. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH erfährt das Dauerdelikt des unerlaubten Waffenbesitzes in diesem Fall materiellrechtlich eine Zäsur, wenn der Waffenbesitzer später einen neuen Entschluss zur Begehung eines Delikts, insbesondere einer Tötung mittels dieser Waffe fasst. Das Dauerdelikt des unerlaubten Besitzes vor und nach der Tat sei dann jeweils selbstständig zu beurteilen, so dass jeweils Tatmehrheit vorliege.
c) Letztgenannte (problematische) Fallkonstellation ist hier aber gerade nicht gegeben:
Mit Bescheid des Landratsamts … vom 22.08.2016, zugestellt am 23.08.2016, wurden dem Angeschuldigten seine ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen. Unter Ziff. 4 dieses Bescheides heißt es, gestützt auf § 46 WaffG:
„4. Die im Besitz von Herrn … befindlichen Waffen samt ggf. vorhandener Munition sind bis spätestens 2 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen. Hierüber ist dem Landratsamt …, ein Nachweis zu erbringen.“
Dieser für sofort vollziehbar erklärten Aufforderung, sämtliche Waffen und Munition innerhalb von zwei Wochen (also spätestens bis 06.09.2016) an einen Berechtigten herauszugeben bzw. unbrauchbar zu machen, kam der Angeschuldigte nicht nach, so dass er nach Ablauf der Frist die Waffen ohne Erlaubnis in Besitz hatte.
Wie aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts … vom 23.10.2017 hervorgeht, beruhte der Entschluss zum Gebrauch der Schusswaffe auf einem Willensentschluss des Angeschuldigten, der spätestens Anfang September gefasst wurde. Nach den Urteilsfeststellungen gab der Angeschuldigte die Waffen auch deshalb nicht heraus, um sich gegen einen bevorstehenden „Angriff“ der Behörden auf den „…“ zu verteidigen. Auszugsweise ist auf nachfolgende Passagen des Urteils exemplarisch hinzuweisen:
S. 7: „Bereits im Mai 2016 verfasste der Angeklagte einen sogenannten „Pakt mit dem absoluten …“. In diesem Dokument heißt es vor einer Auflistung von 28 Geboten (…)
Weiter heißt es darin: (…)
Gebot 5
Jedes geistig-sittliche Wesen aus … hat das Recht auf Gewalt, die notwendig erscheint, dem Schutz seines Lebens, Besitzes oder Eigentums (…)“
S. 7: „Am 05.05.2016 übersandte der Angeklagte an das … in ein Telefax (…). In diesem Schreiben heißt es unter anderem: „Der absolute … setzt sich ein für die Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit und Wiedergutmachung für das deutsche Volk in den Grenzen von 1913, um damit die Ungerechtigkeiten, die dem Menschen über die Zeit zugefügt wurde, durch Krieg und Leid, durch Krieg und Leid, durch Inland „Verwaltungen, Richter, Anwälte, POLIZEI, Gerichte, Scheinregierung, angebliche Beamte, Bediensteten etc.“ und Ausland (…) zu verfolgen, solange bis jedes Verbrechen am deutschen Volk gesühnt wurde.
(…)“.“
S. 35 f.: „Dass der Angeklagte jedenfalls spätestens vier Tage vor der Tat, also am 15.10.2016, mit einem bevorstehenden Einsatz von Spezialkräften konkret rechnete, zeigt für die Kammer die Aussage des völlig unbeteiligten Zeugen …. (…) Der Angeklagte habe ihm dann erzählt, dass er demnächst mit einem Besuch der Polizei oder des … rechne. Wenn die probieren reinzukommen, würde er ein paar von ihnen mitnehmen. Er sei Sportschütze und habe eine ordentliche Anzahl an Waffen zu Hause. Dabei habe der Angeklagte mit erhobener Hand eine warnende Geste gemacht.“
S. 43: „Die Kammer schließt aus, dass der Angeklagte handelte, um die Sicherstellung der Waffen zu verhindern. Denn zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Großteil der sicherzustellenden Waffen bereits außerhalb des Hauses. (…)“
S. 45: „Für die Kammer steht fest, dass der Angeklagte seit Anfang September von einem bevorstehenden „Angriff“ der Behörden auf den „…“ ausging. Dies gründet zunächst darauf, wie sich der Angeklagte nach dem angekündigten Vorgehen des Landratsamtes … verhielt. Dessen Bescheid die Waffen abzugeben oder zu vernichten und dies ggf. im Wege der Durchsuchung durchzusetzen, wies der Angeklagte mit Schreiben vom 01.09.2016 als „nicht zustellbar“ zurück. Gleichzeitig beteuerte er darin, dass sein Tun „immer in friedlicher und liebevoller Absicht“ geschehe. Für den Angeklagten stand danach zumindest potentiell auch ein gewaltsamer Konflikt im Raum, denn er schrieb an dieser Stelle ohne ersichtlichen Anlass weiter: „So wünsche ich mir, dass die Angelegenheit geregelt wird, ohne dass ein Mensch zu Schaden kommt“. (…).“
Hieraus wird deutlich, dass der Willensentschluss für das Tötungsdelikt nicht erst am 19.10.2016 (neu) gefasst wurde, sondern der Angeschuldigte sich bereits zu Beginn des unerlaubten Waffenbesitzes gerade aus dem Grund im Besitz der Waffen hielt, um diese bei einem alsbald erwarteten Polizeieinsatz zu gebrauchen, wobei er eine Tötung von Polizeibeamten in Betracht zog („wenn die probieren reinzukommen, würde er ein paar von ihnen mitnehmen“), so dass der gesamte unerlaubte Waffenbesitz mit dem Tötungsdelikt in Tateinheit steht.
Bei Annahme von Tateinheit gilt der Grundsatz, dass eine sachlich – rechtlich einheitliche Tat auch eine Tat im Sinne des für die Frage des Verbrauchs der Strafklage maßgebenden § 264 StPO bildet (BGHSt 13, 21, 23). Die Ausnahmerechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Dauerstraftat des § 129 StGB ist wegen der besonderen Struktur dieses Straftatbestandes, der mit anderen Dauerstraftaten nicht vergleichbar ist (vgl. BGH NJW 1980, 2718), vorliegend nicht anwendbar.
3. Selbst wenn man abweichend von den vorgenannten Überlegungen vom Konkurrenzverhältnis der Tatmehrheit zwischen vorangegangenen unerlaubtem Waffenbesitz einerseits und Mord mit unerlaubtem Waffenbesitz andererseits ausgehen wollte, handelte es sich vorliegend dennoch um dieselbe Tat im prozessualen Sinne.
Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bezeichnet nämlich den geschichtlichen und dadurch zeitlich wie sachverhaltlich begrenzten Vorgang, auf den die Anklage hinweist und innerhalb dessen der Angeschuldigte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2009 – 3 StR 566/08).
Der unerlaubte Waffenbesitz war der entscheidende Grund für den Polizeieinsatz, der zum Tötungsdelikt führte. Zwischen dem Waffenbesitz und dem Tötungsdelikt bestand damit nicht nur ein überaus enger örtlicher und zeitlicher Zusammenhang, sondern beide Delikte standen darüber hinaus in einem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang (vgl. hierzu auch BGH NStZ 2012, 709). Eine rechtliche Aufspaltung würde damit zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Geschehens führen. Insoweit unterscheidet sich der Fall auch grundlegend von den Fällen, die von der Rechtsprechung als (materiellrechtlich und prozessual) unterschiedliche Taten behandelt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 07. Februar 1996 – 5 StR 9/96 -, iuris; BGH NJW 1989, 1810; BGHSt 36, 151; BGH NStZ 2016, 159). All diesen Fällen ist gemeinsam, dass sich das Dauerdelikt über einen sehr langen Zeitraum hinzog und ein innerer Beziehungs- und Bedingungszusammenhang zwischen Dauerstraftat und später verübten Verbrechen fehlte.
4. In Bezug auf den Zeitraum des unerlaubten Waffenbesitzes nach dem Tötungsdelikt (hier hatte der Angeschuldigte allenfalls noch Besitz an den Waffen im Kellerabteil in …) ist aus den oben unter II 2 c genannten Gründen weiterhin von Tateinheit zwischen dem Tötungsdelikt und dem sich weiterhin anschließenden unerlaubten Waffenbesitz auszugehen. Ausweislich der Anklageschrift vom 30.08.2019 ist dies auch die Auffassung der Staatsanwaltschaft, die davon abgesehen hat, eine weitere materiellrechtliche Tat anzuklagen. Aber auch bei Annahme einer neuen Tat des unerlaubten Waffenbesitzes im materiellrechtlichen Sinne – entstanden durch eine vom Tötungsdelikt bewirkte Zäsur – läge wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhanges mit dem vorangegangenen Tötungsdelikt wiederum die gleiche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO vor.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 467 Abs. 1, 472b Abs. 3 StPO.

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