Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums (Cannabis und Kokain)

Aktenzeichen  M 6 S 19.1540

Datum:
2.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15165
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
Anlage 4 zur FeV Nr. 9.1

 

Leitsatz

1. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger – von der Kammer nicht geteilter (vgl. VG München BeckRS 2017, 106972 Rn. 53 ff. mwN) – Rechtsprechung von der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist aus, innerhalb der die Fahrerlaubnisbehörde ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen gem. § 11 Abs. 7 FeV davon ausgehen könne, der Betroffene habe seine Fahreignung verloren und nicht wieder erlangt, und dass ein Verstreichen dieser Frist die Notwendigkeit weiterer Aufklärungsmaßnahmen nach sich ziehe (vgl. grundlegend BayVGH BeckRS 2005, 26983; BeckRS 2015, 53539 Rn. 18 ff. mwN). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Beginn dieser Einjahresfrist setze auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine durch entsprechende Abstinenznachweise belegte substantiierte Abstinenzbehauptung des Betroffenen voraus, die auf einem nachvollziehbaren Einstellungswandel beruhe (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 100325 Rn. 11); zudem müssten zu der Abstinenzbehauptung Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 6904 Rn. 15 f. mwN). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Regelfall entfaltet die Regelvermutung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV strikte Bindungswirkung; eine kürzere Dauer der Abstinenz bzw. eines Abstinenznachweises ist für die Wiedererlangung der Kraftfahrereignung nur dann als ausreichend anzusehen, wenn besondere Umstände in der Person des Betroffenen gegeben sind (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 1000 Rn. 19; BeckRS 2018, 30547 Rn. 12). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A, B, BE, C1, C, C1E, CE, L und T durch Bescheid des Antragsgegners vom 11. März 2019. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Laut Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion München wurde der Antragsteller am … März 2018 einer Verkehrskontrolle unterzogen. Dabei führte er ein Kraftfahrzeug unter Wirkung eines berauschenden Mittels. Die bei der toxikologischen Analyse einer durchgeführten Blutprobe erhobenen Befunde belegten die vorangegangene Aufnahme von Cannabis-Zubereitungen wie zum Beispiel Haschisch oder Marihuana (THC 3,2 µg/L) und von Kokain (11,0 µg/L). Am 12. Juni 2018 wurde von der Zentralen Bußgeldstelle gegen den Antragsteller ein seit dem 14. September 2018 rechtskräftiger Bußgeldbescheid mit Fahrverbot erlassen.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2019 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom … Februar 2019 ließ sich der Antragsteller dahingehend ein, er lebe seit dem zugrundeliegenden Vorfall abstinent, sodass eine grundlegende Verhaltensänderung vorläge, die sich mittlerweile über rund 11 Monate erstrecke. Er sei bereit, diese anhaltende Abstinenz durch Beibringung von Abstinenznachweisen zu belegen. So sei er mit der Anordnung eines Abstinenzprogramms und anschließender medizinisch-psychologischen Fahreignungsbegutachtung einverstanden. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis sei aus seiner Sicht im Hinblick auf die nunmehr schon seit fast einem Jahr andauernde Abstinenz unverhältnismäßig. Darüber hinaus sei er als Alleinverdiener seiner Familie auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
Mit Bescheid vom 11. März 2019, der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 15. März 2019, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), verpflichtete ihn dazu, seinen Führerschein innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern oder im Falle des Verlustes des Führerscheins stattdessen innerhalb dieser Frist eine Versicherung an Eides statt abzugeben (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld von 500 € an (Nr. 4) und entschied über die Kosten (Nrn. 5 und 6).
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei infolge seines Kokainkonsums gemäß § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – i.V.m. Nr. 9 1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Die Tatsache, dass die Kontrolle bereits am … März 2018 erfolgte, sei dabei kein Hinderungsgrund für die Entziehung, da die „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ zwischen Tattag und Erlass des Bescheides noch nicht abgelaufen sei. Die bloße Behauptung einer grundlegenden Verhaltensänderung und einer Drogenabstinenz genüge nicht, sondern es müssten Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen ließen. Solche Umstände lägen nicht vor, der Antragsteller habe bislang keine Abstinenznachweise vorgelegt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass der Antragsteller nachweislich harte Drogen konsumiert habe, sodass zu befürchten sei, dass dieser zukünftig als Betäubungsmittelkonsument am Straßenverkehr teilnehmen und damit Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährden werde. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit unter Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer sei regelmäßig höher anzusiedeln als das individuelle private Interesse des Betroffenen, bis zum Abschluss eines Verwaltungs(gerichts) verfahrens weiterhin am Straßenverkehr teilzunehmen.
Der Führerschein des Antragstellers wurde am 26. März 2019 über die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Antragsgegner abgegeben.
Mit Schriftsatz vom … März 2019 wurde Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. März 2019 eingelegt. Ebenfalls am … März 2019 meldete sich der Antragsteller zur Teilnahme an einem Abstinenzkontrollprogramm für 6 Urinabgaben innerhalb der folgenden 12 Monate an.
Mit Schriftsatz vom … März 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 1. April 2019, ließ der Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom … März 2019 und einer gegebenenfalls nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts Dachau – Fahrerlaubnisbehörde – vom 11. März 2019 (Aktenzeichen: …*) wiederherzustellen.
Zur Begründung wiederholte er die im Rahmen der Anhörung geäußerten Argumente und führte aus, der Antragsteller lebe seit dem Vorfall vom … März 2018 drogenabstinent, sodass eine grundlegende Verhaltensänderung vorliege, die sich bereits über fast 12 Monate erstrecke. Auch sei dem Antragsgegner mitgeteilt worden, dass der Antragsteller bereit sei, sich einem Drogenkontrollprogramm mit anschließender medizinisch-psychologischer Fahreignungsbegutachtung zu unterziehen. Der Antragsgegner sei gebeten worden, von der Entziehung der Fahrerlaubnis Abstand zu nehmen, da der Antragsteller als Fahrer tätig und Alleinverdiener seiner Familie sei. Die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis einschließlich der Abgabe des Führerscheins in Verbindung mit der Anordnung des Sofortvollzugs sei unverhältnismäßig. Wenn nur noch wenige Tage bis zum Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist ausstünden, der Antragsteller, wie in diesem Fall die Einhaltung einer fast einjährigen Drogenabstinenz geltend gemacht habe und sich freiwillig für die Ableistung eines einjährigen Drogenkontrollprogramms einschließlich anschließender medizinisch-psychologischen Untersuchung bereit erklärt habe, sei die Fahrerlaubnisbehörde nicht mehr berechtigt, von der Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers, hier des Antragstellers, auszugehen.
Mit Schreiben vom … April 2019 wurde von der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Untersuchungsergebnis betreffend die erste Urinabgabe durch den Antragsteller vorgelegt. Danach wurden keine Drogen nachgewiesen.
Mit Eingang vom 18. April 2019 legte der Antragsgegner die Akte vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Nichteignung des Antragstellers aufgrund des Kokainkonsums hingewiesen, weshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Eine Begründung des Widerspruchs sei bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgereicht worden. Auch lägen sonst keine neuen Erkenntnisse vor, die für die Rücknahme des Sofortvollzugs sprächen. Der Fahrerlaubnisbehörde lägen bislang noch keine Abstinenznachweise vor.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 30. April 2019 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
1. Der nach dem Wortlaut nicht zwischen den einzelnen Ziffern des Bescheids differenzierende Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er (nur) auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheides vom 11. März 2019 gerichtet ist. Der Begründung des Antrags lässt sich entnehmen, dass sich der Antragsteller im Eilverfahren nicht auch gegen die – kraft Gesetzes sofort vollziehbare – Androhung des Zwangsgeldes und die Kostenentscheidung wenden möchte, sondern sich auf die von der Behörde für sofort vollziehbar erklärten Entscheidungen beschränkt. Für eine solche Auslegung spricht auch, dass einem sich auf die Nrn. 4-6 des Bescheids beziehenden Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Die Zwangsgeldandrohung hat sich mit der Abgabe des Führerscheins bei der Behörde erledigt, nachdem die Behörde nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben beabsichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13 m.w.N., st Rspr.). Im Hinblick auf die Kostenentscheidung liegen die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO nicht vor.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Durch die Abgabe des Führerscheins hat sich die diesbezügliche Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheids nicht erledigt, denn sie stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris). Für den Eilantrag besteht somit auch im Hinblick auf die Nr. 2 des Bescheids weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis.
3. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids vom 11. März 2019 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2012 – 11 CS 11. 22 72 – juris).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seiten 4 und 5 im Bescheid vom 11. März 2019. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Sie hat dies auf den vorliegenden Einzelfall bezogen, und ausgeführt, aufgrund des nachweislichen Konsums harter Drogen durch den Antragsteller sei zu befürchten, dass er künftig als Betäubungsmittelkonsument am Straßenverkehr teilnehmen und damit Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährden werde. Daher ginge das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dem persönlichen Interesse des Antragstellers, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung keine Vollzugsmaßnahmen durchzuführen, vor. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wie hier darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2016 – 11 CS 16.1388 – juris).
4. Hinsichtlich der in Nr. 3 des Bescheids vom 11. März 2019 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bezüglich der Nrn. 1 und 2 des Bescheids nicht wiederherzustellen.
4.1. Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
4.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 11. März 2019 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, sodass der hiergegen erhobene Widerspruch ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 72VwGO).
Dabei ist es vorliegend im Ergebnis ohne Belang, ob bei dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier der Entziehung der Fahrerlaubnis vom 11. März 2019, oder den Zeitpunkt der Eilentscheidung abgestellt wird (vergleiche. Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 35. Ergänzungslieferung September 2018, § 80 Rn. 41.3). Denn in keinem der beiden Zeitpunkte war die Einjahresfrist auch nur annähernd abgelaufen.
Die erkennende Einzelrichterin nimmt vollumfänglich Bezug auf die Gründe des Bescheids vom 11. März 2019 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Fahrerlaubnisbehörde hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 FeV mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil er aufgrund des nachgewiesenen Konsums von Kokain gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.
4.3 Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Ohne Erfolg bleibt der Einwand, die Entziehung der Fahrerlaubnis habe nicht auf einen im März 2018 stattgefundenen Konsum gestützt werden können.
Zutreffend ist zwar, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger – von der Kammer nicht geteilter (vgl. VG München, U.v. 15.03.2017 – M 6 K 16.4214 – juris m.w.N) – Rechtsprechung von der sogenannten verfahrensrechtlichen Einahresfrist ausgeht, innerhalb der die Fahrerlaubnisbehörde ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen gemäß § 11 Abs. 7 FeV davon ausgehen kann, der Betroffene habe seine Fahreignung verloren und nicht wieder erlangt. Ein Verstreichen dieser Frist, die nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Notwendigkeit weiterer Aufklärungsmaßnahmen gemäß § 11 Abs. 8 FeV nach sich zöge (vgl. grundlegend BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris; B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris), ist aber auch im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Denn auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof setzt für den Beginn dieser Frist eine durch entsprechende Abstinenznachweise belegte substantiierte Abstinenzbehauptung des Betroffenen voraus, die auf einem nachvollziehbaren Einstellungswandel des Betroffenen beruht (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2561 – juris). Zu der Abstinenzbehauptung müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2016 – 11 CS 16.1542 – juris Rn. 13; B. v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZDF 2015, 717 Rn. 18;). Lediglich dann bestehe für die Fahrerlaubnisbehörde Anlass, den Antragsteller aufzufordern, sich einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch psychologische Untersuchung zu unterziehen, um festzustellen, ob die Abstinenz hinreichend gefestigt sei und der Antragsteller daher seine Fahreignung in der Zwischenzeit wieder erlangt habe (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 1, 8.460 – juris). Entsprechende Abstinenznachweise hat der Antragsteller aber erst nach der Entziehung der Fahrerlaubnis vorgelegt, so dass die Einjahresfrist zu diesem Zeitpunkt beginnen, aber keinesfalls abgelaufen sein kann. Ebenso wenig hat der Antragsteller Umstände vorgetragen, die seinen behaupteten motivational gefestigten Einstellungswandel glaubhaft erscheinen ließen.
Diese Ausführungen gelten für den – hier anzunehmenden – Regelfall. Dabei entfaltet die Regelvermutung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV strikte Bindungswirkung (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris Rn. 19). Eine kürzere Dauer der Abstinenz bzw. eines Abstinenznachweises ist für die Wiedererlangung der Kraftfahrereignung nur dann als ausreichend anzusehen, wenn besondere Umstände in der Person des Betroffenen gegeben sind (insbesondere Kompensationen der Wirkungen des Betäubungsmittelkonsums durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen, vgl. Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV sowie BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 11 CS 18.963 – juris Rn. 15 unter Verweis auf die sog. „Beurteilungskriterien“).
4.4 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
5. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – in Verbindung mit den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 und 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 164 Rn. 14). Die Fahrerlaubnisklasse A wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, weil sie nach der Anlage 3 zur FeV mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 der Anlage 9 (Abschnitt B.I. Nr. 126 und 127: Begrenzung auf dreirädrige Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen) eingeschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 11 CS 18.1897 – juris Rn. 19).


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