Strafrecht

Zur Höhe des Vermögensschadens bei Erschleichung einer Anstellung als Rechtsanwalt durch einen Nichtjuristen

Aktenzeichen  823 Ls 231 Js 185686/19

Datum:
23.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40190
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 267 Abs. 1

 

Leitsatz

Erschleicht ein Nichtjurist durch Vorlage gefälschter Examenszeugnisse eine Anstellung als Rechtsanwalt, entsteht dem Arbeitgeber ein (Gefährdungs-)Schaden in Höhe des vereinbarten Bruttolohns. Die Grundsätze für die Erschleichung einer Beamtenstellung (vgl. BGH BeckRS 2019, 26456) gelten entsprechend.  (Rn. 46 – 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte G, geb. … 1985, ist schuldig des Betruges in 4 Fällen, in 2 Fällen davon im besonders schweren Fall, und des versuchten Betruges in 2 Fällen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung in 22 Fällen.
2. Der Angeklagte wird zur Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
3. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
4. Die Einziehung von Wertersatz für das Erlangte wird in Höhe von 325.642,00 € angeordnet.
5. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften:
§§ 267 I, 263 I, II, III 2 Nr. 2, 22, 23 I, 53 StGB

Gründe

I.
Der Angeklagte ist bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.
II.
1. Der Angeklagte stellte zu nicht näher bekannten Zeitpunkten ab November 2015 eine Vielzahl – mindestens jedenfalls vier – auf ihn lautende gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Bayerischen Juristischen Staatsprüfung her. Die gefälschten Zeugnisse der Ersten Bayerischen Juristischen Staatsprüfung wiesen den Prüfungstermin 2012/2 und die Note 12,48 aus, die gefälschten Zeugnisse der Zweiten Bayerischen Juristischen Staatsprüfung datierten vom 25.05.2015 und wiesen den Prüfungstermin 2014/2 und die Note 11,64 aus.
Zu nicht näher bekannten Zeitpunkten nach dem 15.04.2016 stellte der Angeklagte zudem in den Geschäftsräumen seines früheren Arbeitgebers, dem Notariat Dr. H., mit jeweils neuem Tatentschluss eine Vielzahl notariell beglaubigter Abschriften, mindestens jedoch 14 Abschriften, von Zeugnissen der Ersten und Zweiten Bayerischen Juristischen Staatsprüfung her. Auch diese gefälschten Zeugnisse wiesen den Prüfungstermin 2012/2 und die Note 12,48 (Erstes Staatsexamen) sowie den Prüfungstermin 2014/2 (Datum 25.05.2015) und die Note 11,64 (Zweites Staatsexamen) auf.
Die gefälschten Zeugnisse und Abschriften legte der Angeklagte in der Folgezeit bei verschiedenen Rechtsanwaltskanzleien und Unternehmen vor, um sich als angeblicher Volljurist zu bewerben. Tatsächlich hat der Angeklagte weder ein juristisches Studium absolviert noch eine Juristische Staatsprüfung abgelegt.
Der Angeklagte beantragte mit Schreiben vom 22.11.2016 bei der Rechtsanwaltskammer M., T. 33, 8… M. die Zulassung zur Anwaltschaft und legte neben dem Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft eine gefälschte notariell beglaubigte Abschrift eines Zeugnisses einer Zweiten Bayerischen Juristischen Staatsprüfung, datiert auf den 25.05.2015, Prüfungstermin 2014/2, Note 11,64, vor.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wurde der Angeklagte am 21.03.2017 von der Rechtsanwaltskammer M. als Rechtsanwalt zugelassen und war ab diesem Zeitpunkt bis 31.03.2018 als Rechtsanwalt tätig. Auf seinen Antrag hin wurde er am 29.08.2018 als Syndikusrechtsanwalt, ab 05.06.2019 wieder als Rechtsanwalt zugelassen. Die Zulassung als Rechtsanwalt endete zum 03.09.2019.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorgänge:
2. Der Angeklagte bewarb sich am 22.03.2016 per E-Mail bei der Rechtsanwaltskanzlei H M., und verschickte mit seinem An schreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wurde der Angeklagte von der Rechtsanwaltskanzlei mit einem Einstiegsjahresgehalt von 95.000,00 € brutto angestellt und war dort in der Zeit vom 15.04.2016 bis 31.03.2018 im Bereich Immobilienwirtschaftsrecht als Jurist und zeitweise als Rechtsanwalt tätig. Im Jahr 2018 betrug das Jahresbruttogehalt des Angeklagten 123.000,00 €.
Der Kanzlei H entstand ein Schaden in Höhe von mindestens 193.042,00 €.
3. Ebenfalls am 22.03.2016 bewarb sich der Angeklagte bei der Rechtsanwaltskanzlei E M., und übersandte per E-Mail mit seinem Anschreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wollte der Angeklagte dadurch erreichen, dass ihm seitens der obigen Rechtsanwaltskanzlei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als Rechtsanwalt unterbreitet wird. Tatsächlich machte die Kanzlei E dem Angeklagten ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Jahresgehalt von 75.000,00 € brutto zuzüglich Bonuszahlungen. Da der Angeklagte das Angebot nicht annahm, kam kein Arbeitsvertrag zustande.
Ein Schaden ist der Rechtsanwaltskanzlei E nicht entstanden.
4. Ende 2017 bewarb sich der Angeklagte dann bei der M Group, und übersandte mit seinem Anschreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wollte der Angeklagte dadurch erreichen, dass ihm seitens der M Group ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages unterbreitet wird. Tatsächlich machte die M Group dem Angeklagten ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages im Bereich Gesellschaftsrecht mit einem Jahresgehalt von ca. 100.000,00 € brutto. Da der Angeklagte das Angebot nicht annahm, kam kein Arbeitsvertrag zustande.
Ein Schaden ist der M Group nicht entstanden.
5. Der Angeklagte bewarb sich zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt kurz vor dem 06.02.2018 bei der V M., und verschickte per E-Mail mit seinem Anschreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wollte der Angeklagte dadurch erreichen, dass ihm seitens der V ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als Syndikusrechtsanwalt unterbreitet wird. Tatsächlich kam zwischen dem Angeklagten und der V ein Arbeitsvertrag mit einem Jahres bruttogehalt von 85.000,00 € zuzüglich Sonderzahlung von 5.100,00 € zustande. Der Angeklagte war in der Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2019 als Syndikusrechtsanwalt in der Abteilung Unternehmensrecht bei der V tätig.
Der V entstand ein Schaden in Höhe von mindestens 132.600,00 €.
6. Der Angeklagte bewarb sich Anfang Juli 2019 bei der Rechtsanwaltskanzlei G Rechtsanwälte Notare, M., und übersandte per E-Mail als Scan mit seinem Anschreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wollte der Angeklagte dadurch erreichen, dass ihm seitens der obigen Rechtsanwaltskanzlei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als Rechtsanwalt im Immobilienrecht unterbreitet wird. Tatsächlich kam Anfang August 2019 zwischen dem Angeklagten und der Rechtsanwaltskanzlei G Rechtsanwälte Notare ein Arbeitsvertrag mit einem Jahresgehalt von 100.000,00 € brutto zustande. Bereits Ende August 2019 schlossen der Angeklagte und die Rechtsanwaltskanzlei G Rechtsanwälte Notare einen Aufhebungsvertrag, so dass der Angeklagte tatsächlich nicht für die Kanzlei tätig wurde.
Ein Schaden ist der Rechtsanwaltskanzlei G Rechtsanwälte Notare nicht entstanden.
7. Der Angeklagte bewarb sich am 01.10.2019 bei der Rechtsanwaltskanzlei P M., und übersandte per E-Mail mit seinem Anschreiben neben einem Lebenslauf mit teilweise unrichtigen Angaben auch gefälschte Zeugnisse der Ersten und Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
In dem Lebenslauf gab der Angeklagte unter anderem wissentlich unzutreffend an, dass er in den Jahren 2008 bis 2012 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend in den Jahren 2013 bis 2015 das Rechtsreferendariat absolviert habe.
Zudem täuschte der Angeklagte durch Vorlage der gefälschten Zeugnisse vor, die Erste Bayerische Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2012/2 mit der Note 12,48 sowie die Zweite Bayerischen Juristischen Staatsprüfung im Prüfungstermin 2014/2 mit der Note 11,64 bestanden zu haben.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht wollte der Angeklagte dadurch erreichen, dass ihm seitens der obigen Rechtsanwaltskanzlei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als Rechtsanwalt unterbreitet wird. Tatsächlich kam am 05.11.2019 zwischen dem Angeklagten und der Rechtsanwaltskanzlei P ein Arbeitsvertrag mit einem Jahresgehalt von 120.000,00 € brutto mit Wirkung ab 01.01.2020 zustande. Am 14.11.2019 kündigte der Angeklagte den Arbeitsvertrag, so dass der Angeklagte tatsächlich nicht für die Rechtsanwaltskanzlei tätig wurde.
Ein Schaden ist der Rechtsanwaltskanzlei P nicht entstanden.
III.
Die Feststellung zu den persönlichen Verhältnissen basieren auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, der Zeugen P, den vorgelegten und verlesenen Schriftstücken, sowie der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs.
Die Feststellungen zum Sachverhalt stehen zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme fest.
Der Angeklagte räumt den Sachverhalt vollständig ein.
Das Geständnis des Angeklagten wird durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen G, Dr. S und P, sowie den verlesenen Schriftstücken bzw. den gemäß § 249 II StPO eingeführten Schriftstücken bestätigt.
IV.
Der Angeklagte hat sich daher des Betruges in 4 Fällen, in 2 Fällen davon im besonders schweren Fall, und des versuchten Betruges in 2 Fällen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung in 22 Fällen gemäß §§ 267 I, 263 I, II, III 2 Nr. 2, 22, 23 I, 53 StGB schuldig gemacht.
Das Erstellen der beglaubigten Abschriften der Examenszeugnisse stellte jeweils ein Herstellen einer falschen Urkunde und die Vorlage der beglaubigten Abschriften der Gesamtzeugnisse einen gebrauchen einer falschen Urkunde im Sinne des § 267 I StGB dar (Taten unter Ziff. 1). Da die einzelnen Vorlagen der falschen Urkunden bereits im Zeitpunkt der Erstellung konkret beabsichtigt waren, liegt je Urkunde rechtlich nur eine Tat im Sinne des § 267 StGB vor. Insgesamt handelt es sich folglich um 22 Fälle der Urkundenfälschung.
Die Bewerbungen bei den jeweiligen Kanzleien bzw. Unternehmen unter Vorlage der gefälschten beglaubigten Abschriften der Examenszeugnisse im Rahmen der Taten Ziff. 2. bis Ziff. 7. stellen Betrugstaten im Sinne des § 263 I StGB dar.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass hinsichtlich der Taten Ziff. 3. und Ziff. 4. lediglich das Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages durch die Unternehmen bzw. Kanzleien erfolgte, welches durch den Angeklagten nicht gegengezeichnet wurde. Ein Vermögensschaden oder auch eine Vermögensgefährdung ist daher in diesen Fällen noch nicht eingetreten. Der Angeklagte hat in diesen Fällen lediglich unmittelbar zur Tatverwirklichung angesetzt. Es liegt daher jeweils lediglich ein versuchter Betrug vor, welcher gemäß §§ 263 I, II, 22, 23 I StGB strafbar ist.
Hinsichtlich der übrigen Betrugstaten, also den Taten Ziff. 2, Ziff. 5, Ziff. 6 und Ziff. 7, liegt jeweils ein vollendeter Betrug vor. Im Rahmen des sog. Anstellungsbetrugs ist – wie auch im vorliegenden Fall – insbesondere das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens bzw. der schadensgleichen Vermögensgefährdung problematisch (vgl. zum Ganzen: BGH NStZ 2020, 291; MüKo StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, StGB § 263, Rn. 667-676 m.w.N.). Nach Auffassung des Gerichts und im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.08.2019 (BGH NStZ 2020, 291) sind die für Beamte entwickelten Grundsätze im Rahmen des Anstellungsbetruges gemäß § 263 StGB ausnahmsweise auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden. Grds. wird ein Vermögensschaden bei privaten Anstellungsverhältnissen in erster Linie danach bemessen, ob der Angestellte die Leistungen erbringen kann, die nach seiner gehaltlichen Eingruppierung oder dem Anstellungsvertrag von ihm erwartet werden dürfen. Wohingegen in den eine Beamtenstellung betreffenden Fällen im Hinblick auf den Eintritt eines Vermögensschadens zwischen der fehlenden fachlichen Eignung und der fehlenden persönlichen Eignung zu unterscheiden ist. Täuscht der Beamte über für das Amt rechtlich unerlässliche Anforderungen an die fachliche Qualifikation, die nach Gesetz oder Verwaltungsvorschrift notwendige Voraussetzung für die Anstellung oder eine Beförderung ist, fehlt es regelmäßig an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Der Beamte gilt als für sein Amt untauglich, auch wenn er zufriedenstellende dienstliche Leistungen erbringt, weil er – unter rechtlichen Gesichtspunkten – keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährten Bezüge zu erbringen vermag. Diese für Beamte entwickelten Grundsätze sind ausnahmsweise dann auf private Anstellungsverhältnisse anzuwenden, wenn die dem Dienstverpflichteten gestellten Aufgaben eine besondere Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit erfordern und mit Rücksicht darauf die Bezahlung höher ausfällt oder wenn Anstellung und Höhe der Bezüge – ähnlich wie bei Beamten – eine abgeschlossene Ausbildung voraussetzen oder von Art und Dauer früherer Beschäftigung abhängen. Dies ist hier der Fall. Wie die Zeugen G und Dr. S angaben, sollte explizit ein Volljurist bzw. ein Rechtsanwalt eingestellt werden. Die Anstellungen setzten eine entsprechende juristische Ausbildung und im hohen Punktebereich liegende Examensergebnisse voraus. Auch die sehr hohe Vergütung ist lediglich aufgrund eines sehr guten juristischen Abschluss gerechtfertigt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Beruf des Rechtsanwalts – unabhängig davon ob in einem großen Unternehmen, einer Großkanzlei oder einer mittelständigen bzw. kleineren Kanzlei – ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erfordert, was auch an der Vereidigung von Rechtsanwälten deutlich wird. Auch genießt der Stand der Rechtsanwälte eine hohe Vertrauenswürdigkeit, da diese nicht nur Interessenvertreter, sondern auch Organe der Rechtspflege sind. Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die für Beamte entwickelten Grundsätze auch auf die Anstellung von Rechtsanwälten übertragbar sind. So auch im hiesigen Fall, da dem Angeklagten die erforderliche fachliche Qualifikation fehlt. Der Angeklagte konnte somit im vorliegenden Fall zum jeweiligen Zeitpunkt der Gegenzeichnung der Arbeitsverträge unter rechtlichen Gesichtspunkten keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährte Vergütung erbringen. Es kommt hier somit auch nicht darauf an, ob er zufriedenstellende Leistungen tatsächlich erbracht hat.
Hinsichtlich der Fälle Ziff. 6. und Ziff. 7. wurden vorliegend keine Löhne an den Angeklagten ausgezahlt. Daher verbleibt es in diesen Fällen unter Berücksichtung der eben dargestellten Grundsätze bei einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Der Vermögensschaden in den Fällen Ziff. 2. und Ziff. 5. ist jedoch mit den von den Geschädigten gezahlten Bruttolöhnen zum bemessen. Hieraus ergibt sich ein Vermögensschaden im Fall Ziff. 2. in Höhe von 193.042,00 € und im Fall Ziff. 5. in Höhe von 132.600,00 €.
Es liegt keine Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 267 III 2 Nr. 1 StGB vor. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Hinsichtlich der Urkundendelikte ist darauf abzustellen, dass durch die Erstellung der falschen Urkunden bzw. durch deren Vorlage lediglich eine Anstellung erreicht werden sollte. Es war nicht von Beginn an geplant, durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Erst eine aufgrund der Urkundenfälschung erfolgte Anstellung sollte den Lebensunterhalt sichern. Diese Anstellung basiert jedoch nicht auf einer wiederholten Tatbegehung bzw. einer wiederholten Urkundenfälschung. Es kann nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich der Gewerbsmäßigkeit auch nicht darauf abgestellt werden, dass es zu mehreren Bewerbungen bzw. mehreren Bewerbungswellen kam, da jeweils lediglich eine Anstellung angestrebt wurde.
Gleiches gilt für eine etwaige Gewerbsmäßigkeit im Rahmen der Betrugstaten gemäß § 263 III 2 Nr. 1 StGB. Auch hier ist darauf abzustellen, dass die Täuschung im Rahmen des Betruges lediglich einmalig erfolgen sollte und im Anschluss lediglich aufrechterhalten wird. Eine wiederholte Tatbegehung zur Sicherung einer fortlaufenden Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang ist nicht ersichtlich. Auch hier kann nicht darauf abgestellt werden, dass es zu mehreren Bewerbungen bzw. mehreren Bewerbungswellen kam.
Hinsichtlich der Taten Ziff. 2 und Ziff. 5 liegt ein Betrug in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 III 2 Nr. 2 StGB vor, da ein Vermögensverlust großen Ausmaßes gegeben ist. Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen; er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn er einen Wert v. 50.000,00 € nicht erreicht (ausf. BGH NJW 2004, 169). Es kommt nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern auf die individuelle, opferseitig erlittene Vermögenseinbuße an (vgl. hierzu insgesamt BeckOK StGB/Beukelmann, 47. Ed. 1.8.2020, StGB § 263, Rn. 103). Im vorliegenden Fall trat bei der Tat Ziff. 2 zu Lasten der Geschädigten Kanzlei H. M., ein Schaden in Höhe von 193.042,00 € und bei der Tat Ziff. 5. zu Lasten der Geschädigten V M., ein Schaden in Höhe von 132.600,00 € ein. In beiden Fällen liegt der Schaden damit deutlich über der keinesfalls starren Grenze von 50.000,00 €. Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes gemäß § 263 III Nr. 2 StGB ist in beiden Fällen gegeben.
V.
Hinsichtlich der Strafzumessung ist für die Urkundendelikte, also den 22 Taten unter Ziff. 1., jeweils von dem Regelstrafrahmen des § 267 I StGB auszugehen, der eine Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren vorsieht.
Hinsichtlich der versuchten Betrugstaten, also der Taten Ziff. 3 und Ziff. 4, ist jeweils von dem Regelstrafrahmen des § 263 I StGB auszugehen, welcher eine Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren vorsieht. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 II StGB i.V.m. § 49 I StGB hält das Gericht nicht für angemessen. Die Vollendung scheiterte lediglich daran, dass der Angeklagte bereits andere Angebote angenommen hatte.
Hinsichtlich jeder „einfachen“ Betrugstat, also den Taten Ziff. 6. und Ziff. 7., ist ebenfalls von dem Regelstrafrahmen des § 263 I StGB auszugehen, welcher eine Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren vorsieht.
Hinsichtlich der Betrugstaten im besonders schweren Fall, also den Taten Ziff. 2. und Ziff. 5., ist jeweils von dem erhöhten Strafrahmen des § 263 III StGB auszugehen, welcher eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren vorsieht.
Bei der konkreten Strafzumessung war hinsichtlich aller Taten zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser bereits von Beginn an vollumfänglich geständig war. Der Angeklagte unterstützte die Ermittlungen und war kooperativ. Auch während der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte geständig ein und ersparte somit eine umfangreiche Beweisaufnahme. Der Angeklagte ist bisher nicht vorbestraft. Des Weiteren ist zu seinen Gunsten das Nachtatverhalten zu berücksichtigen. Der Angeklagte bemühte sich eigenständig um eine Aufarbeitung. Auch ist zu seinen Gunsten die psychische Erkrankung, die ihre Basis bereits in den familiären Umständen findet, zu berücksichtigen. Zudem ist zu beachten, dass die Taten teilweise bereits längere Zeit zurücklegen. Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich bei den Geschädigten entschuldigte und die Entschuldigung jeweils angenommen wurde. Der Angeklagte zeigt auch Reue.
Zulasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass ein hoher Schaden in Höhe von 325.642,00 € eingetreten ist und auch eine weitere hohe Vermögensgefährdung vorlag. Zudem ist der Folgeschaden von mindestens 495.000,00 € zu berücksichtigen. Dieser Betrag wurde von der Geschädigten Kanzlei H an Mandanten, für die der Angeklagte tätig war, bereits zurückgezahlt. Des Weiteren sind generalspräventive Gründe zulasten des Angeklagten zu beachten. Der Angeklagte spiegelte vor, Rechtsanwalt zu sein. Der Beruf des Rechtsanwalts hat in der Gesellschaft einen besonderen Stellenwert und genießt besonders hohes Vertrauen, welches durch die Tat erschüttert wurde. Daher ist auch die Verteidigung der Rechtsordnung zu beachten.
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung insbesondere der spezialpräventiven Gründe hält das Schöffengericht Einzelstrafen von 3 Monaten je Urkundendelikt (22 Taten aus Ziff. 1.), 6 Monaten je versuchter Betrugstat (Taten aus Ziff. 3. und Ziff. 4.), 8 Monate je „einfachem“ Betrugsdelikt (Taten aus Ziff. 6. und Ziff. 7.) und 1 Jahr je Betrugstat im besonders schweren Fall (Taten aus Ziff. 2. und Ziff. 5.) für tat- und schuldangemessen.
Nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte und maßgeblich aufgrund der vorliegenden Erkrankung des Angeklagten hält das Schöffengericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Mühe und unter Zurückstellung einiger Bedenken für tat- und schuldangemessen.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte nach Auffassung des Schöffengerichts gemäß § 56 I, II StGB unter Zurückstellung generalpräventiver Gesichtspunkte knapp zur Bewährung ausgesetzt werden, da dem Angeklagten eine positive Sozialprognose gestellt werden kann. Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten können im vorliegenden Fall gerade noch besondere Umstände angenommen werden, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen. Der Angeklagte hat sich unverzüglich und eigenständig in psychiatrische Behandlung gegeben. Der Angeklagte hat sich bei allen Betroffenen entschuldigt und zeigt Reue. Er ist bemüht, sein Leben positiv fortzusetzen. Hierzu hat er eine Lehre zum Elektriker begonnen, welche derzeit sehr gut verläuft. Der Angeklagte wird erstmals zu einer Haftstrafe verurteilt und ist bisher nicht vorbestraft. Er hat einen festen Wohnsitz und ein festes soziales Umfeld. Der Angeklagte pflegt weiterhin Kontakt zu seinem Sohn. Das Gericht geht daher aktuell davon aus, dass sich der Angeklagte eine Verurteilung zu einer Haftstrafe als ausreichende Warnung gereichen lässt, Abstand von weiteren Straftaten zu nehmen.
Es ist die Einziehung des Wertes gemäß §§ 73, 73c StGB des durch die rechtswidrigen Taten des Angeklagten Erlangten anzuordnen. Der Angeklagte erlangte durch seine Betrugstaten die Auszahlung von Gehältern in Höhe von insgesamt (193.042,00 € + 132.600,00 €) = 325.642,00 €. Hiervon sind 193.042,00 € zu Gunsten der Geschädigten Kanzlei H M., und 132.600,00 € zu Gunsten der Geschädigten V M., einzuziehen. Es ist hierbei auf das Bruttogehalt abzustellen, da der Angeklagte neben der Auszahlung des Nettolohns auch die Befreiung von weiteren Verbindlichkeiten (Steuern, etc.) und Vorteile (Rentenbeiträge, etc.) erlangte. Da die geleistete Arbeit im vorliegenden Fall keinen entsprechenden Gegenwert hat (vgl. Die obigen Ausführungen), sind keinerlei Aufwendungen des Angeklagten gemäß § 73d StGB hiervon abzuziehen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 I StPO.


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