Strafrecht

Versuchte sexuelle Nötigung: Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft und geplantem Irrtum des Tatmittlers

Aktenzeichen  4 StR 44/20

Datum:
8.9.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:080920B4STR44.20.0
Normen:
§ 22 StGB
§ 25 Abs 1 StGB
§ 177 StGB vom 13.11.1998
Spruchkörper:
4. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Stendal, 30. Oktober 2019, Az: 502 KLs 4/19

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 30. Oktober 2019 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Feststellungen tragen auch im Fall II.2 der Urteilsgründe den Schuldspruch wegen in mittelbarer Täterschaft begangener versuchter sexueller Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB (a.F).
Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Feststellungen die tatgerichtliche Annahme tragen, dass der Tatmittler die Schwelle zum Versuch überschritt, indem er an der Haustür des Mehrfamilienhauses klingelte, um das Tatopfer nach Betreten der Wohnung in der irrigen Vorstellung einvernehmlichen Handelns im Rahmen eines „Vergewaltigungsrollenspiels“ sexuell zu nötigen. Es bleibt unklar, ob nach dem insoweit maßgeblichen Vorstellungbild des Tatmittlers mit der Betätigung der Klingel bereits die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und ein weiterer Willensimpuls zur Umsetzung des Tatentschlusses nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2016 ‒ 2 StR 493/15, StV 2017, 441, 442; vom 9. August 2011 ‒ 1 StR 194/11, NStZ 2012, 85, und vom 22. April 1999 ‒ 4 StR 76/99, NStZ 1999, 395).
Die Feststellungen belegen jedoch, dass der als mittelbarer Täter im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB handelnde Angeklagte die Schwelle zum Versuch bereits überschritten hatte.
Will der Täter die Tat nicht selbst, sondern durch einen Dritten begehen (§ 25 Abs. 1 StGB), so liegt ein unmittelbares Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB regelmäßig vor, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat und dieser die Tathandlung nach den insoweit maßgeblichen Vorstellungen des Täters in engem Zusammenhang mit dem Abschluss der Einwirkung vornehmen soll, das geschützte Rechtsgut daher aus Sicht des Täters bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2019 – 2 StR 139/19, NJW 2020, 559, 560; vom 12. Juli 2000 – 2 StR 43/00; vom 13. September 1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268 f.; vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 577/13, wistra 2015, 29, 32).
Gemessen hieran belegen die Feststellungen ein unmittelbares Ansetzen des Angeklagten zur Tatbestandsverwirklichung. Der Angeklagte hatte seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen, indem er am Vortag ‒ sich als das Tatopfer ausgebend ‒ mit dem Tatmittler ein konkretes Treffen für die Umsetzung des vermeintlichen sexuellen Rollenspiels für den Folgetag verabredete. Am folgenden Tag führte der Angeklagte den Chatverkehr mit dem Tatmittler fort und war sich dabei bewusst, dass der Tatmittler das Tatopfer aufgrund der bereits am Vortag getroffenen Verabredung nunmehr zeitnah aufsuchen und die vermeintlich einvernehmliche „Vergewaltigung“ vollziehen werde. Nach der Vorstellung des Angeklagten sollte die Tathandlung daher in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss seiner Einwirkung auf den Tatmittler durchgeführt werden; hierin lag ‒ auch nach der Vorstellung des Angeklagten ‒ bereits eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts.
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