Verkehrsrecht

Anforderung an die Begründung der Anordnung einer sofortigen Vollziehung im Fahrerlaubnisrecht, Ermessensausfall bei Zwangsgeldandrohung, Wegfall der Fahreignung bei Konsum „harter Drogen“

Aktenzeichen  B 1 S 21.671

Datum:
23.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24924
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 31
FeV § 11 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ziffer III des Bescheids des Landratsamts …vom 19.05.2021 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.
1. In einem dem Landratsamt … (Landratsamt) übersandten Ermittlungsbericht der Kriminalpolizeiinspektion … vom 25.03.2021 wird ausgeführt, dass die Antragstellerin, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten in ihrem PKW fuhr, am 12.11.2020 in … einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Die Antragstellerin war Beifahrerin, ihr Lebensgefährte steuerte das Fahrzeug. Im Zuge der Kontrolle habe die Antragstellerin versucht, 4,17 Gramm Methamphetamin (Crystal) unbemerkt zu entsorgen. Vor Ort hätten die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte im informatorischen Gespräch mit den Polizeibeamten angegeben, dass das Rauschgift dem Lebensgefährten der Antragstellerin gehöre. Aufgrund eines aufgefunden Geldbetrags von 1.390,00 EUR und dessen Stückelung, der Stückelung des Rauschgifts sowie der Beschriftung einiger Rauschgiftverpackungen könne davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte beim Ausliefern von Rauschgift gewesen seien.
In einem weiter beigefügten Protokoll über eine Beschuldigtenvernehmung der Antragstellerin vom 29.01.2021 heißt es wie folgt:
„Ich habe an diesem Tag in meiner Heimatstadt … bei meiner Mutter eine Fehlgeburt erlitten. Dies habe ich auch schon bei der Suchtberatung Schwangerschaftskonfliktstelle der Diakonie … bearbeitet. Deshalb bin ich kurz danach nach … mit dem Auto gefahren, um mir Betäubungsmittel zu kaufen. Ich habe für 400 Euro fünf Gramm Methamphetamin in verschieden Packungen gekauft. Damit bin ich dann nach … zu meinem Lebensgefährten Herrn H. gefahren. Dort haben wir zusammen ein gutes halbes Gramm konsumiert.
Im Anschluss auf den Konsum habe ich aufgrund der Fehlgeburt sehr stark angefangen zu bluten. Mein Freund wollte dann einen Rettungswagen holen. Ich befürchtete, dass ich da alleine mitfahren muss. Deshalb bat ich ihn, mich ins Krankenhaus zu fahren. Ich wusste, dass er keinen Führerschein hat. Er hat mich dann mit meinem Auto nach … gefahren. In … wurden wir dann von der Zivilpolizei kontrolliert. Diese bemerkten wir auf Höhe des …centers. Als wir stadtauswärts in Richtung Klinikum unterwegs waren, befuhren wir die H. Straße. In der Hoffnung, dass die Polizei uns nicht folgt, bogen wir in die H.- Straße ein. Dort fand dann auch die Kontrolle statt. Vom Krankenhaus habe ich nichts erzählt, da ich mich geschämt habe.
Eine Polizistin fragte mich nach meinem Ausweis. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt das restliche Rauschgift in der Hand. Ich kann nicht sagen, wieso ich das Rauschgift dabei hatte. Ich suchte nach meinem Ausweis und legte dabei das Betäubungsmittel hinten in den Fußraum. Danach wurde ich von der Polizistin durchsucht. Als ich meine zwei Hunde hinten aus dem Auto nehmen sollte, damit die Polizisten das Auto durchsuchen können, probierte ich das Kristall wieder in die Hand zu nehmen. Das konnten die Polizisten sehen und das Rauschgift wurde sichergestellt.
Im Laufe der Sachbearbeitung erzählte mein Freund der Polizei, dass ihm das Rauschgift gehört. Das tat er, um mich zu schützen, da ich an diesem Tag schon so viel Belastung hatte.
Seit diesem Vorfall bin ich sauber. Ich gehe regelmäßig zur Suchtberatung und in die Ambulante Station vom BKH in … Ich weise freiwillig ein- bis zweimal die Woche im BKH nach, dass ich clean bin.“
Mit Bescheid vom 19.05.2021 entzog das Landratsamt der Antragstellerin ihre Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S. Der Führerschein sei umgehend abzuliefern (Ziffer I des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I dieses Bescheids werde angeordnet (Ziffer II des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Führerschein innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung dieses Bescheids nicht abliefere, werde hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht. Sollte die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, so werde die Frist bis zum Ablauf von einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Ziffer III des Bescheids). Die Antragstellerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr für diesen Bescheid werde auf 150,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betrügen 4,11 EUR (Ziffer IV des Bescheids).
Zur Begründung der Ziffer I des Bescheids führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV sei. Danach habe die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise.
Die Antragstellerin habe in ihrer Zeugenvernehmung bei der Polizei ausdrücklich angegeben, am 12.11.2020 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in … Methamphetamin konsumiert zu haben. Die psychophysischen Ausfälle unter Methamphetamineinwirkung seien generell nicht mit dem sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs zu vereinbaren. Eine Eignungsüberprüfung sei hier somit nicht zu veranlassen, da gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Nichteignung der Antragstellerin zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde festgestanden habe.
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV stehe die Einnahme von Methamphetamin im Regelfall der Fahreignung entgegen, ohne dass es auf die Häufigkeit des Betäubungsmittelgebrauchs ankomme. Bereits die einmalige Einnahme von Methamphetamin schließe die Fahreignung im Regelfall aus, unabhängig davon, ob unter Einfluss des Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug geführt werde. Auch seien keine nachvollziehbaren Umstände geltend gemacht worden, die im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV eine hiervon abweichende Bewertung geboten erscheinen ließen. Des Weiteren könne zum jetzigen Zeitpunkt die erforderliche einjährige Abstinenz noch nicht nachgewiesen werden, zumal der letzte nachweisliche Konsum nach Aussage der Antragstellerin am 12.11.2020 stattgefunden habe. Die Fahrerlaubnis der Antragstellerin sei daher zu entziehen gewesen.
Gemäß § 46 Abs. 6 FeV erlösche die Fahrerlaubnis mit der Entziehung. Der Führerschein sei nach § 47 Abs. 1 FeV unverzüglich bei der Verwaltungsbehörde abzuliefern.
Zur Begründung der Ziffer II des Bescheids führte das Landratsamt aus, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs der Entziehung der Fahrerlaubnis im öffentlichen Interesse geboten sei (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen verlange, dass Verkehrsteilnehmer, die zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet seien, von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen würden, auch wenn das bisherige Fahrverhalten nicht zu Unfällen geführt habe. Es gelte zu verhindern, dass die Antragstellerin wegen ihrer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs gefährde. Solange das Führerscheindokument noch nicht in der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben worden sei, bestehe die Möglichkeit des Missbrauchs. Durch die unverzügliche Abgabe solle diesem Missbrauch entgegengewirkt werden. Die weitere Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen habe im Hinblick darauf, dass ein Eignungsmangel vorliege, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung nicht zugelassen werden können. Das Interesse der Betroffenen, bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung die Fahrerlaubnis behalten zu dürfen, müsse eindeutig hinter dem Interesse der Allgemeinheit auf Schutz vor ungeeigneten Kraftfahrern zurücktreten. Die Anordnung des sofortigen Vollzuges erfolge somit im öffentlichen Interesse.
Zur Begründung der Ziffer III des Bescheids führte das Landratsamt aus, dass zur Durchsetzung der Ablieferungspflicht des Führerscheins ein Zwangsgeld angedroht werde. Diese Anordnung stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Zwangsgeldandrohung sei ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Werde der Führerschein nicht bis zum Ablauf der gesetzten Frist abgeliefert, so werde die Zwangsgeldforderung fällig und könne beigetrieben werden, ohne dass es eines zusätzlichen Verwaltungsakts bedürfe.
Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid des Landratsamts vom 19.05.2021 mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 01.06.2021 Widerspruch ein.
2. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 01.06.2021 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Bayreuth,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 01.06.2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.05.2021 wiederherzustellen.
Zur Begründung bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass vorliegend nicht vom Konsum harter Drogen ausgegangen werden könne. Der Antragsgegner stütze sich lediglich auf Aussagen, welche nicht durch forensische Testmaßnahmen belegbar seien. Die Antragstellerin habe lediglich ihren Lebensgefährten schützen wollen und habe deshalb die streitige Aussage getätigt. Den Konsum habe sie nur benannt, um glaubwürdig zu wirken und den Verdacht dauerhaft von ihrem Lebensgefährten zu lenken.
Hilfsweise sei vorzutragen, dass auch nicht auszuschließen sei, dass, selbst wenn Substanzen eingenommen worden seien, diese ohne Wirkgehalt gewesen sein könnten.
Die Begründung der sofortigen Vollziehung sei textbausteinartig und nicht auf den vorliegenden Fall bezogen individualisiert. Schon deshalb sei diese rechtswidrig.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
3. Mit Schreiben vom 02.06.2021 stellte das Landratsamt das mit Bescheid vom 19.05.2021 angedrohte Zwangsgeld von 500,00 EUR zur Zahlung fällig. Gleichzeitig erließ das Landratsamt unter dem Datum des 02.06.2021 einen Bescheid, mit dem es die Anwendung unmittelbaren Zwangs androhte, falls die Antragstellerin ihrer in Ziffer I des Bescheids des Landratsamts vom 19.05.2021 auferlegten Pflicht zur Abgabe ihres Führerscheins nicht innerhalb von zehn Tagen nachkomme.
In einem Telefonat mit dem Berichterstatter teilte das Landratsamt am 17.06.2021 mit, dass dem Landratsamt der Führerschein der Antragstellerin (noch) nicht vorliege.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen geringen Teil Erfolg.
1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a) Das Landratsamt hat entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung und einer in Folge dessen ergehenden Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (vgl. BayVGH, B.v. 15.06.2009 – 11 CS 09.373 – juris, Rn. 19). Denn bei einer Fahrerlaubnisentziehung wegen mangelnder Eignung fallen Erlass- und Vollzugsinteresse schon aufgrund der zu regelnden Materie zusammen. Ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung kann hier der Gesetzeszweck nicht erreicht werden. Es erscheint undenkbar, dass einem Kraftfahrer, dem es an der erforderlichen Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, noch weiterhin gestattet wird, nach Entziehung der Fahrerlaubnis am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen. Es kann nicht verantwortet werden, dass höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer durch einen mangelnder Fahreignung dringend verdächtigen Fahrerlaubnisinhaber für den beträchtlichen Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung gefährdet werden. Somit verbleibt auch für eine einzelfallbezogene Argumentation regelmäßig kein Raum, so dass eine nur formelhafte Begründung rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. Eyermann/Hoppe, Kommentar zur VwGO, § 80 Rn. 55 und 46, jeweils m.w.N. – beck-online). Gleiches muss dann auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gelten, die lediglich einen Vollzugsakt bzw. eine Nebenverfügung zu der Entziehung der Fahrerlaubnis darstellt (vgl. VG München, B.v. 08.07.2020 – M 6 20.2061 – juris, Rn. 22).
Es ist daher ausreichend, dass der streitgegenständliche Bescheid in der Sache darlegt, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Ungeeignetheit eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und somit der Allgemeinheit darstellt und mit den angeordneten Maßnahmen nicht bis zur Bestandskraft des Bescheids zugewartet werden kann.
b) Die summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts vom 19.05.2021 voraussichtlich nur hinsichtlich der in Ziffer III erfolgten Zwangsgeldandrohung Erfolg haben wird.
Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung steht der Antragstellerin für den vorliegenden Antrag nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis zu, auch wenn das Landratsamt mittlerweile mit Bescheid vom 02.06.2021 bezüglich der Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins die Anwendung von unmittelbaren Zwang angedroht hat. Denn wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung der Ablieferungspflicht des Führerscheins ist das angedrohte Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG mittlerweile fällig geworden. Dies hat das Landratsamt der Antragstellerin auch mit Schreiben vom 02.06.2021 mitgeteilt und die Antragstellerin zur Zahlung des Zwangsgelds aufgefordert. Selbst wenn mittlerweile der Führerschein dem Landratsamt vorliegen würde (was nach Auskunft des Landratsamts am 17.06.2021 noch nicht der Fall war) und das Landratsamt deshalb das Zwangsgeld gemäß Art. 37 Abs. 4 VwZVG nicht mehr beitreiben dürfte, muss berücksichtigt werden, dass nunmehr eine Forderung gegen die Antragstellerin im Raum steht. Es kann im Hinblick hierauf so lange nicht davon gesprochen werden, die Androhung entfalte keine Beschwer mehr, als die Zwangsgeldforderung nicht erloschen ist oder das Landratsamt nicht zugesichert hat, diesen Anspruch nicht mehr geltend zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 14.09.2006 – 11 CS 06.1475, 11 C 06.1476 – juris, Rn. 31).
Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids des Landratsamts vom 19.05.2021 wird sich voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Eine Zwangsgeldandrohung steht als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Art. 19 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 VwZVG). Neben dem „ob“ der Androhung des Verwaltungszwangs kommt der Behörde dabei auch ein Auswahlermessen zu, welches der zur Verfügung stehenden Zwangsmittel (Art. 29 Abs. 2 VwZVG) sie bestimmt. Bei der Androhung eines Zwangsgelds (Art. 31 Abs. 1 VwZVG) steht dessen Höhe ebenfalls im Ermessen der Behörde (Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
Im Falle der Androhung eines Zwangsgelds als dem im Regelfall mildesten Zwangsmittel sind die Anforderungen an die Ermessensausübung bzw. deren Begründung nicht zu überspannen. Die Begründung der Zwangsgeldandrohung in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids des Landratsamts vom 19.05.2021 lässt aber überhaupt keine Ermessenserwägungen, insbesondere nicht zur Höhe des angedrohten Zwangsgelds (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG), erkennen. Insofern ist hier von einem Ermessensausfall auszugehen, der auch nicht durch das Nachschieben weiterer Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden kann.
Im Übrigen kann nicht von einer Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ausgegangen werden. Das Landratsamt hat als zuständige Fahrerlaubnisbehörde zu Recht gemäß § 11 Abs. 7 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und in der Folge nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV auch zu Recht der Antragstellerin die Fahrerlaubnis entzogen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog Bezug auf die Begründung des Bescheids des Landratsamts vom 19.05.2021 und macht sich diese zu eigen. Ergänzend hierzu wird, insbesondere zum Vorbringen der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung, Folgendes ausgeführt:
aa) Nach Würdigung der vorliegenden Akten und des Vorbringens der Antragstellerin kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass die Antragstellerin am 12.11.2020 Methamphetamin konsumiert hat, so wie sie es in ihrer Beschuldigtenvernehmung am 29.01.2021 ausgesagt hat. Bei der Findung dieses Ergebnisses im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, was in dem hier vorliegenden Eilrechtschutzverfahren ohne mündliche Verhandlung und damit ohne persönliche Anhörung der Antragstellerin erfolgt ist, war Folgendes maßgeblich:
Die Kammer sieht keinen überzeugenden Grund dafür, dass die Antragstellerin ihren Drogenkonsum am 12.11.2020 eingeräumt hätte, wenn dieser nicht tatsächlich erfolgt wäre. Der von der Antragstellerin in ihrer Beschuldigtenvernehmung am 29.01.2021 geschilderte Ablauf des Geschehens am 12.11.2020 erscheint nicht mehr oder weniger plausibel oder glaubhaft, wenn die Antragstellerin nichts von dem Drogenkonsum berichtet hätte. In diesem – hypothetischen – Fall hätte die Antragstellerin angegeben, nach dem Drogeneinkauf in Erfurt und der Rückkehr zu ihrem Lebensgefährten nach … (alleine) wegen der an diesem Tag erlittenen Fehlgeburt gesundheitliche Probleme bzw. Blutungen bekommen zu haben, weshalb sie ihr Lebensgefährte dann ins Krankenhaus nach … gefahren habe. Die Schilderung des Geschehensablaufs ohne den Drogenkonsum an diesem Tag wäre auch weniger detailreich und damit einfacher wiederzugeben und, insbesondere für den Fall einer weiteren Vernehmung oder erneuten Schilderung vor Gericht, leichter zu merken gewesen. Zudem hat die Antragstellerin im Anhörungsverfahren vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 19.05.2021 gegenüber dem Landratsamt den Drogenkonsum nicht in Abrede gestellt, sondern dies erst – nach dem der Fahrerlaubnisentzug vom Landratsamt ausgesprochen worden war – im Rahmen der Begründung des erhobenen Widerspruchs vorgebracht. Auch dies spricht für ein taktisches Anpassen der getätigten Einlassung, weil nach dem tatsächlich erfolgten Entzug nunmehr keine andere Möglichkeit zum Erhalt der Fahrerlaubnis besteht.
bb) Der Einwand der Antragstellerin, es liege kein forensisches Testergebnis vor, das den Drogenkonsum bestätige, kann nicht durchgreifen. Für die Feststellung des Konsums sogenannter harter Drogen ist es ausreichend, wenn der Betroffene die Einnahme einräumt. Weiterer Indizien, wie das eines forensischen Nachweises der Drogenaufnahme bedarf es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.04.2021 11 CS 21.390 – juris, Rn. 16 m.w.N.).
cc) Soweit der hilfsweise erhobene Einwand, evtl. eingenommene Substanzen könnten auch ohne Wirkgehalt gewesen sein, so zu verstehen ist, dass es sich bei dem Konsum der Antragstellerin am 12.11.2020 gar nicht um die Einnahme von Methamphetamin mit gehandelt haben soll, sondern um eine sonstige Substanz (die nicht zu den „harten Drogen“ gehört), ist hierfür kein Anhaltspunkt ersichtlich. Wie sich aus der in der Behördenakte enthaltenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 25.05.2021 ergibt, mit der wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln am 12.11.2020 Anklage gegen die Antragstellerin und ihren Lebensgefährten erhoben wurde, hat die labortechnische Untersuchung der am 12.11.2020 im Pkw der Antragstellerin aufgefundenen Substanzen ergeben, dass es sich hierbei um Methamphetamin gehandelt hat. Mangels anderer Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass der Konsum der Antragstellerin an diesem Tag aus diesem Bestand erfolgt ist, so dass hier sogar ein weiteres Indiz für die Einnahme von „echtem“ Methamphetamin gegeben ist.
dd) Auch ein nur einmaliger Konsum von Methamphetamin ist als Konsum sogenannter harter Drogen ausreichend, um die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, entfällt in einer derartigen Konstellation – Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) – nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (vgl. BayVGH, B.v. 13.03.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder – wie es hier der Fall ist – die Fahrerlaubnisinhaberin die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat.
Die normative Wertung in Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV, dass hiermit die Fahreignung fehlt, entfaltet strikte Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Derartige Umstände, die an Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV zu messen sind („Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen“), sind vorliegend weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Auch ein nur einmaliger Konsum von Methamphetamin oder eine besondere Angewiesenheit auf die Fahrerlaubnis kommen als ausnahmebegründende Umstände nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV offensichtlich nicht in Betracht (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 13). Demnach bestand hier auch kein Anlass für eine medizinisch-psychologische Untersuchung der Antragstellerin, so dass ein solches Gutachten nach § 11 Abs. 7 FeV) nicht einzuholen war. Das Landratsamt hatte sogleich der Antragstellerin die Fahrerlaubnis zu entziehen.
c) Aber auch wenn man hier von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgehen wollte, führt jedenfalls eine Abwägung der Vollzugsfolgen dazu, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehung und die Verpflichtung zur Führerscheinabgabe nicht wieder hergestellt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin am 12.11.2020 Methamphetamin konsumiert und dadurch ihre Fahreignung verloren hat, ist zumindest als so groß anzusehen, dass es im öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich erscheint, das Führen von Kraftfahrzeugen durch die Antragstellerin zumindest vorerst zu unterbinden. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, im Widerspruchsverfahren weiteren Vortrag dafür zu bringen, dass der von ihr eingeräumte Drogenkonsum wirklich nur zum Schutz ihres Lebensgefährten vor einer strafrechtlichen Verfolgung erfolgt ist, und sie selbst tatsächlich keine Drogen eingenommen hat. Hier wäre etwa, soweit wegen des schon länger zurückliegenden in Rede stehenden Tags der Einnahme am 12.11.2020 noch möglich, an die Vorlage eines negativen Drogentests in Form einer Haaranalyse zu denken. Weiter käme auch eine persönliche Vorsprache der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren in Betracht, um den Widerruf des eingeräumten Drogenkonsums näher zu erläutern und evtl. glaubhaft zu machen. In einem derartigen Fall wäre dann auch eine Abhilfe des Widerspruchs oder ggf. auch eine Abänderung des vorliegenden Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 VwGO möglich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsgegner unterliegt nur zu einem geringen Teil, da sich lediglich die Zwangsgeldandrohung und damit eine – auch nicht Streitwert relevante – Nebenverfügung als rechtswidrig erweist.
3. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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