Verkehrsrecht

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Aktenzeichen  345 C 4693/20

Datum:
9.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 58714
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 18Abs. 1 StVG. § 823 BGB, § 115 WG.
Die Klage war aus Rechtsgründen abzuweisen.
Der Kläger vermutet, dass jemand mit seinem Fahrrad hantierte und dabei den Elektroroller gegen die Motorhaube seines Fahrzeuges stieß.
Dies führt nicht zu einer Haftung aus Betriebsgefahr gern. § 7 StVG.
Eine Haftung aus Verschulden gemäß § 823 BGB besteht ebenfalls nicht.
Ein Verhaltensunrecht des Fahrers des Fahrzeuges bringt der Kläger nicht vor.
Das Gericht sieht auch keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.
Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist, dass derjenige, der durch vorangegangenes Tun eine objektive Gefahrenlage schafft auch die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen muss. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nicht alle denkmöglichen Gefahren absichern. sondern nur Gefahren, die so naheliegend sind, dass ein sachkundig Urteilender mit der naheliegenden Möglichkeit der Verletzung anderer Rechtsgüter rechnen muss.
Dies wäre nur dann möglich, wenn das Abstellen dieser Fahrzeuge auf dem Gehweg parallel zu den dort befindlichen Fahrradständern pflichtwidrig wäre und eine Verkehrssicherungspflicht dahingehend bestünde solche Fahrzeuge so abzustellen bzw. zu sichern, dass auch bei einem Umstoßen durch Dritte keinerlei Schäden entstehen können. Dann bestünde allerdings innerstädtisch kaum noch eine Abstellmöglichkeit, da selbst beim Abstellen in Richtung einer Hauswand natürlich Schäden an der Fassade nicht ausgeschlossen werden können. Das Gericht sieht in dem Abstellen des Elektrorollers neben dem Fahrradständer parallel zu den Fahrrädern keinen Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht. Gemäß § 11 V eKFV gilt: Für das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen gelten die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechend. Dies spricht deutlich dagegen hier einen Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht anzunehmen, da unproblematisch parallel zum Fahrradständer ein weiteres Fahrrad hätte abgestellt werden können.
Anhaltspunkte dafür, dass der Elektroller bereits instabil abgestellt worden war, bestehen nicht.
Es besteht auch keine Haftung aus der Betriebsgefahr des Elektrorollers.
Der Kläger hat sachlich dargestellt, dass er sein Fahrzeug an einer im T2. … unbeschädigt geparkt habe.
Als er zu seinem Fahrzeug zurückgekommen sei, sei der Elektroroller noch mit dem Lenker an der Stoßstange gelehnt.
Er habe dann die Beschädigung an der Motorhaube festgestellt. Er sei so 2 bis 2 1/2 Stunden entfernt gewesen. Wie der Elektroroller dort hingekommen sei, wisse er nicht. Er vermutet, dass jemand mit seinem Fahrrad hantierte und dabei den Elektroroller gegen die Motorhaube seines Fahrzeuges stieß. Aus den Lichtbildern ist ersichtlich, dass sich dort ein Fahrradständer mit abgestellten Fahrrädern befindet.
Die Klage war aus Rechtsgründen abzuweisen.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Beklagtenvertreters, wonach selbst wenn eine Haftung aus Betriebsgefahr gemäß § 7 StVG vorliegen würde, dies vorliegend nicht zu einer Haftung führen würde.
Nach den Aufzeichnungen zur Vermietung des Fahrzeuges wurde dieses am Tag vorher dort abgestellt.
Die Vermutung des Klägers, dass jemand mit seinem Fahrrad hantierte und dabei den Roller gegen das klägerische Fahrzeug stieß, ist naheliegend.
Ebenso wie die Parteivertreter hält das Gericht die zu Motorrädern ergangenen Entscheidungen für vergleichbar.
Der Klägervertreter hat hier auf die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Aktenzeichen: 2 S 1708/90 und des LG Bochum, Aktenzeichen: 5 S 195/03 hingewiesen.
Die dort dargestellte Konstellation, dass ein Fahrzeug umstürzt, weil der Ständer in dem von der Sonneneinwirkung aufgeweichten Asphalt einsinkt, erscheint nur eingeschränkt vergleichbar.
Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Landgerichts München I. „ Insbesondere begründet auch das verbotswidrige Abstellen des Motorrades auf dem Gehweg keine Haftung der Beklagtenseite. Denn das Parkverbot von Motorrädern auf dem Gehweg schützt nicht den parkenden Verkehr, sondern den ungehinderten Fußgängerverkehr auf dem Gehweg. Das verkehrswidrige Abstellen des Motorrades auf dem Gehweg kann auch nicht als Provokation zum Umstoßen aufgepasst werden. Auch eine Haftung aus Betriebsgefahr scheidet nach Ansicht der Kammer aus. Das Amtsgericht hat insofern korrekt ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schaden „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden ist, wenn sich die von dem Kraftfahrzeug als solchem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, wenn also das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (BGHZ, 37 311 315 F; 105, 65, 66 F; 107, 359, 366 mit weiteren Nachweisen; Senatsurteil vom 03. Juli 1990, VI ZR 33/90 – VersR 1991, Seite 111).Ob dies der Fall ist, muss in einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. Dabei ist im Hinblick auf den weiteren Schutzzweck des § 7 StVG eine weite Auslegung geboten (BGHZ 105, 65, 66 F; 107, 359, 366). Auf der anderen Seite sind einer Haftung aus § 7 StVG Grenzen gesetzt, die sich ebenfalls aus dem Schutzzweck der Vorschrift gegeben (BGHZ 79, 259, 263). Die Haftung wird nicht schon durch jede Verursachung eines Schadens begründet, der im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ausgelöst worden ist. Eine Haftung geht vielmehr erst dann ein, wenn das Schadensereignis den Betrieb eines Kraftfahrzeuges nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung auch zugerechnet werden kann. An diesem Zusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (BGHZ 79, 259, 263; Senatsurteil vom 01. Dezember 1981, VI ZR 111/80 – VersR 1982, 243). Dies gilt insbesondere für Schäden, in denen sich ein gegenüber der Betriebsgefahr eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGHZ, 258, 162, 107, 359, 364; Urteil vom 03.07.1990, Aktenzeichen: VI ZR 33/90 – VersR 1991, Seite 111; BGH, Urteil vom 02. Juli 1991, Aktenzeichen: VI ZR 6/91 -, BGHZ 115, 84 – 89). Das Amtsgericht hat fehlerfrei festgestellt, dass das Motorrad der Beklagten von einem unbekannten Dritten umgetreten worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Beklagtenmotorrad bereits instabil abgestellt worden war, bestehen nicht. Damit hat sich nach der Auffassung der Kammer nicht die einem motorisierten Kraftfahrzeug innewohnende Gefahr realisiert, sondern eine davon vollkommen unabhängige Gefahr “ (so Landgericht München I, Urteil vom 17.10.2019, Aktenzeichen: 19 S 10419/19).
Nach Auffassung des Gerichts ist dieser Entscheidung vergleichbar, wenn vorliegend durch das Hantieren eines unbekannten Dritten mit seinem Fahrrad der Elektroroller gegen den klägerischen Pkw gestoßen wird.
Ebenso hat das Landgericht Düsseldorf eine Haftung aus Betriebsgefahr für ein umgestürztes Motorrad abgelehnt.
„ Eine Haftung aus der Betriebgefahr erfordert einen Zurechnungszusammenhang mit der Fortbewegungs- oder Transportfunktion des Kraftfahrzeugs. Bei dem Umfallen eines zuvor geparkten Motorrades aus ungeklärter Ursache gegen ein daneben parkendes Fahrzeug ist dieser Zusammenhang nicht erkennbar “ (so Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2011, Aktenzeichen 20 S 107/11).
Dementsprechend war die Klage abzuweisen.
Lediglich hilfsweise sei darauf hingewiesen, dass die Klagepartei keine konkreten Anhaltspunkte, dafür benannt hat, dass der beklagtenseitige Elektroroller schneller als 20 km/h fährt.
Das Fahrzeug verfügt über eine entsprechende bauartbedingte Zulassung. Allgemeine Zweifel an der Korrektheit einer solchen Zulassung bzw. das einmalige Erleben, dass irgendein Elektroroller einmal schneller gefahren ist, sind keine konkreten Anhaltspunkte.
Dementsprechend könnte ein unzulässiger Beweisantrag „ins Blaue hinein“ vorliegen.
Da die Klage aber ohnehin aus rechtlichen Gründen abzuweisen war, kam es darauf nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 711 ZPO.


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