Verkehrsrecht

Fahrtenbuchauflage, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts (49 km/h), tatsächliches Feststehen des Verkehrsverstoßes, Geschwindigkeitsmessung mittels Poliscan FM1, standardisiertes Messsystem, keine Unverwertbarkeit der Messung wegen Fehlens von Rohmessdaten, ausreichende Ermittlungen

Aktenzeichen  W 6 K 20.1327

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVZO § 31a Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig aber unbegründet.
Da die verfahrensgegenständliche Fahrtenbuchauflage auf mindestens neun Monate befristet wurde, hat sich der Bescheid vom 17. August 2020 zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht durch Fristablauf erledigt und konnte hiergegen Anfechtungsklage erhoben werden. Die fristgerecht eingereichte Klage ist jedoch ohne Erfolg, da der Bescheid vom 17. August 2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt.
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO die Anordnung auch auf ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge erstrecken. Nach § 31a Abs. 3 StVZO hat der Fahrzeughalter das Fahrtenbuch der anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren.
Die vorgenannten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO lagen in dem vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vor (dazu 1.). Die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage von mindestens neune Monaten begegnet keinen Bedenken (dazu 2.). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Übrigen ebenso wenig ersichtlich wie ein Ermessensfehler (dazu 3.).
1. Da der Kläger Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … ist (dazu 1.1), mit diesem am 6. Juni 2020 ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen wurde (dazu 1.2) und die Ermittlung des hierfür verantwortlichen Fahrzeugführers in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen nicht möglich war (dazu 1.3), lagen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gegenüber dem Kläger vor.
1.1 Der Kläger war im Zeitpunkt des Bescheiderlasses Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …. Halter ist, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrt selbst bestimmen kann (BayVGH, B.v. 30.10.2012 – 11 ZB 12.1608 – juris). Der Kläger selbst hat seine Haltereigenschaft nicht in Frage gestellt.
1.2 Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass mit dem Fahrzeug des Klägers am 6. Juni 2020 die Verkehrszuwiderhandlung – Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h – begangen wurde (dazu 1.2.1). Diese stellt auch einen erheblichen Verkehrsverstoß dar und rechtfertigt bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage (dazu 1.2.2).
1.2.1 Die Bestimmung des § 31a StVZO setzt voraus, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss daher ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage die (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen (BayVGH, B.v 20.9.2007 – 11 CS 07.1198 – BeckRS 2007, 30485 Rn. 12; OVG NW, B.v. 5.3.2015 – 8 B 1213/14 – juris Rn. 5). Dabei genügt es – anders als im Strafprozess – wenn sich mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – BeckRS 2018, 26915 Rn. 11; B.v. 9.1.2012 – 11 CS 11.2727 – juris Rn. 29; OVG NW, B.v. 31.1.2018 – 8 A 3024/17 – BeckRS 2018, 957 Rn. 9; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 16). Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (OVG NW, B.v. 31.1.2018 – 8 A 3024/17 – BeckRS 2018, 957 Rn. 10).
Weder das Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren führt jedoch zur Annahme, dass die mit dem Pkw des Klägers begangene und vom Kreis D. dokumentierte Verkehrszuwiderhandlung vom 6. Juni 2020 tatsächlich nicht vorliegt. Insbesondere bestehen keine überzeugenden Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit der Geschwindigkeitsmessung infolge einer etwaigen Fehlfunktion oder Fehlbedienung des eingesetzten Messgeräts und führt das etwaige Fehlen von Rohmessdaten nicht bereits generell zur Unverwertbarkeit der Messung.
Für die Anordnung eines Fahrtenbuches ist davon auszugehen, dass geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte mit Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung hinreichend verlässlichen Beweis für eine Geschwindigkeitsmessung erbringen (vgl. VGH BW, B.v. 4.12.2013 – 10 S 1162/13 – BeckRS 2014, 45456; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 17). Denn bei einem solchen anerkannten standardisierten Messverfahren handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, wobei dies nicht bedeutet, dass die Messung in einem voll automatisierten, menschlichen Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfindet. Die Zulassung durch die PTB bietet bei Verwendung des Messgeräts im Rahmen der Zulassungsvorgaben nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BGHSt 39, 291 [43, 277] = NJW 1993, 3081) jedoch grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert. Bei standardisierten Messverfahren sind daher im Regelfall – ohne konkrete Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler – die Feststellungs- und Darlegungspflichten des Tatgerichts reduziert.
Dies wurde auch vom Bundesverfassungsgericht jüngst ohne Einschränkungen bestätigt (vgl. BVerfG, B.v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – NJW 2021, 455 Rn. 47 ff.). Es besteht deshalb kein Anlass an der bisherigen, auch dem vorangegangenen Eilbeschluss zugrundeliegenden Auffassung zu zweifeln, dass Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, nach Abzug der Messtoleranz auch im Zusammenhang mit der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden dürfen. Mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall weiterhin nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt (vgl. OVG NW, B.v. 4.1.2021 – 8 B 1781/20 – BeckRS 2021, 4 Rn. 7). Hierzu muss der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgeräts vortragen, wohingegen die bloß allgemeine Behauptung, die Messung sei fehlerhaft gewesen, das Gericht nicht zur näheren Aufklärung anhält. Gleiches gilt für pauschale Behauptungen des Betroffenen ins Blaue hinein, etwa, dass das Messgerät nicht richtig funktioniert habe, die Gebrauchsanweisung nicht eingehalten oder nachträglich Eingriffe an dem Gerät vorgenommen worden seien (vgl. BVerfG, B.v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – NJW 2021, 455 Rn. 46 m.w.N.).
In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass es sich bei der automatischen Verkehrsüberwachung mit dem Laserscanner Poliscan um ein gerichtsverwertbares standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG Berlin, B.v. 12.11.2015 – 3 Ws (B) 515/15 – 122 Ss 111/15, BeckRS 2015, 19017 Rn. 4; OLG Saarbrücken, B.v. 25.10.2017 – Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) – SVR 2018, 155). Für das vorliegend eingesetzte Nachfolgemodell Poliscan FM1 gilt nichts anderes (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 27.4.2020 – 2 RBs 61/20 – BeckRS 2020, 7757 Rn. 5; OLG Zweibrücken, B.v. 11.2.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19 – BeckRS 2020, 5104 Rn. 6 ff.; OLG Brandenburg, B.v. 2.1.2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 660/19 (380/19) – BeckRS 2020, 24 Rn. 6 ff.). Das Messgerät Poliscan FM1 (Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage) hat mit Zertifikat der PTB vom 23. Juni 2017 (DE-17-M-PTB-0033) die amtliche Bauartzulassung erhalten. Nach der durchgeführten Konformitätsbewertung sind bei diesem Gerätetyp die Messrichtigkeit, Messbeständigkeit und Zuordnungssicherheit gewährleistet, so dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (OLG Düsseldorf, B.v. 27.4.2020 – 2 RBs 61/20 – BeckRS 2020, 7757 Rn. 5). Das vom Kreis D. eingesetzte Gerät verfügte auch über eine bis 31. Dezember 2020 gültige Eichung (vgl. den in der Akte befindlichen Eichschein des Landesamts für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg vom 15.8.2019).
Das Gericht hält auch unter Berücksichtigung der im Hauptsacheverfahren vom Klägerbevollmächtigten schriftlich ergänzten Ausführungen an seiner im Eilbeschluss vom 11. November 2020 (W 6 S 20.1555) bereits dargelegten Auffassung fest, dass die Geschwindigkeitsmessung vom 6. Juni 2020 und der daraus folgende hinreichend sichere Beweis für den begangenen Verkehrsverstoß nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt wird, wonach das Fehlen eines Frontfotos auf eine Fehlfunktion oder Fehlbedienung des Messgerätes hindeute. Eine solche Schlussfolgerung erscheint weder zwingend noch naheliegend, da das vom Kreis D. eingesetzte Gerät Poliscan FM1 nach den technischen Angaben des Herstellers (abrufbar unter: www.vitronic.com/de; dazu auch Krumm in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, Anhang zu § 3 StVO Rn. 89 ff.) die zeitgleiche Überwachung verschiedener Fahrstreifen ermöglicht, wobei zwischen ankommendem und abfließendem Verkehr unterschieden werden kann. Bei einem Einsatz mittels Stativ ist über eine zusätzliche abgesetzte Kamera auch eine Verkehrskontrolle in zwei Fahrtrichtungen möglich. In einem Überwachungsbereich von bis zu ca. 75 m können Geschwindigkeitsverstöße auf bis zu vier Fahrspuren per Front- oder Heckmessung durchgeführt werden.
Ausweislich des Messprotokolls vom 6. Juni 2020 (Bl. 3 der Behördenakte) wurde die Verkehrsüberwachung in der Dorfstraße R. (gegenüber der Kfz-Werkstatt) dergestalt durchgeführt, dass die „Kamera I“ in Fahrtrichtung Ortsmitte ausgerichtet war und eine beidseitige Messung durchführte. Die abgesetzte Kamera („AbKam“) war in Fahrtrichtung Wesselburen ausgerichtet und führte ebenfalls eine beidseitige Kontrolle durch. Daher ist es naheliegend, dass der Führer des Fahrzeugs des Klägers von der Ortsmitte R. kommend bei Überschreitung des Bahnübergangs in etwa bis zum Standort des Messgeräts gegenüber der Kfz-Werkstatt noch nicht die innerorts zulässige Geschwindigkeit überschritten haben muss, sodass bis dahin kein Verstoß gemessen werden konnte und die in Ortsmitte ausgerichtete Kamera I deshalb auch kein (Front-)Foto anfertigte. Die vom Messgerät angefertigte Heckaufnahme dokumentiert, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Geschwindigkeitsverstoßes aus Richtung Ortsmitte kommend bereits am Messgerät sowie der in Richtung Ortsmitte ausgerichteten Kamera vorbeigefahren war und sich hinter der Kfz-Werkstatt im nicht mehr bebauten Ortsgebiet befand. In Anbetracht der Tatsache, dass die Geschwindigkeitsmessung in zwei Richtungen erfolgte, geht das Gericht davon aus, dass der Pkw erst nach Passieren des Messgerätes – den Ortsausgang vor Augen, aber offenbar noch vor dem Verkehrszeichen 311 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO – erheblich beschleunigt wurde. Dabei wurde das Fahrzeug von der in Richtung Wesselburen ausgerichteten abgesetzten Kamera („AbKam“) des Systems Poliscan FM1 bei der Geschwindigkeitsübertretung erfasst und von hinten fotografiert. Das bloße Fehlen eines Frontfotos sowie auch die weiteren Erklärungen des Klägers erschüttern die Beweiskraft der Geschwindigkeitsmessung demnach nicht. Entsprechendes gilt auch für das pauschale Vorbringen des Klägers, so kurz nach Überschreiten des Bahnübergangs sei eine derartige Beschleunigung nicht möglich gewesen. So erfolgte die Feststellung des Geschwindigkeitsverstoßes unter Berücksichtigung des vorliegenden Heckfotos sowie öffentlich zugänglicher Satellitenbilder (abrufbar unter: www.google.com/maps) der Örtlichkeit keinesfalls bereits 20 m hinter dem Bahnübergang, wie der Kläger vorbringen lässt. Da das vorliegende Beweisfoto zeigt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Messung bereits den bebauten Ortsbereich verlassen hatte, muss sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verstoßes ca. 100 m hinter dem Bahnübergang, aber noch innerhalb des Überwachungsbereichs des Messgeräts befunden haben. Der Kläger verfügt über ein stark motorisiertes Fahrzeug (VW Tuareg) und der Geschwindigkeitsverstoß wurde in einiger Entfernung zum Bahnübergang festgestellt, sodass kein Zweifel besteht, dass nach Passieren der Gleise eine Beschleunigung des Pkw – jedenfalls von der zulässigen Geschwindigkeit in Höhe von 50 km/h – auf 99 km/h grundsätzlich möglich war. Auch insoweit bestand daher keine Veranlassung, der vom Klägerbevollmächtigten ins Blaue hinein aufgestellten Behauptung von der Unrichtigkeit der Messung näher nachzugehen.
Auch bestehen keine überzeugenden Anzeichen für eine das Messergebnis in Frage stellende Fehlbedienung des Gerätes. Die die Messung durchführenden Mitarbeiter des Ordnungs- und Sicherheitsamtes des Kreises D. waren ausweislich der vorliegenden Schulungszertifikate des Geräteherstellers im Umgang mit dem Gerät Poliscan FM1 unterwiesen. Es sind auch keine Hinweise erkennbar, dass die vom Klägerbevollmächtigten behauptete fehlende Erfahrung der Messbeamten zu einer Fehlbedienung führte.
Schließlich ist nicht mit der vom Klägerbevollmächtigten angeführten Entscheidung des VerfGH Saarland vom 5. Juli 2019 (U.v. 5.7.2019 – Lv 7/17 – NJW 2019, 2456; vgl. auch – mit nicht tragenden Gründen – auf das Urteil des VerfGH Saarland v. 05.7.2019 [a.a.O.] ‚hinweisend‘ OLG Saarbrücken, B.v. 15.10.2019 – Ss Bs 59/19 – juris) schon generell von einer Unverwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung auszugehen, wenn das eingesetzte standardisierte Messegerät aufgrund der zugehörigen Messgerätesoftware neben dem dokumentierten Messergebnis keine sog. Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang aufzeichnet, abspeichert, vorhält oder sonst nach Abschluss der Messung zur nachträglichen Befundprüfung und „Plausibilisierung der Messrichtigkeit“ bereithält. Ob diese Rechtsprechung vorliegend überhaupt einschlägig ist, scheint schon zweifelhaft. So wird davon ausgegangen, dass das hier vom Kreis D. eingesetzte Messgerät Poliscan FM 1 durchaus in der Lage ist, die Rohmessdaten ex post für eine Überprüfung der Messung zu reproduzieren (vgl. OLG Koblenz, B.v. 9.7.2020 – 3 OWi 6 SsRs 189/20 – juris; offenlassend OLG Zweibrücken, B.v. 11.2.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19 – BeckRS 2020, 5104 Rn. 8; zweifelnd OVG Saarlouis, B.v. 30.3.2020 – 1 B 15/20 – juris). Dies kann letztlich aber dahinstehen, da die für das erkennende Gericht nicht bindende Rechtsauffassung des VerfGH Saarland in der genannten Entscheidung vom Grundansatz her schon nicht überzeugt. Das Gericht macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des BayObLG vom 9. Dezember 2019 (202 ObOWi 1955/19 – BeckRS 2019, 31165 Rn. 5 ff.) zu eigen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. November 2020 (2 BvR 1616/18 – NJW 2021, 455) entgegen der Darstellung des Klägerbevollmächtigten das Judikat des VerfGH Saarland vom 5. Juli 2019 (U.v. 5.7.2019 – Lv 7/17 – NJW 2019, 2456), das in der Rechtsprechung außerhalb des Saarlandes soweit ersichtlich einhellig abgelehnt wird (siehe etwa die Nachweise bei OLG Zweibrücken, B.v. 11.02.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19 – BeckRS 2020, 5104 Rn. 9), nicht bestätigt und auch nicht die gleiche Rechtsansicht vertreten hat, sondern diese Entscheidung in den Gründen weder zustimmend noch ablehnend erwähnt. Auch sonst wird vom Bundesverfassungsgericht nicht der Grundsatz aufgestellt, wonach eine Messung bei Fehlen von Rohmessdaten zur nachträglichen Überprüfung des Messvorgangs generell unverwertbar wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr – wie bereits erwähnt – die fachgerichtliche Rechtsprechung zum standardisierten Messsystem bestätigt. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt, dass der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens grundsätzlich auch das Recht hat, zu seiner Verteidigung Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden und bei der Bußgeldbehörde vorhanden sind, aber nicht zur Bußgeldakte genommen wurden, was im entschiedenen Fall zuvor von den Fachgerichten nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann im Einzelfall mit den formulierten Grenzen (vgl. BVerfG, B.v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – NJW 2021, 455 Rn. 55 ff.) durchaus ein Anspruch auf Zugang zu vorhandenen Rohmessdaten folgen. Dies setzt aber voraus, dass diese Daten im Rahmen der Messung vom eingesetzten System generiert und gespeichert wurden. Denn ein mit der Annahme, den Betroffenen belastende technische Beweise könnten und müssten jederzeit und vollständig rekonstruierbar sein, korrespondierender Anspruch auf Schaffung neuer, noch nicht existierender und deshalb auch für einen am Verfahren beteiligten potentiellen Antagonisten, etwa die Verfolgungsbehörde, nicht zugänglicher Beweismittel ist dem deutschen Verfahrensrecht fremd (BayObLG, B.v. 9.12.2019 – 202 ObOWi 1955/19 – BeckRS 2019, 31165 Rn. 11).
Aus diesen Gründen wirkt sich das vom Kläger beanstandete Fehlen von Rohmessdaten nicht schon für sich genommen auf die Verwertbarkeit des Messergebnisses aus. Dem käme allenfalls dann Bedeutung zu, wenn diese Informationen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen würden bzw. sofern sie in verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam gehalten werden durften (näher dazu OVG NW, B.v. 4.1.2021 – 8 B 1781/20 – BeckRS 2021, 4 Rn. 11 ff.). Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen. Es wurde schon nicht vom Kläger dargelegt, inwieweit Rohmessdaten für die Beurteilung des Tatvorwurfs hier verfahrensrelevant sein könnten. Der Verteidigungsansatz des Klägers beschränkt sich auf die – wie dargelegt nicht zutreffende – Behauptung, die Messung sei ohne verfügbare Rohmessdaten generell unverwertbar. Es wird aber darüber hinaus nicht erkennbar, inwieweit eine Verfügbarkeit von Rohmessdaten die Behauptung einer Fehlmessung hier konkret hätte stützten können. Der Kläger lässt auch nicht erkennen, dass er die Messergebnisse überhaupt einer näheren Überprüfung unterziehen möchte und dass und inwieweit er dafür auf die Rohmessdaten angewiesen sein könnte. Stattdessen beruft er sich abstrakt darauf, dass die Rohmessdaten nicht vorliegen und versucht allein daraus die Unverwertbarkeit der Messung abzuleiten. Eine Relevanz der Rohmessdaten für die Überprüfung des hier zugrunde gelegten Verkehrsverstoßes ist damit weder konkret aufgezeigt, noch ist dies hier sonst ersichtlich, da der Kläger auch im Übrigen nichts vorbringen konnte, was die Durchführung der vorliegenden Messung mithilfe eines standardisierten Messsystems substantiell hat in Zweifel ziehen können (vgl. auch OVG NW, B.v. 4.1.2021 – 8 B 1781/20 – BeckRS 2021, 4 Rn. 20). Hiernach bedurfte es zur Feststellung des Verkehrsverstoßes keiner weiteren Ermittlungen des Gerichts etwa im Hinblick auf eine Prüfung von Rohmessdaten, und es steht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der fragliche Verkehrsverstoß am 6. Juni 2020 begangen wurde.
1.2.2 Die Zuwiderhandlung vom 6. Juni 2020 stellt einen erheblichen Verkehrsverstoß dar, der bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus (BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227). Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist am Punktsystem zu orientieren. Die Gruppenbildung in Anlage 13 zu § 40 FeV, die an die Einstufung im Bußgeldkatalog anknüpft, enthält eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit. Nach der Rechtsprechung rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten ist, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, weil ein hinreichend gewichtiger Verkehrsverstoß vorliegt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris; OVG NW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – NJW 1999, 3279; NdsOVG, B.v 26.3.2012 – 2 LA 21/12 – juris). Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt hiernach nicht davon ab, ob er zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227 und B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 – juris; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris). Ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht liegt auch vor, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem neuen Punktsystem mit einem Punkt geahndet werden kann (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 16.6.2015 – 5 K 1730/15 – juris).
Die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h ist eine Ordnungswidrigkeit, die in der Regel nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) mit einer Geldbuße von 200,00 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat geahndet wird (§ 24 StVG i.V.m. § 41 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO i.V.m. Nr. 11.3 BKatV, Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 hierzu) und nach dem Fahreignungsbewertungssystem gemäß § 40 FeV i.V.m. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur FeV eine Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister zur Folge hat. Bei Anlegung des zuvor dargestellten Maßstabs liegt ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der auch bei nur einmaliger Verkehrszuwiderhandlung die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
1.3 Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit vom 6. Juni 2020 verantwortlichen Fahrzeugführers war in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen nicht möglich.
Für die Erfüllung des Begriffs der Unmöglichkeit im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist es nach ständiger Rechtsprechung ausreichend, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.1987 – 7 B 139.87 – juris). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, B.v. 25.6.1987 – 7 B 139.87 – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben liegt hier kein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit vor. Denn von der Bußgeldbehörde wurden – unter Berücksichtigung der Mitwirkungsbereitschaft des Klägers – die angemessenen und zumutbaren Nachforschungen zur Ermittlung des Fahrers angestellt, die jedoch ergebnislos blieben.
Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört, dass der Halter regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß zu befragen ist (st. Rspr., vgl. erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77/74 – NJW 1979, 1054). Eine Überschreitung der bei der Anhörung des Fahrzeughalters regelmäßig einzuhaltenden Zweiwochenfrist steht der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches nach der Rechtsprechung jedoch dann nicht entgegen, wenn sie für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers nicht ursächlich war. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die ergebnislose Ermittlung nicht auf Erinnerungslücken des Halters beruht, sondern etwa auf einer fehlenden Bereitschaft, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO, Rn. 30).
Im vorliegenden Falle ging dem Kläger nach Ermittlung seiner Haltereigenschaft zunächst ein Zeugenfragebogen zu, datiert vom 18. Juni 2020, somit innerhalb der Zweiwochenfrist. Ein genauer Zugangsnachweis ergibt sich aus den vorliegenden Akten zwar nicht. Wann der Zeugenfragebogen den Kläger erreicht hat, kann jedoch letztlich dahinstehen, denn erkennbar waren nicht Erinnerungslücken des Klägers ursächlich für die Nichtermittelbarkeit des Fahrzeugführers, sondern dessen nicht ausreichende und zumutbare Mitwirkung bei der Aufklärung. Erst als der Kläger in einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter des Kreises D. am 23. Juni 2020 erfuhr, dass kein Frontfoto vorliegt, erklärte der Kläger, es seien vier mögliche Fahrzeugführer an Bord gewesen. Auch in der E-Mail vom 25. Juni 2020 wies der Kläger ohne nähere konkretisierende Angaben daraufhin, es kämen vier Personen als Fahrer in Betracht. Aus den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 wird indes erkennbar, dass nicht Erinnerungslücken des Klägers für die unterbliebene Nennung der im Fahrzeug anwesenden Personen ursächlich waren, sondern der Umstand, dass der Kläger hiernach nicht gefragt worden sei; die neben dem Kläger anwesende Lebensgefährtin, seine Schwester sowie deren Lebensgefährte – so das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten – hätten in diesem Falle bei konkreter Nachfrage „problemlos“ benannt werden können. Demnach beruhte die Nichtnennung der in Frage kommenden Personen nicht darauf, dass der Kläger sich bei den Ermittlungen der Bußgeldbehörde nicht mehr an die in Betracht kommenden Fahrer erinnern konnte, sondern darauf, dass er hiernach nicht gefragt worden sei. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger keine konkreten Angaben zur Identität der möglichen Fahrzeugführer gemacht. All diese Umstände zeigen zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger an der Aufklärung des Fahrzeugführers nicht mitwirken will und letztlich nicht Erinnerungslücken maßgebend sind. Hat der Kläger nicht in ausreichendem und zumutbarem Maße an der Ermittlung des Fahrzeugführers mitgewirkt, so sind weitergehende Ermittlungen aber nicht veranlasst.
So darf die Behörde ihre Ermittlungstätigkeit grundsätzlich am Fahrzeughalter ausrichten und regelmäßig auf zeitraubende, kaum Erfolg versprechende weitere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, wenn der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt ist, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Dies gilt unabhängig von den Gründen, warum der Fahrzeughalter zu seiner Mitwirkung nicht gewillt ist, und unbeschadet dessen, dass er zu einer Mitwirkung auch nicht verpflichtet wäre, etwa weil er nicht verpflichtet ist, sich selbst oder Familienangehörige zu belasten. Eine Anhörung zum Verkehrsverstoß begründet für den Halter eine Obliegenheit, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes soweit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört insbesondere, dass er zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung mit Nachfrage im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 31 m.w.N.). Dieser Obliegenheit wird der Halter dann nicht gerecht, wenn er wie hier keine Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Insoweit genügte auch die Mitteilung des Klägers im Rahmen der Anhörung (E-Mail vom 31.7.2020) nicht, wonach sein Fahrzeug „in der Regel“ zu 20% von seiner Lebensgefährtin und zu 80% von ihm gefahren werde. Weder ließ sich hieraus ablesen, wer den konkreten Verkehrsverstoß an jenem Tag begangen haben könnte, noch bot diese Angabe ohne gleichzeitige Nennung von Namen und Anschrift der Lebensgefährtin einen Ansatzpunkt für erfolgversprechende Ermittlungen. Es erschließt sich dem Gericht auch nicht, warum nach Auffassung des Klägerbevollmächtigten ein Ermittlungsdefizit vorliegen soll, weil der Kläger von keinem in D. ermittelnden Polizeibeamten befragt wurde. Dass eine Einschaltung der örtlichen Polizei nicht zielführend war, folgt ohne weiteres schon daraus, dass dem Kreis D. nach Feststellung des Verstoßes der genaue Aufenthaltsort des in Unterfranken wohnenden Klägers und Halters des fraglichen Fahrzeugs nicht bekannt war und die bloße Geschwindigkeitsübertretung auch in keinem vernünftigen Verhältnis zur Einleitung einer örtlichen Fahndung steht. Schließlich kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er sei nicht nach den konkreten Namen der in Betracht kommenden Personen gefragt worden. Der Kläger hätte spätestens im Rahmen der vom Kreis D. im Telefonat vom 23. Juni 2020 erbetenen schriftlichen Mitteilung (E-Mail des Klägers vom 25.6.2020) auch ohne eine von ihm in Abrede gestellte ausdrückliche Frage nach dem in Betracht kommenden Personenkreis von sich aus alle möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrzeugführers geben müssen. Dies liegt – entsprechend dem Zweck der Befragung – auf der Hand (vgl. NdsOVG, B.v. 4.12.2003 – 12 LA 442/03 – BeckRS 2004, 20377 Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 35).
Bei Gesamtbetrachtung aller Umstände ist somit nicht von einem Ermittlungsdefizit auszugehen.
2. Auch die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage (unbefristet, mit der Möglichkeit der Aufhebung nach neun Monaten auf Antrag unter der Bedingung eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches) in Ziff. III des Bescheides ist nicht zu beanstanden. Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, deren Anordnung (zunächst) auch für unbestimmte Zeit zulässig ist. Sofern die Voraussetzungen entfallen, kann Aufhebung begehrt werden. Die Zeitspanne von (mindestens) neun Monaten, während der ein Fahrtenbuch zu führen ist, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als angemessen zu beurteilen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Dazu ist eine gewisse Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich; neun Monate stellen dabei keine übermäßige Belastung dar. Das Landratsamt hat von dem ihm bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
3. Die Fahrtenbuchauflage ist auch (im Übrigen) nicht unverhältnismäßig und auch sonst nicht ermessensfehlerhaft.
Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
So verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs auch dann nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn es sich um einen erstmaligen Verstoß gehandelt haben sollte. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht erforderlich ist, dass künftig gerade durch den Fahrzeughalter als Fahrzeugführer eine Wiederholungsgefahr gegeben ist (BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704).
4. Auch die weiteren getroffenen Verfügungen in Ziff. II und IV des Bescheids vom 17. August 2020 entsprechen den Vorgaben des § 31a Abs. 2 und 3 StVZO. Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen keine Bedenken. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
5. Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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