Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem

Aktenzeichen  M 6 S 20.2061

Datum:
8.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20547
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 u. S. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,00 festgesetzt

Gründe

I.
Der 196* geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit eines Bescheides zu Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, M, B, BE, L, C1 und C1E.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 teilte das Kraftfahrtbundesamt dem Antragsgegner mit, dass für den Antragsteller folgende Eintragungen im Fahreignungsregister enthalten seien:
Datum der
– Tat
Entscheidung
– Rechtskraft
Verkehrszuwiderhandlung
Punkte
26.01.2017
08.03.2017
28.03.2017
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h.
Zulässige Geschwindigkeit: 60 km/h.
Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 86 km/h.
1
13.05.2017
20.07.2017
21.09.2017
Sie führten das Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25mg/l oder mehr. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,48mg/l.
2
08.08.2017
06.11.2017
24.11.2017
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h.
Zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h.
Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 108 km/h
1
Hierauf ermahnte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG wegen des Erreichens von vier Punkten. In diesem Schreiben wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er freiwillig ein Fahreignungsseminar besuchen könne, um einen Punkt abzubauen. Das Ermahnungsschreiben wurde am 28. Dezember 2017 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
Am 4. November 2019 erhielt der Antragsgegner Kenntnis davon, dass für den Antragsteller – neben der erfolgten Ermahnung – folgende weitere Eintragungen im Fahreignungsregister hinzugekommen seien:
Datum der
– Tat
Entscheidung
– Rechtskraft
Verkehrszuwiderhandlung
Punkte
30.10.2018
11.02.2019
28.02.2019
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h.
Zulässige Geschwindigkeit: 120 km/h.
Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 154 km/h.
1
03.09.2019
25.09.2019
12.10.2019
Sie missachteten das Zeichen Überholverbot, das Durchzeichen 276 angeordnet war.
1
Mit Schreiben vom 5. November 2019 verwarnte daraufhin der Antragsgegner den Antragsteller nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG, da sich für ihn ein Punktestand von sechs Punkten ergeben habe. In diesem Schreiben wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass freiwillig ein Fahreignungsseminar (ohne Punktabzug) durchgeführt werden könne und ab acht Punkten die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Dieses Schreiben wurde am 6. November 2019 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
Unter dem 30. März 2020 setzte das Kraftfahrt-Bundesamt den Antragsgegner in Kenntnis, dass für den Antragsteller folgende zusätzliche Eintragung im Fahreignungsregister hinzugekommen sei:
Datum der
– Tat
Entscheidung
– Rechtskraft
Verkehrszuwiderhandlung
Punkte
30.07.2019
11.11.2019
25.03.2020
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h.
Zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h.
Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 123 km/h.
2
Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller nach vorheriger Anhörung die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, den Führerschein beim Antragsgegner abzugeben (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 1.000,00 an (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3). Die Nrn. 5 und 6 enthalten die Kostenentscheidung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller sei gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil er einen Punktestand von 8 Punkten erreicht habe. Die Stufenregelung des § 4 Abs. 6 StVG sei beachtet worden: Der Antragsteller sei beim Stand von vier Punkten ermahnt und bei einem solchen von sechs Punkten verwarnt worden. Mit der Tat vom 30. Juli 2019, rechtskräftig seit 25. März 2020, habe der Antragsteller einen Punktestand von acht erreicht. Eine nach dem Erreichen von acht Punkten eintretende Punktetilgung sei für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht relevant. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids (Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins) wurde damit begründet, im Interesse der Verkehrssicherheit sei sicherzustellen, dass nach der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument ab sofort nicht zur Vortäuschung einer bestehenden Fahrerlaubnis benutzt werden könne.
Mit Schriftsatz vom … Mai 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 18. Mai 2020, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen Klage, über die noch nicht entschieden ist (M 6 K 20.2060). Zugleich beantragte er,
„die aufschiebende Wirkung gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 5. Mai 2020 wiederherzustellen.“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Anhörungsschreiben vom 30. März 2020 neben dem 30. Juli 2019 ein falscher Tattag (30. September 2019) genannt werde. Weiter sei die Verwarnung erst mehr als zwei Monate nach Erreichung der Punktzahl von sechs oder sieben Punkten ausgesprochen worden. Zudem sei zum Zeitpunkt der Verwarnung am 5. November 2019 die Tilgungsfrist (28. September 2019) für einen Punkt bereits abgelaufen gewesen, sodass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nur noch fünf Punkte gehabt habe und damit zu einem freiwilligen Fahreignungsseminar mit der Möglichkeit des Punkteabbaus berechtigt gewesen sei. Der Antragsgegner habe jedoch einen solchen Hinweis unterlassen und damit dem Antragssteller die Möglichkeit zur Abbau eines Punktes genommen. Weiter sei der Antragsteller als Vertriebsleiter im Außendienst auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020 beantragte der Antragsgegner sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner habe gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG für die Entziehung der Fahrerlaubnis auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben habe. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG seien bei der Berechnung des Punktestands alle Zuwiderhandlungen zu berücksichtigen, deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Spätere Verringerungen des Punktestands aufgrund von Tilgungen blieben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG unberücksichtigt. Die Verwarnung sei zu Recht erfolgt, da zum maßgeblichen Tattag (3. September 2019), die Tilgungsfrist (28. September 2019) der Tat vom 26. Januar 2017, rechtskräftig seit 28. März 2017, noch nicht abgelaufen gewesen sei. Auch die zuletzt mitgeteilte Tat vom 30. Juli 2019 sei vor Ablauf der Tilgungsfrist begangen worden.
Der Führerschein wurde am 18. Mai 2020 beim Antragsgegner abgegeben.
Mit Beschluss vom 7. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 6 K 20.2060 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller neben der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in Nr. 2 enthaltene Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins, auch die Anordnung der von Gesetzes wegen fehlenden (§ 4 Abs. 9 Straßenverkehrsgesetz – StVG) aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in Nr. 1 des Bescheids enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis begehrt. Anders als die sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV ergebende Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins, welche zwar nicht schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV; BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 23) ist, aber hier in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom Antragsgegner für sofort vollziehbar erklärt wurde, ist die auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis kraft Gesetz sofort vollziehbar, sodass hier nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommt. Einem Antrag, der lediglich auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gerichtet ist – ohne jedoch auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begehren – fehlt es ebenso am Rechtsschutzbedürfnis wie einer sonst in Betracht kommenden Erstreckung auf die Zwangsgeldandrohung, da sich diese mit der Ablieferung des Führerscheins bei der Behörde am 18. Mai 2020 erledigt hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13 m.w.N., stRspr).
Durch die Abgabe des Führerscheins hat sich die diesbezügliche Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheides nicht erledigt, denn sie stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris). Für den Eilantrag besteht damit nur in der so ausgelegten Form ein Rechtsschutzbedürfnis.
2. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids vom 5. Mai 2020 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Hoppe in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 54 ff.). Dies muss erst recht gelten, wenn – wie hier mit der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins – lediglich ein Vollzugsakt bzw. eine Nebenverfügung zu einem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt – wie hier der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG – inmitten steht.
Vor diesem Hintergrund genügt die Begründung auf Seite 6 des Bescheids den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichend damit begründet, dass im Fall der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung des durch den Führerschein vermittelten Rechtsscheins besteht. Einzelfallbezogener Erwägungen dergestalt, dass in der Person des Betroffenen konkrete Anhaltspunkte für das Vortäuschen des Innehabens einer Fahrerlaubnis bestünden, bedarf es insoweit nicht.
3. Die aufschiebende Wirkung der Klage war hinsichtlich der kraft Gesetzes so fort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheids vom 5. Mai 2020 nicht anzuordnen. Entsprechendes gilt für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in Nr. 2 des Bescheids.
3.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grund sätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 5. Mai 2020 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids Bezug und macht diese zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird wie folgt ausgeführt:
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zu Recht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG die Fahrerlaubnis entzogen. Denn der Antragsteller hat mit Begehung der zuletzt geahndeten Tat vom 30. Juli 2019 einen Punktestand von acht Punkten erreicht und zuvor die vorgelagerten Stufen des Maßnahmesystems nach § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die vom Antragsteller am 26. Januar 2017, 13. Mai 2017 und 8. August 2017 begangenen und dem Antragsgegner mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 12. Dezember 2018 übermittelten Verkehrszuwiderhandlungen ergaben einen Punktestand von insgesamt vier Punkten. Der Antragsteller wurde daher vom Antragsgegner zu Recht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt, was der ersten Stufe des in § 4 Abs. 5 StVG vorgesehenen Maßnahmesystems entspricht.
Mit den am 4. November 2019 mitgeteilten Verkehrszuwiderhandlungen vom 30. Oktober 2018 und 3. September 2019 erhöhte sich der Punktestand des Antragstellers auf insgesamt sechs Punkte. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 benannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Spätere Verringerungen des Punktestands aufgrund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt (§ 4 Abs. 5 Satz 7 StVG). Zum Zeitpunkt der Begehung der letzten, für das Ergreifen der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG anlassgebenden Ordnungswidrigkeit (3. September 2019) war die nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG zu berechnende Tilgungsfrist (28. September 2019) der ersten Eintragung noch nicht abgelaufen.
Die Antragsgegner hat daher zu Recht die Maßnahme der zweiten Stufe ergriffen und den Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG bei einem Punktestand von sechs Punkten verwarnt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers war damit der Hinweis des Antragsgegners korrekt, dass kein Punktabzug für die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar mehr erfolgen kann, weil der Antragsteller bereits mehr als 5 Punkte erreicht hatte, § 4 Abs. 5 Satz 2 a.E. StVG. Die bereits am 30. Juli 2019 begangene Tat war der Behörde im Zeitpunkt der Verwarnung noch nicht bekannt und führt daher auch nicht zu einer Punktereduzierung.
Mit der am 30. Juli 2019 begangenen Geschwindigkeitsübertretung hat der Antragsteller schließlich einen Punktestand von acht Punkten erreicht. Der Antragsgegner hatte ihm daher gemäß § 4 Abs. 5 Satz1 Nr. 3 zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen. Da die Taten auch zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis mangels Ablaufs der Überliegefrist noch nicht zu löschen waren, kommt eine Anwendung des Verwertungsverbots des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG nicht in Betracht. Ebenso wenig konnte berücksichtigt werden, dass der Antragsteller beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.
3.3 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV. Daher war auch nicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids anzuordnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 sowie 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 164 Rn. 14). Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung sind nur die Klassen A, B und C1. Für die Fahrerlaubnis der Klassen L und M war kein gesonderter Streitwert anzusetzen, da dies bereits in der Klasse B enthalten sind (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV und § 6 Abs. 3 Nr. 3 FeV a.F.).


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