Verkehrsrecht

Erfolglose Klage gegen Fahrtenbuchauflage

Aktenzeichen  Au 3 K 16.230

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVZO StVZO § 31a

 

Leitsatz

Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist iSv § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Hierbei gehört es zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand, den Fahrzeughalter unverzüglich, dh regelmäßig innerhalb von zwei Wochen von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung zu benachrichtigen. (red. LS Jan Luckey)
Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (Anschluss BVerwG MDR 1983, 782). Dies gilt auch dann, wenn – fehlerhaft – anwaltliche Akteneinsicht verweigert wird, solange dieser lediglich eine allgemeine Stellungnahme im Anschluss an die Akteneinsicht angekündigt hatte. (red. LS Jan Luckey)
Bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug kann unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Geschäftsfahrten nach seinen Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Der betroffene Betrieb trägt daher das Risiko, dass die fehlende Feststellbarkeit des Fahrers zu seinen Lasten geht. (red. LS Jan Luckey)
Der Halter eines Kraftfahrzeugs kann nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (Anschluss BVerwG NZV 2000, 385). (red. LS Jan Luckey)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Urteil kann aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Der Bescheid des Landratsamts A. vom 14. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen, § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO.
Die Voraussetzungen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage aus § 31a StVZO sind im Fall des Klägers gegeben.
a)Die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nach der Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vom 15. Juni 2015 war vorliegend nicht möglich.
aa) Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – BayVBl 1983, 310; B.v. 21.10.1987 – 7 B 162.87 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; B.v. 23.12.1996 – 11 B 84.96 – juris; BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 11 CS 15.6 – juris; B.v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2576 – juris Rn. 14). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – BayVBl 1983, 310). Vielmehr darf ein Fahrzeughalter, der unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, grundsätzlich durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90.89 – NJW 1989, 2704 Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.5.2010 – 11 ZB 09.2947 – juris Rn. 8). Allerdings muss die Verfolgungsbehörde auch in solchen Fällen naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen und das Ergebnis ihrer Bemühungen dokumentieren (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 11 BV 15.1164 – juris Rn. 17; B.v. 8.3.2013 – 11 CS 13.187 – juris Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 19.6.2012 – Au 3 K 12.287 – juris Rn. 19).
Grundsätzlich gehört es zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand der Verfolgungsbehörde, den Fahrzeughalter unverzüglich, d. h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung zu benachrichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5). Die Zweiwochenfrist stellt jedoch kein formales Tatbestandskriterium des § 31a Abs. 1 StVZO sowie keine starre Grenze dar. Vielmehr beruht die Fristbestimmung auf dem Erfahrungssatz, dass eine Person Vorgänge des persönlichen Lebensbereichs aus den letzten 14 Tagen im Regelfall wird erinnern oder jedenfalls noch rekonstruieren können. Die Zweiwochenfrist gilt hingegen nicht für vom Regelfall abweichende Gestaltungen, in denen bei typisierender Betrachtung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Gleiches gilt, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist, da diese nicht ursächlich für die unterbliebene Feststellung des Fahrers gewesen ist. An einem derartigen Kausalzusammenhang fehlt es, wenn die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf vor Einstellung des Bußgeldverfahrens bzw. Verfolgungsverjährung geltend gemachten Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruht, sondern z. B. auf seiner fehlenden Bereitschaft, zur Aufklärung des Sachverhalts – insbesondere durch Eingrenzung des möglichen Täterkreises und Förderung der Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreise der Nutzungsberechtigten – beizutragen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 14.5.1997 – 3 B 28/97 – juris; BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 11 BV 15.1164 – juris Rn. 18; B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606 – juris Rn. 13; B.v. 8.3.2013 – 11 CS 13.187 – juris Rn. 18; B.v. 8.11.2010 – 11 ZB 10.950 – juris Rn. 9; B.v. 10.10.2006 – 11 CS 06.607 – juris Rn. 20; VG Augsburg, U.v. 19.6.2012 – Au 3 K 12.287 – juris Rn. 20).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze wurden vorliegend im Ordnungswidrigkeitenverfahren behördlich nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den verantwortlichen Fahrer zu ermitteln.
Vorliegend hat der Kläger im zurückgesandten Zeugenfragebogen vom 28. Juli 2015 (Blatt 14 der Verwaltungsakte) erklärt, er mache von seinem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere behördliche Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar.
So liegt der Fall grundsätzlich auch hier. Die Polizeibehörden haben vorliegend gleichwohl das Restaurant des Klägers mehrfach erfolglos angefahren und nach dem Kläger gefragt. Auch mehrere polizeiliche Anrufe bzw. Anrufversuche bei der zwischenzeitlich als Ansprechpartner benannten Person (offenbar nicht der Steuerberater des Klägers, sondern dessen Versicherungsvertreter) blieben – dies wurde klägerseitig nur unsubstantiiert und pauschal bestritten – ergebnislos. Ebenfalls hat die Polizei im Wege eines Abgleichs des Tatlichtbilds mit einem in einer polizeilichen Datenbank hinterlegten Lichtbild des Klägers diesen als den Fahrer vom 15. Juni 2015 ausschließen können (siehe zum Ganzen: Polizeibericht der PI G. v. 14.9.2015, Blatt 18-20 der Verwaltungsakte). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche weiteren Ermittlungen die Polizei sachgerechterweise und mit angemessenem Aufwand noch hätte vornehmen können.
Auch die trotz des anwaltlichen Schreibens der Klägerseite vom 28. Juli 2015 (Blatt 15 der Verwaltungsakte) seitens der Bußgeldbehörde fehlerhaft nicht gewährte Akteneinsicht dürfte vorliegend einer hinreichenden behördlichen Ermittlungstätigkeit nicht entgegenstehen. Denn der Bevollmächtigte des Klägers hatte nach erfolgter Akteneinsicht lediglich allgemein eine Stellungnahme angekündigt. Die Klägerseite hatte jedoch nicht etwa zugesagt, nach erfolgter Akteneinsicht den verantwortlichen Fahrer vom 15. Juni 2015 zu benennen bzw. sonstige ermittlungsrelevante Angaben zu machen. Bei dieser Sachlage ist – gerade vor dem Hintergrund des zuvor im Zeugenfragebogen klägerseitig ausdrücklich in Anspruch genommenen Zeugnisverweigerungsrechts – nicht davon ausgehen, dass der Kläger bei erfolgter Akteneinsicht dazu beigetragen hätte, den Verantwortlichen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 15. Juni 2015 zu ermitteln. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass auch eine Akteneinsicht dem Kläger keine weiteren tatrelevanten Informationen gebracht hätte, die nicht bereits im Schreiben des Regierungspräsidiums K. vom 2. Juli 2015 nebst Tatlichtbild (Blatt 10 der Verwaltungsakte) enthalten gewesen sind. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass das dem Kläger im betreffenden Schreiben übersandte Tatlichtbild aus Sicht des Gerichts qualitativ durchaus geeignet war, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu identifizieren; das verkleinert abgedruckte Tatlichtbild ist auch qualitativ nicht schlechter oder weniger aussagekräftig als die vergrößerte Version in der Verwaltungsakte (vgl. dort Blatt 4). Ohnehin wurde eine schlechte Qualität des Tatlichtbilds klägerseitig zu keinem Zeitpunkt im Bußgeldverfahren – insbesondere nicht im anwaltlichen Schreiben vom 28. Juli 2015 – gerügt, so dass die betreffende erstmalige klägerische Einlassung im Klageverfahren, dass die Zeugnisverweigerung des Klägers zunächst nur mit Blick auf ein unscharfes Tatlichtbild erfolgt sei, aus Sicht des Gerichts eine bloße Schutzbehauptung darstellen dürfte.
Letztlich kann dies jedoch offen bleiben. Denn vorliegend ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich hier nach eigenen Angaben der Klägerseite (siehe Klagebegründung v. 11.3.2016, Blatt 36 der Gerichtsakte; vgl. hierzu auch die Fahrzeug-Zulassung auf die Vereinigung „China Restaurant“, Blatt 9 der Verwaltungsakte) um ein gewerblich genutztes Fahrzeug handelt.
Zwar trifft einen Kaufmann nach § 6 Abs. 1 HGB aus der Buchführungspflicht nach dem Handelsgesetzbuch über die Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung“ keine unmittelbare Pflicht, Fahrtenbücher oder Einsatzpläne vorzuhalten. Jedoch entspricht es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, auch Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Anders als etwa bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs durch verschiedene Familienmitglieder liegt dies im kaufmännischen Eigeninteresse, schon um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendungen der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können. Es kann angesichts der Dokumentationsobliegenheit unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Geschäftsfahrten nach seinen Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Nachdem es sich um eine Obliegenheit handelt, kommt es auch nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich eine Dokumentation der Fahrten in der einen oder anderen Form erfolgt ist. Wird der Obliegenheit nicht entsprochen, trägt der betroffene Betrieb das Risiko, dass die fehlende Feststellbarkeit des Fahrers zu seinen Lasten geht. In einer solchen Situation ist auch nicht von Relevanz, soweit die Vorlage von Lichtbildern zu einem Verkehrsversstoß nicht oder nicht in hinreichender Qualität möglich ist. Es ist nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht (vgl. VGH BW, B.v. 30.11.2010 – 10 S 1860/10 – NJW 2011, 628 m. w. N.). Die Polizei kann daher bei einem Unternehmen davon ausgehen, dass dort Unterlagen vorhanden sind, die Aufschluss über die Person des Fahrers im Tatzeitpunkt geben können. Es ist daher in einer solchen Situation grundsätzlich ausreichend, bei einem Unternehmen anzurufen und Auskunft aus diesen Unterlagen zu verlangen (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 11 ZB 15.171 – juris Rn. 12; B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606 – juris Rn. 12; B.v. 29.4.2008 – 11 CS 07.3429 – juris Rn. 15; B.v. 17.1.2013 – 11 ZB 12.2769 – juris Rn. 3/5).
Hiervon ausgehend ist im Fall des gewerblich tätigen Klägers zu fordern, dass dieser grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Geschäftsfahrten nach seinen Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Eine wie hier gleichwohl fehlende Feststellbarkeit des Fahrers vom 15. Juni 2015 geht daher ohne weiteres zulasten des Klägers, ohne dass es auf die Qualität des Tatlichtbilds, eine seitens der Bußgeldstelle nach Berufen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht gewährte Akteneinsicht oder den Status bzw. die Funktionen der durch die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen vor Ort angesprochenen Personen ankäme (vgl. allg. VG Augsburg, B.v. 30.7.2015 – Au 3 S 15.880 – juris Rn. 29 f.).
cc) Einer Fahrtenbuchauflage steht auch nicht entgegen, dass die erstmalige polizeiliche Befragung des Klägers zum Verkehrsverstoß vom 15. Juni 2015 erst mit Schreiben vom 2. Juli 2015 (Blatt 10 der Verwaltungsakte) – und damit mehr als zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß – erfolgt ist.
Ein fehlender Kausalzusammenhang zwischen verspäteter Anhörung und Nichtermittlung des verantwortlichen Fahrers ist insbesondere dann – wie hier – anzunehmen, wenn der Halter sich überhaupt weigert, sich zur Sache zu äußern. Denn sodann war für die Nichtbenennung des verantwortlichen Fahrers nicht ein mangelndes Erinnerungsvermögen ursächlich. Auf ein solches hat sich der Kläger vorliegend ohnehin zu keiner Zeit berufen (vgl. zum Ganzen allg. BayVGH, B.v. 8.11.2010 – 11 ZB 10.950 – juris Rn. 9 f.).
Unabhängig davon gilt die Zweiwochenfrist nicht für vom Regelfall abweichende Gestaltungen, in denen – bei typisierender Betrachtung – auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist. Von der ausnahmsweise Nichtgeltung der Zweiwochenfrist ist hiernach auszugehen, wenn – wie hier – ein Kaufmann im Sinne des Handelsrechts oder sonstiger Gewerbetreibender Halter des Fahrzeugs ist, mit dem die Verkehrszuwiderhandlung begangen worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 – 11 CS 07.3429 – juris Rn. 14 f.). In diesem Fall ist die verzögerte Anhörung nicht ursächlich für die unterbliebene Feststellung des Fahrers, da eine Identifizierung des Fahrzeuglenkers keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stellt (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606 – juris Rn. 13; VG Augsburg, B.v. 30.7.2015 – Au 3 S 15.880 – juris Rn. 32).
b) Der gegenständliche Verkehrsverstoß vom 15. Juni 2015 ist auch geeignet, die Anordnung eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen.
Es handelte sich vorliegend bei der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerorts von 120 km/h um 42 km/h um einen Verkehrsverstoß i. S.v. § 24 StVG i. V. m. §§ 41 Abs. 1, 49 StVO und der Anlage 2 zur StVO. Dieser wird nach Nr. 11.3.7 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (Bußgeldkatalog – BKat – inkl. Anhang zu Nr. 11 der Anlage) mit einer Regelgeldbuße von EUR 160,- und einem Monat Fahrverbot geahndet. Daneben ist hierfür gemäß Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV i. d. F. seit 1. Mai 2014 die Eintragung von zwei Punkten im neuen Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehen. Nach der bis zum 30. April 2014 gültigen Rechtslage wären gemäß Nr. 5.4 der Anlage 13 zu § 40 FeV a. F. drei Punkte im Verkehrszentralregister einzutragen gewesen (vgl. etwa VG München, U.v. 7.5.2013 – M 23 K 12.4393 – juris Rn. 24).
Bereits im Fall der erstmaligen Begehung eines Verkehrsverstoßes, der – wie hier – im Fall seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens einem Punkt im (ehemaligen) Verkehrszentralregister geführt hätte, ist die Auferlegung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt und verhältnismäßig, da es sich um einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht i. S.v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO handelt. Nicht erforderlich ist, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12/94 – BVerwGE 98, 227/229; B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 – BayVBl 2000, 380). Ferner ist es nicht erforderlich, dass eine Wiederholungsgefahr besteht (BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704), so dass auch die bloße Androhung einer Fahrtenbuchauflage für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung, bei der der verantwortliche Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein milderes, ebenfalls in Betracht kommendes Mittel wäre (zuletzt BayVGH, B.v. 18.11.2013 – 11 CS 13.1950 – juris Rn. 11; siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris Rn. 10).
c) Auch die behördliche Ermessensentscheidung, die Dauer der Fahrtenbuchauflage auf 15 Monate festzulegen, ist nicht zu beanstanden.
§ 31a StVZO enthält keine Aussage darüber, für welche Zeitspanne die Führung eines Fahrtenbuchs anzuordnen ist. Die Beantwortung dieser Frage bleibt vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen, die hierbei lediglich die zwingenden Vorgaben der Rechtsordnung, insbesondere den Gleichbehandlungs- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu beachten hat. Ein Fall intendierten Ermessens kann jedoch insoweit angenommen werden, als die Führung eines Fahrtenbuches den ihr zugedachten Zweck nur dann erfüllen kann, wenn sie für eine gewisse Dauer angeordnet wird, wobei sechs Monate im „unteren Bereich einer effektiven Kontrolle“ liegen (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12-94 – juris; siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606 – juris Rn. 14).
Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als Kriterium für ihre zeitliche Bemessung ist vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage wird daneben das Verhalten zu würdigen sein, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548, Rn. 31; VGH BW, B.v. 28.5.2002 – 10 S 1408/01 – VRS Bd. 103 [2002], S. 140/141). Die Mitwirkung des Halters besteht in diesen Fällen darin, den Fahrer des Tatfahrzeugs zu nennen, das Bestreiten des Verkehrsverstoßes ist keine Mitwirkung in diesem Sinne (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 24.6.2013 – 11 CS 13.1079 – juris Rn. 14).
Ausgehend von den obigen Anforderungen ist die gegenständliche Dauer der Fahrtenbuchauflage von 15 Monaten ermessensfehlerfrei und auch verhältnismäßig. Hinsichtlich der Dauer hat das Landratsamt in seinen Ermessenserwägungen maßgeblich auf die besondere Schwere des ungeahndet gebliebenen Verkehrsverstoßes vom 15. Juni 2015 abgestellt (siehe S. 5 des Bescheids, Blatt 34 der Verwaltungsakte, letzter Absatz). Unter diesem auch nach der Rechtsprechung für die Dauer zentralen Gesichtspunkt ist die Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von 15 Monaten bei einer Ordnungswidrigkeit, die mit einer Bewertung von zwei Punkten im Fahreignungsregister sowie einem Bußgeld von EUR 160,- nebst einem Monat Fahrverbot belegt ist, nicht zu beanstanden. Dies folgt bereits daraus, dass es sich vorliegend um eine ganz erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts von 120 km/h um 42 km/h (abzüglich Messtoleranz) gehandelt hat, die ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential aufgewiesen hat. Ermessensfehler i. S.v. § 114 VwGO sind insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Dauer ist überdies zu berücksichtigen, dass der Kläger – wie ausgeführt – an der Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht mitgewirkt hat (vgl. zum Ganzen: VGH BW, B.v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 – juris Rn. 14 f. – 15 Monate Fahrtenbuchauflage bei Geschwindigkeitsüberschreitung von 45 km/h außerorts verhältnismäßig).
d) Letztlich entspricht es auch ständiger Rechtsprechung, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs nicht verlangen kann, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568; BVerwG, B.v. 22.6.1995 – 11 B 7/95 – BayVBl 1996, 156; B.v. 11.8.1999 – 3 B 96/99 – BayVBl 2000, 380; BayVGH, B.v. 10.4.2006 – 11 CS 05.1980; B.v. 2.8.2007 – 11 ZB 06.1759; B.v. 20.3.2008 – 11 ZB 08.432; B.v. 22.4.2008 – 11 ZB 07.3419; B.v. 28.3.2011 – 11 CS 11.360; B.v. 1.2.2012 – 11 CS 11.2640). Ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten („nemo tenetur se ipsum accusare“), liegt darin nicht. Die Auferlegung einer Fahrtenbuchführung dient der Sicherheit des Straßenverkehrs, sie hat keinen Sanktionscharakter. Sie soll sicherstellen, dass in Zukunft der verantwortliche Fahrer eines Kraftfahrzeugs bei Zuwiderhandlungen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften ermittelt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606 – juris Rn. 12; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 28.1.2015 – 11 ZB 14.1129 – juris Rn. 24).
e) Auch die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 6 des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 31, 36 VwZVG.
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 6.000,- festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ausgabe 2013). Da vorliegend eine Fahrtenbuchauflage mit einer Länge von 15 Monaten streitgegenständlich war, war ein Betrag i. H. v. EUR 6.000,- festzusetzen (EUR 400,- x 15 Monate).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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