Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Führens eines Fahrrads unter Alkoholeinfluss

Aktenzeichen  W 6 S 15.1430

Datum:
11.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c, § 46 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war. Voraussetzung hierfür ist insbesondere, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Für das Führen eines Fahrrads im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV ist ausreichend, wenn der Betroffene auf einem rollenden Fahrrad sitzt, da ein rollendes Fahrrad des Lenkens bedarf. Dabei ist unerheblich, ob der Bodenkontakt mit den Füßen „gelöst“ ist, da maßgeblich ist, dass der Fahrzeugführer das Fahrzeug bewusst in Bewegung gesetzt hat und in dessen Folge das Fahrrad weiterer Lenkbewegungen bedarf. (redaktioneller Leitsatz)
3 Persönliche Härten können beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. (redaktioneller Leitsatz)
4 An die Einhaltung der formellen Kriterien für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sind strenge Anforderungen zu stellen, denn eine Gutachtensaufforderung ist nicht selbstständig anfechtbar und muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der im Jahr 1988 geborene Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A18, A1, B, BE, C, CE, C1, C1E, L, M, S und T.
1. Nach Mitteilung der Polizeiinspektion Schweinfurt vom 7. Juli 2015 wurde der Antragsteller am 25. Mai 2015, gegen 0:35 Uhr, einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen. Der Antragsteller rollte nach den Wahrnehmungen des Polizeibeamten mit eingeschaltetem Licht und unter starken Lenkbewegungen auf dem Oberrohr seines Fahrrads sitzend langsam durch die S Straße in B. Eine Betätigung der Pedale konnte der Beamte nicht wahrnehmen; vielmehr benutzte der Antragsteller immer wieder seine Füße, um einen eventuellen Sturz zu verhindern. Ein Gehen des Antragstellers konnte der Beamte explizit ausschließen. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,99 Promille wurde festgestellt.
Mit Schreiben vom 24. August 2015 (Az. 31-143/1-we) forderte das Landratsamt Schweinfurt den Antragsteller erfolglos auf, vor dem Hintergrund des Vorfalls am 25. Mai 2015 bis spätestens 19. Oktober 2015 ein entsprechendes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen.
In dem Verfahren W 6 K 15.856, über das noch nicht entschieden ist, erhob der Antragsteller Klage und beantragte, den „Bescheid des Beklagten vom 24. August 2015“ (Az. 31-143/1-we) aufzuheben sowie dessen Rechtswidrigkeit festzustellen. Im Rahmen dieses Verfahrens wies das Gericht auf die Unzulässigkeit eines isolierten Vorgehens gegen die Aufforderung des Landratsamts Schweinfurt vom 24. August 2015 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hin.
Das Amtsgericht Schweinfurt erließ am 22. September 2015 gegen den Antragsteller einen Strafbefehl wegen am 25. Mai 2015 begangener fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Nr. 5 Cs 14 Js 10369/15). In der Hauptverhandlung am 21. Oktober 2015 wurde das Verfahren vorläufig und am 6. November 2015 endgültig unter Auflage einer Zahlung von 450,00 EUR eingestellt.
Mit Schreiben des Landratsamtes Schweinfurt vom 26. November 2015 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2015 entzog das Landratsamt Schweinfurt dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Art (Ziff. 1). Das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wurde ihm untersagt (Ziff. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, seinen Führerschein, ausgehändigt vom Landratsamt Schweinfurt am 29. März 2012, Fahrerlaubnis-Nr., spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids im Landratsamt Schweinfurt abzugeben (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 wurde angeordnet (Ziff. 4). Für den Fall der Nichtbeachtung der Ziffer 3 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht (Ziff. 5).
In den Gründen des Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt, der Entzug der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz), § 46 Abs. 1 FeV (Fahrerlaubnisverordnung) i.V.m. Ziffer 8.1 der An lage 4 zur FeV, §§ 46 Abs. 3, 13 Satz 1 Nr. 2 c, 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Weigere sich ein Kraftfahrer, ein zu Recht gefordertes Gutachten vorzulegen, könne er nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ohne weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden. Das Gutachten sei nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV zu Recht auf Grund einer Trunkenheitsfahrt gefordert worden. Der Antragsteller habe unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Die Entziehung sei verhältnismäßig. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge stütze sich auf § 3 Abs. 1 FeV. Sie sei geboten und verhältnismäßig. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Die sofortige Vollziehbarkeit sei angeordnet worden, weil ein besonderes öffentliches Interesse an der Umsetzung der Fahrerlaubnisentziehung bestehe. Die feststehende Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen stelle eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer und somit für die Allgemeinheit dar. Es sei im Sinne der Verkehrssicherheit nicht verantwortbar, den Antragsteller bis zur Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
Der Antragsteller hat daraufhin seinen Führerschein beim Landratsamt Schweinfurt abgegeben.
2. Am 15. Dezember 2015 hat der Antragsteller gegen diesen Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (W 6 K 15.1430) mit dem Antrag, den Bescheid vom 11. Dezember 2015 aufzuheben sowie festzustellen, dass dieser Bescheid rechtswidrig war. Zudem hat der Antragsteller beantragt,
hinsichtlich der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 11. Dezember 2015 die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Zur Begründung bringt er vor, die Anordnung des Antragsgegners sei rechtsmissbräuchlich. Er besitze die erforderliche Zuverlässigkeit. Er habe am Tattag sein Fahrrad nicht im Sinne der Vorschrift der FeV bewegt, sondern sich mehr oder weniger verkehrsgerecht bewegt. Ein Fahren im Sinn der FeV sei durch Sitzen auf dem Oberrohr eines Fahrrads und Schieben durch Fußbewegungen nicht möglich. Deshalb sei auch das strafrechtliche Verfahren eingestellt worden. Er sei bislang polizeilich nicht aufgefallen. Der Vorfall sei einmalig gewesen. Nach Aussage des Zeugen G* (im strafrechtlichen Verfahren) sei kein eindeutiges Lösen der Füße vom Boden erfolgt. Die Anordnung der MPU und die Versagung der Fahrerlaubnis seien unverhältnismäßig. Er sei im Rahmen seines Berufes als Kfz-Meister dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Die Entziehung komme einem Berufsverbot gleich. Es drohe die Kündigung.
3. Das Landratsamt Schweinfurt hat für den Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, aus der Nichteinreichung des Gutachtens innerhalb der Frist bis zum 19. Oktober 2015 habe auf die fehlende Eignung des Antragstellers geschlossen werden können im Sinn von § 11 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. §§ 3 Abs. 2, 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV. Der Antragsteller habe ein Fahrzeug geführt. Ein rollendes Fahrrad bedürfe offensichtlich des Führens durch die auf ihm sitzende Person. Führer eines Fahrzeugs sei, wer dieses unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte verantwortlich in Bewegung gesetzt habe und während der Fahrbewegung unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen ganz oder wenigstens teilweise lenke. Herr PHM G* habe ausgeschlossen, dass der Antragsteller gegangen sei, und erklärt, es habe sich mehr um anschieben und rollen gehandelt. Die Füße des Antragstellers hätten den Boden lediglich zeitweise zur Vermeidung eines Sturzes sowie zum Abstoßen berührt. „Starke Lenkbewegungen“ seien dokumentiert worden. Auch nach dem Sinn des Gesetzes sei von einem „Führen eines Fahrzeugs“ auszugehen, da durch die vor liegende Fortbewegungsart ein erheblich höheres Verkehrsrisiko geschaffen werde als etwa durch einen alkoholisierten Fußgänger. Es bestünden auch hinsichtlich des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen Zweifel an der Eignung des Antragstellers, insbesondere mit Blick auf ein mögliches erneutes Führen von Fahrrädern in erheblich alkoholisiertem Zustand. Die Entziehung der Fahrerlaubnis entspreche der Verhältnismäßigkeit. Der sofortige Vollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis sei dringend geboten.
4. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Die Verfahrensakten W 6 K 15.856 und W 6 K 15.1427 wurden beigezogen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit sich das Rechtsbegehren auf die in Ziffer 5 enthaltene Zwangsmittelandrohung bezieht, weil sich dieser kraft Gesetzes (vgl. Art. 21a VwZVG) sofort vollziehbare Ausspruch durch die Abgabe des Führerscheins erledigt hat. Aus Ziffer 5 des Bescheides ergibt sich für den Antragsteller daher keine Beschwer mehr (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2427 – juris; B.v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968 – juris).
Im Übrigen ist der Antrag zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziff. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Ziff. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1, 2, 3 (sowie 5) des Bescheids vom 11. Dezember 2015 hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache Erfolg, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht oder wenn triftige private Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung ein gleichwohl vorhandenes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen. Auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache kommt es nicht entscheidungserheblich an. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der sichere Erfolg oder die Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsbehelfs klar zu Tage tritt. Es liegt nämlich weder im öffentlichen Interesse, dass ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt sofort vollzogen wird, noch, dass ein offensichtlich unzulässiges oder unbegründetes Rechtsmittel den sofortigen Vollzug verhindert.
So liegt der Fall hinsichtlich der mit einer ausreichenden einzelfallbezogenen Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO als sofort vollziehbar angeordneten Ziffern 1, 2 und 3 (sowie der kraft Gesetzes sofortvollziehbaren Ziffer 5) des streitgegenständlichen Bescheids hier.
2.1. Eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die unter dem Aktenzeichen W 6 K 15.1427 geführte Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil der angefochtene Bescheid vom 11. Dezember 2015 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Der Schluss auf die Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers ist nach § 11 Abs. 8 FeV zulässig, wenn der Betroffene ohne ausreichenden Grund eine Untersuchung verweigert oder ein von der Behörde zu Recht gefordertes Gutachten nicht fristgemäß beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 11 FeV Rn. 55).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Berechtigung der Fahrerlaubnisbehörde, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, ergibt sich hier aus § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV, da der Antragsteller am 25. Mai 2015 im Straßenverkehr ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von (deutlich) mehr als 1,6 Promille geführt hat. Für das Führen eines Fahrrads im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV ist ausreichend, wenn der Betroffene auf einem rollenden Fahrrad sitzt, da ein rollendes Fahrrad des Lenkens bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755 – juris m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob der Bodenkontakt mit den Füßen „gelöst“ ist – auch wenn dies grundsätzlich nahe liegt -, da maßgeblich ist, dass der Fahrzeugführer das Fahrzeug bewusst in Bewegung gesetzt hat und in dessen Folge das Fahrrad weiterer Lenkbewegungen bedarf. Im vorliegenden Fall steht aufgrund des Akteninhalts, insbesondere der unwidersprochen gebliebenen Angaben des Polizeibeamten G* im Aktenvermerk vom 09. August 2015 sowie in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Schweinfurt vom 21. Oktober 2015 fest, dass der Antragsteller das Fahrrad bewusst in Bewegung gesetzt hat und mit dem Rad unter starken Lenkbewegungen gerollt ist. Die Kammer bildet sich dabei ihre Überzeugung aus den zur Verfügung stehenden Angaben des Betroffenen bzw. der Zeugen und ist durch die Einstellung des Strafverfahrens nicht aufgrund der Unschuldsvermutung gehindert, von der Verwirklichung eines objektiven Straftatbestandes auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2014 – 11 CE 14.11 – juris). Damit wurde vom Antragsteller das Fahrrad eindeutig geführt. Der Feststellung eines Bodenkontakts der Füße des zu diesem Zeitpunkt auf dem rollenden Rad sitzenden Antragstellers bedarf es hierfür nicht. Bei einem rollenden Fahrrad ist davon auszugehen, dass ein Führen im Sinn des § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV vorliegt. Zum einen liegt dann schon ein jedenfalls zeitweises und insoweit bereits ausreichendes „Lösen“ der Füße vom Boden auf der Hand, da diese sonst über den Boden „schleifen“ würden (so auch BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755 – juris Rn. 18). Zum anderen geht von einer sich auf einem rollenden Fahrrad im Straßenverkehr fortbewegenden Person – auch bei einer Art „Laufrad-Fahren“ – eine im Vergleich zu einem Fußgänger auf einem Fußgängerweg, der ggf. ein Fahrrad neben sich schiebt, eine offenkundig deutlich erhöhte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr aus, der durch eine mögliche Berücksichtigung eines solchen Verhaltens im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV entsprechend Rechnung zu tragen ist.
Die Fragestellung zur Gutachtensaufforderung ist nicht zu beanstanden, die Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 FeV liegen vor. Danach ist unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV festzulegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Darüber hinaus sind dem Betroffenen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung darzulegen. Dabei sind an die Einhaltung der formellen Kriterien strenge Anforderungen zu stellen, denn eine Gutachtensaufforderung ist nicht selbstständig anfechtbar und muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist (BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10; NdsOVG, U.v. 8.7.2014 – 12 LC 224/13 – juris Rn. 47). Diese Anforderungen sind hier gewahrt. In der Fragestellung wird unter Bezugnahme auf die Verkehrsteilnahme mit einem erlaubnisfreien Fahrzeug unter erheblichem Alkoholeinfluss gefragt, ob die körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs bzw. eines erlaubnisfreien Fahrzeuges erfüllt sind. Dem Betroffenen wird damit eindeutig klar, dass sich nach Ansicht der Behörde nur aus der Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss und nicht aus den ansonsten noch nachrichtlich aufgeführten Verkehrsordnungswidrigkeiten Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung ergeben und um welche Zweifel es sich handelt. Der Antragsteller wurde über die Folgen der Nichtvorlage bzw. der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens belehrt (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Der Antragsteller hat bis zum Ablauf der festgesetzten Frist das Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung nicht vorgelegt, so dass auf seine Nichteignung geschlossen werden durfte (§ 11 Abs. 8 FeV).
Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge stützt sich zutreffend und verhältnismäßig auf § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV.
Die Abgabepflicht hinsichtlich des Führerscheins folgt aus § 47 Abs. 1 FeV. Die nunmehr erledigte Androhung des Zwangsgeldes insoweit stützte sich zutreffend und verhältnismäßig auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
2.2. Weiterhin ergibt im Übrigen auch die Abwägung der betroffenen Interessen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt ist. Es ist nicht verantwortbar, den Antragsteller bis zur Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, da ein erhebliches öffentliches Interesse der Allgemeinheit besteht, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Angesichts der hohen Dunkelziffer von Trunkenheitsfahrten, rechtfertigt der Umstand der fehlenden alkoholbedingten Verkehrsauffälligkeit des Antragstellers bis 2014 keine andere Beurteilung. Persönliche Härten können beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Selbst wenn die Fahrerlaubnisentziehung gravierende Folgen sowohl beruflicher als auch privater Art für den Antragsteller hat, gebietet es die Sicherheit des Straßenverkehrs angesichts des zu Recht gezo genen Schlusses auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen, am Sofortvollzug festzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2014 – 11 CS 14.1627 – juris; B.v. 27.9.2013 – 11 CS 13.1399 – juris). Entsprechendes gilt auch für das Führen nicht erlaubnispflichtiger Fahrzeuge, da sich die Zweifel an der Nichteignung vorliegend gerade aus dem Führen eines Fahrrades im Straßenverkehr ergeben haben. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller die nachteiligen Folgen für sich hätte abwenden können, wenn er sich der geforderten Begutachtung gestellt hätte und das Gutachten vorgelegt hätte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (BayVBl 2014, Beilage Januar). Relevant sind hier nur die Fahrerlaubnisklassen A, B und C, die die anderen Fahrerlaubnisklassen mit abdecken (vgl. § 6 Abs. 3 FeV). Nach Nrn. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs war für die Fahrerlaubnis der Klassen A und B jeweils der Auffangwert von 5.000,00 EUR sowie nach Nr. 46.4 für die Fahrerlaubnis der Klasse C der eineinhalbfache Auffangwert von 7.500,00 EUR anzusetzen, insgesamt 17.500,00 EUR. Für das Eilverfahren war der Streitwert gemäß Nr. 1.5 Streitwertkatalogs zu halbieren.


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