Strafrecht

Zum Anhörungsrecht des Beschuldigten bei der Auswahl eines Pflichtverteidigers

Aktenzeichen  22 Qs 30/18

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16877
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 140 Abs. 1, Abs. 2, § 141 Abs. 4, § 142 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ist ohne hinreichende Anhörung des Beschuldigten ein von diesem nicht benannter Pflichtverteidiger beigeordnet worden, so ist dieser auf Antrag des Beschuldigten zu entpflichten und ein vom Beschuldigten benannter Pflichtverteidiger beizuordnen (Fortsetzung von OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. April 2010 – 4 Ws 163/10 -, juris = StV 2010, 350 f.).
2. Der begründete Zweifel, ob dem Anhörungsrecht des Beschuldigten in gebotener Weise genügt wurde, darf mit Blick auf sein aus § 142 Abs. 1 StPO folgendes grundsätzliches Pflichtverteidigerbestimmungsrecht und die Bedeutung seines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf einen Vertrauensanwalt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. September 2001 – 2 BvR 1152/01 -, juris = NJW 2001, 3695 ff.) nicht zu seinen Lasten gehen.
3. Der gegen die Beiordnung eines nicht gewünschten Pflichtverteidigers gerichteten Beschwerde des Beschuldigten gegen den entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 03.05.2018, Gz. 11 Gs 210/18, gab das Landgericht Bamberg mit Beschluss vom 06.06.2018, Az. 24 Qs 30/18, statt, indem es einen Pflichtverteidigerwechsel anordnete.

Verfahrensgang

11 Gs 210/18 2018-05-03 Bes AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten N. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg – Ermittlungsrichter – vom 03.05.2018, Gz. 11 Gs 210/18, wird dieser aufgehoben. Rechtsanwalt W. wird damit entpflichtet.
2. Dem Beschuldigten N. wird gemäß §§ 140 Abs. 1, Abs. 2, 141 Abs. 4, 142 StPO Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger beigeordnet.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Mit am selbigen Tage ausgeführter Verfügung des Amtsgerichts – Ermittlungsrichter – vom 17.04.2018 wurde dem Beschuldigten eine Zweiwochenfrist zur Benennung eines von ihm gewünschten Pflichtverteidigers gesetzt. Wann genau das formlos hinausgegebene Anhörungsschreiben den Beschuldigten erreichte, ist nicht abschließend aufklärbar. Nach seiner Darstellung erhielt er von dem Anhörungsschreiben erstmals „nicht vor dem 20.04.2018“ Kenntnis.
Mit Beschluss vom 03.05.2018 bestellte das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – RA W. als Pflichtverteidiger des hiesigen Beschuldigten. Am 04.05.2018 zeigte sich der vom Beschuldigten gewünschte Verteidiger RA B. an.
Mit seiner Beschwerde gemäß Verteidigerschriftsatz vom 15.05.2018, eingegangen beim Amtsgericht am 16.05.2018, strebt der Beschuldigte die Aufhebung der Beiordnung von RA W. und die Beiordnung von RA B. an.
Der Beschwerde hat das Amtsgericht Bamberg nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Dem vom Beschuldigten begehrten Pflichtverteidigerwechsel war stattzugeben.
Ist ohne hinreichende Anhörung des Beschuldigten ein von diesem nicht benannter Pflichtverteidiger beigeordnet worden, so ist dieser auf Antrag des Beschuldigten zu entpflichten und ein vom Beschuldigten benannter Pflichtverteidiger beizuordnen (vgl. dazu im Einzelnen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. April 2010 – 4 Ws 163/10 -, juris = StV 2010, 350 f.).
Vorliegend bleibt jedenfalls offen, ob das Anhörungsrecht des Beschuldigten ausreichend gewahrt wurde, zumal ein Postlauf von drei Tagen bzw. ein Zugang des Anhörungsschreibens nicht vor dem 20.04.2018 durchaus als denkbar erscheint (vgl. dazu auch den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Würde als maßgeblicher Zugangstag der in Betracht kommende 20.04.2018 zugrunde gelegt, wäre die Pflichtverteidigerbestellung vom 03.05.2018 noch vor Ablauf der am 04.05.2018 auslaufenden Anhörungsfrist, mithin „vorschnell“ erfolgt. Der begründete Zweifel, ob dem Anhörungsrecht des Beschuldigten in gebotener Weise genügt wurde, darf indes mit Blick auf sein aus § 142 Abs. 1 StPO folgendes grundsätzliches Pflichtverteidigerbestimmungsrecht und die Bedeutung seines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf einen Vertrauensanwalt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. September 2001 – 2 BvR 1152/01 -, juris = NJW 2001, 3695 ff.) nicht zu seinen Lasten gehen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.


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