Strafrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte und Ungültigerklärung des Jagdscheins, Unzuverlässigkeit, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Berücksichtigung von Zufallsfunden bei Gelegenheit einer Hausdurchsuchung

Aktenzeichen  24 CS 22.737

Datum:
16.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12092
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 5, § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 45 Abs. 2, Abs. 5
AWaffV § 13 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 4 S 21.2199 2022-02-22 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs seiner Waffenbesitzkarte Nr. … und der Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins.
Am 13. September 2021 fand an einem Nebenwohnsitz des Antragstellers in P … eine Hausdurchsuchung statt, die zur Auffindung von verschiedenen Gegenständen dienen sollte. Dem lag ein richterlicher Beschluss des Amtsgerichts P … vom 16. April 2021 zugrunde, demgemäß die Wohnung in P … durchsucht werden sollte. Aus dem Beschluss ergibt sich, dass der Antragsteller einer falschen Versicherung an Eides Statt verdächtigt worden war, weil er an Eides statt versichert hatte, er habe am 6. Januar 2021 einen Schriftsatz in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen, obwohl das Gericht auf dem Umschlag einen Stempel vom 7. Januar 2021 angebracht hatte. Auf Grundlage dieses Beschlusses durchsuchte die Polizei zuerst eine Wohnung des Antragstellers in B … Am 17. August 2021 stellte sich durch eine telefonische Nachfrage der Staatsanwaltschaft P … bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts P … heraus, dass der Nachtbriefkasten am 6. Januar 2021 wegen des Feiertags nicht geleert worden war, sondern erst am 7. Januar 2021 alle seit der Umschaltung des Nachtbriefkastens am 5. Januar 2021 um 23.59 Uhr eingeworfenen Schriftstücke entnommen und mit Datum 7. Januar 2021 gestempelt worden waren. Gleichwohl wurde die Polizeiinspektion P … unter dem Datum 8. September 2021 von der Staatsanwaltschaft P … um Vollzug der Wohnungsdurchsuchung in P … gebeten, was am 13. September 2021 erfolgte.
Gemäß einem polizeilichen Aktenvermerk vom 20. September 2021 über die Hausdurchsuchung habe der Antragsteller vor Beginn der Hausdurchsuchung seine Wohnung verlassen und die Wohnungstüre hinter sich zugezogen. Nachdem die Polizisten ihm eröffnet hätten, dass ein Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung vorliege, habe er erklärt, dass er keinen Zutritt zur Wohnung gewähren werde und habe sich vor die Wohnungstüre gestellt. Die Polizei habe ihm daraufhin eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses ausgehändigt, woraufhin der Antragsteller sinngemäß meinte, eine Durchsuchung sei unzulässig, da schon seine Wohnung in B … durchsucht worden sei. Unter Protest hätten die Polizeibeamten die Wohnung gleichwohl betreten können und festgestellt, dass sich im Flur ein in einem Futteral befindliches ungeladenes Jagdgewehr der Firma Haenel befand. Nach Aufforderung habe der Antragsteller den in dieser Wohnung vorhandenen Waffentresor geöffnet, in dem sich noch eine Doppelbockflinte des Herstellers TOZ sowie sieben Schuss Munition des Kaliber 30-06 Spring befunden hätten. Zudem hätten die Polizisten eine Blechgeldkassette auf dem Tresor, in der sich ebenfalls Munition befunden habe. Nach Rückfrage bei der Waffenbehörde habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller als Aufenthaltsort seiner Waffen seinen Hauptwohnsitz in B … angegeben hatte. Eine dritte, in seine Waffenbesitzkarte eingetragene Langwaffe, eine Repetierbüchse der B. Waffenwerke, hätten die Polizeibeamten in der Wohnung in P … nicht aufgefunden.
Ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz stellte die Staatsanwalt P … mit Verfügung vom 30. September 2021 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und gab das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zur Weiterverfolgung einer Ordnungswidrigkeit ab. Der Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens ergibt sich aus den vorgelegten Akten nicht.
Mit Schreiben vom 28. September 2021 hörte das Landratsamt P … (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller unter Setzung einer Äußerungsfrist bis 12. Oktober 2021 zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und Einziehung seines Jagdscheins an. Der Antragsteller nahm am 1. Oktober 2021 Akteneinsicht in die Behördenakte. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 beantragte er die „Streichung der Frist“, bis ihm seitens der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht gewährt worden sei. Am 27. Oktober 2021 gewährte ihm das Landratsamt Akteneinsicht in die von der Staatsanwaltschaft übermittelte Ermittlungsakte und nochmals in die Behördenakte und ermöglichte das Einscannen der Akten. Der Antragsteller verwies ergänzend auf seine Rügen bezüglich des Ergebnisses der Augenscheinnahmen.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 widerrief das Landratsamt die Waffenbesitzkarte Nr. … (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete deren Rückgabe an (Nr. 2 des Bescheids). In Nr. 5 des Bescheids erklärte das Landratsamt den Jagdschein Nr. … für ungültig und ordnete die Rückgabe des Jagdscheins (Nr. 6 des Bescheids) sowie die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 bis 6 an (Nr. 9 des Bescheids). In den Nrn. 3, 4 sowie 7, 8 und 10 bis 14 traf das Landratsamt weitere Nebenanordnungen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Antragsteller sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG unzuverlässig, da bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung die Repetierbüchse Haenel nicht sorgfältig verwahrt vorgefunden worden sei. Beim Eintreffen der Polizei sei der Antragsteller nicht mit Reparatur- oder Reinigungsarbeiten beschäftigt gewesen, sondern habe die Langwaffe im Futteral zurückgelassen und seine Wohnung verlassen. Die Waffe habe sich nicht in einem gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsbehältnis nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 3 AWaffV befunden.
Über die gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2021 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg nach Aktenlage noch nicht entschieden (Az. RN 4 K 21.2200). Dem Antrag auf Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Februar 2022 hinsichtlich der Nrn. 3 und 4 des Bescheids, soweit diese die Langwaffen TOZ und Haenel betreffen, und hinsichtlich der Nrn. 7 und 8 insgesamt sowie hinsichtlich der Nrn. 11 und 12 soweit diese die Langwaffen TOZ und Haenel betreffen, stattgegeben. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Bei summarischer Prüfung stelle sich die erhobene Klage als zulässig aber nur teilweise begründet dar. Es liege kein Verstoß gegen die Anhörungsverpflichtung vor, da dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei. Nach der Akteneinsicht am 27. Oktober 2021 habe er keine weitere Fristverlängerung begehrt und es sei für die Behörde nicht erkennbar gewesen, dass er sich nochmals habe äußern wollen. Ein möglicher Anhörungsmangel könne aber auch im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden. Jedenfalls wäre er unbeachtlich, da es sich beim Widerruf der Waffenbesitzkarte und der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins um gebundene Entscheidungen handele.
Der Bescheid sei bei summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Im geschilderten Sachverhalt liege ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften vor. Es spiele auch keine Rolle, ob das Magazin der Waffe Haenel tatsächlich beschädigt gewesen sei, denn der Antragsteller sei nicht mit Reparaturarbeiten beschäftigt gewesen. Der Vortrag, er habe die Polizeibeamten im Türspion gesehen und daher die Tür geöffnet, ohne zuvor das Jagdgewehr wieder sicher zu verwahren, werde als Schutzbehauptung gewertet. Nach den Angaben der Polizisten habe der Antragsteller seine Wohnung verlassen ohne das Gewehr sorgfältig zu verwahren. Das Landratsamt habe aus diesem Verhalten in nicht zu beanstandender Weise den Schluss gezogen, der Antragsteller werde Waffen und Munition auch zukünftig nicht sorgfältig verwahren. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, die ihn diesbezüglich entlasten könnten. Auch aus den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ergebe sich nichts Anderes. Es liege auch kein Beweisverwertungsverbot aufgrund des behaupteten „Verbrauchs“ des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses vor. Ob dieser Beschluss tatsächlich durch die Durchsuchung an seinem Hauptwohnsitz verbraucht sei, könne dahinstehen, denn ein möglicher Verfahrensfehler stehe einer Verwertung der bei der Durchsuchung getroffenen Feststellungen selbst dann nicht entgegen, wenn die dort gewonnen Beweise in einem Strafverfahren unberücksichtigt bleiben müssten, da das Interesse der Allgemeinheit daran, dass nur Personen im Besitz von Waffen seien, bei denen die Annahme gerechtfertigt sei, dass sie jederzeit ordnungsgemäß damit umgehen, höher zu bewerten sei, als das Interesse des Antragstellers, möglicherweise unzulässig gewonnene Beweise nicht zu verwerten.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller bestreitet den Aufbewahrungsverstoß und macht geltend, es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Er schildert dazu ausführlich, wie es nach seiner Auffassung zu dem Durchsuchungsbeschluss gekommen sei, der kein „Blankoscheck“ sei, sobald sich anderweitig ergebe, dass der Beschuldigte entlastet sei. Ein Aufbewahrungsverstoß sei aber ohnehin nicht gegeben. Er habe mit der angeblich nicht korrekt aufbewahrten Waffe auf der Jagd geschossen und dabei festgestellt, dass eine zweite Patrone bei einer Ladehemmung kritisch beschädigt worden sei. Nach der Jagd sei er zurückgekehrt, habe die Waffe in den Waffenschrank gestellt und sei zum Bäcker gefahren. Nach der Rückkehr habe er geduscht und dann mit einem ehemaligen Arbeitskollegen telefoniert. Nach einiger Zeit habe er den Anruf auf Kopfhörer umgestellt und parallel zum Telefonieren an der Waffe gearbeitet, da er die Störung an der Waffe vor dem geplanten Abendansitz habe beheben wollen. Neben dem Telefonat habe er die Ladehemmung reproduzieren können, eine Beschädigung des Magazins als Ursache festgestellt und sodann begonnen, die Waffe zu reparieren. Während er am Waffenmagazin gearbeitet habe, habe es an der Tür geklingelt, was er ignoriert habe, weil er davon ausgegangen sei, es sei nur ein Paketdienst, der Pakete für die Nachbarn abgeben wolle. Nachdem er die Arbeiten am Magazin beendet habe, habe er es beiseitegelegt, um es noch teilweise nachzubeschichten und habe begonnen, die Linse des Zielfernrohrs zu reinigen. Dann habe er ein Klopfen an der Wohnungstür und reges Treiben im Treppenhaus vernommen. Mit der Waffe in der Hand habe er einen Blick durch den Türspion geworfen. Er habe dort drei Polizisten gesehen, die offensichtlich zu ihm wollten und er habe gedacht, es sei etwas Schlimmes passiert. Daraufhin habe er die Waffe in das Flintenfutteral gelegt und dieses im Flur abgelegt, habe sich angezogen und sei vor die Tür getreten. Er habe den Beamten S … darauf hingewiesen, dass er gerade mit der Waffenreinigung befasst sei und dieser habe gesagt, „Passt schon, fassen`S aber nicht hin“. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso er die Waffe in den Waffenschrank hätte sperren sollen, bevor er der Polizei die Tür geöffnet habe. Er sei verpflichtet, Fehler an der Waffe vor einer erneuten Benutzung zu beheben. Die Reparatur sei aber noch nicht abgeschlossen gewesen. Zudem interpretiere das Verwaltungsgericht den Aktenvermerk unzutreffend. Es ergebe sich daraus nicht, wann er die Beamten bemerkt habe. Dass er die Beamten erst nach Verlassen der Wohnung bemerkt habe, sei schon angesichts der dortigen Gegebenheiten nicht möglich. Seine Wohnungstür münde in einen Erdgeschossflur, der mit einer Feuerschutztüre abgeschlossen sei und man würde jeden, der sich dort aufhalte, sofort bemerken, wenn man seine Wohnungstür öffne. Er habe die Polizisten bemerkt und sei dann bewusst zu ihnen hinausgegangen. Eine angeblich unfreundliche Bemerkung werde bestritten. Jemand der tatsächlich eine Todesnachricht befürchte, sei durchaus angespannt und eher ungeduldig und kurz angebunden. Ob die Beamten zuerst ihn angesprochen hätten oder andersherum, ergebe sich aus dem Aktenvermerk nicht. Die Angaben der Polizisten, man habe erst telefonisch eruieren müssen, wo sich die Wohnung des Antragstellers befinde, träfen nicht zu. Aus der Ermittlungsakte ergebe sich, dass die Durchsuchung akribisch vorbereitet und der Hausmeister vorab instruiert worden sei. Der Aktenvermerk sei nicht chronologisch und ungenau. Zudem sei er nur in T-Shirt und kurzer Jogginghose barfuß vor die Tür getreten, es sei daher offensichtlich, dass er das Haus nicht habe verlassen wollen. Dafür, dass er die Waffe gerade repariert habe, spreche auch, dass das Magazin nicht mitbeschlagnahmt worden sei, sondern bei ihm verblieben sei, da er es neu beschichten wollte. Auch die Schutzkappen für die empfindlichen Linsen befänden sich weiterhin bei ihm, da er die Linsen gerade gereinigt habe, als die Polizei erschienen sei. Das Verwaltungsgericht habe es jedenfalls unterlassen, die Situation weiter aufzuklären, z.B. durch Einvernahme der Polizeibeamten. Die Abwägung des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft. Die Waffenbehörde sei für die Verfolgung von diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten zuständig und könne dann jederzeit vollkommen willkürlich Gefahr in Verzug annehmen und den Richtervorbehalt ausschalten. Bei krassen, den verfassungsmäßig zwingend vorgesehenen Richtervorbehalt gezielt ausschaltenden willkürlichen Verfahrensweisen der staatlichen Strafverfolgungsorgane würden die Strafgerichte auch keine Abwägung zwischen Schwere der Straftat und Verstoß gegen strafprozessuale Vorschriften mehr vornehmen. Selbst wenn man den Sicherheitsaspekt miteinbeziehe, müsse es Grenzen geben, was die Verwertbarkeit von Durchsuchungsergebnissen angehen, wenn der Richtervorbehalt – wie hier – geradezu mit Füßen getreten werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre.
1. Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), vor Bescheiderlass zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn sich der Betroffene als unzuverlässig erweist, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit und ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn.12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79.18 – NJW 2018, 2812 = juris Rn. 6; B.v. 12.10.1998 – 1 B 245.97 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 83 = juris Rn. 5; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5).
Dabei ist zu berücksichtigten, dass § 5 Abs. 1 WaffG die Fälle der obligatorischen Unzuverlässigkeit betrifft. Der Gesetzgeber umreißt hier Fallgruppen des Fehlverhaltens, welche als so gravierend eingestuft werden, dass eine positive Zuverlässigkeitsprüfung von Gesetzes wegen ausscheidet (vgl. Gade in Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 2). Im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG, der an ein konkretes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Betroffenen anknüpft, wird in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vom Gesetzgeber die Befürchtung regelwidrigen Verhaltens in der Zukunft auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte als zwingender Grund für die Annahme der Unzuverlässigkeit angeführt, soweit aus dem Verhalten „mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert, sei es durch das Verhalten des Antragstellers selbst (Buchst. a und b, Alt. 1) oder anderer (Buchst. b, Alt. 2 und Buchst. c)“ (BT-Drs. 14/7758, 54; Gade a.a.O. Rn. 6).
Hier steht fest, dass sich bei der Hausdurchsuchung beim Antragsteller am 13. September 2021 um ca. 9.45 Uhr in seiner Wohnung in P … das Jagdgewehr Haenel nicht in einem Waffenschrank, sondern in einem Futteral auf dem Fußboden im Flur befunden hat und der Antragsteller zumindest kurzzeitig seine Wohnung verlassen hat. Ob es sich dabei um einen Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten des § 36 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV handelt, ist umstritten, denn der Antragsteller behauptet, er habe das Gewehr zu diesem Zeitpunkt zulässigerweise in seiner Wohnung gereinigt und gewartet und ein Bußgeldbescheid ist nach Aktenlage noch nicht ergangen.
Diese Vorgänge können auch berücksichtigt werden, denn der Antragsteller konnte mit seiner Beschwerde die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die bei der Hausdurchsuchung gewonnenen Erkenntnisse könnten unabhängig davon verwertet werden, ob die Hausdurchsuchung rechtmäßig angeordnet und durchgeführt worden ist, nicht erschüttern. Selbst wenn ein Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften vorläge, würde dies im vorliegenden waffenrechtlichen Verfahren zu keinem Verwertungsverbot führen. Da ein Beweisverwertungsverbot im Waffenrecht nicht ausdrücklich normiert ist, ist über die Verwertbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des verletzten Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 33; Engel/Pfau in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 24 Rn. 32; BVerwG, U.v. 4.11.2016 – 1 A 6.15 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 71 = juris Rn. 30; zu Beweisverwertungsverboten im Fahrerlaubnisrecht BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 29; B.v. 4.12.2018 – 11 CS 18.2254 – juris Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 26.9.2016 – 16 B 685/16 – juris Rn. 15). Die Frage, ob unter Missachtung strafprozessualer Vorschriften gewonnene belastende Erkenntnisse im Verwaltungsrecht berücksichtigungsfähig sind, ist dabei unabhängig vom Bestehen eines strafprozessualen Verwertungsverbots zu beantworten (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 14; OVG NW a.a.O.). Hier lag ein Beschluss des Amtsgerichts P … zur Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers in P … vor und diese Wohnung ist unstreitig zuvor noch nicht durchsucht worden. Ob bei Erlass des Beschlusses nicht bekannt war, dass der Antragsteller mit Hauptwohnsitz in B … gemeldet war, ob dies möglicherweise einen melderechtlichen Verstoß darstellte und ob deshalb versehentlich zuerst die Wohnung in B … durchsucht worden ist, obwohl in dem Durchsuchungsbeschluss die Adresse in P … genannt ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Es erscheint aberBr nicht als ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen strafprozessuale Vorschriften, wenn im Falle des Innehabens von mehreren Wohnsitzen, alle diese Wohnsitze durchsucht werden, insbesondere, wenn wie hier, die Durchsuchung der streitgegenständlichen Wohnung angeordnet und diese noch nicht durchsucht worden war. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Wohnungsdurchsuchung jedenfalls im September 2021 nicht mehr gerechtfertigt war, da ja schon geklärt war, wie der Nachtbriefkasten des Amtsgerichts an Feiertagen gehandhabt wird, würde daraus kein Verwertungsverbot im waffenrechtlichen Verfahren resultieren. Dabei ist zum einen zu beachten, dass die sicherheitsrechtlichen Interessen der Allgemeinheit, dass unzuverlässige Personen keine Waffen besitzen, sehr schwer wiegen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Besitzer von erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Munition oder verbotenen Waffen der Behörde zur Überprüfung der Pflichten aus § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. der Allgemeinen Waffenverordnung nach § 36 Abs. 5 WaffG Zutritt zu den Räumen zu gestatten haben, in denen die Waffen und die Munition aufbewahrt werden. Im Waffengesetz ist demgemäß schon angelegt, dass die Aufbewahrung von Waffen kontrolliert werden kann und Waffenbesitzer müssen deshalb auch mit Kontrollen rechnen. Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass unter Abwägung der sicherheitsrechtlichen Interessen der Allgemeinheit, die aus Anlass der Hausdurchsuchung festgestellten Tatsachen in einem waffenrechtlichen Verfahren verwertet werden dürfen, unabhängig davon, ob die Hausdurchsuchung zu Recht angeordnet und rechtmäßig durchgeführt worden ist.
Allerdings steht bei summarischer Prüfung nicht fest, dass ein Verstoß gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten vorliegt. Die Ausführungen des Antragstellers zu dem Vorfall am 13. September 2021 sind nicht ganz stimmig. Soweit er behauptet, er habe befürchtet, die Polizisten wollten ihm eine schlechte Nachricht überbringen, lässt sich sein an den Tag gelegtes Verhalten damit nicht in Einklang bringen. Zum einen ist schon nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund er geglaubt haben könnte, dass zur Überbringung einer schlechten Nachricht drei Polizeibeamte erforderlich sein könnten. Zum anderen hat er nicht nachvollziehbar erläutert, warum er das Gewehr, an dem er angeblich gerade das Zielfernrohr gereinigt hatte, zur Tür mitgenommen und dann in ein dort vorhandenes leeres Futteral gesteckt und auf den Fußboden gelegt hat, statt es in den Waffenschrank zu sperren, bevor er die Tür geöffnet hat. Im Übrigen hätte es auch nahegelegen, die Polizeibeamten sofort nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass er gerade mit seinem Gewehr beschäftigt gewesen sei und dieses jetzt in dem Futteral auf dem Boden liege und nachzufragen, ob er dieses jetzt sofort in den Waffenschrank einschließen oder wie er ansonsten damit verfahren solle und dies nicht nur am Rande gegenüber dem Polizeibeamten S … zu erwähnen, so wie der Antragsteller dies dargestellt hat. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass § 36 WaffG es nicht verbietet, in der eigenen Wohnung und dem eigenen befriedeten Besitztum seine Waffen bei sich zu tragen, solange der Waffenbesitzer die tatsächliche Kontrolle über die Waffe hat und die erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen (vgl. B. Heinrich in Steindorf, Waffengesetz, 11. Auflage 2022 Anlage 1 zum WaffG Rn. 196; VG Braunschweig, U.v. 23.10.2008 – 5 A 46/08 – juris Rn. 24). Nachdem Polizeibeamte selbst Waffen führen dürfen und sich offensichtlich keine weiteren Personen in der Wohnung des Antragstellers aufgehalten haben, erscheint es daher nicht zwingend, dass die Waffe in der vorliegenden Situation im Waffenschrank eingeschlossen sein musste.
Das Verwaltungsgericht wird daher im Hauptsacheverfahren aufzuklären haben, ob tatsächlich ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften vorliegt, denn dies steht aufgrund der Einlassungen des Antragstellers und des polizeilichen Aktenvermerks nicht fest. Dazu erscheint es zum einen notwendig, zu klären, ob nach Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe an die Verwaltungsbehörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt worden ist und welchen Ausgang dieses ggf. genommen hat. Zum anderen erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller tatsächlich sein Gewehr gereinigt und gewartet hat, da sowohl das Magazin als auch die Kappen für das Fernrohr offenbar nicht angebracht waren, als das Gewehr beschlagnahmt worden ist. Nachdem der Antragsteller vorträgt, er habe den Polizeibeamten S … darauf hingewiesen, dass er gerade seine Waffe reinige und dieser hätte sich daran nicht gestört, wird auch diesem Vortrag im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein. Zudem wird anhand des vollständig aufgeklärten Sachverhalts dann zu prüfen sein, ob es sich tatsächlich um einen Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG handelt und die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Antragsteller in Zukunft mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird oder ob nur ein (Regel-)Fall des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vorliegt, soweit der Verstoß als gröblich angesehen und kein Ausnahmefall angenommen werden kann.
2. Die Beschwerde kann jedoch keinen Erfolg haben, da in Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG angeordnet – die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, § 46 WaffG Rn. 35). Der Antragsteller hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er in besonderer Weise auf seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse angewiesen ist und hier ausnahmsweise Gründe vorliegen, um von der gesetzlichen Wertung Abstand zu nehmen. Selbst unter Berücksichtigung der offenen Erfolgsaussichten der Klage sind für den Senat deshalb keine Gründe ersichtlich, aus denen von der gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzugsanordnung abgesehen werden müsste.
3. Die Rechtsgrundlage für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins ergibt sich aus § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 Bundesjagdgesetz vom 29. September 1976 (BJagdG, BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Im Falle der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit darf nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden.
4. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
6. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben