Strafrecht

Verbot des Erwerbs und Besitzes erlaubnisfreier Waffen

Aktenzeichen  M 7 K 17.1200

Datum:
7.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5, § 41
StPO § 154
BayVwVfG Art. 40

 

Leitsatz

1. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abweichung von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1a und Nr. 1c WaffG kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelvermutung verlangt keine wiederholte Strafverhängung, sondern geht vielmehr von einem bisher straffreien Leben aus. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 27. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gegen das auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Waffengesetz – WaffG – verhängte Waffenverbot (Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen sowie Munition) bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Kläger besitzt nicht die für den Erwerb und Besitz auch nicht erlaubnispflichtiger Waffen und Munition erforderliche Zuverlässigkeit. Die Ermessensausübung ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
Mit dieser allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden können, ohne weitere Differenzierungen oder Einschränkungen machen zu müssen, um ein Waffenbesitzverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aussprechen zu können. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 76) lässt wohl keine andere Interpretation zu. Diese Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG lautet: „Nummer 2 stellt nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es vielmehr darum, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf die Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht (…).“ Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG korrespondiert demnach hinsichtlich des Fehlens der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit mit § 5 WaffG. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. Anders als bei den Waffenverboten im Einzelfall nach § 40 WaffG a.F. ist bei der Anordnung eines Waffenbesitzverbots nach neuem Recht auch keine zusätzliche Prüfung erforderlich, die die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung rechtfertigt (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 – 21 ZB 06.428 – juris Rn. 5 ff.; B.v. 10.8.2007 – juris Rn. 10; B.v. 18.8.2008 – 21 BV 06.3271 – juris Rn. 27; B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 14).
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel u.a. Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat oder wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagen verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der (letzten) Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c WaffG. Dies trifft auf den Kläger zu, da er mit seit 6. Dezember 2016 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München vom 28. November wegen zwei tateinheitlicher Fälle des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit drei tateinheitlichen Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Gelstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde.
Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, ist im Fall des Klägers nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5 m.w.N.) kommt eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass bereits eine einzige Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten die Regelvermutung begründet, wenn eine Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verhängt worden ist. Die Vermutung kann daher grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht aufgefallen ist. Der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen wurde ausdrücklich aufgegeben (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5).
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs lässt sich in Bezug auf die vom Kläger begangene waffenbezogene Straftat kein Ausnahmefall feststellen. Der Kläger hatte, wie er wusste, ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis zwei Kleinkalibergewehre, Kaliber 22 und Munition (50er Packung Eley Kaliber 22, 49 Stück; 28 Stück Sinoxid, Kaliber 22; 100er Packung Dynamit Nobel Munition, Kaliber 6mm, 41 Stück) in Besitz. Eine Anzeige der Erbschaft oder eine Abgabe der Waffen aufgrund früherer Amnestieregelungen war nicht erfolgt. Schon angesichts des Strafmaßes von 90 Tagessätzen kann die Verfehlung des Klägers auch nicht lediglich als Bagatelldelikt eingestuft werden. Die Grenze von 60 Tagessätzen, bei der bereits in der Regel von der Unzuverlässigkeit auszugehen ist, ist dabei sehr deutlich überschritten. Soweit vorgetragen wurde, der Kläger habe es lediglich versäumt bzw. übersehen, im Zuge der Erbschaft eine entsprechende Erlaubnis zu beantragen bzw. die Erbschaft anzuzeigen und er hätte an den Waffen und Munition keinerlei Interesse gehabt, lässt auch dies die Verfehlung nicht ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt wäre. Die Umstände zeigen vielmehr, dass der Kläger einen sorglosen Umgang mit den geerbten (erlaubnispflichtigen) Waffen und Munition an den Tag legte. Hinzu kommt, dass der Kläger sich offenbar auch nicht um eine ordnungsgemäße Aufbewahrung der Waffen gekümmert hat. So wurden bei der Wohnungsdurchsuchung sämtliche Waffen und Munition verteilt in diversen Schränken bzw. im Küchenbuffet aufgefunden. Wer Waffen oder Munition besitzt, hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Im Fall des Klägers ist nicht davon auszugehen, dass er dem hinreichend nachgekommen ist. Demzufolge liegt nahe, dass darüber hinaus auch eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG vorliegt, auf die es jedoch hier nicht entscheidungserheblich ankäme.
Da für die Annahme der Unzuverlässigkeit im Wege der Regelvermutung bereits eine einzige strafrechtliche Verurteilung ausreicht, kommt es auch nicht darauf an, dass hinsichtlich der weiteren Anklagepunkte eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfolgt war. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Kläger in der Vergangenheit Waffen (missbräuchlich) verwendet hat oder er anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die Regelvermutung verlangt keine wiederholte Strafverhängung, sondern geht vielmehr von einem bisher straffreien Leben aus (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2007 – 19 CS 07.684).
Dem Kläger fehlt daher auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c WaffG die auch für den Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verhängung des Waffenverbots nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG vorlagen. Wie bereits ausgeführt, ist im Rahmen dieser Regelung keine zusätzliche Prüfung erforderlich, die die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung rechtfertigt. Es ist daher auch keine weitere Prognose dahingehend anzustellen, ob von dem Kläger eine konkrete Gefahr im Zusammenhang mit Waffenbesitz ausgeht.
Die Ermessensausübung durch das Landratsamt ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (§ 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das Landratsamt hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und zweckgerecht sowie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG), nämlich den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Waffen und Munition, insbesondere zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren untersagt. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Waffenverbot mit dem sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisiko begründet worden ist. Das Landratsamt hat insoweit auch maßgeblich auf den Verstoß des Klägers gegen das geltende Waffenrecht – nicht auf sonstige evtl. Verfehlungen bzw. sonstiges Verhalten des Klägers abgestellt – und hierzu ausgeführt, dass dieser eine leichtfertige Waffenhandhabung darstelle. Damit ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Landratsamt bei der Ausübung des Ermessens von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen. Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Schusswaffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können, ist das strafbewehrte Besitz- und Erwerbsverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des nicht zuverlässigen Klägers ausgehen, ist nicht ersichtlich. Das Waffenverbot ist damit auch nicht unverhältnismäßig. Ein besonderes Bedürfnis für einen Waffenbesitz hat der Kläger nicht dargelegt. Lediglich der pauschale Hinweis darauf, dass ein Bedarf bei einem auf dem Land und allein Lebenden nicht ausgeschlossen sei und der Kläger im Falle eines für ihn positiven Ausgangs des Rechtsstreits vor dem Landwirtschaftsgericht zwangsläufig auch Gegenstände zu benutzen haben werden, die unter das vollumfängliche Besitzverbot subsumiert werden könnten, ist hierfür nicht ausreichend. Zum einen handelt es sich im Wesentlichen um ein erst in der Zukunft möglicherweise zu erwartendes Bedürfnis, zum anderen wird nicht näher dargelegt, welche Gegenstände dies konkret sein sollten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht alle landwirtschaftlichen Geräte bzw. Werkzeuge Waffen im Sinne des Waffengesetzes darstellen (vgl. § 1 Abs. 2 WaffG). Dem Kläger bleibt es diesbezüglich auch unbenommen, sich bei dem Landratsamt zu erkundigen, ob die von ihm benötigten Gegenstände von der Anordnung umfasst sind. Die Anordnung verstößt auch im Übrigen nicht gegen das Übermaßverbot. Der Kläger hat in nicht unerheblicher Weise gegen das Waffengesetz verstoßen und die Straftat hatte auch Waffenbezug. Der Kläger hat zudem die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Aufhebung des Verbots zu stellen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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