Umweltrecht

Aufwendungsersatz für Fundtiere

Aktenzeichen  M 10 K 16.5436

Datum:
7.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 970
BGB § 683 BGB, § 670 BGB, § 679 BGB
BGB BGB § 960
BGB BGB § 967

 

Leitsatz

1. Nach § 966 BGB ist der Finder zur Verwahrung und damit auch zur – dem Erhalt der Fundsache entsprechenden – medizinischen Versorgung eines Tieres verpflichtet; die Unterbringung bei einem Dritten entbindet den Finder nicht von seinen Pflichten. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 20a GG zwingt nicht zu einem gleichsam maximalen Tierschutz, vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die in Ziff. 1 der Klage beantragten Behandlungskosten für die Katze zuzüglich Zinsen.
Ein solcher Anspruch kommt aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (§§ 683, 677, 679, 670 BGB). Die gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Aufwendungsersatzanspruchs liegen nicht vor.
Zwar hat der Kläger keinen Behandlungsvertrag mit der Finderin der Katze geschlossen und somit ohne Auftrag gehandelt, so dass die Normen über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar sind. Der Kläger hat jedoch entgegen seinem Vorbringen kein Geschäft der Beklagten geführt. Damit könnte der Kläger nur durchdringen, wenn die Beklagte bereits selbst zur Verwahrung und zur (ärztlichen) Versorgung der Katze zuständig gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall:
Die Abgrenzung der Zuständigkeiten richtet sich nach dem bürgerlich-rechtlichen Fundrecht, welches gem. § 90a BGB auch auf Tiere Anwendung findet.
Es handelt sich bei der Katze nicht um ein herrenloses, sondern um ein verlorenes Tier, so dass die §§ 965 ff. BGB anwendbar sind. Anhaltspunkte, dass es sich um eine wilde Katze gehandelt haben könnte, die nach § 960 BGB herrenlos wäre, oder um eine Katze, die durch Besitzaufgabe herrenlos geworden ist (§ 959 BGB), sind nicht ersichtlich.
a. Nach § 966 BGB ist der Finder zur Verwahrung und damit auch zur – dem Erhalt der Fundsache entsprechenden – medizinischen Versorgung der Katze verpflichtet. Finderin war Frau U., welche die Katze in die Praxis des Klägers gebracht und dort gelassen hat und den Aufnahmebogen unterzeichnete. Die Unterbringung des Fundtieres bei einem Dritten entbindet die Finderin jedoch nicht von ihren Pflichten (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2015 – 5 BV 15.1284 – juris Rn. 29).
b. Die Finderin hat die Fundsache auch nicht bei der Fundbehörde abgegeben, so dass die Verpflichtungen zur Verwahrung und Versorgung der Katze nach § 967 BGB auf die Beklagte als Fundbehörde übergegangen wären. Auch auf andere Weise hat eine Ablieferung nicht stattgefunden. Denn Ablieferung bedeutet die Aufgabe des Besitzes an der Sache zu Gunsten der zuständigen Behörde (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2015 – 5 BV 15.1284 – juris Rn. 30); Voraussetzung ist also eine Besitzübertragung auf die Beklagte. Die Beklagte hat weder jemals den unmittelbaren Besitz an der Katze erlangt noch eine Willensäußerung getätigt, die sich als Besitzkonstitut auslegen ließe. Auch sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger oder das angerufene Tierheim als Vertreter oder Besitzdiener der Beklagten handelten und die Beklagte auf diesem Weg Besitz an dem Tier erlangt hat. Solche Ausgestaltungen wären rechtlich denkbar, etwa im Wege eines Rahmenvertrages, mit dem die Beklagte ein Besitzkonstitut an allen beim Kläger oder dem Tierheim abgelieferten Tieren vereinbart. Auch hat die Finderin weder per Mail oder mittels Sprachnachricht auf den Anrufbeantworter versucht, die Beklagte vom Fund auch nur zu informieren, noch hat sie eine andere Behörde, wie etwa die Polizei verständigt. Es sind somit keinerlei Anhaltspunkte für eine Ablieferung ersichtlich und es kommt nicht darauf an, ob eine bloße Information in Ausnahmefällen akuter Behandlungsbedürftigkeit an die Stelle der Ablieferungspflicht treten kann.
c. Aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG folgt nichts anderes. Sie richtet sich zunächst und vor allem an den Gesetzgeber selbst. Der Tierschutz als Verfassungsauftrag bedingt in jedem Fall die gesetzgeberische Umsetzung. Es gibt keinen verfassungsnormativ unmittelbaren Tierschutz im Sinne eines unmittelbaren juristischen Schutzanspruchs. Der Gesetzgeber hat das Fundrecht mittels § 90a BGB für entsprechend anwendbar erklärt und auf eine eigene Regelung des Fundes von Tieren verzichtet. Art. 20a GG zwingt nicht zu einem gleichsam maximalen Tierschutz, vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2015 – 5 BV 15.1284 – juris Rn. 39). Die Erwägung des Klägerbevollmächtigten, die Anforderungen an eine Ablieferung seien im gegebenen Fall zu streng, da das Tier ersichtlich behandlungsbedürftig gewesen sei und Art. 20a GG eine schnellstmögliche Versorgung verlange, verfängt nicht. Denn nach dem gesetzlichen Wortlaut ist uneingeschränkt ein Besitzübergang erforderlich. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut der Normen des BGB, wonach auch ohne Anzeige und Ablieferung eine Zuständigkeit der Fundbehörden eintritt, ist vor dem erläuterten verfassungsrechtlichen Hintergrund nicht möglich. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb nicht (jedenfalls nach der ersten Akutbehandlung) versucht wurde, telefonisch oder per E-Mail Kontakt zur Beklagten aufzunehmen, was kaum eine Zeitverzögerung verursacht hätte. Auch ist zu bedenken, dass die Katze zwar krank und behandlungsbedürftig, aber nicht in akuter Lebensgefahr war.
d. Dieses Ergebnis ist auch nicht wegen der für die Finderin entstehenden Kostenlast unzumutbar, denn die Finderin (oder der Kläger für die Finderin) hat die Möglichkeit, die Fundsache gemäß § 967 BGB bei der zuständigen Fundbehörde abzuliefern und sich damit jederzeit von ihrer Verwahrungspflicht zu befreien.
Ein Anspruch aus § 970 BGB ist nicht gegeben, da der Kläger nicht Finder der Katze ist.
2. Ein Anspruch auf die Rechtsanwaltskosten, etwa als Verzugsschaden, kann sich demnach ebenso wenig ergeben wie ein Zinsanspruch.
3. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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