Verkehrsrecht

Ersatzfähige fiktive Reparaturkosten und Kosten für die Akteneinsicht nach einem Verkehrsunfall

Aktenzeichen  342 C 23638/17 (2)

Datum:
10.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 20372
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2
ZPO § 287

 

Leitsatz

1 Rechnet der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden mit den fiktiven Reparaturkosten ab und legt er dabei die mittleren orstüblichen Sundensätze einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde, so ist es dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer verwehrt, den Geschädigten auf die noch günstigeren Stundenverrechnungssätze einer anderen Referenzwerkstatt zu verweisen (Anschluss an OLG München BeckRS 2013, 16508). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fallen bei einer Fahrzeugreparatur ortsüblich UPE-Aufschläge und Verbringungskosten an, so sind diese im Rahmen der fiktiven Abrechnung einer Reparatur erstattungsfähig. Der Verweis des Schädigers oder seines Haftpflichtversicherers auf eine Referenzwerkstatt, die diese Kosten nicht berechnet, ist nicht möglich. (Rn. 18 und 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Kosten des Unfallgeschädigten für die Einsicht in eine auf den Unfall bezogene Ermittlungsakte einschließlich etwaiger Beweismittel können auch insoweit zum nach § 249 BGB ersatzfähigen Schaden gehören, als sie für die Einsicht in ein von einer Verkehrsüberwachungskamera aufgenommenes Video entstanden sind und deshalb besonders hoch (hier: 70,75 EUR) sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 977,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.12.2017 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.12.2017 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 14 % und die Beklagten samtverbindlich 86 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
6. Der Streitwert wird auf 1.131,80 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner noch einen Anspruch auf Zahlung von EUR 906,37 aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, für den die Beklagten unstreitig zu 100 Prozent gesamtschuldnerisch haften.
Denn von den noch eingeklagten Reparaturkosten i.H.v. EUR 1.061,05 war ausschließlich ein Abzug i.H.v. EUR 154,68 zu machen.
Hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze ist der Verweis der Klagepartei durch die Beklagtenseite auf die noch günstigeren Stundenverrechnungssätze der Referenzwerkstatt unzulässig, da dem klägerischen Gutachten bereits die mittleren ortsüblichen Sätze nicht markengebundener Fachwerkstätten zu Grunde liegen (Urteil OLG München, 13.09.2013, 10 U 859/13). Dies ist gerichtsbekannt aus dem Gutachten des Sachverständigen S. Az. 322 C 213/17 für den Großraum München. Hiernach betragen die mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze nichtmarkengebundener Fachwerkstätten in München:
Mechanik: EUR 120,56
Karosserie: EUR 120,56
Lackierer: EUR 123,49
Im Übrigen ist gerichtsbekannt, worauf auch der Sachverständige S. in seinem Gutachten hinwies, dass im Großraum München UPE-Aufschläge und Verbringungskosten ortsüblich anfallen, sodass diese bei einer fiktiven Reparaturabrechnung erstattungsfähig sind, § 287 ZPO.
Hinsichtlich der technischen Überprüfung kommt das Sachverständigengutachten ausführlichst und nachvollziehbar und von den Parteien unangegriffen zu dem Schluss, dass die Fahrzeugreinigung sowie die Position Unterbodenschutz, Hohlraumversiegelung, Radnabe reinigen, Prüfposition Beleuchtung, Arbeitsplatzwechsel und Entsorgungskosten nicht anzusetzen sind, sodass ingesamt ein Abzug von EUR 154,68 gemacht wird.
Für erforderlich hingegen hält der Sachverständige mit ausführlicher Begründung die Anfertigung eines Farbmusterbleches bzw. an der Mischanlage, was von den Parteien auch nicht angegriffen wird. Die Sicherheitsmaßnahmen für die Ofentrocknung i.H.v. EUR 24,11 seien ebenso ansetzbar. Zwar würde der Hersteller das nicht unbedingt fordern, es mache aber in jedem Fall Sinn, um Hitzeschäden zu vermeiden. Dieser nachvollziehbaren Beurteilung schließt sich das Gericht an.
Ferner sind die Kosten für die Akteneinsicht i.H.v. EUR 70,75 zu ersetzen. Der Kläger darf hier Akteneinsicht nehmen, dies stellt regelmäßig erforderliche Rechtsverfolgungskosten dar. Insbesondere bei einem Verkehrsunfall mit Spurwechsler, wo es teilweise sehr schwierig ist, den Verursacher zu 100 Prozent festzustellen, ist es dem Schädiger nicht zuzumuten, das vorliegende Video nicht anzuschauen. Insoweit waren auch die Kosten für die Akteneinsicht i.H.v. EUR 70,75 zuzusprechen. Die Rechtsanwaltskosten berechnen sich daher weiterhin aus einem Gegenstandswert von über EUR 5.000,–, sodass diese i.H.v. EUR 571,44 nach Abtretung der Forderung der Rechtsschutzversicherung an den Kläger ebenfalls zuzusprechen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung.


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