Strafrecht

Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz

Aktenzeichen  5 Ws 70/18 (R)

Datum:
17.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53586
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayStVollzG Art. 10

 

Leitsatz

1. Ein Gebot zur Fortbildung des Rechts liegt nur dann vor, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Sicherung. einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen und fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 23. September 2013 wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Beschwerdeführer wandte sich mit Schreiben vom 21. April 2018 an die JVA und beantragte, ihn in die pädagogische Abteilung (Station Dl) zu verlegen. Der Beschwerdeführer begründete dies damit, dass er wegen seines Fernstudiums „Sales Manager (SGD) ‘C auf einen dauerhaften Zugang zum PC-Arbeitsraum angewiesen sei, um die regelmäßigen Einsendeaufgaben einreichen zu können und zudem aus Gründen der besseren Konzentration einen Haftraum benötige, der von innen verschließbar sei. Dies sei bei seiner derzeitigen Unterbringung nicht möglich. Die JVA lehnte eine Verlegung mit Schreiben vom 21. Juni 2018 aus Kapazitätsgründen ab. Es seien in der pädagogischen Abteilung keine freien Haftplätze verfügbar. Wegen einer seit kurzem r bayernweit bestehenden Zuständigkeit für Bildungsmaßnahmen würden weitere Haftplätze in dieser Abteilung benötigt. Der Antragsteller betreibe das Fernstudium neben seiner Tätigkeit als Hausarbeiter lediglich in Teilzeit in seiner Freizeit. Zudem befinde sich der Antragsteller in einem Teil der Anstalt, die es ihm ermögliche, sich jederzeit mit anderen Gefangenen aus der Schulabteilung auszutauschen und den Computerraum nach Absprache mit dem Schulbeamten zum Zwecke seines Studiums zu nutzen. Soweit der Gefangene die hausinterne Verlegung anderer Gefangener heranziehe, seien neben den Behandlungsmaßnahmen auch Sicherheitsinteressen der JVA bei der Unterbringung zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2018, ergänzt durch Schreiben vom 25. Juli 2018, 1. August 2018, einem undatierten Schreiben, eingegangen bei Gericht am 10. August 2018, zwei Schreiben vom 15. August 2018, einem Schreiben vom 30. August 2018, 9. September 2018 und 15. September 2018, beantragte der Antragsteller u.a. die Ablehnungen der Antragsgegnerin bzgl. der diversen Anträge des Antragstellers auf Verlegung in die pädagogische Abteilung aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller umgehend in einen Haftraum der Station Dl zu verlegen. Er machte insbesondere geltend, dass mehrere Hafträume in dieser Abteilung frei waren bzw. sind und dass weitere Hafträume von Mitgefangenen bezogen worden seien, obwohl er bereits seit einem Jahr auf der Warteliste stehe bzw. Mitgefangene dort untergebracht seien, für die andere Abteilungen zuständig seien. Die von der JVA vorgebrachten Sicherheitsinteressen seien nicht näher belegt. Zudem sei er selbst auch schutzbedürftig. Im Juni 2017 sei er Opfer eines „brutalen Angriffs“’ durch einen Mitgefangenen geworden.
Mit Beschluss vom 23. September 2018, dem Antragsteller zugestellt am 4. Oktober 2018, wies die Strafvollstreckungskammer (StVK) u.a. den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15. Juli 2018 zurück, legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert auf 1..000 € fest. Zur Begründung nahm sie auf die Stellungnahme der JVA Bezug und fahrte ergänzend aus, dass der Antrag unzulässig sei, weil sich ein Anspruch eines Gefangenen auf Verlegung in einen „ihm genehmen ‘G Haftraum aus dem BayStVoIIzG nicht ableiten lasse. Selbst wenn man einen solchen Anspruch annehmen würde, wäre der Antrag unbegründet, da die JVA umfassend und nachvollziehbar dargestellt habe, warum der Antragsteller nicht auf der Station Dl sei und hierfür auch kein Erfordernis bestehe. Hinsichtlich der ins Feld geführten Ungleichbehandlung zu anderen Gefangenen fehle es an einem Vortrag, dass diese denselben Tätigkeiten und Freizeitbeschäftigungen nachgingen.
Zur Niederschrift des Amtsgerichts Nördlingen hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 23. September 2018 am 31. Oktober 2018 Rechtsbeschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozessostenhilfe beantragt. Er hat vorgetragen, dass die Entscheidung des Gerichts rechts- und ermessensfehlerhaft. sei. Insbesondere habe er nie die Verlegung in einen bestimmten Haftraum, sondern lediglich in eine bestimmte Abteilung beantragt. Bei dieser Verlegung handele es sich um einen Realakt. Die StVK habe die Situation in Bezug auf die anderen namentlich benannten Gefangenen nicht überprüft und zu Unrecht lediglich auf den Zeitpunkt der letzten Ablehnung abgestellt. Er habe die Verhältnisse der Mitgefangenen dargelegt.
Es läge eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vor.
Die Generalsstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageschreiben vom 15. November 2018 u.a. beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Sie ist der Auffassung, es handele sich um eine Einzelfallentscheidung. Eine Abschrift der Stellungnahme wurde dem Antragsteller am selben Tag mitgeteilt.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war gemäß S. 120 Abs. 2 i.V.m. S. 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, aus den nachfolgend unter 2. aufgeführten Gründen, mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.
2. Die nach S. 116 Abs. 1 StVollzG statthafte Rechtsbeschwerde ist ‘frist- und formgerecht eingelegt, erweist sich jedoch vor dem Hintergrund der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des S. 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig, da die Nachprüfung der Entscheidung der StVK weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist und auch sonst kein Zulassungsgrund vorliegt.
a) Ein Gebot zur Fortbildung des Rechts liegt nur dann vor, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (BGHSt 24, 15, zitiert über juris, Rdn. 30). Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt soll dem Oberlandesgericht die Möglichkeit gegeben werden, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen. Zur Sicherung. einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen und fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (BGH a.a.O.). In jedem dieser Fälle muss eine Nachprüfung „geboten sein“, d.h. die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung muss sich aufdrängen und darf nicht nur nahe liegen. Diese besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen. sind vorliegend nicht gegeben.
Art. 10 BayStVollzG gilt,. ebenso wie der entsprechende S. 8 StVollzG, nur für externe Verlegungen (Arloth/Krä StVollzG 4. Aufl. S. 8 Rdn. 1). Anstaltsinterne Verlegungen in eine andere Abteilung oder einen anderen Haftraum fallen in das Ermessen des Anstaltsleiters, das, wie erfolgt, eingeschränkt – gerichtlich überprüfbar ist }. (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2014, 191, 192; KG, Beschluss vom 23. Juni 1997, NStZ 1998, 397 Nr. 17; OLG Hamm NStz 1989, 592; Arioth/Krä a.a.O.). Dies Gilt in erster Linie in den Fällen, in denen eine Verlegung von Seiten der JVA vorgenommen werden soll, kann aber, wie z.B. im vorliegenden Fall, auch die vom Gefangenen selbst gewünschte Verlegung betreffen. Hiervon ist, zumindest im Ergebnis, auch die StVK ausgegangen.
b) Die Rechtsprechung hat über die positiv geregelten gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach S. 116 Abs. 1 StVollzG hinaus Rechtsbeschwerden auch dann zugelassen, wenn die angegriffene Entscheidung auf unzureichenden tatsächlichen Voraussetzungen beruht oder die rechtlichen Erwägungen so unzureichend sind, dass die angegriffene Entscheidung einer rechtsbeschwerdegerichtlichen Nachprüfung unzugänglich ist (Calliess/Müller-Dietz StVollzG 11. Aufl., S. 116 Rdn. 3). An solchen schweren tatsächlichen oder rechtlichen Mängeln leidet der angefochtene Beschluss nicht. Die StVK hat in ihrer Entscheidung die Ermessensentscheidung der JVA auf Ermessensfehler überprüft. Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung hat sich dabei in vollem Umfang auf die Ermittlung und die Feststellung des Sachverhalts, auf dem die Entscheidung der JVA beruht, zu erstrecken (vgl. dazu Callies/Müller-Dietz a.a.O., S. 115 Rdn. 20). Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung ist – worauf die StVK zu. Recht abstellt – sowohl bei der Anfechtung als auch bei der Verpflichtung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. Arloth/Krä a.a.O. S. 115 Rdn. 5 m.w.N.). Auch die rechtlichen Erwägungen sind nicht unzureichend, insbesondere hat die StVK letztlich die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen sich ein Anspruch eines Gefangenen auf Verlegung ergeben kann, nicht verkannt.
Entscheidend hierfür ist, ob der Antragsteller die ihm genehmigte Durchführung eines Fernstudiums in zumutbarer Weise (nur) bei einer Verlegung in der pädagogischen Abteilung durchführen kann. Der Möglichkeit des Zugangs zu einem Computer kommt bei einem Fernstudium naturgemäß eine wichtige Bedeutung zu. Insoweit hat die JVA, was vom Antragsteller auch nicht substantiiert bestritten und somit vom Gericht, bei der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, vorgetragen, dass der Antragsteller in der Abteilung, in der er sich befinde, jederzeit den Computerraum in Absprache mit den …
III.
Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers an der Entscheidung des Senats auf SS 60, 52 Abs. 1 GKG. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers an der Entscheidung des Senats auf SS 60, 52 Abs. 1 GKG. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers an der Entscheidung des Senats auf SS 60, 52 Abs. 1 GKG.


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