Strafrecht

Widerruf einer waffenrechtlicher Erlaubnis

Aktenzeichen  B 1 K 16.321

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54099
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Zugehörigkeit zur Führung eines Motorradclubs setzt voraus, dass festgestellte Umstände eine Verbindung der Vereinigung zur Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) ergeben. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Zugehörigkeit zu einem Motorradclub setzt dessen Tätigwerden auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität oder schwere Straftaten der Mitglieder der Vereinigung voraus. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 30.03.2016 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen. 

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Der angefochtene Bescheid des Landratsamts … vom 30.03.2016 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass dieser Bescheid aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufs- bzw. einer Rücknahmeentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier der Bescheidserlass am 30.03.2016 (vgl. BayVGH, B.v. 05.01.2018 – 21 CS 17.1521 – juris, Rn. 13 m.w.N.). Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung konnte durch das Gericht nicht festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Voraussetzungen für den vorgenommenen Widerruf und die getroffenen Nebenentscheidungen vorlagen.
Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen; nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist sie zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Die Mitgliedschaft in einer örtlichen Organisationseinheit einer Rockergruppierung kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts (im konkret entschiedenen Fall der …) auch dann die Annahme der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG rechtfertigen, wenn keine sonstigen Tatsachen für die Unzuverlässigkeit der betreffenden Person sprechen oder sogar die bisherige Unbescholtenheit der Person dagegen spricht (BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 B 12.960 – juris und BVerwG, U.v. 28.01.2015 – 6 C 1/14 – juris).
Bei der Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit in einer derartigen Konstellation stellt das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 11 ff.) im Wesentlichen auf Folgendes ab: Individuelle Verhaltenspotentiale des Einzelnen werden durch sein soziales Umfeld und eine Gruppenzugehörigkeit mitbestimmt. Gefordert ist jedoch, dass zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht. Gerade die Gruppenzugehörigkeit der Person muss die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird. Nicht ausreichend ist, dass solche Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe regelmäßig vorgekommen sind oder noch immer vorkommen. Vielmehr müssen bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede steht, sie künftig verwirklichen wird.
Solche Strukturmerkmale sind, dass von Mitgliedern der (Rocker-)Gruppierung gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung begangen worden sind und dass die Gruppierung territorialen und finanziellen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anstrebt und entsprechende Ansprüche regelmäßig mit Gewalt durchzusetzen versucht. Als weitere Strukturmerkmale werden genannt: ein strenger Ehrenkodex, ein einheitliches, formalisiertes Aufnahmeritual, das Vorherrschen eines starken Maßes innerer Verbundenheit, d.h. dass sich Mitglieder aufgrund des hohen Geschlossenheitsgrades der Gruppe und dem hieraus resultierenden Konformitätsdrucks bestimmten Handlungsanweisungen bzw. Verhaltensweisen nicht entziehen können sowie die Vernetzung der verschiedenen örtlichen Organisationseinheiten.
Aus einer derartigen Vernetzung der örtlichen Organisationseinheiten und des hohen Loyalitätsdrucks, der aus dem starken Verbundenheitsempfinden der gesamten Rockergruppierung untereinander folgt, wird gefolgert, dass ein einzelnes Mitglied einheitsübergreifende Unterstützung bei Auseinandersetzungen leistet. Daher besteht auch für den Einzelnen die Möglichkeit, dass er – selbst wenn er dies persönlich nicht anstreben sollte oder sogar für sich vermeiden wollte – künftig in gewaltsame Auseinandersetzungen hineingezogen wird. Tritt dieser Fall ein, liegt es wiederum nicht fern, dass er hierbei – ob beabsichtigt oder unter dem Druck der Situation – Waffen missbräuchlich verwenden oder Nichtberechtigten überlassen wird.
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und des Ergebnisses der Hauptverhandlung, insbesondere der Zeugeneinvernahmen, kommt die Kammer zu der Auffassung, dass im vorliegenden Fall keine ausreichenden Tatsachen hinsichtlich des Klägers bzw. des … festgestellt werden können, welche die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers rechtfertigen würden.
a) Der … kann nicht als sogenannte Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) im Sinne der zitierten Rechtsprechung angesehen werden, aus deren Strukturmerkmalen per se die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ihrer Mitglieder abgeleitet wird.
aa) In der Rechtsprechung wurde bisher lediglich festgestellt, dass deutschlandweit der …, der …, der …, der … und seit Anfang 2011 der … diesen OMCGs zugeordnet werden (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 47, und BVerwG, a.a.O., Rn. 13).
bb) Auch im Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, in dessen Berichtszeitraum der streitgegenständliche Bescheid erlassen wurde, wird bei der Darstellung der Rockerkriminalität (S. 275 ff.) bei der Benennung dieser OMCGs – neben den bereits genannten OMCGs – lediglich noch der … und für Bayern der … aufgeführt. Den Mitgliedern dieser Vereinigungen werden typische Delikte organisierter Kriminalität, wie Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung zugeschrieben (vgl. S. 276).
Zur Lage im Bereich … wird ausgeführt, dass sich nach dem Übertritt von Mitgliedern des … in den … ab 2008 ein latentes Spannungsfeld zwischen diesen beiden Clubs herausgebildet habe, das sich seit Ende April 2016 verschärft habe.
Der … hingegen wird als Unterstützergruppierung, sogenannte „Supporter“, des … in Bayern bezeichnet (vgl. S. 277). Dabei kann das Charter der … auf die Unterstützung von neun Chartern des … zurückgreifen (vgl. a.a.O.), wobei der … als sog. Mothercharter bezeichnet wird und die weiteren acht … als (nachgeordnete) Charter.
Ausführungen zur Qualität der Verbundenheit und Vernetzung des … und dessen einzelnen Chartern und zum … oder generell zu den Supporter-Gruppierungen bzw. zum Loyalitätsdruck gegenüber den … sind im Verfassungsschutzbericht nicht enthalten. Insbesondere sind dem Verfassungsschutzbericht keine Feststellungen zu der Frage zu entnehmen, ob diese Unterstützergruppierungen dieselben internen Strukturmerkmale aufweisen wie die bezeichneten OMCGs, die sie unterstützen und ob auch im Verhältnis zu den genannten OMCGs die genannten besonderen Gruppenmerkmale vorliegen.
cc) Die durchgeführte mündliche Verhandlung hat ebenfalls nicht ergeben, dass der …, dem der Kläger in der Funktion des Secretary angehört, Strukturmerkmale aufweisen würde, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts definiert wurden.
Der Zeuge Kriminalhauptkommissar He. von der KPI (Z) hat erläutert, dass die Charter der … deutschlandweit Supporter-Clubs haben. Meist seien dies die „…“. Im Fall des … seien die Supporter aber die einzelnen Charter des … Dabei würden diese Supporter-Clubs regelmäßig von den „großen Clubs“, wie den …, den … etc., für Aufgaben hergenommen, bei denen sich der „große Club“ „die Hände nicht dreckig machen“ wolle, wobei dies nicht nur illegal zu verstehen bzw. nicht negativ gemeint sei, z. B. Türstehertätigkeiten. Außerdem bestünden für die Mitgliedschaft bei den … Kriterien, die nicht von allen Mitgliedern der Supporter-Clubs erfüllt werden könnten. Diese Rocker fänden dann ihre „Heimat“ bei den Supporter-Clubs. Dabei hat der Zeuge die Einordnung der Clubs am Beispiel Fußball illustriert. Die „großen Clubs“ (…, …, etc.) seien die Champions League und die Supporter, hier die …, seien die zweite Liga.
Der Zeuge H. hat weiter ausgeführt, dass ihm über den … selbst nichts Negatives bekannt sei. Der Club gebe sich sehr offen, auch dem normalen Bürger gegenüber. Von polizeilicher Seite brauche man sich da eigentlich überhaupt keine Gedanken machen. In diverse Auseinandersetzungen (Körperverletzungsdelikte der … sei der … im Gegensatz zum …und … nicht einbezogen gewesen. Seit Eröffnung des Clubhauses im Jahr 2016 sei überhaupt nichts Negatives passiert.
Hinsichtlich des Vorliegens der vom Bundesverwaltungsgericht definierten Strukturmerkmale gab der Zeuge He. an, dass weder gehäufte Straftaten noch Gewaltanwendungen beim … zu beobachten gewesen seien. Der Zeuge hat diesen Club im Prinzip wie jeden anderen Verein eingeordnet, in dem es formal auch eine Hierarchie gebe, die unterschiedlich gelebt werden könne, in die er aber keinen genauen Einblick habe. Territoriale Ansprüche hätten die … bislang nicht verteidigt, sie seien hierbei bislang aber in Auseinandersetzungen nicht betroffen gewesen. Hinsichtlich der formalen Aufnahmekriterien wisse er nichts, er denke aber, dass Wert darauf gelegt werde, dass die Mitglieder harmonisch seien. Er glaube nicht, dass die … aggressiv auf jemanden zugehen würden, nach seiner Einschätzung würden sie sich bei einem Angriff aber verteidigen. Es sei auch zu befürchten, dass sie sich in Gewalttätigkeiten der … hineinziehen lassen würden, da es sich um einen Supporter Club handele.
Der Zeuge R., der Präsident des …, hat ausgesagt, dass die Gründung des … vor über neun Jahren so verlaufen sei, dass zuvor alle beim … gewesen seien und diesen gemeinsam verlassen hätten. Manche seien dann zu den … gegangen. Anderen sei ein „großer Club“ zu stressig gewesen. Sie hätten ihr eigenes Ding machen wollen. So hätten sie den … als eigenständigen Verein gegründet und seien aber alle weiter freundschaftlich verbunden.
Der Zeuge Ho., der Präsident des …, hat ausgesagt, dass er bis 2010 beim … gewesen sei. Dann sei er zwei bis drei Jahre in keinem Club gewesen. Im Jahr 2013 sei er mit anderen ehemaligen Mitgliedern der … unterwegs gewesen und habe Mitglieder der … getroffen. Dieser Verein habe ihnen zugesagt und sie hätten nach Anfrage beim „Mother-Charter“ des … in … das Charter des … in … gegründet. Von den … würden sie auf Partys eingeladen. In … sei der … integriert. Sie würden vom Kegelverein zu den Vereinsmeisterschaften eingeladen, man treffe sich mit der Pfarrerin an Ostern, es kämen Kindergruppen und Gesangsvereine. Man sei wie ein normaler „Obst- und Gartenbau Verein“, mit dem Unterschied, dass man kein Obst züchte, sondern Motorrad fahre. In seiner Heimatstadt habe er einen Ruf, er sei Elternbeiratsvorsitzender, sei jahrelang Schatzmeister der CSU gewesen. Von Kriminalität distanziere er sich. Das Verhältnis zu den … beschreibt er so, dass man sich drei bis vier Mal im Jahr treffe. Am 1. Mai fahre man zusammen aus. Die Unterstützertätigkeiten ordne er so ein, dass man ein gemeinsames Hobby habe oder sich bei alltäglichen Arbeiten unterstütze, nicht aber bei kriminellen Aktivitäten. Hinsichtlich der Frage, ob er oder sein Charter sich überörtlich engagieren würden, wenn ein anderer Charter hinsichtlich körperlich übergriffiger Streitigkeiten Hilfe ordern würde, gab er an, dass sie sich in so etwas nicht hineinziehen lassen würden. Eine finanzielle Unterstützung durch die … oder umgekehrt bestehe nicht. Würde die Freundschaft durch die … gekündigt, dann wären sie nie seine Freunde gewesen. Ein Prestigeverlust sei damit nicht verbunden.
In gleicher Weise hat sich auch der Kläger eingelassen.
Im Ergebnis konnte daher nach Auffassung der Kammer nicht festgestellt werden, dass beim …, und insbesondere in dessen Charter in …, derartige Strukturmerkmale bestehen, auf Grund derer die Rechtsprechung die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit von Mitgliedern von OMCGs, wie den …, … etc., annimmt. Fest steht allein, dass es sich bei dem Charter in … nach dem Verfassungsschutzbericht um einen „Supporter“ handelt. Da der Verfassungsschutzbericht diesen Begriff nicht weiter ausführt, ist auf die Erkenntnisse abzustellen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen. Dies sind im Wesentlichen die Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung. Der Zeuge Kriminalhauptkommissar H. gab an, dass Gewaltaktionen des … nicht vorliegen würden. Hinsichtlich der Hierarchie und der Aufnahmebedingen habe er keine eigenen Erkenntnisse. Ein territoriales Ansinnen auf Machtzuwachs habe er bislang nicht erkennen können. Von den vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung gezeichneten Strukturmerkmalen, die dazu führen, dass eine Gruppe als unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts einzustufen ist und somit automatisch das Mitglied der Gruppe, bleibt allein die Vermutung, dass auf Grund des Ehrenkodexes mit einer Unterstützung der … (auch in Bezug auf Straftaten) zu rechnen wäre. Zwar gab der Zeuge Ho. zu, dass ein gewisser Ehrenkodex bestehe. Er definiere „Einprozenter“ oder „Outlaws“ als Personen, die „eigene Wertvorstellungen hoch halten“ würden und auf die man sich verlassen könne. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass mit einer Unterstützung der Gruppe auch im Falle von Straftaten zu rechnen wäre. Der Präsident des … distanzierte sich davon in seiner Zeugenaussage ausdrücklich. Da für die Vermutungen des Zeugen He. keine weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen und sich der Zeuge Ho. ausdrücklich gegen eine Gewaltanwendung aussprach, liegen zumindest zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Tatsachen vor, die dazu führen, dass das Gericht annehmen müsste, dass ein Ehrenkodex in der Gruppe die Begehung von Straftaten befürchten ließe.
So handelt es sich zwar bei den … um eine OMCG, nach den Erkenntnissen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu Grunde liegen, ist aber davon auszugehen, dass der … getrennt von den … agiert. Es mag zwar Treffen und Sympathiebekundungen geben, auch Unterstützungshandlungen, die aber jedenfalls bislang nicht die Befürchtung entstehen ließen, dass es zur Begehung von Straftaten seitens von Mitgliedern des … … kommen könnte.
b) Aus der Verbindung des … zum … als dessen Supporter Club kann die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers ebenfalls nicht hergeleitet werden.
aa) Anders als im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, konnte auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung eine Hierarchie in dem Sinne, dass der …, zumindest dessen Charter in …, dem … weisungsgebunden unterstellt wäre, nicht festgestellt werden.
Nach der Aussage des Zeugen R. (Präsident …) und des Zeugen Ho. (Präsident …) seien ihre Vereine eigenständige Clubs, die lediglich freundschaftlich verbunden seien. Nach der Aussage des Zeugen He. von der KPI (Z) seien die … und der … „ganz klar eng verbunden“. In der bei einer Durchsuchung gefundenen Gründungssatzung der … stehe, dass die … die … unterstütze und die Supporter-Klamotten von ihnen beziehe. Sie seien „zusammen unterwegs“. Bei jeder Veranstaltung der … sei auch die …, wenn auch in wechselnder Besetzung, vertreten, außer wenn es sich um eine reine … Veranstaltung handele. Die Termine von Partys seien auch aufeinander abgestimmt und würden gemeinsam in einer kleinen Werbezeitschrift veröffentlicht.
Im Rahmen der Beweiswürdigung ist sich das Gericht durchaus bewusst, dass sowohl der Kläger als auch die Zeugen R. und Ho. darauf bedacht sein dürften, dem negativen Image, das die Öffentlichkeit von Motorrad-Rockerclubs hat, gerade nicht zu entsprechen und ihre Clubs daher auch in einem guten Licht erscheinen lassen wollten. Jedoch konnte auch den Angaben des Zeugen He. keine diese Darstellung grundlegend widersprechenden Sachverhalte entnommen werden. Nach Würdigung der Aussagen und der vorliegenden sonstigen Erkenntnisse stellt sich für die Kammer das Verhältnis des … zum … daher so dar, dass man sich zwar nicht nur freundschaftlich, sondern „brüderlich“ verbunden fühlt, wie es auch vom Zeugen Ho. auf die Frage nach seinem Verhältnis zu den … beschrieben wurde: „Das sind Motorrad-Brüder.“
Damit geht die Kammer davon aus, dass zwar eine über das Maß einer gewöhnlichen Freundschaft zwischen Vereinen hinausgehende Verbundenheit und Unterstützungsbereitschaft besteht. Jedoch kann ein Hierarchieverhältnis in dem Sinne, dass der … dem … weisungsgebunden unterstellt wäre, nicht festgestellt werden.
Diesen Schluss zieht die Kammer auch aus der Entstehungsgeschichte des … und den tatsächlichen Gegebenheiten. Nach den insoweit glaubhaften und jedenfalls nicht in Zweifel gezogenen oder gar widerlegten Zeugenaussagen wurde der … u.a. durch den Kläger und den Zeugen Ho. vor etwa fünf Jahren gegründet. Dies geschah aus deren eigenem Antrieb und nicht etwa auf Betreiben oder Veranlassung der … Ferner waren der Kläger und der Zeuge Ho. zuvor, wie wohl auch andere Gründungsmitglieder, bei den Outlaws als einem der „großen Clubs“ bzw. OMCGs organisiert. Insoweit zeigt der Umstand, dass sie sich dann nach zwei bis drei Jahren als „free biker“ nicht wieder einem dieser „großen Clubs“ wie etwa den … angeschlossen haben, dass sie sich gerade nicht mehr dem „strengen Regime“ eines solchen Clubs unterwerfen wollten, sondern nur noch in lockerer Form und bei Gelegenheit dabei sein wollten.
Dabei kann es durchaus sein, dass sich das Verhältnis anderer Charter der … zum … als stärker verbunden darstellen mag. Zu denken ist hier insbesondere an das „Mother“-Charter des …, das schon räumlich eine viel größere Nähe zum dortigen … Charter hat, und dessen Sitz sich nach den Ermittlungen der KPI auch im Club Haus der …in … befindet. Dies stellt sich aber im Fall des Charters …, dem der Kläger angehört, schon rein faktisch anders da. Der … verfügt über ein eigenes Club-Haus in einem Ortsteil von …, wo er ein altes Dorfwirtshaus renoviert hat. Ferner scheint er dort auch als Verein am gesellschaftlichen Leben beteiligt zu sein, so dass er auch als eigenständiger Verein außerhalb des „Dunstkreises“ der … bzw. der Rockerszene in Erscheinung tritt. Nach alledem kann jedenfalls eine tatsächliche Dominanz des Charters des …in … durch den … und damit auch ein weisungsgebundenes Hierarchieverhältnis nicht festgestellt werden.
Zwar könnte es aufgrund der Verbindung zum Mothercharter … und dessen Verbindung wiederum zu den … theoretisch denkbar sein, dass im Zuge einer Auseinandersetzung, wie sie auch anlässlich der Erste-Mai-Ausfahrt 2016 zwischen den …und dem … in Oberfranken polizeilich bekannt wurde, versucht werden könnte, auf die Waffen des Klägers zurückzugreifen. Zu diesem Punkt hat der Zeuge He. auch ausgesagt, dass bei Provokationen ein Zusammenhalten zu erwarten sei. Auch waren seinerzeit teilweise Mitglieder der … anwesend und auch beteiligt, als im Zuge der Auseinandersetzung 2016 Straftaten begangen wurden bzw. Vorfälle polizeilich bekannt wurden. Im Zuge des Vorfalls vom 21.05.2016, auf Grund dessen der Präsident des … wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, kam es auch zu einer Verurteilung eines (damaligen) Mitglieds der … Dennoch lässt sich den Aussagen des Zeugen He. zu den einzelnen Ereignissen nicht entnehmen, dass der … oder einzelne seiner Mitglieder gezielt zur Unterstützung herangezogen worden wären bzw. würden, zumal der Zeuge Ho. es auch von sich gewiesen hat, dass er und der Club sich in rechtswidrige Sachverhalte hineinziehen lassen würden.
bb) Dass alleine aus der engen Verbundenheit des … zu den … bzw. eines Supporter Clubs zu dem von ihm „unterstützten“ Club auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit der Mitglieder der Supporter-Clubs geschlossen werden könnte, lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen und ist nach Auffassung der Kammer auch zu weitgehend. Es ist zwar theoretisch denkbar, dass bei einer Auseinandersetzung im Rocker-Milieu versucht werden könnte, auf die Waffen des Klägers zurückzugreifen. Da der Kläger aber nicht direkt in die „engen Strukturen“ der … eingebunden ist und es somit an einem entsprechenden Gruppendruck in einer solchen Situation fehlen würde, ist keine Tatsache erkennbar, auf welche die Annahme gestützt werden kann, dass der Kläger – trotz seiner langjährigen Unbescholtenheit – mit seinen Waffen nicht sorgsam umgehen oder seine Waffen Nichtberechtigten überlassen würde. Wollte man hingegen die enge Verbundenheit des Klägers bzw. des … zu den … als derartige Tatsache ausreichen lassen, müssten alle Personen im engeren Umfeld einer bzw. mehrerer als waffenrechtlich unzuverlässig eingestufter Personen ebenfalls als waffenrechtlich unzuverlässig angesehen werden. Dies lässt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber gerade nicht ausreichen.
c) Schließlich kann aus dem Umstand, dass sich der Kläger selbst wie auch der … der sogenannten „one-percenter“-Szene zugehörig fühlen, nicht auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers geschlossen werden.
Im Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 276, heißt es zu den 1-Prozentern: „Die OMCGs bezeichnen sich selbst als „1-Prozenter“. Darunter versteht man Biker (Motorradfahrer), die sich selbst als Outlaws (Gesetzlose) sehen und das bestehende Rechtssystem ablehnen. Auch in Bayern begehen Mitglieder dieser OMCGs typische OK-Delikte wie Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung.“
Der Kläger wie auch der Präsident des …, der Zeuge Ho., haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie mit dem 1%-Abzeichen bestimmte Werte, wie Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Respekt gegenüber den anderen Club-Mitgliedern verbänden, die es heute in der Gesellschaft nicht mehr gebe. Sie seien sich bewusst, dass sie besonders im Fokus der Öffentlichkeit stünden. Alleine schon deshalb verhielten sie sich rechtstreu. Weiter hat der Zeuge Ho. ausgesagt, dass für ihn „Outlaws“ nicht Gesetzlose heiße, sondern er darunter Geächtete, neben der Norm Lebende oder eigene Wertvorstellungen Hochhaltende verstehe. Er lasse sich nicht in eine Schiene drängen und halte den Leuten gerne mal den Spiegel vor, die meinten, man müsse Spießer sein. Da haue er sein 1-Prozenter-Abzeichen drauf, damit die Leute einmal nachdächten.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Rockerbewegung (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 33 ff, v.a. Rn. 39) allen Motorrad-Clubs, die sich der „1-Prozenter-Bewegung“ zugehörig oder verbunden fühlen, gemein sein dürfte, dass bei ihnen ein besonderer Gemeinschaftsgeist herrscht und eine „Disziplin“ erwartet wird, die über das Maß eines gewöhnlichen Vereinslebens hinausgeht. Ferner wird diese Einstellung bzw. dieser Lebensstil auch bewusst und demonstrativ, teilweise wohl auch provokativ, öffentlich dargestellt, wie es der Zeuge Ho. auch für sich beschrieben hat.
Innerhalb dieser 1-Prozenter-Szene existieren die sogenannten OMCGs, die nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern auch im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität in Erscheinung treten und deren Mitglieder nach der Rechtsprechung als waffenrechtlich unzuverlässig gelten.
Nach Auffassung der Kammer ist es aber nicht gerechtfertigt, generell bei jeder Person oder Vereinigung, die das 1-Prozenter-Abzeichen trägt, anzunehmen, dass die bestehende Rechtsordnung abgelehnt wird und eine potentielle Bereitschaft besteht, kriminelle Handlungen zu begehen. Es ist zumindest denkbar, dass eine Vereinigung, wie es im vorliegenden Fall jedenfalls nicht widerlegt wurde, sich der 1-Prozenter-Bewegung (nur) insoweit verbunden fühlt, als sie ebenfalls Motorradfahren und sonstige Freizeitgestaltung in einer bruderschaftsähnlichen Gemeinschaft betreibt, ohne sich dabei aber außerhalb der Rechtsordnung bewegen zu wollen. Alleine einen Lebensstil zu pflegen, der durchaus als unüblich, unangepasst oder unangenehm empfunden werden kann und vielleicht auch von der Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt wird, steht nicht außerhalb der Rechtsordnung. Jedenfalls liegen hinsichtlich des Klägers und seines Motorrad-Clubs, dem …, keine Anhaltspunkte vor, die gegen ein gesetzestreues Verhalten sprechen, so dass eine entsprechende Vermutung aufgrund des Tragens des 1-Prozenter-Abzeichens zu weit ginge.
Da eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht vorlag, ist der Bescheid vom 30.03.2016 insgesamt aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
4. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Das Gericht sieht die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob die bisher ergangene Rechtsprechung im Hinblick auf das im Waffenrecht nicht hinzunehmende Restrisiko insoweit fortentwickelt werden kann, dass auch in einer Konstellation wie der vorliegenden die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen ist. Hier steht die Frage im Raum, ob alleine der Supporter-Status zu einer der sogenannten OMCGs oder das Bekenntnis zur „one-percenter“-Szene ausreichend ist, um generell die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit der Mitglieder einer Rockergruppierung anzunehmen, wenn die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts definierten Strukturmerkmale bei dieser Gruppierung nicht festgestellt werden können.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth, eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 50.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).
Dabei wurde für beide Waffenbesitzkarten zuzüglich einer Waffe der Streitwert nach Ziffer 50.2 und für die restlichen Waffen je 750,00 EUR angesetzt (vgl. BayVGH vom 10.10.2013 – 21 BV 12.1280). Für den kleinen Waffenschein ergibt sich der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, eingeht.


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