Verkehrsrecht

Begrenzung der Nutzungsausfallentschädigung auf die erforderliche Reparaturdauer bei Anschaffung eines Neufahrzeugs und fiktiver Schadensberechnung

Aktenzeichen  2 O 829/18

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 26877
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249

 

Leitsatz

Entschließt sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalles, anstelle der gebotenen Reparatur seines Fahrzeugs ein Neufahrzeug zu erwerben und seinen Schaden auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens – fiktiv – abzurechnen, kann er Nutzungsausfallentschädigung grundsätzlich nur für den Zeitraum der objektiv erforderlichen Reparaturdauer verlangen, sofern die Ersatzbeschaffung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 2007, 2294). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 29.988,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Nutzungsausfall für weitere 252 Tage nicht zu.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt auch der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB dar, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat (BGHZ 40 345,347, BGH-Urteil vom 10.06.2008, VI. ZR 248/07 BGH-Urteil vom 14.04.2010, VIII. ZR 145/09). Dieser Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Es handelt sich vielmehr um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er setzt neben den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (BGH-Urteil vom 18.12.2007, VI. ZR 62/07) und besteht für die erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (BGH-Urteil vom 05.02.2013, VI. ZR 363/11). Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten Pkw diesen während eines unfallbedingten Ausfalls auch benutzt hätte (LG Saarbrücken Urteil vom 07.04.2017, 13 S 167/16, Juris). Der Ersatzanspruch ist dabei auf die erforderliche Ausfallzeit beschränkt. Zudem ist anerkannt, dass die erforderliche Ausfallzeit entscheidend durch die Art der vom Geschädigten gewählten Schadensabrechnung beeinflusst wird. Rechnet der Geschädigte seinen Schaden fiktiv ab, kommt es maßgeblich auf die objektiv erforderliche Dauer an (BGH-Urteil vom 15.07.2003, VI. ZR 361/02). Bei fiktiver Abrechnung sind Verzögerungen mithin unbeachtlich. Denn es kann hier nur die objektiv erforderliche Reparaturdauer, nicht aber die – etwa im Rahmen einer eigen-, billig- oder der konkreten Fremdreparatur tatsächliche Instandsetzungsdauer zugrunde gelegt werden. Vergleichbares gilt auch, wenn der Geschädigte anstelle der gebotenen Reparatur ein Neufahrzeug erwirbt und die Ersatzbeschaffung länger als die gebotene Reparaturzeit in Anspruch nimmt (OLG Hamm vom 01.10.1992, 6 U 113/92). Lediglich für den Fall, dass der Geschädigte bereits vor dem Unfall ein Neufahrzeug bestellt hatte und das verunfallte Fahrzeug bis zur Lieferung des Neufahrzeuges nutzen wollte, kann eine Verlängerung der Anmietzeit bzw. des Nutzungsausfalls berücksichtigt werden, da die bereits bestehende wirtschaftliche Planung aufgrund des Unfalls gestört ist. Bei der ersten Fallgruppe kann eine längere Wartezeit nicht zu Lasten des Schädigers gehen, weil sie auf der reinen Disposition beruht (BGH-Urteil vom 18.12.2007, VI. ZR 62/07). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hat sich für die Abrechnung auf Gutachtenbasis entschieden. Die fiktive Abrechnung ermöglicht ihm, seinen Schaden unabhängig von der Verwendung des zu leistenden Schadenersatzes und unabhängig von der tatsächlichen Wiederherstellung der Reparatur abzurechnen. Sie eröffnet ihm jedoch neben konkreter und fiktiver Abrechnung keine dritte Abrechnungsweise, bei der der Geschädigte durch Kombination von konkreter und fiktiver Abrechnung (“Rosinentheorie“) in noch weitergehendem Umfang Ersatz verlangen könnte als nach der gewählten fiktiven Abrechnung (Verbot der Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung vgl. BGH-Urteil vom 30.05.2006, VI. ZR 174/05). Die Vorzüge der fiktiven Abrechnung kann der Kläger nicht mit einer höheren Nutzungsausfallentschädigung wegen tatsächlich angetretener Verzögerung kombinieren.
Da kein Hauptsacheanspruch besteht, sind keine weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
II.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.

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